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ZAP-2019-23

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<strong>ZAP</strong><br />

Zeitschrift für die Anwaltspraxis<br />

<strong>23</strong> <strong>2019</strong><br />

4. Dezember<br />

31. Jahrgang<br />

ISSN 0936-7292<br />

Herausgeber: Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels, Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer • Rechtsanwalt beim<br />

BGH Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, Karlsruhe • Rechtsanwalt Martin W. Huff, Köln • Prof. Dr. Martin Henssler, Institut für<br />

Anwaltsrecht, Universität zu Köln • Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann, Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins •<br />

Rechtsanwalt und Notar Herbert P. Schons, Duisburg • Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen • Rechtsanwalt<br />

Dr. Hubert W. van Bühren, Köln Begründet von: Rechtsanwalt Dr. Egon Schneider<br />

AUS DEM INHALT<br />

Kolumne<br />

Der holprige Kanzleialltag mit dem beA (S. 1211)<br />

Anwaltsmagazin<br />

Rentenversicherung der Syndikusanwälte (S. 1215) • Erleichterung der Stiefkindadoption<br />

geplant (S. 1217) • Ergebnisse zur Reform des Sorge‐ und Umgangsrechts (S. 1217)<br />

Aufsätze<br />

C. Börstinghaus, Mietpreisbremse und Kappungsgrenzen (S. 1225)<br />

Sartorius/Gundel, Rechtsprechungsübersicht zum Arbeitsrecht (S. 1241)<br />

N. Schneider, Das Quotenvorrecht in der Rechtsschutzversicherung (S. 1261)<br />

Eilnachrichten<br />

OLG Bremen: Eilverfahren zur Herausgabe des Segelschulschiffs Gorch Fock (S. 1222)<br />

BVerfG: Erforderliche Neuregelung des Hartz-IV-Sanktionsregimes (S. 12<strong>23</strong>)<br />

BGH: Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bei Vermögensverfall (S. 1224)<br />

In Zusammenarbeit mit der<br />

Bundesrechtsanwaltskammer


Inhaltsverzeichnis Fach Fach/Seite Heft/Seite<br />

Kolumne – – 1211–1212<br />

Anwaltsmagazin – – 1213–1218<br />

Eilnachrichten 1 175–180 1219–1224<br />

C. Börstinghaus, Mietpreisbremse und Kappungsgrenzen<br />

– Gesetzliche Grundlagen und Übersicht<br />

der Gemeinden mit Mietpreisbeschränkungen 4 1827–1842 1225–1240<br />

Sartorius/Gundel, Rechtsprechungsübersicht zum<br />

Arbeitsrecht – 1. Halbjahr <strong>2019</strong> 17 R 963–982 1241–1260<br />

N. Schneider, Das Quotenvorrecht in der Rechtsschutzversicherung<br />

24 17<strong>23</strong>–1736 1261–1274<br />

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Redaktionsbeirat<br />

Ass. jur. Dr. Helene Bubrowski, Frankfurt/M. (F 25) • RiOLG a.D. RA Detlef Burhoff, Münster/Augsburg (F 9, 21, 22, 22R) • Prof. Dr.<br />

Nikolaj Fischer, Frankfurt/M. (F 2) • RA Prof. Dr. Eckhard Flohr, Gasteig/Kirchdorf i.T. (F 6) • RA Dr. Lutz Förster, Brühl (F 12) • RA Dr.<br />

Andreas Geipel, München (F 13) • RA Dr. Peter Haas, Bochum (F 20) • VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin (F 24) • RAin Dr.<br />

Annegret L. Harz, München (F 4, 4R, 7) • RA Prof. Dr. Bernd Hirtz, Köln (F 15) • RA Martin W. Huff, Köln (F <strong>23</strong>) • RAuN Daniel Krause,<br />

Braunschweig (F 5) • RAin Dr. Kirstin Maaß, Köln (F 17, 17R) • RA a.D. Ralf Rödel, Málaga (F 19, 19R) • RA Dr. Ulrich Sartorius,<br />

Breisach a.R. (F 18) • RA Volker Simmer (F 3) • RiAG a.D. Prof. Dr. Heinz Vallender, Erftstadt (F 14) • RA Dr. Hubert W. van Bühren,<br />

Köln (F 10) • RiAG a.D. Dr. Wolfram Viefhues, Gelsenkirchen (F 11, 11R) • RA Guido Vierkötter, Neunkirchen-Seelscheid (F 16) • RA<br />

beim BGH Dr. Christian Zwade, Karlsruhe (F 8).<br />

Ständige Mitarbeiter<br />

Prof. Dr. Wilfried Alt, Frankfurt/M. • VorsRiVG a.D. Prof. Dr. Bernd Andrick, Gelsenkirchen • RiAG Prof. Dr. Ulf Börstinghaus,<br />

Gelsenkirchen • RiSG Thomas Bubeck, Freiburg • RiOLG a.D. RA Detlef Burhoff, Münster/Augsburg • VorsRiOLG Dr. Christoph Eggert,<br />

Düsseldorf • Prof. Dr. Nikolaj Fischer, Frankfurt/M. • RA Prof. Dr. Eckhard Flohr, Gasteig/Kirchdorf i.T. • VorsRiLG a.D. Uwe Gottwald,<br />

Vallendar • RA Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen, Köln • RA Dr. Peter Haas, Bochum • VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin • RA<br />

Dr. Wolfgang Hartung, Mönchengladbach • Prof. Dr. Martin Henssler, Köln • RA, Justitiar Haus u. Grund Dr. Hans Reinold Horst,<br />

Hannover/Solingen • RiAG Ralph Kossmann, Wuppertal • Notar Dr. Hans-Frieder Krauß, Hof • RAuN Dr. Wilhelm Krekeler, Dortmund<br />

• RA Günter Lange, Haltern • RA Dr. Jörg Lauer, Mannheim • PräsSG a.D. RA Dr. Klaus Louven, Geldern • RA Dietmar Mampel, Bonn •<br />

RA Prof. Dr. Volkmar Mehle, Bonn • RA Prof. Dr. Ralf Neuhaus, Dortmund • RA Kai-Jochen Neuhaus, Dortmund • RA Dr. Mark Niehuus,<br />

Mühlheim a.d.R. • RA Prof. Dr. Hermann Plagemann, Frankfurt/M. • RiOLG a.D. Heinrich Reinecke, Lehrte • RA beim BGH Prof. Dr.<br />

Ekkehart Reinelt, Karlsruhe • RA Dr. Kurt Reinking, Köln • RA Prof. Dr. Franz Salditt, Neuwied • RA Dr. Ulrich Sartorius, Breisach a.R. •<br />

PräsLG a.D. Kurt Schellhammer, Konstanz • RA Norbert Schneider, Neunkirchen • RiAG a.D. Kurt Stollenwerk, Bergisch Gladbach •<br />

RiAG a.D. Prof. Dr. Wilhelm Uhlenbruck, Köln • RiAG Prof. Dr. Heinz Vallender, Erftstadt • RA Dr. Hubert W. van Bühren, Köln.<br />

Impressum<br />

Manuskripte: Der Verlag haftet nicht für unverlangt eingesandte Manuskripte. Die Annahme zur Veröffentlichung erfolgt<br />

schriftlich. Mit der Annahme überträgt der Autor dem Verlag das ausschließliche Verlagsrecht. Eingeschlossen sind insb. die<br />

Befugnis zur Einspeicherung in eine Datenbank sowie das Recht der weiteren Vervielfältigung. Haftungsausschluss: Verlag und<br />

Autor/en übernehmen keinerlei Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der abgedruckten Inhalte. Insb. stellen<br />

(Formulierungs-)Hinweise, Muster und Anmerkungen lediglich Arbeitshilfen und Anregungen für die Lösung typischer Fallgestaltungen<br />

dar. Die Verantwortung für die Verwendung trägt der Leser. Urheber- und Verlagsrechte: Alle Rechte zur<br />

Vervielfältigung und Verbreitung sind dem Verlag vorbehalten. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen<br />

Einrichtungen. Anzeigenverwaltung: <strong>ZAP</strong> Verlag GmbH, Rochusstr. 2–4, 531<strong>23</strong> Bonn, E-Mail: anzeigen@zap-verlag.de.<br />

Erscheinungsweise: zweimal im Monat. Bezugspreis: Jährlich 245,- € zzgl. MwSt. und Versandkosten. Der Abonnementsvertrag<br />

ist auf unbestimmte Zeit geschlossen; Preisänderungen bleiben vorbehalten. Abbestellungen müssen sechs Wochen zum<br />

Jahresende erfolgen. Verlag: <strong>ZAP</strong> Verlag GmbH, Rochusstr. 2–4, 531<strong>23</strong> Bonn, Telefon: 0228/91911-62, Telefax: 0228/91911-66, E-Mail:<br />

service@zap-verlag.de. Redaktion: RAin Astrid von Schweinitz (V.i.S.d.P.) – verantwortliche Redakteurin; Peggy von Schoenebeck –<br />

Redaktionsassistentin, E-Mail: redaktion@zap-verlag.de.<br />

Druck: Hans Soldan Druck GmbH, Essen. ISSN 0936-7292


<strong>ZAP</strong><br />

Kolumne<br />

Kolumne<br />

Der holprige Kanzleialltag mit dem beA<br />

Der Slogan der Bundesrechtsanwaltskammer<br />

(BRAK) für das beA „Digital.Einfach.Sicher“ klingt<br />

gut, aber im Kanzleilalltag gibt es dann doch jede<br />

Menge Hürden zu überwinden.<br />

Die Auswirkungen des beA auf meinen Kanzleialltag<br />

sind enorm: Es geht dabei nicht nur um den<br />

Zeitaufwand für Installation, Updates und Schulungen<br />

sowie die Notwendigkeit, sich auch als<br />

Einzelanwältin neben der juristischen Arbeit intensiv<br />

mit IT-Fragen beschäftigen zu müssen.<br />

Auch die umständliche Benutzeroberfläche und<br />

ein schlechter Hotline-Service des beA sind selbst<br />

bei bestehendem Interesse, das beA gleich richtig<br />

nutzen zu wollen, ein nervenaufreibender Faktor,<br />

der nicht dazu beiträgt, dass man sich schnell mit<br />

dem beA anfreunden mag.<br />

Ich nutze das beA mittlerweile nicht nur, um<br />

Gerichtspost zu empfangen, sondern auch zum<br />

Versand. Es erspart mir schließlich das umständliche<br />

Ausfertigen von Schriftsätzen und das<br />

Kopieren von teils umfangreichen Anlagen. Als<br />

ein Unsicherheitsfaktor hat sich dabei die mal<br />

mehr, mal weniger große Störanfälligkeit des beA<br />

erwiesen, so dass bei fristgebundenen Angelegenheiten<br />

durchaus haftungsträchtige Fragen<br />

auftauchen können. Also rufe ich wieder häufiger<br />

bei Gericht an, um mich zu erkundigen, ob ein<br />

Schriftsatz auch tatsächlich angekommen ist,<br />

und nutze die Fristen nicht bis zum allerletzten<br />

Tag aus, so dass im Ernstfall noch genügend Zeit<br />

bleibt, per Fax oder Briefpost zu versenden. Ich<br />

betrachte das als Rückschritt, soll doch die<br />

Digitalisierung den Kanzleialltag und den Umgang<br />

mit den Justizbehörden vereinfachen und<br />

Kosten auf beiden Seiten einsparen.<br />

Aus Telefonaten mit Mitarbeitern von Geschäftsstellen<br />

bei Gericht ist mir bekannt, dass diese gar<br />

nicht richtig auf den elektronischen Rechtsverkehr<br />

vorbereitet sind, je nach Bundesland sind sie<br />

ganz ordentlich bis gar nicht darauf eingerichtet.<br />

In der Justiz scheint es nicht nur an leistungsfähiger<br />

Hard- und Software zum Führen von<br />

eAkten zu fehlen, sondern es werden auch fast<br />

immer alle Schriftsätze mit Anlagen ausgedruckt,<br />

sortiert und oft an andere Verfahrensbeteiligte<br />

per Post weitergeleitet, und das kostet Zeit und<br />

Geld – da sind die Justizmitarbeiter nicht zu<br />

beneiden. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen,<br />

zunächst die Justiz technisch wie organisatorisch<br />

fit für den elektronischen Rechtsverkehr zu<br />

machen, ehe man die Anwaltschaft zur Nutzung<br />

des beA verpflichtet.<br />

Vollkommen unübersichtlich wird es, wenn innerhalb<br />

der Gerichte eine Kammer den ERV und das<br />

beA nutzt, aber andere Kammern am herkömmlichen<br />

Versand mit Briefpost festhalten. Diese<br />

Erfahrungen mache ich jedenfalls derzeit mit dem<br />

Arbeitsgericht München und dem Sozialgericht<br />

München. Es gibt auch die Variante, dass innerhalb<br />

einer Kammer mal via beA, mal per Briefpost<br />

versandt wird, das kommt dann offenbar auf die<br />

Art und den Umfang der Mitteilung an. Es scheint<br />

vom Zufall abhängig zu sein, ob in einem Gerichtsverfahren<br />

der ERV und das beA verwendet werden.<br />

Es wäre sehr zu begrüßen, wenn es seitens<br />

der Justiz eine einheitliche Linie gäbe, denn der<br />

Aufwand für die Kontrolle aller Posteingangsmöglichkeiten<br />

und für die Bearbeitung des Posteingangs,<br />

wie Scannen und Zuordnen zu den einzelnen<br />

Akten, wird gerade in kleinen Kanzleien mit<br />

wenig Personal so derzeit eher mehr als weniger.<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1211


Kolumne<br />

<strong>ZAP</strong><br />

Die Gerichte monieren auch, dass es nicht ausreichend<br />

ist, beim Versand über das beA den<br />

Schriftsatz und die Anlagen eindeutig zu bezeichnen<br />

und im richtigen Format zu versenden,<br />

sondern dass es überdies notwendig ist, auf dem<br />

Schriftsatz und den Anlagen exakt die gleiche<br />

Bezeichnung zu verwenden, denn eine Schwachstelle<br />

des beA ist es zurzeit offenbar, dass die<br />

Schriftstücke und Anlagen, z.B. K1 bis K5 nicht in<br />

der Reihenfolge beim Empfänger ankommen, wie<br />

sie versandt werden; so entsteht bei der Justiz ein<br />

enormer Sortieraufwand, für den die Anwaltschaft<br />

m.E. aber nicht verantwortlich ist.<br />

Weitere Unstimmigkeiten mit den Gerichten<br />

entstehen auch, wenn von mir ein Empfangsbekenntnis<br />

elektronisch angefordert wird für<br />

einen Gerichtsschriftsatz, den ich nie, weder per<br />

beA noch per Post, erhalten habe. Erst durch eine<br />

telefonische Nachfrage bei der Geschäftsstelle<br />

erfahre ich dann, dass es wohl technische Probleme<br />

gab und zugegeben wird, dass der Schriftsatz,<br />

dessen Empfang ich bestätigen soll, gar nicht<br />

korrekt versandt wurde.<br />

Neben den Problemen mit der Justiz scheint aber<br />

auch die Akzeptanz des beA innerhalb der Anwaltschaft<br />

noch nicht deutlich gewachsen zu sein. Man<br />

ist zwar, wie gesetzlich vorgeschrieben, empfangsbereit,<br />

aber eben nicht immer willig, auch schon<br />

mal aktiv Schriftsätze an Kollegen und Kolleginnen<br />

zu versenden. Ich mache die Erfahrung, dass die<br />

Reaktionszeiten auf Schriftsätze oft länger sind,<br />

wenn ich das beA verwende. Bei telefonischer<br />

Nachfrage reagieren die Kollegen und Kolleginnen<br />

oft abwehrend und bitten ausdrücklich um die<br />

Verwendung der vertrauten Kommunikationsmittel<br />

wie Fax oder unverschlüsselte E-Mail.<br />

Fazit: Es bleibt noch ein langer Weg bis zur<br />

problemlosen alltäglichen Nutzung des ERV und<br />

des beA, denn es fehlt häufig noch sowohl an den<br />

organisatorisch-technischen Voraussetzungen als<br />

auch an der Bereitschaft aller Beteiligten, das beA<br />

als Teil der Digitalisierung der Anwaltstätigkeit als<br />

etwas Selbstverständliches zu begreifen.<br />

Rechtsanwältin und Fachanwältin für<br />

Arbeitsrecht PETRA GEIßINGER, Aßling/Oberbayern<br />

1212 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


<strong>ZAP</strong><br />

Anwaltsmagazin<br />

Anwaltsmagazin<br />

Experten skeptisch gegenüber<br />

Anti-Share-Deals-Gesetz<br />

Die Bundesregierung möchte Umgehungen bei der<br />

Erhebung der Grunderwerbsteuer eindämmen und<br />

hat deshalb ein Gesetzesvorhaben auf den Weg<br />

gebracht, mit dem entsprechende Gestaltungen<br />

erschwert werden (vgl. dazu <strong>ZAP</strong>-Anwaltsmagazin<br />

20/<strong>2019</strong>, S. 1046). Zu diesem Vorhaben fand Mitte<br />

Oktober eine Expertenanhörung im Finanzausschuss<br />

des Deutschen Bundestags statt.<br />

Dort bezweifelten allerdings einige Experten, dass<br />

die Anzahl zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer<br />

vorgenommener Share Deals mit dem von<br />

der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines<br />

Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes<br />

(BT-Drucks 19/13437) in Zukunft<br />

reduziert werden könne. Dem Gesetzentwurf, so<br />

die Kritiker, fehle eine zielgenaue Ausrichtung,<br />

so dass mit erheblichen „Kollateralschäden“ für<br />

sämtliche Branchen zu rechnen sei.<br />

Laut Gesetzentwurf wird Grunderwerbsteuer<br />

immer dann fällig, wenn das Eigentum an einem<br />

Grundstück übergeht. Um Grunderwerbsteuer zu<br />

vermeiden, werde häufig ein Unternehmen gegründet,<br />

dessen einziger Vermögensgegenstand<br />

ein Grundstück sei. Wenn statt des Grundstücks<br />

tatsächlich Anteile an dieser Gesellschaft erworben<br />

würden, bleibe die Gesellschaft rechtlich<br />

Eigentümerin des Grundstücks. Ein Eigentumswechsel<br />

finde nicht statt. Nach der bisherigen<br />

Steuerregelung wird bei einem Erwerb von<br />

weniger als 95 % der Anteile einer solchen<br />

Gesellschaft innerhalb von fünf Jahren keine<br />

Grunderwerbsteuer fällig. Es werde davon ausgegangen,<br />

dass das Gestaltungsmodell Share<br />

Deals in der gegenwärtigen Rechtslage bei hochpreisigen<br />

Transaktionen zu durchaus nennenswerten<br />

Steuermindereinnahmen führen dürfte,<br />

heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs.<br />

Die Neuregelung sieht nun vor, dass die Beteiligungsschwelle,<br />

ab der ein Grundstückserwerb<br />

angenommen wird, auf 90 % abgesenkt wird.<br />

Außerdem soll die Frist verlängert werden, innerhalb<br />

derer die Anteilskäufe der neuen Eigentümer<br />

berücksichtigt werden. Sie soll in Zukunft statt fünf<br />

zehn Jahre betragen. Der als Sachverständiger<br />

geladene niedersächsische Finanzminister REINHOLD<br />

HILBERS (CDU) erklärte dazu, wer eine Gestaltung<br />

auf 94,9 % hinbekomme, bekomme auch 89,9 %<br />

hin. Der Gesetzentwurf erreiche die Ziele nicht,<br />

warnte HILBERS, der sich für ein „schlüssiges, effektives<br />

und systematisches Gesamtkonzept“ aussprach.<br />

Die Spitzenverbände der Deutschen Wirtschaft<br />

kritisierten, dass in Zukunft Unternehmen erfasst<br />

würden, die Immobilien für die operativen Geschäfte<br />

des Unternehmens benötigen würden,<br />

z.B. Produktionshallen und Bürogebäude. Bei<br />

diesen würden zukünftig wirtschaftlich sinnvolle<br />

Umstrukturierungen unter Beteiligung von grundbesitzenden<br />

Gesellschaften behindert. Ebenfalls<br />

wären Immobilien als Kapitalanlage, beispielsweise<br />

für Altersvorsorgeprodukte, davon betroffen,<br />

obgleich derartige Investitionen ebenfalls<br />

nicht aus Steuerspargründen getätigt würden.<br />

Kritik kam auch aus der Wissenschaft, wenn auch<br />

aus unterschiedlichen Gründen. So erläuterte Prof.<br />

HENNING TAPPE von der Universität Trier, dass die<br />

Absenkung der maßgeblichen Beteiligungsschwelle<br />

von 95 auf 90 % mit Blick auf die Verhinderung von<br />

solchen Gestaltungen ein Schritt in die richtige<br />

Richtung sei. Share Deals würden jetzt aber nicht<br />

unattraktiver, sicher verhindert würden sie auf<br />

diese Weise nicht. Die Absenkung der Grenze sei<br />

nicht ausreichend. TAPPE brachte eine Absenkung<br />

der Grenze auf 75 % ins Spiel. Es werde zwar das<br />

Scheunentor geschlossen, „aber die Flügeltür bleibt<br />

offen“. Auf Fragen von Abgeordneten erklärte er, es<br />

sei schwer zu rechtfertigen, dass private Erwerber<br />

bis zu 6,5 % Steuern entrichten müssten, große<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1213


Anwaltsmagazin<br />

<strong>ZAP</strong><br />

Unternehmen, die ganze Straßenzüge kaufen würden,<br />

aber nicht. Für eine Absenkung auf 75 %<br />

plädierte auch Prof. RAINER WERNSMANN (Universität<br />

Passau). Die Absenkung der Beteiligungsschwelle<br />

auf 90 % in Kombination mit der Verlängerung der<br />

Haltefrist auf zehn Jahre erscheine „unzureichend zur<br />

Verhinderung von Steuerumgehungen“.<br />

Prof. ULRICH HUFELD (Helmut-Schmidt-Universität<br />

Hamburg) sagte, Umgehungsgestaltungen würden<br />

zwar unattraktiver, doch würden sie bis zur Grenze<br />

von 89,9 % attraktiv bleiben. Eine weitere Senkung<br />

der Grenze sah er kritisch. Die Zehnjahresfrist<br />

bezeichnete er als möglicherweise verfassungswidrig.<br />

Nach Ansicht des Instituts Finanzen und<br />

Steuern kann bei großen Immobilientransaktionen<br />

gestalterisch die Grunderwerbsteuer umgangen<br />

werden, während andererseits jedoch zahlreiche<br />

Share Deals besteuert würden, bei denen eine<br />

grunderwerbsteuerbezogene Umgehungsabsicht<br />

fern liege. „Der vorliegende Gesetzentwurf verschärft<br />

diese Situation“, so der Vertreter des Instituts. Prof.<br />

HERIBERT ANZINGER von der Universität Ulm erwartet<br />

sogar, dass mit dem Gesetzentwurf neue Steuergestaltungen<br />

z.B. über Stiftungen abgesichert<br />

werden könnten. Die von der Regierung geplanten<br />

Maßnahmen erscheinen ihm wenig geeignet, um<br />

das Ziel des Gesetzentwurfs zu erreichen.<br />

Unter Berufung auf Praxis und Wissenschaft stellte<br />

der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), die<br />

Spitzenorganisation der Immobilienwirtschaft in<br />

Deutschland, fest, dass die Regelungen „untauglich<br />

und weitgehend nicht erfüllbar“ seien. Es würden<br />

Konzernumstrukturierungen erschwert, und bei<br />

Unternehmen sowie bei der Finanzverwaltung<br />

werde es einen immensen Verwaltungsmehraufwand<br />

geben. „Die drohende zusätzliche grunderwerbsteuerliche<br />

Belastung, die sich beispielsweise auch im<br />

Rahmen der Projektentwicklung auswirkt, würde ferner<br />

kontraproduktiv bei dem Bemühen wirken, mehr Wohnraum<br />

zu schaffen und die Kosten der Nutzer zu senken.<br />

Denn die das Grundstück doppelt belastende Grunderwerbsteuer<br />

wird am Ende vom Erwerber zu tragen sein,<br />

der sie an den Nutzer weiter belastet“, stellte der ZIA in<br />

seiner Stellungnahme fest. [Quelle: Bundestag]<br />

Anwaltsverbände kritisieren geplante<br />

Änderungen im Inkassorecht<br />

Die Bundesregierung plant, die aus ihrer Sicht zu<br />

hohen Inkassokosten zu senken sowie die Ausnutzung<br />

mangelnder Rechtskenntnisse der Schuldner<br />

zu unterbinden. Dazu soll eine Reihe von gesetzgeberischen<br />

Maßnahmen ergriffen werden, die<br />

auch Rechtsanwälte zentral betreffen (s. bereits<br />

<strong>ZAP</strong>-Anwaltsmagazin 19/<strong>2019</strong>, S. 991 ff.). Vorgesehen<br />

ist u.a., die nach dem RVG zu berechnenden<br />

Gebühren für die außergerichtliche Inkassotätigkeit<br />

drastisch – nämlich um nahezu 50 % – zu<br />

senken, und zwar auch im Mandatsverhältnis<br />

zwischen Rechtsanwalt und Gläubiger. Gleichzeitig<br />

sollen neue und sehr weitgehende Aufklärungsund<br />

Hinweispflichten eingeführt werden, die einen<br />

erheblichen zusätzlichen Aufwand für die Rechtsanwälte<br />

darstellen dürften.<br />

Zu diesem Gesetzentwurf haben jetzt die Bundesrechtsanwaltskammer<br />

(BRAK) und der Deutsche<br />

Anwaltverein (DAV) ihre offiziellen Stellungnahmen<br />

abgegeben, in denen sie teils scharfe Kritik an<br />

den geplanten Neuregelungen üben. So erkennt<br />

etwa die BRAK an, dass es i.R.d. Berechnung von<br />

Inkassokosten in der Vergangenheit zu Missbrauchsfällen<br />

gekommen ist. Diese würden jedoch,<br />

soweit sie bekannt werden und Rechtsanwälte<br />

betreffen, auf der Grundlage der bestehenden<br />

Gesetze bereits umfassend zivil- und strafrechtlich<br />

sanktioniert. Auch das im Gesetzentwurf aufgeführte<br />

Argument, die Gerichte müssten vor<br />

Verfahren, in denen es um die Überprüfung von<br />

Inkassokosten geht, bewahrt werden, könne nicht<br />

als Rechtfertigung dafür dienen, die für Inkassotätigkeiten<br />

abrechenbare Vergütung drastisch und<br />

generell zu reduzieren – und das in Zeiten, in denen<br />

durch steigende Personal- und Raumkosten die<br />

Kostenbelastung der Rechtsanwälte permanent<br />

steige und die letzte Anpassung der anwaltlichen<br />

Gebühren mehr als sechs Jahre zurückliege.<br />

Kritisiert wird von der BRAK insb., dass der Gesetzentwurf<br />

nicht zwischen Inkassoleistungen durch<br />

Rechtsanwälte einerseits und durch Inkassounternehmen<br />

andererseits differenziere. Der „redliche“<br />

Rechtsanwalt, der in einer überschaubaren<br />

Anzahl Forderungseinzug betreibe und jede Forderung<br />

separat einer Prüfung unterziehe, werde<br />

abgestraft, obwohl es vornehmlich die Inkassounternehmen<br />

seien, bei denen die vom Gesetzgeber<br />

ausgeführten Missstände auftreten. Es fehle darüber<br />

hinaus an belastbarem Zahlenmaterial, das die<br />

vermeintlich unangemessene Abrechnungspraxis<br />

bei anwaltlichem Inkasso belege.<br />

Die geplanten erweiterten Aufklärungspflichten<br />

für Rechtsanwälte werden besonders vom DAV<br />

heftig kritisiert. Es sei verfehlt, dass nicht der<br />

Gläubiger zur Aufklärung des Verbrauchers ver-<br />

1214 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


<strong>ZAP</strong><br />

Anwaltsmagazin<br />

pflichtet werden soll, sondern dessen Anwalt. Der<br />

Anwalt des Gläubigers, der den Interessen seines<br />

Mandanten verpflichtet sei, werde auf diese Weise<br />

zum „Diener zweier Herren“. Dies schwäche zum<br />

einen das Vertrauensverhältnis zwischen dem<br />

Anwalt und seinem Mandanten (dem Gläubiger).<br />

Zum anderen stelle dies einen staatlichen Eingriff<br />

in das Mandatsverhältnis dar, ohne dass ersichtlich<br />

sei, weshalb ein solcher Eingriff gerechtfertigt<br />

sein soll. Bereits der jetzige § 43d BRAO sei der<br />

Anfang einer Fehlentwicklung gewesen. Erstmalig<br />

seien Anwälten Beratungspflichten gegenüber der<br />

Gegenpartei auferlegt worden, obwohl dies dem<br />

Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen<br />

evident widerspreche. Jetzt solle der Katalog der<br />

Informationspflichten des § 43d BRAO noch<br />

erheblich erweitert werden. Dies ergebe das Bild<br />

einer schleichenden Aushöhlung eines der „Eckpfeiler<br />

einer freien Advokatur“, indem Anwälte nach<br />

und nach nicht mehr den Interessen ihrer eigenen<br />

Mandanten, sondern dem Schutz der Gegenpartei<br />

verpflichtet würden. [Quellen: BRAK/DAV]<br />

Rentenversicherung der<br />

Syndikusanwälte<br />

Zum Thema rückwirkende Befreiung von der<br />

gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gibt es<br />

auch fast vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes<br />

zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte<br />

immer noch Streit zwischen betroffenen<br />

Syndikusrechtsanwälten und der Deutschen Rentenversicherung<br />

Bund (DRV). Diese hat bislang<br />

rückwirkende Befreiungen von der Versicherungspflicht<br />

für Syndikusrechtsanwälte, die in den<br />

entsprechenden Zeiten vor dem 1.4.2014 Pflichtmitglied<br />

in Kammer und Versorgungswerk waren<br />

und Mindest-/Pflichtbeiträge gezahlt haben, abgelehnt.<br />

Weiterhin ist zwischen DRV und vielen<br />

Syndikusrechtsanwälten streitig, ob – so die Auffassung<br />

der DRV – auch Syndikusrechtsanwälte,<br />

die bereits vor dem 1.1.2016 auf Befreiung von der<br />

Rentenversicherungspflicht geklagt hatten, nach<br />

Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung einen<br />

neuerlichen Antrag auf rückwirkende Befreiung<br />

stellen mussten, um eine rückwirkende Befreiung<br />

erwirken zu können. Besonders nachteilig ist diese<br />

Situation für Kollegen, die nicht mindestens 60<br />

Monate in die gesetzliche Rentenversicherung<br />

eingezahlt haben, deren Beiträge also mangels<br />

Erreichen der Mindestwartezeit verfallen würden.<br />

Im Bundestag ist deshalb angefragt worden, ob die<br />

Bundesregierung hier für eine gesetzliche Klarstellung<br />

sorgen wolle. Aus der Antwort der<br />

Bundesregierung geht jedoch hervor, dass sie<br />

keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf hinsichtlich<br />

der Situation der betroffenen Syndikusanwälte<br />

sieht (vgl. BT-Drucks 19/13808). Mit<br />

den sozialversicherungsrechtlichen Regelungen<br />

i.R.d. Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der<br />

Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung<br />

seien im Interesse der Betroffenen<br />

sehr großzügige Regelungen getroffen worden, mit<br />

denen umfassend Vertrauensschutz gewährt<br />

worden sei und Rückabwicklungen zulasten der<br />

Betroffenen vermieden werden konnten, schreibt<br />

die Bundesregierung. Die ausnahmsweise über den<br />

Stichtag hinausreichende rückwirkende Befreiungsregelung<br />

des § <strong>23</strong>1 Abs. 4b S. 4 SGB VI verfolge<br />

das Ziel, nachträglich eine ausschließlich in der<br />

berufsständischen Versorgung durchgeführte Versicherung<br />

zu legalisieren, obwohl keine gültige<br />

Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für<br />

die seinerzeit ausgeübte Beschäftigung vorgelegen<br />

habe und demzufolge eigentlich eine Versicherung<br />

in der gesetzlichen Rentenversicherung hätte erfolgen<br />

müssen.<br />

[Quelle: Bundestag]<br />

Klage gegen beA-Verschlüsselung<br />

abgewiesen<br />

Der Berliner Anwaltsgerichtshof (AGH Berlin) hat<br />

Mitte November die Klage von sieben im gesamten<br />

Bundesgebiet ansässigen Rechtsanwälten gegen<br />

die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zurückgewiesen.<br />

Nach Auffassung der Kläger gewährleistet<br />

die derzeit für das besondere elektronische<br />

Anwaltspostfach (beA) verwendete Verschlüsselungstechnik<br />

keine Sicherheit vor digitalen Angriffen,<br />

weil sie wegen des eingesetzten Hardware<br />

Security Modul (HSM) eine durchgehende Verschlüsselung<br />

des Übertragungswegs verhindert<br />

und so eine „Sollbruchstelle“ aufweise. Deswegen<br />

verstößt ihrer Auffassung nach die Sicherheitsarchitektur<br />

des beA gegen die gesetzlichen Vorgaben<br />

zur technischen Ausgestaltung, wodurch<br />

ungerechtfertigt in ihr Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit<br />

eingegriffen werde (s. dazu auch<br />

<strong>ZAP</strong>-Anwaltsmagazin 13/2018, S. 649).<br />

Das AGH Berlin sah dies im Ergebnis jedoch anders<br />

(Urt. v. 14.11.<strong>2019</strong> – I AGH 6/18; Gründe noch nicht<br />

veröff.). Nach Auffassung der Richter haben die<br />

Kläger keinen gegen die BRAK gerichteten Anspruch<br />

darauf, dass das beA in einer bestimmten<br />

Weise konzipiert oder betrieben werden muss. Das<br />

Erfordernis einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1215


Anwaltsmagazin<br />

<strong>ZAP</strong><br />

ergebe sich weder unmittelbar noch mittelbar aus<br />

dem Berufsrecht (BRAO bzw. RAVPV) oder dem<br />

Prozessrecht; auch eine Grundrechtsverletzung<br />

liege nicht vor. Im „Rechtssinne sicher“ sei nicht nur<br />

das technisch sicherste Verfahren, so die Anwaltsrichter.<br />

Allerdings wurde wegen der grundsätzlichen<br />

Bedeutung der Sache die Berufung zum BGH<br />

zugelassen.<br />

Die Richter stützten sich bei ihrer Bewertung<br />

stark auf das von der Fa. Secunet erarbeitete<br />

Gutachten zur Sicherheit des beA, das die BRAK<br />

nach den verschiedenen Sicherheitspannen selbst<br />

in Auftrag gegeben hatte (s. zuletzt <strong>ZAP</strong>-Anwaltsmagazin<br />

17/2018, S. 864). Auf der Basis<br />

dieses Gutachtens ging der Senat davon aus,<br />

dass inzwischen sämtliche der dort erkannten<br />

sicherheitsrelevanten Schwachstellen beseitigt<br />

sind. Der Ansicht der BRAK, dass das beA deshalb<br />

jetzt im Rechtssinne sicher sei, seien die klagenden<br />

Anwälte auch nicht substanziiert entgegengetreten,<br />

so der Senat. Ein eigenes Gutachten<br />

habe er deshalb nicht mehr in Auftrag gegeben.<br />

Damit steht bis zu einer eventuellen abweichenden<br />

Berufungsentscheidung fest, dass das beA<br />

vorläufig weiter ohne durchgehende Verschlüsselung<br />

betrieben werden kann. Nach Auffassung<br />

erster Kommentatoren haben die Berufsrichter in<br />

Berlin damit einen „Zustand relativer Gefahrenfreiheit“<br />

für ausreichend erklärt.<br />

[Red.]<br />

Entfristung der<br />

Rehabilitierungsgesetze<br />

Opfer des DDR-Regimes sollen weiterhin unterstützt<br />

werden. Im Oktober hat der Bundestag<br />

deshalb ein von der Bundesregierung vorgelegtes<br />

Gesetz beschlossen, mit dem die rehabilitierungsrechtlichen<br />

Vorschriften für die Opfer des ehemaligen<br />

DDR-Regimes weiter verbessert werden.<br />

Diese Erleichterungen betreffen insb. ehemalige<br />

Heimkinder.<br />

Auch beinahe drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung<br />

und dem Ende des DDR-Regimes<br />

führen Betroffene noch Rehabilitierungsverfahren.<br />

Nach derzeitiger Rechtslage können Anträge<br />

auf strafrechtliche, verwaltungsrechtliche oder<br />

berufliche Rehabilitierung aber nur noch bis zum<br />

31.12.<strong>2019</strong> gestellt werden. Damit Betroffene auch<br />

in Zukunft weiterhin entsprechende Anträge<br />

stellen können, sollen die jeweiligen Rehabilitierungsgesetze<br />

jetzt entfristet werden.<br />

Mit dem Gesetz wird auch die Rehabilitierung von<br />

Heimkindern verbessert. Zu diesem Zweck werden<br />

die Regelungen zur Sachverhaltsermittlung<br />

hinsichtlich der seinerzeitigen Heimunterbringung<br />

erleichtert. Außerdem bekommen DDR-<br />

Heimkinder unter bestimmten Voraussetzungen<br />

künftig einen zusätzlichen Anspruch auf Unterstützungsleistungen.<br />

Dieser soll explizit denjenigen<br />

zugutekommen, die als Kinder oder Jugendliche<br />

in ein Heim gekommen sind, weil ihre Eltern<br />

politisch verfolgt und inhaftiert wurden, die selbst<br />

aber nicht rehabilitiert wurden.<br />

[Quelle: Bundestag]<br />

Besserer Persönlichkeitsschutz bei<br />

Bildaufnahmen beschlossen<br />

Mitte November hat die Bundesregierung beschlossen,<br />

dass bestimmte bloßstellende Fotoaufnahmen<br />

künftig der Strafbarkeit unterfallen<br />

sollen. Damit wird eine Strafbarkeitslücke für den<br />

Fall geschlossen, dass Fotos oder Videos von<br />

Todesopfern bei Unfällen gemacht oder verbreitet<br />

werden. Auch das unbefugte Fotografieren<br />

unter den Rock oder in den Ausschnitt wird<br />

künftig unter Strafe gestellt und damit nicht nur<br />

einer zivilprozessualen Verfolgung der betroffenen<br />

Person überlassen bleiben.<br />

Damit werden insb. Schaulustige in den Blick<br />

genommen, die bei Unfällen oder Unglücksfällen<br />

Fotos oder Videos von den Unfallopfern machen<br />

und verbreiten. Bisher waren lediglich lebende<br />

Personen vor solchen Aufnahmen geschützt.<br />

Zukünftig soll es auch strafbar sein, wenn Gaffer<br />

Fotos und Videos verstorbener Personen machen<br />

und beispielsweise über soziale Netzwerke verbreiten.<br />

Der zweite Teil des Gesetzgebungsvorhabens<br />

betrifft die Verletzung der Intimsphäre durch<br />

das sog. Upskirting oder Downblousing. Dabei<br />

geht es um unbefugte und meistens heimliche<br />

Bildaufnahmen, die den Blick unter das Kleid oder<br />

in den Ausschnitt einer anderen Person zeigen.<br />

Oft entstehen solche Fotos oder Videos im<br />

öffentlichen Raum, beispielsweise auf einer Rolltreppe,<br />

und werden anschließend in Chatgruppen<br />

geteilt oder sogar verkauft. Bislang sind solche<br />

1216 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


<strong>ZAP</strong><br />

Anwaltsmagazin<br />

Aufnahmen lediglich verboten, wenn diese in<br />

einer Wohnung oder etwa einer Umkleidekabine<br />

gemacht werden.<br />

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass das Herstellen<br />

solcher Aufnahmen strafbar ist. Auch das Nutzen<br />

und Verbreiten solcher Bildaufnahmen gegenüber<br />

Dritten, z.B. in den sozialen Netzwerken, soll<br />

sanktioniert werden. Der vorgesehene Strafrahmen<br />

reicht von Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe<br />

von zwei Jahren.<br />

[Quelle: Bundesregierung]<br />

Erleichterung der Stiefkindadoption<br />

geplant<br />

Mit zwei Gesetzentwürfen will die Bundesregierung<br />

die Möglichkeit von Adoptionen und die<br />

Begleitung der daran beteiligten Familien verbessern.<br />

Anfang November wurden im Bundeskabinett<br />

deshalb ein im Bundesministerium für Justiz<br />

und Verbraucherschutz (BMJV) erarbeiteter Gesetzentwurf<br />

zur Stiefkindadoption und ein weiterer<br />

Entwurf aus dem Bundesfamilienministerium<br />

zu einem Adoptionshilfe-Gesetz beschlossen.<br />

Der Gesetzentwurf zur Stiefkindadoption in<br />

nichtehelichen Familien ist eine Reaktion auf<br />

die Entscheidung des BVerfG v. 26.3.<strong>2019</strong> (vgl. <strong>ZAP</strong><br />

EN-Nr. 304/<strong>2019</strong>). Das Bundesverfassungsgericht<br />

hatte im Ausschluss der Stiefkindadoption in<br />

nichtehelichen Familien einen Verstoß gegen das<br />

allgemeine Gleichbehandlungsgebot gesehen und<br />

diesen deshalb für verfassungswidrig erklärt.<br />

Zugleich hat es den Gesetzgeber verpflichtet, bis<br />

zum 31.3.2020 eine verfassungsmäßige Neuregelung<br />

zu treffen.<br />

Die jetzt beschlossenen Neuregelungen eröffnen<br />

Personen in verfestigter Lebensgemeinschaft,<br />

die in einem gemeinsamen Haushalt leben, die<br />

Möglichkeit der Adoption eines Kindes ihres<br />

Partners. Eine verfestigte Lebensgemeinschaft<br />

liegt nach dem Gesetzesentwurf i.d.R. vor, wenn<br />

die Betroffenen eheähnlich bereits vier Jahre<br />

zusammengelebt haben oder eheähnlich mit<br />

einem gemeinsamen Kind zusammenleben.<br />

Mit dem weiteren Entwurf zu einem Adoptionshilfe-Gesetz<br />

sollen sowohl die betroffenen Familien<br />

als auch die Adoptionsvermittlung besser<br />

unterstützt werden. Das Gesetz sieht dazu folgende<br />

vier Eckpunkte vor:<br />

• Rechtsanspruch auf Beratung aller Beteiligten<br />

Ein Rechtsanspruch auf eine Begleitung auch<br />

nach der Adoption soll eine gute Beratung und<br />

Unterstützung aller an einer Adoption durch die<br />

Adoptionsvermittlungsstellen Beteiligten sichern.<br />

Zugleich wird eine verpflichtende Beratung vor<br />

einer Stiefkindadoption eingeführt. Sie soll sicherstellen,<br />

dass die Adoption tatsächlich das Beste<br />

für das Kind ist.<br />

• Förderung eines offenen Umgangs mit der<br />

Adoption<br />

Die Adoptiveltern werden unterstützt, ihr Kind<br />

altersgerecht über die Tatsache ihrer Adoption<br />

aufzuklären. Die Herkunftseltern bekommen gegenüber<br />

der Adoptionsvermittlungsstelle einen<br />

Anspruch auf allgemeine Informationen über das<br />

Kind, welche von der Adoptivfamilie freiwillig zur<br />

Verfügung gestellt wurden. Dabei soll der Schutz<br />

von Informationen, deren Weitergabe nicht gewünscht<br />

ist, weiterhin gesichert bleiben.<br />

• Stärkung der Adoptionsvermittlungsstellen<br />

Die Adoptionsvermittlungsstellen erhalten einen<br />

konkreten Aufgabenkatalog. Zugleich werden sie<br />

mit anderen Stellen, etwa der Schwangerschaftsund<br />

der Erziehungsberatung, besser vernetzt.<br />

• Verbot unbegleiteter Auslandsadoptionen<br />

Auslandsadoptionen ohne Begleitung einer Vermittlungsstelle<br />

werden untersagt. Für mehr<br />

Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wird ein<br />

verpflichtendes Anerkennungsverfahren für ausländische<br />

Adoptionsbeschlüsse eingeführt.<br />

[Quelle: BMJV]<br />

Ergebnisse zur Reform des Sorgeund<br />

Umgangsrechts<br />

Die Experten der Arbeitsgruppe „Sorge- und Umgangsrecht,<br />

insbesondere bei gemeinsamer Betreuung<br />

nach Trennung und Scheidung“ haben im<br />

Oktober ihre Thesen zu einer Reform des Sorgeund<br />

Umgangsrechts vorgelegt. Die Arbeitsgruppe<br />

war im April 2018 im Bundesministerium der Justiz<br />

und für Verbraucherschutz (BMJV) eingesetzt<br />

worden, um den Reformbedarf im Sorge- und<br />

Umgangsrecht, auch im Hinblick auf Fälle des<br />

Wechselmodells, umfassend zu erörtern. Ziel ist<br />

eine Reform, die auch moderne Betreuungsmodelle<br />

besser als bisher abbildet, einvernehmliche Lösun-<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1217


Anwaltsmagazin<br />

<strong>ZAP</strong><br />

gen erleichtert sowie die elterliche Verantwortung<br />

unter Berücksichtigung von Kindeswohl und Kindeswillen<br />

stärkt.<br />

Die Arbeitsgruppe war mit acht im Bereich des<br />

Familienrechts tätigen Sachverständigen aus<br />

Rechtswissenschaft, Justiz und Anwaltschaft besetzt.<br />

Sie sah aufgrund der geänderten Lebenswirklichkeiten<br />

vieler Familien und der gesellschaftlichen<br />

Entwicklungen mehrheitlich Bedarf<br />

für eine grundlegende Reform im Bereich des<br />

Kindschaftsrechts. Zu ihren Vorschlägen zählen:<br />

• Die elterliche Sorge soll den rechtlichen Eltern<br />

eines Kindes von Anfang an gemeinsam zustehen.<br />

• Die elterliche Sorge soll nicht mehr entzogen<br />

werden können. Elternkonflikte sollen durch<br />

Regelung der Ausübung der elterlichen Sorge<br />

entschieden werden. Dies gilt insb. auch für die<br />

Betreuung des Kindes.<br />

• Ein Umgangsrecht soll es nur noch für Dritte<br />

geben.<br />

• Es soll kein gesetzliches Leitbild für ein bestimmtes<br />

Betreuungsmodell eingeführt werden.<br />

Vielmehr sollen alle Betreuungsformen bis<br />

hin zum Wechselmodell im Rahmen einer am<br />

Kindeswohl orientierten Einzelfallentscheidung<br />

angeordnet werden können.<br />

• Einer Sonderregelung für das Wechselmodell<br />

bedarf es deshalb nicht.<br />

• Das Wechselmodell kann, wenn es dem Kindeswohl<br />

am besten entspricht, wie jede andere<br />

Betreuungsform folglich auch gegen den Willen<br />

eines Elternteils angeordnet werden.<br />

• Der Kindeswillen soll künftig stärker berücksichtigt<br />

werden.<br />

• Die elterliche Verantwortung soll gestärkt<br />

und einvernehmliche Lösungen sollen erleichtert<br />

werden.<br />

Das BMJV wird diese Vorschläge nun prüfen und<br />

mit Blick auf eine gesetzliche Neuregelung auswerten.<br />

[Quelle: BMJV]<br />

EuGH stellt Dokumente online<br />

Der Gerichtshof der Europäischen Union macht<br />

ab sofort Verfahrensdokumente und rechtswissenschaftliche<br />

Dokumente auf seiner Website<br />

frei zugänglich. Sie stammen aus der Datenbank<br />

des Justiziellen Netzwerks der Europäischen<br />

Union (JNEU), das nicht nur dem Datenaustausch<br />

der Gerichte untereinander dient, sondern auch<br />

eine bessere gegenseitige Kenntnis der Rechtsordnungen<br />

und Rechtssysteme der Mitgliedstaaten<br />

insb. im Hinblick auf die Rechtsvergleichung<br />

fördern soll.<br />

Der jetzt neu zugängliche Bereich der EuGH-<br />

Website ermöglicht einen direkten Zugang zu<br />

Vorabentscheidungsverfahren und Vorlageentscheidungen<br />

in der Verfahrenssprache und allen<br />

sonstigen verfügbaren Sprachen. Außerdem können<br />

Entscheidungen nationaler Gerichte (auf Englisch<br />

und Französisch) abgerufen werden, die von<br />

den Verfassungsgerichten und obersten Gerichten<br />

der Mitgliedstaaten aufgrund ihrer Relevanz<br />

für das Unionsrecht ausgewählt wurden. Schließlich<br />

können auch verschiedene Dokumente wissenschaftlicher<br />

oder pädagogischer Art abgerufen<br />

werden, die von den am JNEU beteiligten Gerichten<br />

erstellt wurden, wie z.B. wissenschaftliche<br />

Vorarbeiten und Dokumentationen, thematische<br />

Übersichten über die Rechtsprechung zum Unionsrecht<br />

oder Dokumente, die eine Übersicht über<br />

die Rechtsentwicklung geben.<br />

Der Zugang zum Justiznetzwerk in der deutscher<br />

Fassung steht unter https://curia.europa.eu/jcms/<br />

jcms/p1_2170125/de/ bereit. [Quelle: EuGH]<br />

Wussten Sie schon, dass … ?<br />

… mit jeder neuen <strong>ZAP</strong>-Ausgabe Ihre Online<br />

Bibliothek automatisch aktualisiert wird? Unter<br />

www.zap-zeitschrift.de/haeufige-fragen/ (Rubrik Nutzungsvorteile,<br />

Frage Nr. 3: Wie oft werden die<br />

Inhalte der <strong>ZAP</strong> App aktualisiert?) erfahren Sie,<br />

warum Sie als Nutzer der <strong>ZAP</strong> App einen Wissensvorsprung<br />

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Hinweis:<br />

Unter der Überschrift „Wussten Sie schon, dass“<br />

informiert Sie die <strong>ZAP</strong> Redaktion regelmäßig über<br />

die Vorteile der <strong>ZAP</strong> App oder häufig gestellte<br />

Fragen zur Online Bibliothek, die Sie als Abonnent<br />

kostenfrei nutzen.<br />

[Red.]<br />

1218 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Eilnachrichten <strong>2019</strong> Fach 1, Seite 175<br />

Eilnachrichten<br />

Volltext-Service: Die Entscheidungsvolltexte zu den <strong>ZAP</strong> Eilnachrichten können Sie online kostenlos bei<br />

unserem Kooperationspartner juris abrufen, Anmeldung unter www.juris.de. Einzelheiten zum Anmeldevorgang<br />

finden Sie auf unserer Homepage www.zap-verlag.de/service. Sie sind Neu-Abonnent? Dann<br />

schicken Sie bitte eine E-Mail mit dem Betreff „Neu-Abonnement“ an freischaltcode-zap@zap-verlag.de<br />

und erhalten so Ihre Zugangsdaten.<br />

Allgemeines Zivilrecht<br />

AGB-Formulare: Handschriftliche Eintragungen<br />

(OLG Celle, Urt. v. 2.10.<strong>2019</strong> – 14 U 94/19) • Handschriftliche Zusätze (hier: Prozentsätze für Einbehalte), die<br />

in vorformulierte Vertragsmuster eingetragen werden, ändern jedenfalls dann nichts an der Einordnung<br />

der davon betroffenen Klausel als AGB, wenn sie auf den Vertragsinhalt und die gegenseitigen Pflichten<br />

keinen wesentlichen Einfluss haben. Hinweis: Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 11.7. <strong>2019</strong> – VII ZR 266/17.<br />

<strong>ZAP</strong> EN-Nr. 681/<strong>2019</strong><br />

Miete/Nutzungen<br />

Mietminderung: Versorgung einer Wohnung mit Radio- und Fernsehanschluss<br />

(AG Dortmund, Urt. v. 8.10.<strong>2019</strong> – 425 C 5770/19) • Hat der Vermieter im Mietvertrag die Versorgung der<br />

Wohnung mit „Hör- und Sehfunk“ übernommen, stellt die Einstellung der Versorgung und der Verweis<br />

auf die Möglichkeit, individuelle Versorgungsverträge mit einem Kabelversorger abzuschließen, einen<br />

Mangel der Wohnung dar. Die Miete mindert sich in diesem Fall um 10 %. Hinweis: Der Vermieter war<br />

der Auffassung, dass es durch die technische Entwicklung und den technischen Wandel dem Mieter<br />

zumutbar sei, selbst für die Fernsehversorgung zu sorgen, zumal der Mietvertrag aus einer Zeit vor dem<br />

Mauerfall stamme. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 682/<strong>2019</strong><br />

Bauvertragsrecht<br />

Mehrkosten bei Bohrlochhavarie: Torflinse bei unbekannter Bodenbeschaffenheit<br />

(OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.8.<strong>2019</strong> – 13 U 249/17) • Kosten für Mehrarbeiten nach § 2 Nr. 5 VOB/B<br />

infolge des Auftretens einer sog. Torflinse können nicht verlangt werden, wenn allgemein bekannt<br />

ist, dass sich Torf im Boden des Baugebiets befindet und schon der Name des Gebiets auf das<br />

Vorhandensein von Torf hindeutet (hier: Hessisches Ried). Hinweis: Das Gericht hat es für unerheblich<br />

gehalten, dass in dem Gebiet „Hessisches Ried“ nicht bloß eine Bodenart vorherrschend ist.<br />

<strong>ZAP</strong> EN-Nr. 683/<strong>2019</strong><br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1219


Fach 1, Seite 176 Eilnachrichten <strong>2019</strong><br />

Sonstiges Vertragsrecht<br />

Ausgleichsansprüche wegen Flugverspätung: Beauftragung eines Rechtsanwalts<br />

(AG Eilenburg, Urt. v. 16.10.<strong>2019</strong> – 11 C 516/19) • Es kann weder als erforderlich noch als zweckmäßig<br />

angesehen werden, wenn ein Inkassounternehmen, dessen primäre geschäftliche Betätigung darin<br />

besteht, abgetretene Ausgleichsansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung zu verfolgen,<br />

einen Rechtsanwalt damit beauftragt, diese außergerichtlich gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen<br />

geltend zu machen. Hinweis: Eine überzeugende Begründung dieser wenig anwaltsfreundlichen<br />

Entscheidung wird nicht gegeben. Stattdessen wird es als absurd bezeichnet, dass das<br />

Unternehmen anwaltlicher Hilfe bedürfe. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 684/<strong>2019</strong><br />

Immobiliarsachenrecht/WEG-Recht<br />

Nachbargrundstück: Ordnungsgemäße Bewirtschaftung<br />

(BGH, Urt. v. 20.9.<strong>2019</strong> – V ZR 218/18) • Der Eigentümer eines Grundstücks ist hinsichtlich der von einem<br />

darauf befindlichen Baum (hier: Birken) ausgehenden natürlichen Immissionen auf benachbarte Grundstücke<br />

Störer i.S.d. § 1004 Abs. 1 BGB, wenn er sein Grundstück nicht ordnungsgemäß bewirtschaftet.<br />

Hieran fehlt es in aller Regel, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen<br />

eingehalten sind. Ein Anspruch auf Beseitigung des Baums lässt sich in diesem Fall regelmäßig<br />

auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis herleiten, § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Hinweis:<br />

Abgrenzung zu Senat, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 8/17, ZfIR 2018, 190. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 685/<strong>2019</strong><br />

Bank- und Kreditwesen<br />

Verbraucherkreditvertrag: Verwirkung eines Widerrufsrechts<br />

(AG Dortmund, Urt. v. 2.7.<strong>2019</strong> – 425 C 2560/19) • Die Ausübung des Widerrufsrechts hinsichtlich eines<br />

Verbraucherkreditvertrags kann verwirkt sein. Das erforderliche Zeitmoment ist bei einem Widerruf<br />

5 Jahre und 11 Monate nach Abschluss des Vertrags gegeben. Bei einer vorzeitigen Tilgung des Kredits<br />

bereits 9 Monate nach Vertragsschluss liegt auch das erforderliche Umstandsmoment vor. Hinweis:<br />

Auch ein „ewiges“ Widerrufsrecht kann verwirkt werden. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 686/<strong>2019</strong><br />

Straßenverkehrsrecht<br />

Auffahrunfall: Starkes Abbremsen des Vorausfahrenden<br />

(LG Saarbrücken, Urt. v. 4.10.<strong>2019</strong> – 13 S 69/19) • Der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des<br />

Auffahrenden wird nicht allein dadurch erschüttert, dass der Vorausfahrende entgegen § 4 Abs. 1 S. 2<br />

StVO ohne zwingenden Grund stark bremst. Hinweis: Nach § 4 Abs. 1 S. 1 StVO muss der Abstand zu<br />

einem vorausfahrenden Fahrzeug i.d.R. so groß sein, dass auch dann hinter ihm angehalten werden<br />

kann, wenn es plötzlich gebremst wird. Wer im Straßenverkehr auf den Vorausfahrenden auffährt, war<br />

i.d.R. unaufmerksam oder zu dicht hinter ihm. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 687/<strong>2019</strong><br />

Versicherungsrecht<br />

Transportfunktion eines Kraftfahrzeugs: Selbstentzündung eines abgestellten Kfz<br />

(OLG Dresden, Urt. v. 3.9.<strong>2019</strong> – 6 U 609/19) • Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG setzt voraus, dass die<br />

Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des schadensauslösenden<br />

Ereignisses noch gegeben ist oder zumindest noch nachwirkt. Daran fehlt es, wenn ein Kraftfahrzeug,<br />

das sich zur Reparatur in einer Werkstatt befindet, durch Selbstentzündung einer Betriebseinrichtung<br />

(hier aufgrund eines Kurzschlusses) einen Brandschaden verursacht, sofern dabei nicht eine durch einen<br />

1220 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Eilnachrichten <strong>2019</strong> Fach 1, Seite 177<br />

vorherigen Betriebsvorgang entstandene Gefahrenlage fort- bzw. nachwirkt. Hinweis: Abgrenzung zu<br />

BGH, Urt. v. 26.3.<strong>2019</strong> – V ZR <strong>23</strong>6/18. In diesem Fall hatte der Gebäudeversicherer der Kraftfahrzeugwerkstatt<br />

gegen den Haftpflichtversicherer des Lkw geklagt. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 688/<strong>2019</strong><br />

Falschangaben in einem Versicherungsantrag: Generalvertreter der Versicherung<br />

(OLG Dresden, Beschl. v. 22.7.<strong>2019</strong> – 4 U 1096/19) • Wer als Generalvertreter einer Versicherung in<br />

kollusivem Zusammenwirken mit seinem Vorgesetzten durch unwahre Angaben im Antragsformular den<br />

Abschluss eines nicht versicherbaren Risikos (hier: Abschluss einer Gebäudeversicherung für ein Bordell)<br />

ermöglicht, kann gegenüber dem Mittäter keine Schadenersatzansprüche geltend machen, wenn die<br />

Versicherung wegen dieses Verhaltens das Anstellungsverhältnis beendet. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 689/<strong>2019</strong><br />

Familienrecht<br />

Verfahren nach dem FamFG: Erledigung der Hauptsache<br />

(BGH, Beschl. v. 7.8.<strong>2019</strong> – XII ZB 29/19) • In Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in<br />

Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit tritt eine Erledigung der<br />

Hauptsache dann ein, wenn nach Einleitung des Verfahrens der Verfahrensgegenstand durch ein<br />

Ereignis, welches eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, weggefallen ist, so dass die<br />

Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, weil eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen<br />

kann. Für eine Antragstellung nach § 62 Abs. 1 FamFG reicht es aus, wenn sich aus dem gesamten<br />

Vorbringen des Betroffenen konkludent das Begehren ergibt, die Rechtmäßigkeit der getroffenen<br />

Maßnahme überprüfen zu lassen. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 690/<strong>2019</strong><br />

Löschung von Reallasten: Unterhaltssache<br />

(OLG Dresden, Beschl. v. 2.9.<strong>2019</strong> – 8 U 843/19) • Bei der Klage eines Vaters gegen seine Kinder auf<br />

Zustimmung zur Löschung von im Grundbuch eingetragenen Reallasten, die den Grundstückseigentümer<br />

zur Zahlung des jeweiligen Mindestunterhaltsbetrags verpflichten, handelt es sich um<br />

eine Unterhaltssache i.S.d. § <strong>23</strong>1 Abs. 1 Nr. 1 FamFG. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 691/<strong>2019</strong><br />

Nachlass/Erbrecht<br />

Erbscheinsantrag: Bindung des Nachlassgerichts<br />

(OLG München, Beschl. v. 10.7.<strong>2019</strong> – 31 Wx 242/19) • Der Grundsatz der (strengen) Bindung des<br />

Nachlassgerichts an den gestellten Erbscheinsantrag führt zur Aufhebung einer Entscheidung, in der das<br />

Nachlassgericht die Tatsachen für die Erteilung eines Erbscheins als festgestellt erachtet, der die Erbteile<br />

ausweist, der Antrag hingegen auf die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins gerichtet ist. Die Erteilung<br />

eines quotenlosen Erbscheins setzt voraus, dass alle in Betracht kommenden Miterben auf die<br />

Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten. Da ein Erbschaftsverkauf die Erbenstellung des<br />

Veräußerers unberührt lässt, ist auch dessen Verzichtserklärung für die erstrebte Erteilung erforderlich.<br />

<strong>ZAP</strong> EN-Nr. 692/<strong>2019</strong><br />

Zivilprozessrecht<br />

Anerkenntnis: Erklärung nach Beginn der mündlichen Revisionsverhandlung<br />

(BGH, Urt. v. 14.8.<strong>2019</strong> – IV ZR 279/17) • Die Regelung des § 555 Abs. 3 ZPO ist nicht auf Fälle beschränkt,<br />

in denen das Anerkenntnis erst nach Beginn der mündlichen Revisionsverhandlung erklärt worden ist.<br />

Besteht der Kläger nach Anerkenntnis der beklagten Partei im Revisionsverfahren auf einer streitigen<br />

Entscheidung, unterliegt der Vortrag der beklagten Partei, sie habe die Klageforderung nach Erlass des<br />

Berufungsurteils erfüllt, gem. § 559 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts. Das gilt<br />

auch dann, wenn die Erfüllung unstreitig ist. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 693/<strong>2019</strong><br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1221


Fach 1, Seite 178 Eilnachrichten <strong>2019</strong><br />

Schiedsgerichtsverfahren: Zurückverweisung<br />

(BGH, Beschl. v. 18.7.<strong>2019</strong> – I ZB 90/18) • Eine Zurückverweisung an das Schiedsgericht in direkter oder<br />

analoger Anwendung von § 1059 Abs. 4 ZPO kommt nicht in Betracht, wenn sie nur von einer Partei<br />

beantragt worden ist und der Aufhebungsgrund einer augenfälligen, gravierenden Verletzung des<br />

rechtlichen Gehörs einer Partei vorliegt. Hinweis: Fortführung von BGH, Beschl. v. 7.6.2018 –IZB 70/17,<br />

SchiedsVZ 2018, 318 Rn 24. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 694/<strong>2019</strong><br />

Zwangsvollstreckung/Insolvenz<br />

Eilverfahren: Herausgabe des Segelschulschiffs Gorch Fock<br />

(OLG Bremen, Beschl. v. 2.10.<strong>2019</strong> – 1 W <strong>23</strong>/19) • Der Erlass einer auf Herausgabe gerichteten einstweiligen<br />

Verfügung kommt nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller<br />

die Sache so dringend benötigt, dass allein ihre Sicherstellung oder Sequestrierung zur Gewährleistung<br />

effektiven Rechtsschutzes nicht ausreicht. Dies kann z.B. der Fall sein, weil er auf die Sache zur Abwendung<br />

einer unmittelbar gegenwärtigen Existenzgefährdung, zur Behebung einer anders nicht zu bewältigenden,<br />

existenziellen Notlage, zur Vermeidung eines die Existenz gefährdenden, unverhältnismäßigen Schadens<br />

oder zur Abwendung eines endgültigen, irreparablen Rechtsverlusts dringend angewiesen ist. Im<br />

Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass die Geltendmachung<br />

eines Zurückbehaltungsrecht nicht nur der Sicherung des Anspruchs, sondern auch dazu dient, auf den<br />

Schuldner Druck auszuüben, dass dieser seine Verbindlichkeit erfüllt. Hinweis: Die Antragstellerin war<br />

Alleineigentümerin des im Dienst der Bundeswehr stehenden Segelschulschiffs Gorch Fock. Dass die<br />

Antragstellerin derzeit Eigentümerin des Schiffsrumpfs ist, hat die Antragsgegnerin, eine Reparaturwerft,<br />

in Zweifel gezogen. Der Beschwerdewert wurde auf 10.000.000 € festgesetzt. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 695/<strong>2019</strong><br />

Handelsrecht/Gesellschaftsrecht<br />

Haftung eines Frachtführers: Beschädigung des Tranportguts<br />

(BGH, Urt. v. 19.9.<strong>2019</strong> – I ZR 64/18) • Ein Verspätungsschaden i.S.d. Art. <strong>23</strong> Abs. 5 CMR, der mit einem<br />

außerdem entstehenden Güterschaden i.S.v. Art. <strong>23</strong> Abs. 1 CMR zusammentrifft, ohne dass zwischen<br />

beiden Schäden ein kausaler Zusammenhang besteht, ist kumulativ neben dem Anspruch auf Schadenersatz<br />

wegen der Beschädigung oder des Verlusts des Transportguts ersatzfähig. Der Schuldner einer<br />

Forderung, hinsichtlich deren Gesamtgläubigerschaft gem. § 428 BGB besteht, kann grds. auch mit einer<br />

Gegenforderung aufrechnen, die ihm nur gegenüber einem oder einzelnen der Gesamtgläubiger zusteht.<br />

An der dabei erforderlichen Gleichartigkeit der Forderung der Gesamtgläubiger und der ihr gegenüberstehenden<br />

Forderung des Schuldners gegen einen der Gesamtgläubiger fehlt es allerdings, wenn der<br />

Gläubiger, gegen den sich die Gegenforderung des Schuldners richtet, Leistung entweder an sich selbst<br />

oder an einen Dritten verlangen kann und er das ihm insoweit zustehende Wahlrecht gem. § 263 Abs. 1<br />

BGB noch nicht ausgeübt hat. Im Anwendungsbereich der CMR besteht, soweit nach Art. 13 Abs. 1 S. 2<br />

CMR für die in Art. 17 CMR bestimmten Ansprüche wegen Verlust, Beschädigung und Überschreitung der<br />

Lieferfrist neben dem Absender auch der Empfänger anspruchsberechtigt ist, in deren Verhältnis zum<br />

Frachtführer eine Gesamtgläubigerschaft, wobei der Absender dabei Leistung wahlweise an sich selbst<br />

oder an den Empfänger verlangen kann. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 696/<strong>2019</strong><br />

Wirtschafts-/Urheber-/Medien-/Marken-/Wettbewerbsrecht<br />

Werbeblocker III: Unterdrückung werbefinanzierter Internetangebote<br />

(BGH, Urt. v. 8.10.<strong>2019</strong> – KZR 73/17) • Die Wettbewerbskräfte, denen sich ein auf einem zweiseitigen Markt<br />

tätiges Unternehmen zu stellen hat, das eine Dienstleistung gegenüber einer Marktseite unentgeltlich<br />

1222 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Eilnachrichten <strong>2019</strong> Fach 1, Seite 179<br />

erbringt und von der anderen Marktseite Entgelte verlangt, können i.d.R. nicht ohne Betrachtung<br />

beider Marktseiten und deren wechselseitiger Beeinflussung zutreffend erfasst werden. Der Anbieter<br />

einer Internetnutzern unentgeltlich zur Verfügung gestellten Software, die es ermöglicht, beim Abruf<br />

werbefinanzierter Internetangebote die Anzeige von Werbung zu unterdrücken, und der den Betreibern<br />

dieser Internetseiten gegen Entgelt die Freischaltung der blockierten Werbung durch Aufnahme in eine<br />

Weiße Liste anbietet, ist auf dem Markt der Eröffnung des Zugangs zu Nutzern, die seinen Werbeblocker<br />

installiert haben, marktbeherrschend, wenn die Betreiber dieser Internetseiten keine andere wirtschaftlich<br />

sinnvolle Zugangsmöglichkeit zu diesen Nutzern haben. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 697/<strong>2019</strong><br />

Arbeitsrecht<br />

Anspruch auf Urlaubsgewährung: Gekündigtes Arbeitsverhältnis<br />

(LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 12.9.<strong>2019</strong> – 5 SaGa 6/19) • Ein Arbeitnehmer kann im<br />

gekündigten Arbeitsverhältnis, dessen Fortbestand aufgrund einer Kündigungsschutzklage im Streit ist,<br />

im Wege einer einstweiligen Verfügung regelmäßig keine Urlaubsgewährung für einen Zeitraum nach<br />

Ablauf der Kündigungsfrist durchsetzen. Hinweis: Ein Urlaubsanspruch kann nur erfüllt werden, wenn<br />

im fraglichen Zeitraum eine Arbeitspflicht besteht. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 698/<strong>2019</strong><br />

Sozialrecht<br />

Hartz-IV: Erforderliche Neuregelung des Sanktionsregimes<br />

(BVerfG, Urt. v. 5.11.<strong>2019</strong> – 1 BvL 7/16) • Die zentralen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die<br />

Ausgestaltung staatlicher Grundsicherungsleistungen ergeben sich aus der grundrechtlichen Gewährleistung<br />

eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG). Gesichert<br />

werden muss einheitlich die physische und soziokulturelle Existenz. Die den Anspruch fundierende<br />

Menschenwürde steht allen zu und geht selbst durch vermeintlich „unwürdiges“ Verhalten nicht verloren.<br />

Das Grundgesetz verwehrt es dem Gesetzgeber aber nicht, die Inanspruchnahme existenzsichernder<br />

Leistungen an den Nachranggrundsatz zu binden, also nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn Menschen<br />

ihre Existenz nicht vorrangig selbst sichern können, sondern wirkliche Bedürftigkeit vorliegt. Der<br />

Gesetzgeber kann erwerbsfähigen Menschen, die nicht in der Lage sind, ihre Existenz selbst zu sichern und<br />

die deshalb staatliche Leistungen in Anspruch nehmen, abverlangen, selbst zumutbar an der Vermeidung<br />

oder Überwindung der eigenen Bedürftigkeit aktiv mitzuwirken. Er darf sich auch dafür entscheiden,<br />

insoweit verhältnismäßige Pflichten mit wiederum verhältnismäßigen Sanktionen durchzusetzen. Wird<br />

eine Mitwirkungspflicht zur Überwindung der eigenen Bedürftigkeit ohne wichtigen Grund nicht erfüllt<br />

und sanktioniert der Gesetzgeber das durch den vorübergehenden Entzug existenzsichernder Leistungen,<br />

schafft er eine außerordentliche Belastung. Dies unterliegt strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit;<br />

der sonst weite Einschätzungsspielraum zur Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit von<br />

Regelungen zur Ausgestaltung des Sozialstaats ist hier beschränkt. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 699/<strong>2019</strong><br />

Verfassungsrecht/Verwaltungsrecht<br />

Speicherung personenbezogener Daten: Arbeitsdatei Szenekundige Beamte<br />

(OVG Lüneburg, Urt. v. 18.10.<strong>2019</strong> – 11 LC 148/15) • Die Übersendung einer Verfahrensbeschreibung für<br />

eine Datei, in der personenbezogene Daten zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben verarbeitet werden,<br />

an den Landesbeauftragten für den Datenschutz ist formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die<br />

Speicherung personenbezogener Daten. Hinweis: Die Arbeitsdatei Szenekundige Beamte bezieht sich<br />

auf (Delikts-)Daten von Fußball-Hooligans. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 700/<strong>2019</strong><br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 12<strong>23</strong>


Fach 1, Seite 180 Eilnachrichten <strong>2019</strong><br />

Strafsachen/Ordnungswidrigkeiten<br />

Rücktritt: Wirksamkeitsvoraussetzungen<br />

(BGH, Beschl. v. 5.6.<strong>2019</strong> – 1 StR 34/19) • Ein wirksamer Rücktritt vom Versuch der räuberischen<br />

Erpressung mit Todesfolge (§§ 251, 255, 22 StGB) durch Verhinderung der Todesfolge gem. § 24 Abs. 1 S. 1<br />

Altern. 2 StGB setzt nicht voraus, dass der Täter auch vom Versuch der schweren räuberischen<br />

Erpressung (§§ 250, 255 StGB) zurücktritt. Dies gilt selbst dann, wenn der Täter für den Fall, dass seine<br />

Forderungen nicht erfüllt werden, damit droht, erneut ein Mittel einzusetzen, das geeignet ist, den Tod<br />

anderer Menschen herbeizuführen. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 701/<strong>2019</strong><br />

Bußgeldverfahren: Anwalt des Vertrauens<br />

(KG, Beschl. v. 8.10.<strong>2019</strong> – 3 Ws (B) 282/19) • Das Recht eines Betroffenen, sich nach §§ 137 Abs. 1 S. 1<br />

StPO, 46 Abs. 1 OWiG in jeder Lage des Verfahrens des Beistands eines Verteidigers zu bedienen, umfasst<br />

vor dem Hintergrund des darin zum Ausdruck kommenden Rechts auf ein faires Verfahren auch die<br />

Befugnis, sich im Ordnungswidrigkeitenverfahren von einem gewählten Anwalt seines Vertrauens<br />

verteidigen zu lassen. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 702/<strong>2019</strong><br />

Strafverfahren/Strafvollstreckung/Strafvollzug<br />

Beschwerde: Zulässigkeit<br />

(LG Köln, Beschl. v. 11.10.<strong>2019</strong> – 3<strong>23</strong> Qs 106/19) • Die Ausnahmevorschrift des § 305 S. 1 StPO greift<br />

jedenfalls dann nicht ein, wenn ein Rechtsmittel gegen das (künftige) Urteil nicht eröffnet ist oder die<br />

betroffene Entscheidung im Rahmen eines zulässigen Rechtsmittels nicht überprüft werden kann.<br />

Im Bußgeldverfahren kann der Betroffene wegen der zu garantierenden „Parität des Wissens“ bzw.<br />

der „Waffengleichheit“ verlangen, Einsicht in sämtliche existenten, zur Überprüfung der Messung<br />

erforderlichen Messunterlagen zu nehmen, und zwar auch, soweit sich diese nicht in den Gerichtsakten,<br />

sondern in den Händen der Verwaltungsbehörde befinden. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 703/<strong>2019</strong><br />

Anwaltsrecht/Anwaltsbüro<br />

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft: Vermögensverfall<br />

(BGH, Beschl. v. 27.8.<strong>2019</strong> – AnwZ (Brfg) 35/19) • In Vermögensverfall befindet sich, wer in ungeordnete,<br />

schlechte finanzielle Verhältnisse, die er auf absehbare Zeit nicht ordnen kann, geraten ist und<br />

außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. Senatsbeschluss vom 28.1.<strong>2019</strong> – AnwZ<br />

(Brfg) 72/18, juris Rn 4). Der Vermögensverfall wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2 BRAO vermutet, wenn<br />

ein Insolvenzverfahren eröffnet ist. Hinweis: Vermögensverfall endet erst, wenn ein vom Insolvenzgericht<br />

bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308<br />

InsO) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den<br />

Gläubigern befreit wird. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 704/<strong>2019</strong><br />

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1224 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1827<br />

Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />

Wohnraummiete<br />

Mietpreisbremse und Kappungsgrenzen – Gesetzliche Grundlagen und<br />

Übersicht der Gemeinden mit Mietpreisbeschränkungen<br />

Von Dipl.-Kauffrau CATHRIN BÖRSTINGHAUS, Mainz<br />

Inhalt<br />

I. Einführung<br />

1. Kappungsgrenze<br />

2. Beschränkung der Wiedervermietungsmiete<br />

II. Gesetzliche Grundlagen<br />

1. Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />

(„Mietpreisbremse“) gem. § 556d Abs. 2 BGB<br />

2. Von 20 % auf 15 % abgesenkte Kappungsgrenze<br />

gem. § 558 Abs. 3 BGB<br />

III. Liste der Gemeinden mit Mietpreisbeschränkungen<br />

I. Einführung<br />

Die heutigen Regelungen über Bestandsmietenerhöhungen in §§ 557– 561 BGB sind das vorläufige<br />

Endergebnis einer langen Reihe von gesetzlichen Regelungen zum Mietpreisrecht (BÖRSTINGHAUS WuM<br />

2018, 610; HERRLEIN NZM 2016, 1; NJW 2017, 711). Die Geschichte des Miethöherechts in den letzten gut<br />

einhundert Jahren ähnelt in weiten Phasen der Quadratur des Kreises. Teilweise wird vom „Hüh und Hott<br />

im Mieterschutz“ gesprochen (HERRLEIN NJW 2017, 711, 715). Entstanden ist ein „Flickenteppich“ (BEUERMANN,<br />

Miete, § 1 Rn 9) von Regelungen, bei dem die große Linie schon lange verloren gegangen ist.<br />

1. Kappungsgrenze<br />

Fast 12 Jahre kannte das Miethöherecht für den preisfreien Wohnungsbau keine Kappungsgrenze. Erst ab<br />

dem 1. Januar 1983 hat der Gesetzgeber diese weitere Grenze für die Mieterhöhung eingeführt. Dies<br />

geschah in unmittelbarem Zusammenhang mit der damals zugleich erfolgten Neufassung des Begriffs der<br />

ortsüblichen Vergleichsmiete. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die ortsübliche Vergleichsmiete aus allen<br />

Mieten in der Gemeinde gebildet. Von diesem Zeitpunkt an bildeten nur noch die in den letzten drei Jahren<br />

neu vereinbarten oder geänderten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete. Damit fiel die Mehrzahl der<br />

niedrigeren älteren Bestandsmieten aus dem Vergleichsmietenbegriff heraus, was grds. einen Anstieg<br />

der Vergleichsmiete zur Folge haben sollte. Die Kappungsgrenze betrug damals 30 %. Durch das<br />

4. Mietrechtsänderungsgesetz ist die Kappungsgrenze 1993 zeitlich befristet für fünf Jahre gesplittet worden.<br />

Sie betrug für einen Teil des Wohnungsbestands nur noch 20 %, im Übrigen aber weiter 30 %. Vom<br />

1.9.2001 bis zum 31.3.2013 betrug die Kappungsgrenze dann einheitlich für alle Wohnungen 20 %. Seit dem<br />

1.5.2013 gilt dieser Prozentsatz als Obergrenze. Den Bundesländern wurde aber von diesem Zeitpunkt an<br />

gestattet, durch Rechtsverordnung für Gemeinden oder Teile von Gemeinden, in denen die ausreichende<br />

Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet<br />

ist, die Kappungsgrenze für fünf Jahre auf 15 % herabzusetzen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen,<br />

müssen die Zivilgerichte überprüfen (BGH GE 2016, 113 = DWW 2016, 15 = NZM 2016, 82 = NJW 2016, 476 =<br />

MDR 2016, 205 = WuM 2016, 144 mit Anm. BÖRSTINGHAUS jurisPR-BGHZivilR 2/2016, Anm. 3; DERS. LMK 2016,<br />

376055; BLANK WuM 2016, 161). Bisher hat aber wohl kein Zivilgericht eine Landesverordnung zur Senkung<br />

der Kappungsgrenze für unwirksam erklärt.<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1225


Fach 4, Seite 1828<br />

Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />

Miete/Nutzungen<br />

2. Beschränkung der Wiedervermietungsmiete<br />

Während bis zum Jahr 2015 alle Regelungen zur Miethöhe nur Bestandsmietverhältnisse betrafen, hat<br />

der Gesetzgeber durch das „Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten<br />

und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung – Mietrechtsnovellierungsgesetz“<br />

vom 21.4.2015 die Vorschriften der §§ 556d-556g ins BGB eingeführt. Hierdurch wurden<br />

erstmals Regelungen in das BGB eingefügt, die die Höhe der zulässigen Miete bei Neuabschluss eines<br />

Wohnraummietvertrags beschränken. In der Vergangenheit wurden diese Mieten nur unter den<br />

Voraussetzungen des § 5 WiStG i.V.m. § 134 BGB begrenzt. Aufgrund der Rechtsprechung des BGH zu § 5<br />

WiStG hatte diese Vorschrift völlig an Bedeutung verloren. Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung auf<br />

Mietsteigerungen bei Neuvermietung in bestimmten Regionen reagieren. Er hat mit dem Gesetz<br />

ausdrücklich sozialpolitische Zwecke verfolgt. Die Begrenzung sollte dazu beitragen „der direkten und<br />

indirekten Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen entgegenzuwirken“ (BT-<br />

Drucks 18/3121, S. 15). Die Begrenzung gilt nicht bei Neubauten und bei der ersten Vermietung nach<br />

umfassender Modernisierung, § 556f BGB. Von der Grundregel des § 556d Abs. 1 BGB, wonach die Miete<br />

bei der Neuvermietung maximal 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf, gibt es gem.<br />

§ 556e BGB zwei Ausnahmen, nämlich bei höherer Vormiete (§ 556e Abs. 1 BGB) und bei in den letzten<br />

drei Jahren durchgeführten Modernisierungsarbeiten (§ 556e Abs. 2 BGB).<br />

Voraussetzung für die Geltung der Beschränkung ist ein angespannter Wohnungsmarkt. Ein solcher<br />

liegt vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde<br />

oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Dies kann insb.<br />

dann der Fall sein, wenn<br />

• die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,<br />

• die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,<br />

• die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum<br />

geschaffen wird, oder<br />

• geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.<br />

Die Zivilgerichte müssen das Vorliegen dieser materiellen Voraussetzungen selbstständig überprüfen<br />

(BVerfG DWW <strong>2019</strong>, 247 = BVerfGE <strong>2019</strong>, 1097 = WuM <strong>2019</strong>, 510 = NZM <strong>2019</strong>, 676). Bisher hat noch kein<br />

Zivilgericht hier eine Prüfung oder sogar Verwerfung der Verordnung vorgenommen.<br />

Soweit Verordnungen von Zivilgerichten für unwirksam erklärt wurden, beruhte dies immer auf einem<br />

formellen Mangel. Die Gemeinde muss in eine entsprechende Landesverordnung aufgenommen sein.<br />

Diese Verordnung muss begründet werden. Aus der Begründung muss sich ergeben, aufgrund welcher<br />

Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt. Die der jeweiligen<br />

Landesregierung obliegende gesetzliche Verpflichtung, den Erlass einer Rechtsverordnung, die Gebiete mit<br />

angespannten Wohnungsmärken bestimmt, zu begründen, verfolgt in Anbetracht der mit der Gebietsbestimmung<br />

verbundenen Beschränkung der grundrechtlich geschützten Eigentumsfreiheit den Zweck, die<br />

Verhältnismäßigkeit der Gebietsausweisung zu gewährleisten. Mittels der Verordnungsbegründung soll die<br />

Entscheidung der jeweiligen Landesregierung insb. im Hinblick darauf nachvollziehbar gemacht werden,<br />

aufgrund welcher Tatsachen sie die von ihr ausgewiesenen Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten<br />

bestimmt hat und welche Begleitmaßnahmen sie plant, um die Anspannung der Wohnungsmärkte zu<br />

beseitigen (BGH GE <strong>2019</strong>, 1029 = MDR <strong>2019</strong>, 1051 = NZM <strong>2019</strong>, 584 = NJW <strong>2019</strong>, 2844 mit Anm. BEUERMANN<br />

GE <strong>2019</strong>, 1004; BÖRSTINGHAUS LMK <strong>2019</strong>, 419557; MONSCHAU MietRB <strong>2019</strong>, 257; BÖRSTINGHAUS NJW <strong>2019</strong>, 2848;<br />

BÖRSTINGHAUS jurisPR-BGHZivilR 19/<strong>2019</strong>, Anm. 1; DRASDO NJW-Spezial <strong>2019</strong>, 610). Mehr als die Hälfte der<br />

13 Landesverordnungen sind von Zivilgerichten wegen Mängeln bei der Begründung oder deren Veröffentlichung<br />

für unwirksam erklärt worden. Eine im maßgeblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens der<br />

Rechtsverordnung lediglich im Entwurfsstadium verbliebene Begründung wird weder dem Wortlaut des<br />

§ 556b Abs. 2 S. 5 bis 7 BGB noch dem Sinn und Zweck des Begründungserfordernisses gerecht. Der<br />

Zielrichtung des Begründungserfordernisses genügt es ebenfalls nicht, wenn der Verordnungsgeber die<br />

dem Begründungsgebot innewohnende Verpflichtung, die Verordnungsbegründung in zumutbarer Weise<br />

1226 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1829<br />

Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />

an allgemein zugänglicher Stelle amtlich bekannt zu machen, erst nach dem Inkrafttreten der Rechtsverordnung<br />

erfüllt. Offen gelassen hat der BGH lediglich, ob der Verordnungstext – etwa in Form einer<br />

Bezugnahme – zumindest deutlich machen muss, dass es eine entsprechende Begründung der Landesregierung<br />

gibt und wo diese zu finden ist. Möglich sei neben der Veröffentlichung im Gesetz- und<br />

Verordnungsblatt auch die Veröffentlichung an anderer amtlicher Stelle, wenn gewährleistet ist, dass die<br />

Verordnungsbegründung leicht zugänglich ist. Der 67. ZK des LG Berlin (Urt. v. 10.10.<strong>2019</strong> – 67 S 80/19)<br />

genügt jedoch auch die Veröffentlichung auf einer privaten Seite. Ein Begründungsmangel kann durch<br />

die nachträgliche Veröffentlichung der Verordnungsbegründung nicht rückwirkend geheilt werden (BGH<br />

GE <strong>2019</strong>, 1029 = MDR <strong>2019</strong>, 1051 = NZM <strong>2019</strong>, 584 = NJW <strong>2019</strong>, 2844). Ob dies für die Zukunft ab<br />

Veröffentlichung Auswirkungen hat, ist abschließend noch nicht geklärt, weshalb für Mietverträge, die nach<br />

dem „Heilungsversuch“ der jeweiligen Landesregierung abgeschlossen wurden, noch keine Rechtssicherheit<br />

besteht. Deshalb wurden diese maßgeblichen Daten in die Fußnoten aufgenommen.<br />

Nachfolgend soll die inzwischen kaum noch überschaubare Rechtslage dargestellt und es sollen alle<br />

Gemeinden aufgeführt werden, in denen entweder die Wiedervermietungsmiete beschränkt und/oder<br />

die Kappungsgrenze auf 15 % abgesenkt ist.<br />

II.<br />

Gesetzliche Grundlagen<br />

1. Begrenzung der Wiedervermietungsmiete („Mietpreisbremse“) gem. § 556d Abs. 2 BGB<br />

Bundesland Verordnung Fundstelle vom<br />

Baden-Württemberg Verordnung der Landesregierung zur Bestimmung GVBl. 2015, 852 29.9.2015<br />

der Gebiete mit Begrenzung der zulässigen Miethöhe<br />

bei Mietbeginn (Mietpreisbegrenzungsverordnung<br />

Baden-Württemberg – MietBgVO BW)<br />

Bayern<br />

Verordnung zur Festlegung des Anwendungsbereichs<br />

GVBl. <strong>2019</strong>, 458 16.7.<strong>2019</strong><br />

bundesrechtlicher Mieterschutzvorschrif-<br />

ten (Mieterschutzverordnung – MiSchuV)<br />

Berlin<br />

Gesetzliche Grundlage: Verordnung zur zulässigen GVBl. 2015, 101 28.4.2015<br />

Miethöhe bei Mietbeginn gem. § 556d Abs. 2 BGB<br />

(Mietenbegrenzungsverordnung)<br />

Brandenburg<br />

Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit GVBl. II <strong>2019</strong>, 28.3.<strong>2019</strong><br />

Mietpreisbegrenzung (Mietpreisbegrenzungsverordnung<br />

– MietbegrenzV)<br />

Nr. 25<br />

Bremen<br />

Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit Brem.GBl 2015, 17.11.2015<br />

Mietpreisbegrenzung (Mietpreisbegrenzungsverordnung<br />

– MietbegrenzV)<br />

512<br />

Hamburg<br />

Verordnung über die Einführung einer Mietpreisbegrenzung<br />

HmbGVBl. 2018, 10.7.2018<br />

nach § 556d des Bürgerlichen Gesetz-<br />

buchs (Mietpreisbegrenzungsverordnung)<br />

257<br />

Hessen<br />

Hessische Verordnung zur Bestimmung der Gebiete<br />

mit angespannten Wohnungsmärkten i.S.d. § 556d<br />

Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs<br />

(Hessische Mietenbegrenzungsverordnung)<br />

GVBl. <strong>2019</strong>, 78 27.6.<strong>2019</strong><br />

Mecklenburg-<br />

Landesverordnung zur Bestimmung von Gebieten<br />

Vorpommern<br />

nach § 556d und § 558 des Bürgerlichen Gesetzbuches<br />

(Mietpreisbegrenzungs- und Kappungsgrenzenlandesverordnung<br />

– MietBgKaLVO M-V)<br />

Niedersachsen<br />

Verordnung zur Festlegung des Anwendungsbereichs<br />

bundesrechtlicher Mieterschutzvorschriften<br />

(Niedersächsische Mieterschutzverordnung)<br />

NRW<br />

Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit<br />

Mietpreisbegrenzung (Mietpreisbegrenzungsverordnung<br />

– MietbegrenzVO NRW)<br />

GVOBl. M-V 13.9.2018<br />

2018, 359<br />

Nds. GVBl. 2016, 8.11.2016<br />

252<br />

GVBl. NRW. <strong>23</strong>.6.2015<br />

2015, 489<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1227


Fach 4, Seite 1830<br />

Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />

Miete/Nutzungen<br />

Bundesland Verordnung Fundstelle vom<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Landesverordnung über die Bestimmung der Gebiete<br />

GVBl. <strong>2019</strong>, 283 1.10.<strong>2019</strong><br />

mit Mietpreisbegrenzung nach § 556d des<br />

Bürgerlichen Gesetzbuchs (Mietpreisbegrenzungsverordnung)<br />

Schleswig-Holstein Landesverordnung über die zulässige Miethöhe GVOBl. 2015, 11.11.2015<br />

bei Mietbeginn (Mietpreisverordnung Schleswig-<br />

Holstein)<br />

402<br />

Thüringen<br />

Thüringer Verordnung zur Bestimmung der Gebiete GVBl. 2016, 166 10.3.2016<br />

mit Mietpreisbegrenzung nach § 556d BGB<br />

(Thüringer Mietpreisbegrenzungsverordnung –<br />

ThürMietBegrVO)<br />

2. Von 20 % auf 15 % abgesenkte Kappungsgrenze gem. § 558 Abs. 3 BGB<br />

Bundesland Verordnung Fundstelle vom<br />

Baden-Württemberg Verordnung der Landesregierung zur Bestimmung GBl. 2015, 346 9.6.2015<br />

der Gebiete mit abgesenkter Kappungsgrenze bei<br />

Mieterhöhungen (Kappungsgrenzenverordnung<br />

Baden-Württemberg – KappVO BW)<br />

Bayern<br />

Verordnung zur Festlegung des Anwendungsbereichs<br />

GVBl. <strong>2019</strong>, 458 16.7.<strong>2019</strong><br />

bundesrechtlicher Mieterschutzvor-<br />

schriften (Mieterschutzverordnung – MiSchuV)<br />

Berlin<br />

Verordnung zur Senkung der Kappungsgrenze gem. GVBl. 2018, 370 10.4.2018<br />

§ 558 Abs. 3 BGB (Kappungsgrenzenverordnung)<br />

Brandenburg<br />

Verordnung zur Bestimmung der Gebietskulisse zur GVBl. II <strong>2019</strong>, 28.8.<strong>2019</strong><br />

Senkung der Kappungsgrenze gem. § 558 Abs. 3 des<br />

Bürgerlichen Gesetzbuchs (Kappungsgrenzenverordnung<br />

– KappGrenzV)<br />

Nr. 65<br />

Bremen<br />

Verordnung zur Senkung der Kappungsgrenze gem. Brem.GBl <strong>2019</strong>, 1.9.<strong>2019</strong><br />

§ 558 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs<br />

(Kappungsgrenzen-Verordnung)<br />

520<br />

Hamburg<br />

Verordnung über die Absenkung der Kappungsgrenze<br />

HmbGVBl. 2018, 26.6.2018<br />

bei Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen<br />

Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 3 des Bürgerlichen<br />

Gesetzbuchs (Kappungsgrenzenverordnung)<br />

215<br />

Hessen<br />

Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit abgesenkter<br />

GBVl. <strong>2019</strong>, 277 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong><br />

Kappungsgrenze und mit verlängerter<br />

Kündigungsbeschränkung (Kappungsgrenzen- und<br />

Kündigungsbeschränkungsverordnung)<br />

Niedersachsen<br />

Verordnung zur Festlegung des Anwendungsbereichs<br />

Nds. GVBl. 2016, 8.11.2016<br />

bundesrechtlicher Mieterschutzvorschrif-<br />

ten (Niedersächsische Mieterschutzverordnung)<br />

252<br />

NRW<br />

Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit GV. NRW. <strong>2019</strong>, 1.6.<strong>2019</strong><br />

Absenkung der Kappungsgrenze (Kappungsgrenzenverordnung<br />

– KappGrenzVO NRW)<br />

220<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Landesverordnung über die Bestimmung der Gebiete<br />

GVBl. <strong>2019</strong>, 295 1.10.<strong>2019</strong><br />

mit abgesenkter Kappungsgrenze nach § 558<br />

Abs. 3 S. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs<br />

(Kappungsgrenzenverordnung)<br />

Sachsen Kappungsgrenzen-Verordnung SächsGVBl. 2015,<br />

441<br />

10.7.2015<br />

1228 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1831<br />

Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />

Bundesland Verordnung Fundstelle vom<br />

Schleswig-Holstein<br />

Thüringen<br />

Landesverordnung zur Änderung der Schleswig-<br />

Holsteinischen Kappungsgrenzenverordnung nach<br />

§ 558 Abs. 3 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch<br />

Thüringer Verordnung zur Senkung der Kappungsgrenze<br />

nach § 558 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs<br />

(Thüringer Kappungsgrenzenverordnung –<br />

ThürKappGrVO)<br />

GVOBl. 2018, 73 30.3.2018<br />

GVBl <strong>2019</strong>, 366 1.10.<strong>2019</strong><br />

III. Liste der Gemeinden mit Mietpreisbeschränkungen<br />

Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />

(Mietpreisbremse)<br />

Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />

durch Absenkung<br />

der Kappungsgrenze auf 15 %<br />

gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />

Aachen NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Ahrensburg SH 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />

Ahrensfelde BB 1.1.2016 10) 31.12.2020<br />

Ainring BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Alfter NRW 1.6.2014 30.6.2020<br />

Allershausen BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Alling BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Altbach BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Altdorf BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Ammersbek SH 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />

Andechs BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Anzing BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Aschaffenburg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Aschheim BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Asperg BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Attenkirchen BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Augsburg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Aying BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Bad Aibling BY 1.1.2016 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Bad Heilbrunn BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Bad Reichenhall BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Bad Tölz BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Bad Endorf BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Bad Homburg v.d.H. HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

Bad Honnef NRW 1.6.2014 30.6.2020<br />

Bad Krozingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Bad Säckingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Bad Sassendorf NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Bad Soden am Taunus HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

Bad Vilbel HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

Bad Wörishofen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Baienfurt BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Baierbrunn BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Baltrum NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Bamberg BY 1.1.2016 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1229


Fach 4, Seite 1832<br />

Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />

Miete/Nutzungen<br />

Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />

(Mietpreisbremse)<br />

Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />

durch Absenkung<br />

der Kappungsgrenze auf 15 %<br />

gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />

Bargteheide SH 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />

Barsbüttel SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />

Bayerisch Gmain BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Bayreuth BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Benediktbeuern BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Bensheim HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />

Berg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Bergen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Bergisch Gladbach NRW 1.6.2014 30.6.2020<br />

Bergkirchen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Bergtheim BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Berlin BE 1.6.2015 31.5.2020 19.5.2013 10.5.20<strong>23</strong><br />

Bernau bei Berlin BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Bielefeld NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Bietigheim-Bissingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Birkenwerder BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Bischofsheim HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

Blankenfelde-Mahlow BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Bocholt NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Bochum NRW 1.6.<strong>2019</strong> 30.6.2020<br />

Bonn NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Borkum NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Bornheim NRW 1.6.<strong>2019</strong> 30.6.2020<br />

Bottrop NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Brannenburg BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Braunschweig NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Bremen (ohne Bremerhaven) HB 1.12.2015 20.11.2020 1.9.2014 31.8.2024<br />

Brühl NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Brühl BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Brunnthal BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Buchholz in der Nordheide NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Buxtehude NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Coesfeld NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Dachau BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Dallgow-Döberitz BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Darmstadt HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

Deggendorf BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Denkendorf BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Denzlingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Dießen am Ammersee BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Dietzenbach HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />

Dingolfing BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Dinslaken NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

1<strong>23</strong>0 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1833<br />

Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />

Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />

(Mietpreisbremse)<br />

Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />

durch Absenkung<br />

der Kappungsgrenze auf 15 %<br />

gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />

Dorfen BY 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Dormagen NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Dortmund NRW 1.6.<strong>2019</strong> 30.6.2020<br />

Dossenheim BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Dreieich HE 27.11.2015 30.6.<strong>2019</strong> 5) 6) 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />

Dresden SN 31.7.2015 30.6.2020<br />

Durmersheim BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Düsseldorf NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Ebersberg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Eching BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Edingen-Neckarhausen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Egelsbach HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />

Eggenstein-Leopoldshafen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Egmating BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Eichenau BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Eichwalde BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Elsendorf BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Eltville am Rhein HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />

Emmendingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Emmerich am Rhein NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Emmering BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Eppelheim BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Erding BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Erdweg BY 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Eresing BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Erfurt TH 31.3.2016 31.1.2021 1.10.<strong>2019</strong> 30.9.2024<br />

Ergolding BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Erkner BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Erkrath NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Erlangen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Eschborn HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />

Essen NRW 1.6.<strong>2019</strong> 30.6.2020<br />

Euskirchen NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Fahrenzhausen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Falkensee BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Feldafing BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Feldkirchen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Feldkirchen-Westerham BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Fellbach BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Feucht BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Filderstadt BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Finsing BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Flörsheim am Main HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1<strong>23</strong>1


Fach 4, Seite 1834<br />

Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />

Miete/Nutzungen<br />

Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />

(Mietpreisbremse)<br />

Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />

durch Absenkung<br />

der Kappungsgrenze auf 15 %<br />

gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />

Forchheim BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Forstinning BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Frankfurt am Main HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

Frauenneuharting BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Frechen NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Freiberg am Neckar BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Freiburg im Breisgau BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Freilassing BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Freising BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Friedberg HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />

Friedrichsdorf HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />

Friedrichshafen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Fürstenfeldbruck BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Fürth BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Garching bei München BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Garmisch-Partenkirchen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Gauting BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Geldern NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Gerbrunn BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Geretsried BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Germering BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Gernsheim HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />

Gerzen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Gießen HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />

Gilching BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Ginsheim-Gustavsburg HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />

Glienicke/Nordbahn BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Glinde SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />

Glonn BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Goldbach BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Göttingen NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Gräfelfing BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Grafing bei München BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Grasbrunn BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Greifswald MV 1.10.2018 30.9.20<strong>23</strong><br />

Grenzach-Wyhlen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Greven NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Grevenbroich NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Griesheim HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

Gröbenzell BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Gronau (Westfalen) NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Großbeeren BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Grünwald BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

1<strong>23</strong>2 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1835<br />

Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />

Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />

(Mietpreisbremse)<br />

Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />

durch Absenkung<br />

der Kappungsgrenze auf 15 %<br />

gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />

Gundelfingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Haan NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Haar BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Haimhausen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Hallbergmoos BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Halstenbek SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8)<br />

Haltern am See NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Hamburg HH 1.7.2015 30.6.2020 9) 1.9.2013 31.8.20<strong>23</strong><br />

Hanau HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />

Hannover NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Hattersheim am Main HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

Hausham BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Hebertshausen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Heidelberg BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Heilbronn BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Heitersheim BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Helgoland SH 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />

Hemsbach BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Hennef (Sieg) NRW 1.6.<strong>2019</strong> 30.6.2020<br />

Hennigsdorf BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Herrsching am Ammersee BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Heusenstamm HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />

Hilden NRW 1.6.2014 30.6.2020<br />

Hilgertshausen-Tandern BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Hochheim am Main HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />

Hofheim am Taunus HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

Hohen Neuendorf BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Hohenbrunn BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Höhenkirchen-Siegertsbrunn BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Hohenlinden BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Holzkirchen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Hopferau BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Hoppegarten BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Hörnum SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />

Hürth NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Iffezheim BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Ingolstadt BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Inning am Ammersee BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Irschenberg BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Ismaning BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Jena TH 31.3.2016 31.1.2021<br />

Juist NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Jülich NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1<strong>23</strong>3


Fach 4, Seite 1836<br />

Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />

Miete/Nutzungen<br />

Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />

(Mietpreisbremse)<br />

Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />

durch Absenkung<br />

der Kappungsgrenze auf 15 %<br />

gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />

Kampen SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />

Kamp-Lintfort NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Karlsfeld BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Karlsruhe BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Kassel HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

Kaufbeuren BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Kaufering BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Kelkheim (Taunus) HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />

Kelsterbach HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />

Kempen NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Kempten (Allgäu) BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Kerpen NRW 1.6.2014 30.6.2020<br />

Kevelaer NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Kiedrich HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />

Kiefersfelden BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Kiel SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 30.3.2018 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />

Kirchdorf BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Kirchentellinsfurt BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Kirchheim bei München BY 1.1.2016 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Kirchseeon BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Kleinmachnow BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Kleinrinderfeld BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Kleve NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Kolbermoor BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Köln NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Königs Wusterhausen BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Konstanz BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Krailling BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Kranzberg BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Kreuth BY 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Kronberg im Taunus HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />

Kürnach BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Landau RP 8.10.2015 11) 7.10.2020 13.2.2015 30.9.2024<br />

Landsberg am Lech BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Landshut BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Langen (Hessen) HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />

Langenbach BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Langenfeld (Rheinland) NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Langenhagen NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Langeoog NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Leer NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Leimen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Lenggries BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

1<strong>23</strong>4 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1837<br />

Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />

Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />

(Mietpreisbremse)<br />

Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />

durch Absenkung<br />

der Kappungsgrenze auf 15 %<br />

gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />

Lenting BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Leverkusen NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Lindau (Bodensee) BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Linkenheim-Hochstetten BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

List SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />

Lörrach BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Lotte NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Lüneburg NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Mainz RP 8.10.2015 11) 7.10.2020 13.2.2015 30.9.2024<br />

Maisach BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Manching BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Marburg HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

March BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Markt Indersdorf BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Markt Schwaben BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Marzling BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Meerbusch NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Memmingen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Merzhausen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Mettmann NRW 1.6.<strong>2019</strong> 30.6.2020<br />

Miesbach BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Moers NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Möglingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Monheim am Rhein NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Moosach BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Moosburg an der Isar BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Mörfelden-Walldorf HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

Mühlenbecker Land BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Mühlheim an der Ruhr NRW 1.6.<strong>2019</strong> 30.6.2020<br />

Müllheim BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

München BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Münster NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Murnau am Staffelsee BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Nassenfels BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Nauheim HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />

Nebel SH 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />

Neckarsulm BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Neubiberg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Neuburg an der Donau BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Neuching BY 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Neuenburg am Rhein BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Neuenhagen bei Berlin BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Neufahrn bei Freising BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1<strong>23</strong>5


Fach 4, Seite 1838<br />

Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />

Miete/Nutzungen<br />

Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />

(Mietpreisbremse)<br />

Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />

durch Absenkung<br />

der Kappungsgrenze auf 15 %<br />

gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />

Neuhausen auf den Fildern BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Neuried BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Neusäß BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Neuss NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Neutraubling BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Neu-Ulm BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Nidderau HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />

Niederkassel NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Norderney NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Norderstedt SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8)<br />

Nürnberg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Nuthetal BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Oberammergau BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Oberding BY 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Oberhaching BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Oberschleißheim BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Obertshausen HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />

Oberursel HE 27.11.2015 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />

Odelzhausen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Offenbach am Main HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

Offenburg BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Olching BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Oldenburg NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Oranienburg BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Osnabrück NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Ostbevern NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Otterfing BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Ottobrunn BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Overath NRW 1.6.2014 30.6.2020<br />

Paderborn NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Panketal BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Passau BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Penzberg BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Petershagen/Eggersdorf BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Petershausen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Pfaffenhofen an der Ilm BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Pfinztal BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Piding BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Planegg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Pliening BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Plochingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Pöcking BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Poing BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

1<strong>23</strong>6 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1839<br />

Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />

Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />

(Mietpreisbremse)<br />

Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />

durch Absenkung<br />

der Kappungsgrenze auf 15 %<br />

gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />

Potsdam BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Prien am Chiemsee BY 1.1.2016 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Puchheim BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Pullach im Isartal BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Putzbrunn BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Radolfzell am Bodensee BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Raesfeld NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Rangsdorf BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Rastatt BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Ratingen NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Raubling BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Raunheim HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />

Ravensburg BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Regensburg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Reichertshofen BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Remchingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Renningen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Reutlingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Rheda-Wiedenbrück NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Rheine NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Rheinfelden (Baden) BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Rheinstetten BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Riedering BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Rielasingen-Worblingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Rimsting BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Röhrmoos BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Rommerskirchen NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Rosenheim BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Rösrath NRW 1.6.2014 30.6.2020<br />

Rostock MV 1.10.2018 30.9.20<strong>23</strong><br />

Rüsselsheim HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />

Sandhausen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Sauerlach BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Schäftlarn BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Schönefeld BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Schöneiche bei Berlin BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Schöngeising BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Schulzendorf BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Schwabach BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Schwabhausen BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Schwaig bei Nürnberg BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Schwalbach am Taunus HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

Seefeld BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1<strong>23</strong>7


Fach 4, Seite 1840<br />

Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />

Miete/Nutzungen<br />

Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />

(Mietpreisbremse)<br />

Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />

durch Absenkung<br />

der Kappungsgrenze auf 15 %<br />

gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />

Seehausen am Staffelsee BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Senden NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Senden BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Siegburg NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Sindelfingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Singen (Hohentwiel) BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Soest NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Solingen NRW 1.6.<strong>2019</strong> 30.6.2020<br />

Sonthofen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Spatzenhausen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Speyer RP 8.10.2015 11) 7.10.2020 13.2.2015 30.9.2024<br />

Spiekeroog NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

St. Augustin NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Stadtbergen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Starnberg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Stein BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Steinen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Stephanskirchen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Straßlach-Dingharting BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Stutensee BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Stuttgart BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Sulzemoos BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Sylt SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />

Taufkirchen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Teltow BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Teningen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Tettnang BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Traunreut BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Traunstein BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Trier RP 8.10.2015 11) 7.10.2020 13.2.2015 30.9.2024<br />

Troisdorf NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />

Tübingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Türkenfeld BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Tutzing BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Uettingen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Ulm BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Umkirch BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Unterföhring BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Unterhaching BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Unterpleichfeld BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Unterschleißheim BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Uttenreuth BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Vaterstetten BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

1<strong>23</strong>8 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1841<br />

Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />

Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />

(Mietpreisbremse)<br />

Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />

durch Absenkung<br />

der Kappungsgrenze auf 15 %<br />

gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />

Vechta NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Velten BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Vierkirchen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Waakirchen BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Waldbrunn BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Waldkirch BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Waltrop NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Wangerooge NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Wedel SH 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />

Weichs BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Weil am Rhein BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Weilheim in Oberbayern BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Weingarten BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Weiterstadt HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

Wendelstein BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Wendlingen am Neckar BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />

Wenningstedt-Braderup SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />

Wentorf bei Hamburg SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />

Werneuchen BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Wesel NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />

Wesseling NRW 1.6.2014 30.6.2020<br />

Weßling BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Wiesbaden HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />

Wildau BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Winnenden BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />

Wolfratshausen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Wolfsburg NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />

Wörthsee BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />

Würzburg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Wyk auf Föhr SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />

Zeuthen BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />

Zirndorf BY 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />

Zorneding BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />

Anmerkungen:<br />

1. Die Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit Mietpreisbegrenzung (Mietpreisbegrenzungsverordnung<br />

– MietbegrenzVO NRW) vom <strong>23</strong>.6.2015 (GVBl. NRW. 2015, 489) ist nach Ansicht des AG Köln<br />

(Urt. v. 15.2.<strong>2019</strong> – 208 C 188/18) wegen nicht ausreichender Begründung unwirksam.<br />

2. Die Kappungsgrenzenverordnung in Schleswig-Holstein wird voraussichtlich nicht verlängert.<br />

3. Die Verordnung vom 14.7.2015 (GVBl Nr. 8/2015, S. 250) ist durch die Verordnung zur Festlegung des<br />

Anwendungsbereichs bundesrechtlicher Mieterschutzvorschriften (Mieterschutzverordnung – MiSchuV)<br />

vom 10.11.2015 (GVBl Nr. 14/2015, S. 398) ab dem 31.12.2015 aufgehoben und ersetzt worden. Die<br />

Begründung der Verordnung ist im JMBl. 2015, 117 veröffentlicht worden. Das LG München I (NZM 2018,<br />

83) hat diese Begründung als nicht ausreichend angesehen und die Verordnung vom 10.11.2015 für nichtig<br />

erklärt. Am 24.7.2017 hat die Bayerische Staatsregierung eine ergänzende Begründung zu der bereits am<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1<strong>23</strong>9


Fach 4, Seite 1842<br />

Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />

Miete/Nutzungen<br />

16.12.2015 veröffentlichten Begründung beschlossen und am 26.7.2017 im JMBl. Nr. 6/2017, 90<br />

veröffentlicht. Nach dem AG München (Urt. v. 9.8.<strong>2019</strong> – 424 C 2<strong>23</strong>34/18) hat diese nachträgliche<br />

Veröffentlichung einer Begründung den Begründungsmangel der Verordnung vom 10.11.2015 weder ex<br />

tunc noch ex nunc geheilt (ebenso AG München, Urt. v. 28.6.<strong>2019</strong> – 461 C 12217/18). Am 7.8.<strong>2019</strong> hat die<br />

Staatsregierung eine neue Verordnung mit Begründung veröffentlicht (GVBl <strong>2019</strong>, 458). Nach dieser<br />

neuen Verordnung ist die Mieterschutzverordnung (MiSchuV) vom 10.11.2015 (GVBl., S. 398) mit Ablauf<br />

des 6.8.<strong>2019</strong> außer Kraft getreten.<br />

4. Die Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit Begrenzung der zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn<br />

(Mietpreisbegrenzungsverordnung Baden-Württemberg – MietBgVO BW) vom 29.9.2015 (GVBl 2015,<br />

852) ist nach Ansicht des LG Stuttgart (NZM <strong>2019</strong>, 290) wegen fehlender Begründung unwirksam.<br />

5. Die Hessische Mietenbegrenzungsverordnung vom 17.11.2015 (GVBl., S. 397) ist wegen fehlender<br />

Begründung zumindest anfänglich unwirksam (LG Frankfurt WuM 2018, 276 bestätigt durch BGH WuM<br />

<strong>2019</strong>, 440). Das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />

hat in dem Verfahren mitgeteilt, dass die Begründung „nicht vor 2017 auf der Homepage des<br />

Ministeriums als pdf-Download veröffentlicht wurde“ (zu begründeten Zweifeln an einer Veröffentlichung<br />

vor März 2018 s. BÖRSTINGHAUS, „Mietpreisbremse-Gate“ in Hessen, NJW 2018, 20). Die neue<br />

Verordnung für Hessen mit Begründung gilt seit dem 28.6.<strong>2019</strong>.<br />

6. Dreieich, Hessen, ist in der neuen Verordnung vom 28.6.<strong>2019</strong> nicht mehr als Gebiet mit angespanntem<br />

Wohnungsmarkt vermerkt.<br />

7. Die Hessische Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit abgesenkter Kappungsgrenze wäre zum<br />

17.10.<strong>2019</strong> ausgelaufen. Eine neue Verordnung ist am <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> veröffentlicht worden und hat die<br />

bestehende Verordnung frühzeitig aufgehoben. Die Reduzierung der Kappungsgrenze in dieser<br />

Gemeinde ist in der neuen Verordnung weggefallen.<br />

8. Die derzeitige Landesverordnung über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn (Mietpreisverordnung<br />

Schleswig-Holstein) ist ursprünglich noch bis zum 30.11.2020 gültig. Die Landesregierung hat angekündigt,<br />

die Verordnung bereits frühzeitig zum Ablauf der Kappungsgrenzenverordnung zum 30.11.<strong>2019</strong> aufzuheben.<br />

9. Die Verordnung über die Einführung einer Mietpreisbegrenzung nach § 556d BGB (Mietpreisbegrenzungsverordnung)<br />

wurde am <strong>23</strong>.6.2015 veröffentlicht. Ein förmlicher Beschluss des Senats zu der Begründung<br />

der Mietpreisbegrenzungsverordnung existierte nicht. Am 22.10.2015 wurde im Transparenzportal der<br />

Freien und Hansestadt Hamburg die Niederschrift der Senatssitzung vom <strong>23</strong>.6.2015 mit Vorblatt zur<br />

Senatsdrucksache veröffentlicht. Die 26-seitige Begründung zur Mietpreisbegrenzungsverordnung, die in<br />

der Drucksache des Senats dem sog. dreiseitigen Vorblatt nachfolgt, wurde nicht mit veröffentlicht. Am<br />

6.6.2017 wurde auf der offiziellen Internetpräsenz der Freien und Hansestadt Hamburg die Begründung<br />

veröffentlicht. Außerdem wurde sie im Amtlichen Anzeiger vom 1.9.2017 veröffentlicht. Nach dem AG<br />

Hamburg-Altona (Urt. v. 9.10.2017 – 316 C 206/17; ebenso SCHULDT, Mietpreisbremse-Verordnungen: Das<br />

Begründungserfordernis als „Stolperstein“, NZM 2018, 258, 263) hat diese nachträgliche Veröffentlichung<br />

der Begründung den ursprünglichen Mangel weder rückwirkend noch für die Zukunft geheilt. Am<br />

10.7.2018 wurde die Verordnung über die Einführung einer Mietpreisbegrenzung nach § 556d des BGB<br />

(Mietpreisbegrenzungsverordnung) mit einer Begründung erneut verkündet (GVBl. 2018, 225). Darin<br />

wurde die alte VO vom <strong>23</strong>.6.2015 aufgehoben. Nach dem LG Hamburg (NZM 2018, 745) war die Verordnung<br />

von 2015 zumindest im September 2015 wegen fehlender Begründung unwirksam. Welche Auswirkungen<br />

die späteren Stadien der Veröffentlichung hatten, ist offengeblieben. Nach dem AG Hamburg<br />

(Urt. v. 19.12.2018 – 49 C 77/18) soll die Verordnung seit der Veröffentlichung am 1.9.2017 wirksam sein.<br />

10.Die Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit Mietpreisbegrenzung (Mietpreisbegrenzungsverordnung<br />

– MietbegrenzV) vom 8.12.2015 (GVBl. Nr. 65, 15) ist nach Ansicht des AG Potsdam (GE 2018,<br />

1464) wegen fehlender Begründung unwirksam. Im April <strong>2019</strong> wurde die neue Verordnung<br />

veröffentlicht. Diese entspricht der Verordnung von 2015 und bessert bei der Begründung nach.<br />

11. Für die Landesverordnung über die Bestimmung der Gebiete mit Mietpreisbegrenzung nach § 556d<br />

BGB (Mietpreisbegrenzungsverordnung) vom 28.9.2015 (GVBl. 2015, 264) gibt es keine veröffentlichte<br />

Begründung. Die Mietpreisbremsenverordnung ist gemäß dem Urteil vom 26.7.<strong>2019</strong> des AG Mainz<br />

wegen verspäteter Begründung unwirksam. Am 30.9.<strong>2019</strong> wurden nun bereits eine neue Mietpreisbegrenzungsverordnung<br />

und eine neue Kappungsgrenzenverordnung veröffentlicht. Der Anwendungsbereich<br />

der Mietpreisbremse hat sich um eine Stadt (Speyer) erweitert.<br />

1240 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 963<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Rechtsprechung<br />

Rechtsprechungsübersicht zum Arbeitsrecht – 1. Halbjahr <strong>2019</strong><br />

Von Richter am Arbeitsgericht WOLFGANG GUNDEL, Freiburg, und Rechtsanwalt und Fachanwalt für<br />

Arbeits- und für Sozialrecht Dr. ULRICH SARTORIUS, Breisach<br />

Inhalt<br />

I. Individualarbeitsrecht<br />

1. Aufhebungsvertrag: Kein Widerruf; Verletzung<br />

des Gebots fairen Verhandelns<br />

2. Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen<br />

Ausschlussfristenklausel<br />

3. Diskriminierung wegen Schwerbehinderung<br />

4. Schadenersatz eines/einer schwerbehinderten<br />

Beschäftigten wegen Ablehnung<br />

einer stufenweisen Wiedereingliederung<br />

i.R.d. BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX a.F.<br />

5. Urlaubsabgeltung und Verfallfristen –<br />

Neubeginn der Verjährung<br />

6. Neues zum Urlaubsrecht<br />

II. Kündigungsschutzrecht<br />

1. Verhältnis des Beschäftigungsanspruchs<br />

schwerbehinderter Menschen zur unternehmerischen<br />

Organisationsfreiheit<br />

2. Massenentlassung – Kündigung sofort<br />

nach Eingang der Massenentlassungsanzeige<br />

zulässig<br />

III. Befristungsrecht<br />

1. Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2<br />

S. 2 TzBfG (Rechtsprechungsänderung)<br />

2. Altersgrenze – Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts<br />

3. Grenzen einer tarifvertraglichen Höchstdauer<br />

für sachgrundlose Befristung<br />

IV. Prozessrecht<br />

1. Feststellungsinteresse bei einer Feststellungsklage<br />

bzw. Zwischenfeststellungsklage<br />

2. Rechtsweg: Fremdgeschäftsführer –<br />

arbeitgeberähnliche Person<br />

V. Sozialrecht<br />

Ende des Insolvenzgeldzeitraums bei<br />

Betriebsübergang<br />

I. Individualarbeitsrecht<br />

1. Aufhebungsvertrag: Kein Widerruf; Verletzung des Gebots fairen Verhandelns<br />

Gegenstand der Entscheidung des BAG vom 7.12.2018 (6 AZR 75/18, NZA <strong>2019</strong>, 688, auszugsweise abgedr.<br />

in NJW <strong>2019</strong>, 1966 mit zustimmender Anm. BACHMANN/PONZEN, a.a.O.,1969; s. auch PETERSEN, Hürden beim<br />

Abschluss eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags, NWB <strong>2019</strong>, 1682 und FISCHINGER, Gebot fairen<br />

Verhandelns, NZA <strong>2019</strong>, 729) ist der Streit um den Bestand des Arbeitsverhältnisses der Klägerin nach<br />

Abschluss eines Aufhebungsvertrags.<br />

Die Klägerin war bei der Beklagten als Reinigungshilfe beschäftigt. Am 15.2.2016 suchte der Lebenspartner<br />

der Beklagten, welcher tatsächlich deren Geschäfte führt, die Klägerin gegen 17 Uhr in ihrer<br />

Wohnung auf und legte ihr einen Aufhebungsvertrag vor. Die Klägerin erklärte hierzu, sie sei an diesem<br />

Tage krank gewesen und habe im Bett gelegen, als der Lebenspartner der Beklagten geklingelt habe. Ihr<br />

Sohn habe ihn hereingelassen und sie geweckt, den ihr vorgehaltenen Vertrag habe sie unter dem<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1241


Fach 17 R, Seite 964<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Arbeitsrecht<br />

Einfluss von Schmerzmitteln „im Tran“ unterschrieben und erst hinterher gemerkt, was sie gemacht<br />

habe. Die Beklagte erwiderte, die Klägerin habe am Vormittag des 15.2.2016 telefonisch um den<br />

Abschluss eines Aufhebungsvertrags gebeten. Eine krankheits- oder medikamentenbedingte Beeinträchtigung<br />

sei bei Vertragsschluss nicht zu bemerken gewesen.<br />

Mit Schreiben vom 17.2.2016 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Anfechtung des<br />

Aufhebungsvertrags wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und Drohung. Hilfsweise werde die<br />

Zustimmung zum Vertragsschluss widerrufen. Da die Beklagte an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

festhielt, erhob die Klägerin Klage. Die Vorinstanzen haben diese Klage abgewiesen. Die<br />

vom LAG zugelassene und eingelegte Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur<br />

Zurückverweisung.<br />

Das BAG billigt zunächst die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach der Aufhebungsvertrag nicht<br />

deswegen unwirksam ist, weil die Klägerin die Annahme des entsprechenden Vertragsangebots in<br />

einem Zustand vorübergehender Störung ihrer Geistestätigkeit i.S.d. § 105 Abs. 2 Alt. 2 BGB erklärt habe<br />

und ihre Willenserklärung deshalb nichtig sei. Der entsprechende Vortrag der Klägerin war für eine<br />

solche Annahme nicht ausreichend. Gleiches gilt für die Ansicht des LAG, es bestehe kein Anfechtungsgrund<br />

i.S.d. §§ 119 ff. BGB. Die Vereinbarung ist auch nicht gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wegen<br />

unangemessener Benachteiligung der Klägerin unwirksam. Formularmäßige Abreden, die Art und<br />

Umfang der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar<br />

bestimmen, sind aus Gründen der Vertragsfreiheit gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB regelmäßig von der<br />

gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ausgenommen.<br />

Ein gesetzliches Widerrufsrecht – ein vertragliches Widerrufsrecht hatten die Parteien nicht vereinbart,<br />

ein Aufhebungsvertrag ist i.Ü. nicht bereits deshalb unwirksam, weil Arbeitgeber den Arbeitnehmern<br />

kein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumen, s. bereits BAG 14.2.1996 – 2 AZR <strong>23</strong>4/95, NZA 1996, 811<br />

– gem. § 355 i.V.m. § 312g Abs. 1, § 312b BGB („Haustürgeschäft“) besteht nicht. Das BAG hat bereits zu<br />

der bis zum 12.6.2014 geltenden Rechtslage entschieden, dass arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge<br />

nicht als Haustürgeschäfte i.S.d. §§ 312 ff. BGB a.F. anzusehen sind.<br />

Nach § 312 Abs. 1 BGB in der ab dem 13.6.2014 geltenden Fassung sind die Vorschriften der Kapitel 1 und<br />

2 des Untertitels 2 (2. Buch, Abschnitt 3, Titel 1 des BGB) nur auf Verbraucherverträge i.S.d. § 310 Abs. 3<br />

BGB anzuwenden, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben. Kapitel 2<br />

beinhaltet Regelungen für „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge“.<br />

Dies sind solche Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des<br />

Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers i.S.d.<br />

§ 312b Abs. 2 BGB ist. Bei derart geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen steht dem<br />

Verbraucher gem. § 312g Abs. 1 BGB ein Widerrufsrecht gem. § 355 BGB zu. Nach der vom BAG<br />

vorgenommenen Auslegung des § 312 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung seines systematischen<br />

Zusammenhangs und des gesetzgeberischen Willens ergibt sich, dass die Norm den Anwendungsbereich<br />

des 2. Kapitels und damit der §§ 312b, 312 g BGB nicht eröffnet. Folglich können Arbeitnehmer ihr<br />

Einverständnis mit einem nach dem 12.6.2014 geschlossenen Aufhebungsvertrag unabhängig vom Ort<br />

des Vertragsschlusses nicht nach diesen Vorschriften widerrufen (s. im Einzelnen Rn 13-29 der<br />

Entscheidungsgründe).<br />

Das BAG beanstandet jedoch, das LAG habe nicht geprüft, ob der streitgegenständliche Aufhebungsvertrag<br />

unter Verstoß gegen das sog. Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen und deshalb<br />

unwirksam ist. Hierfür seien Anhaltspunkte im festgestellten Sachverhalt erkennbar.<br />

Das BAG hat bereits früher entschieden, dass der Gefahr einer möglichen Überrumpelung der<br />

Arbeitnehmer bei Vertragsverhandlungen, z.B. weil diese zu ungewöhnlichen Zeiten oder an<br />

ungewöhnlichen Orten stattfinden, mit dem Gebot fairen Verhandelns begegnet werden kann<br />

(s. BAG, Urt. v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, juris Rn 53). Bei diesem Gebot handelt es sich im<br />

1242 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 965<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Zusammenhang mit der Verhandlung eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags um eine durch die<br />

Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründete Nebenpflicht i.S.d. § 311 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 241<br />

Abs. 2 BGB. Nach § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur<br />

Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Der Inhalt der<br />

Rücksichtnahmepflichten ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Diese Grundsätze<br />

gelten auch bei Vertragsverhandlungen, bei denen die Parteien durchaus gegenläufige Interessen<br />

haben können. § 241 Abs. 2 BGB zwingt nicht zu einer Verleugnung der eigenen Interessen, sondern zu<br />

einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen der Gegenseite. Bei Verhandlungen über den<br />

Abschluss eines Aufhebungsvertrags kann eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2<br />

BGB verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire<br />

Behandlung des Vertragspartners darstellt.<br />

Bei einem schuldhaften Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns ist der Aufhebungsvertrag im<br />

Regelfall unwirksam. Der Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen einer Missachtung des<br />

Gebots fairen Verhandelns führt unmittelbar zu einem Entfall der Rechtswirkungen des Aufhebungsvertrags<br />

und damit zu einer Fortsetzung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses zu unveränderten<br />

Bedingungen. Die Rechtsprechung des BAG zum Schadenersatz bei Aufklärungspflichtverletzungen<br />

vor Abschluss eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags, wonach ein Schadenersatzanspruch<br />

nur finanzielle Entschädigungsansprüche zur Folge haben, nicht aber die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrags<br />

begründen könne, ist hier nicht einschlägig. Der Schutzbereich der Aufklärungspflicht<br />

unterscheidet sich von dem Gebot fairen Verhandelns insoweit, weil erstere sich nicht auf die mit dem<br />

Aufhebungsvertrag eintretende Beendigung des Vertragsverhältnisses bezieht.<br />

Die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns und die<br />

Kausalität dieses Verstoßes für den Abschluss des Aufhebungsvertrags – wobei hinsichtlich der<br />

Kausalität zwischen Verhandlungsverschulden und Schaden davon ausgegangen werden kann, dass<br />

Arbeitnehmer ohne die unfaire Behandlung ihre Eigeninteressen in vernünftiger Weise gewahrt und<br />

den Aufhebungsvertrag nicht abgeschlossen hätten – trägt derjenige, der sich auf eine Verletzung des<br />

§ 311 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB beruft.<br />

Im vorliegenden Fall erscheint es, so das BAG, nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte durch ein ihr<br />

zurechenbares Verhalten ihres Lebensgefährten am 15.2.2016 das Gebot fairen Verhandelns verletzt und<br />

damit die Entscheidungsfreiheit der Klägerin bezüglich des Vertragsabschlusses schuldhaft beeinträchtigt<br />

hat. Treffe es zu, dass die Klägerin entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht am Vormittag<br />

des 15.2.2016 um den Abschluss eines Aufhebungsvertrags gebeten hat, könnte das unangekündigte<br />

Aufsuchen der Klägerin in ihrer Wohnung einer Überrumpelung gleichkommen. Hinzu käme nach dem<br />

Vortrag der Klägerin die an diesem Tag bestehende Erkrankung. Das Gebot fairen Verhandelns wäre<br />

schon für sich genommen, aber erst recht in Verbindung mit einer Überrumpelung, verletzt, wenn<br />

sich die Klägerin bei der Vertragsverhandlung erkennbar in einem körperlich geschwächten Zustand<br />

befunden und der Lebensgefährte der Beklagten diese Situation ausgenutzt hätte. Dies gelte umso mehr,<br />

wenn keine triftigen Gründe für Verhandlungen mit der Klägerin noch während ihrer Erkrankung<br />

vorgelegen hätten. Das Gericht verweist insofern auf das Urteil des 10. Senats des BAG vom 2.11.2016<br />

(10 AZR 596/15, NJW 2017, 906 s. GUNDEL/SARTORIUS <strong>ZAP</strong> F. 17 R, S. 873 f.), wonach dann, wenn Arbeitnehmer<br />

arbeitsunfähig erkrankt sind, der Arbeitgeber bei der Ausübung der ihm verbleibenden Weisungsrechte<br />

wegen der latenten Gefahr einer Beeinträchtigung des Genesungsprozesses die Erteilung<br />

von Weisungen auf dringende betriebliche Anlässe zu beschränken und sich bezüglich der Art und Weise,<br />

der Häufigkeit und der Dauer der Inanspruchnahme (z.B. für Personalgespräche) am wohlverstandenen<br />

Interesse der Arbeitnehmer zu orientieren hat.<br />

Ob das Gebot fairen Verhandelns vorliegend missachtet wurde, kann der Senat nicht selbst entscheiden,<br />

da es hierzu an den erforderlichen Feststellungen des LAG fehlt. Der Rechtsstreit wurde demnach unter<br />

Aufhebung des Berufungsurteils an das LAG zurückverwiesen.<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1243


Fach 17 R, Seite 966<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Arbeitsrecht<br />

Hinweise:<br />

1. Es handelt sich um die erste einschlägige Entscheidung des BAG. Soweit das BAG auf die Urteile vom<br />

27.11.2003 ( 2 AZR 135/03, Rn 53, NZA 2004, 597 und 2 AZR 177/03, Rn 41, BB 2004, 1858;<br />

Parallelentscheidungen: BAG, Urt. v. 3.6.2004 – 2 AZR 427/03 und 428/03, juris) Bezug nimmt, sind<br />

die Entscheidungen zum Widerruf nach § 312 BGB und zur Anfechtung ergangen. Der jeweils enthaltene<br />

Hinweis lautet: „Der allgemeinen Gefahr einer möglichen Überrumpelung des Arbeitnehmers, z.B. weil die<br />

Vertragsverhandlungen zu ungewöhnlichen Zeiten oder an ungewöhnlichen Orten im Betrieb stattfinden (s. auch<br />

§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n.F.; ST. LORENZ JZ 1997, 277, 281 f.), kann allein über Informationspflichten und mit dem<br />

Gebot fairen Verhandelns begegnet werden (DÄUBLER NZA 2001, 1329, 1334; HENSSLER RdA 2002, 129, 135).“ Der<br />

Grundsatz hat dann 16 Jahre lang geschlummert.<br />

2. Das vom BAG angenommene Gebot fairen Verhandelns, gestützt auf § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB und § 241<br />

Abs. 2 BGB, könnte Auswirkungen für das gesamte Arbeitsrecht haben, so etwa für Änderungsverträge<br />

oder auch für den Arbeitsvertragsschluss selbst. Auch über das Arbeitsrecht hinaus kann der<br />

im allgemeinen Zivilrecht verortetete Gedanke fruchtbar gemacht werden. Ob dies erfolgt, bleibt<br />

abzuwarten. Für einen Änderungsvertrag unter Entziehung einer Leitungsfunktion nach Vorwürfen<br />

sexueller Belästigung geprüft und verneint: LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11.4.<strong>2019</strong> – 5 Sa 339/18, RDG<br />

<strong>2019</strong>, 244; für einen Aufhebungsvertrag geprüft und verneint: LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 7.3.<strong>2019</strong> –<br />

5 Sa 301/18, juris.<br />

2. Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenklausel<br />

Die Parteien streiten über Arbeitsentgelt. Nach dem schriftlichen Dienstvertrag vom 20.2.2012, der dem<br />

Arbeitsverhältnis zugrunde lag, hatte der klagende Arbeitnehmer Anspruch auf ein festes Jahresgehalt<br />

sowie auf eine leistungsabhängige Prämie i.H.v. zunächst 15.000 €. Die Prämie war bis Ende 2013<br />

garantiert und zahlbar bis zum 31. März des jeweiligen Folgejahres. Ferner war im Dienstvertrag eine<br />

zweistufige Ausschlussfrist vereinbart, nach der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die<br />

mit diesem in Verbindung stehen, zunächst schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend zu<br />

machen sind, andernfalls sie verfallen (1. Stufe). Ab dem Jahr 2014 hat der Kläger keine Prämien mehr<br />

erhalten. Im November 2015 listete er zur Vorbereitung einer kurz danach geführten Unterredung<br />

Gesprächsthemen auf, zu denen auch die Zahlung von Prämien für die Jahre 2014 und 2015 gehörte. Das<br />

Gespräch hat ebenso wie ein weiteres Gespräch im Mai 2016 zu keinem Ergebnis geführt. Mit seiner am<br />

17.2.2017 zugestellten Klage hat der Kläger u.a. die Zahlung von Prämien für die Jahre 2014 und 2015<br />

i.H.v. jeweils 15.000 € verlangt. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos (BAG, Urt. v. 17.4.<strong>2019</strong> – 5 AZR<br />

331/18, NZA <strong>2019</strong>, 1050).<br />

Das Gericht lässt offen, ob überhaupt ein Anspruch auf Prämienzahlung bestand, weil dieser jedenfalls<br />

mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen ist. Es lässt weiter offen, ob die Fälligkeit der<br />

Prämienansprüche nach dem Dienstvertrag am 31.3.2015 und 31.3.2016 eingetreten ist oder ob sich der<br />

Eintritt der Fälligkeit mangels einer Leistungsbestimmung i.S.v. § 315 Abs. 1 S. 1 BGB durch die Beklagte<br />

nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB richtet. Auch im letzteren Fall hätte der Kläger seinen Anspruch auf<br />

arbeitgeberseitige Ausübung des Bestimmungsrechts zumindest dem Grunde nach schriftlich<br />

geltend machen müssen, um die erste Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist-Regelung zu<br />

wahren. Die Regelung der Ausschlussfrist ist wirksam und nicht etwa wegen eines Verstoßes gegen<br />

§ 3 S. 1 MiLoG insgesamt unwirksam. Da der Dienstvertrag am 20.2.2012 abgeschlossen wurde,<br />

handelt es sich um einen sog. Altvertrag, der vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (16.8.2014)<br />

abgeschlossen ist. Für einen solchen nimmt – wie bereits der 9. Senat des BAG, Urt. v. 18.9.2018 –<br />

9 AZR 162/18, NZA 2018, 1619 – auch vorliegend der 5. Senat an, dass es bei der von § 3 S. 1<br />

MiLoG vorgesehenen Teilunwirksamkeit einer „überschießenden“ Verfallklausel bleibt, weil eine bei<br />

Vertragsschluss transparente Klausel nicht durch eine spätere Änderung der Rechtslage intransparent<br />

(§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) und damit insgesamt unwirksam wird.<br />

1244 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 967<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Die Auflistung der Gesprächsthemen vom <strong>23</strong>.11.2015 ist keine schriftliche Geltendmachung im Sinne<br />

der Ausschlussfrist. Zu einer solchen gehört es, dass der Anspruchsinhaber unmissverständlich zum<br />

Ausdruck bringt, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die<br />

Geltendmachung setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet<br />

und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner<br />

notwendigen Bestimmtheit ersichtlich gemacht wird.<br />

Aufgrund der Umstände des Einzelfalls entschied das BAG ferner, der Beklagten sei es nicht nach Treu<br />

und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die vertragliche Ausschlussfrist zu berufen.<br />

Schließlich führt das BAG aus, der Lauf der ersten Stufe der Ausschlussfrist sei nicht in analoger<br />

Anwendung des § 203 S. 1 BGB gehemmt. Selbst wenn in den Gesprächen der Parteien Verhandlungen<br />

zu sehen wären, könnte jedoch die Vorschrift nicht entsprechend angewandt werden, da der Kläger<br />

bereits die erste Stufe der Ausschlussfrist zur schriftlichen Geltendmachung der Ansprüche nicht<br />

eingehalten hat. Das Urteil des Senats vom 20.6.2018 (5 AZR 262/27, NZA 2018, 1402) sei hierauf nicht<br />

übertragbar. Der Senat hat dort angenommen, eine einzelvertragliche Verfallklausel nehme mit dem<br />

Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung auf einen vom Verjährungsrecht zur Hemmung der<br />

Verjährung zur Verfügung gestellten Tatbestand (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) Bezug, weshalb die Ähnlichkeit<br />

von Funktion und faktischer Wirkung es gebiete, auf die Ausschlussfrist diejenigen Verjährungsvorschriften<br />

entsprechend anzuwenden, deren Zweck dem Wesen der Ausschlussfrist nicht widerspricht.<br />

3. Diskriminierung wegen Schwerbehinderung<br />

Mit Urteil vom 16.5.<strong>2019</strong> (8 AZR 315/18, NZA <strong>2019</strong>, 1419) hat das BAG seine Rechtsprechung zur<br />

Benachteiligung wegen Schwerbehinderung nach § 81 und § 82 SGB IX a.F., jetzt § 154 und § 155 SGB IX<br />

(2018) fortgeführt.<br />

Der Kläger begehrt eine Diskriminierungsentschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der<br />

Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung. Die Beklagte ist eine Fraktion des Bayerischen<br />

Landtags. Im November 2016 schrieb sie zwei Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter aus. Der Kläger<br />

bewarb sich auf beide Stellen mit dem Hinweis auf seine Schwerbehinderung. Die Beklagte lud ihn nicht<br />

zu einem Vorstellungsgespräch ein und teilte ihm mit, sie habe sich für andere Bewerber entschieden.<br />

Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Anspruch<br />

genommen. Die Beklagte habe ihn wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Dies folge insb.<br />

daraus, dass die Beklagte ihn entgegen der zum Schutz und zur Förderung von Schwerbehinderten im<br />

SGB IX getroffenen Bestimmungen des § 82 S. 2 SGB IX a.F. nicht zu einem Vorstellungsgespräch<br />

eingeladen habe. Die Beklagte sei ein öffentlicher Arbeitgeber i.S.v. § 71 Abs. 3 SGB IX a.F.<br />

Die Klage war in allen drei Instanzen ohne Erfolg. Die Beklagte hat den Kläger nicht wegen seiner<br />

Schwerbehinderung benachteiligt. Sie hat keine zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen<br />

Verfahrens- und/oder Förderpflichten verletzt, insb. war sie nicht nach § 82 S. 2 SGB IX a.F. verpflichtet,<br />

den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Eine solche Pflicht trifft nur öffentliche<br />

Arbeitgeber i.S.v. § 71 Abs. 3 SGB IX a.F. Um einen solchen Arbeitgeber handelt es sich bei der Beklagten<br />

nicht, insb. ist diese keine sonstige Körperschaft des öffentlichen Rechts i.S.v. § 71 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX a.F.,<br />

da ihr ein solcher Status nicht verliehen wurde.<br />

Hinweise:<br />

1. Das LAG hatte zwei wichtige Fragen angesprochen: (1) Die Anhörungspflicht bei Nichtbestehen eines<br />

Personal-/Betriebsrats und (2) Die Einladungspflicht öffentlicher Arbeitgeber.<br />

2. Die Pflicht zur Anhörung und Unterrichtung eines schwerbehinderten Bewerbers gem. § 164 Abs. 1 S. 8<br />

und 9 SGB IX (2018) besteht nur, wenn eine Schwerbehindertenvertretung oder ein Betriebsrat bzw.<br />

Personalrat oder eine sonst in § 176 SGB IX genannte Vertretung besteht. Dies zeigt der Vergleich mit<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1245


Fach 17 R, Seite 968<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Arbeitsrecht<br />

der Erfüllung der Beschäftigungsquote. Das BAG (Urt. v. 21.2.2013 – 8 AZR 180/12, Rn 44 – juris) hat für<br />

den Fall, in dem ein Arbeitgeber die Beschäftigungsquote nach § 71 Abs. 1 SGB IX a.F. erfüllt und deshalb<br />

nicht verpflichtet ist, das Erörterungsverfahren gem. § 81 Abs. 1 S. 8 SGB IX a.F. durchzuführen, entschieden:<br />

Der Arbeitgeber sei dann nicht verpflichtet eine Unterrichtung gem. § 81 Abs. 1 S. 9 SGB IX<br />

a.F. (§ 164 Abs. 1 S. 9 SGB IX [2018]) durchzuführen, weil: (1) Satz 9 von der „getroffenen Entscheidung“<br />

spricht und (2) es andererseits systematisch unstimmig wäre, unabhängig vom Anhörungsverfahren<br />

eine Unterrichtungspflicht zu verlangen. Dasselbe gilt für den Fall, dass das Anhörungsverfahren<br />

mangels Existenz von Vertretungen, mit denen ein Anhörungsverfahren durchgeführt werden kann,<br />

nicht erfolgt.<br />

3. § 71 Abs. 3 SGB IX a.F. enthält eine Legaldefinition der „öffentlichen Arbeitgeber“ im Sinne der Norm.<br />

Es liegt eine abschließende Aufzählung vor.<br />

4. Schadenersatz eines/einer schwerbehinderten Beschäftigten wegen Ablehnung einer stufenweisen<br />

Wiedereingliederung i.R.d. BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX a.F.<br />

Der Achte Senat des BAG (Urt. v. 16.5.<strong>2019</strong> – 8 AZR 530/17, NZA <strong>2019</strong>, 1348) hat erstmalig zur Frage,<br />

ob die Ablehnung einer stufenweisen Widereingliederung i.R.d. BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX a.F., jetzt<br />

§ 167 SGB IX, einen Schadenersatzanspruch auslöst, entschieden.<br />

Der schwerbehinderte Kläger ist bei der beklagten Stadt als Technischer Angestellter beschäftigt. Von<br />

August 2014 bis einschließlich 6.3.2016 war er arbeitsunfähig erkrankt. Am 12.9.2015 fand eine<br />

betriebsärztliche Untersuchung des Klägers statt, die eine stufenweise Wiedereingliederung zur<br />

vorsichtigen Heranführung an die Arbeitsfähigkeit mit bestimmten Einschränkungen in der Tätigkeit<br />

befürwortete. Unter Vorlage des Wiedereingliederungsplans seines behandelnden Arztes vom<br />

28.10.2015 beantragte der Kläger bei der beklagten Stadt die stufenweise Wiedereingliederung in das<br />

Erwerbsleben im Zeitraum vom 16.11.2015 bis zum 15.1.2016. Der Wiedereingliederungsplan des<br />

behandelnden Arztes sah keine Einschränkungen in der Tätigkeit vor. Als absehbaren Zeitpunkt der<br />

Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit gab der behandelnde Arzt den 18.1.2016 an.<br />

Die beklagte Stadt lehnte diesen Wiedereingliederungsplan am 5.11.2015 mit der Begründung ab, dass ein<br />

Einsatz des Klägers im bisherigen Aufgabengebiet/Tätigkeitsbereich wegen der in der betriebsärztlichen<br />

Beurteilung aufgeführten Einschränkungen nicht möglich sei. Dem vom Kläger vorgelegten zweiten<br />

Wiedereingliederungsplan, der eine Wiedereingliederung in der Zeit vom 4.1. bis zum 4.3.2016 vorsah und<br />

dem ein Bericht der behandelnden Psychologin beilag, wonach Einschränkungen in der Tätigkeit nicht<br />

mehr bestanden, stimmte die beklagte Stadt nach erneuter – nun positiver – Beurteilung durch die<br />

Betriebsärztin zu. Diese Wiedereingliederung war erfolgreich, der Kläger erlangte am 7.3.2016 seine volle<br />

Arbeitsfähigkeit wieder.<br />

Der Kläger fordert mit seiner Klage von der beklagten Stadt den Ersatz der Vergütung, die ihm in der Zeit<br />

vom 18.1. bis zum 6.3.2016 dadurch entgangen ist, dass die beklagte Stadt ihn nicht entsprechend den<br />

Vorgaben des Wiedereingliederungsplans vom 28.10.2015 beschäftigt hat.<br />

Während das ArbG die Klage abwies, gab das LAG der Klage im Wesentlichen statt. Es hatte geurteilt,<br />

schwerbehinderte Menschen hätten einen Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, der auch<br />

eine stufenweise Wiedereingliederung beinhalte. Bei unberechtigter Ablehnung eines derartigen<br />

Anspruchs könne auch aus § 84 Abs. 2 SGB IX (bzw. § 167 Abs. 2 SGB IX [2018]) ein Vermögensschaden<br />

geltend gemacht werden. Eine entsprechende Kausalität, dass die unterbliebene Maßnahme nicht zu einer<br />

verzögerten Genesung führe, habe der Arbeitgeber nachzuweisen. Die Revision der beklagten Stadt hatte<br />

vor dem Achten Senat des BAG Erfolg. Die beklagte Stadt war nicht verpflichtet, den Kläger entsprechend<br />

den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans vom 28.10.2015 in der Zeit vom 16.11.2015 bis zum 15.1.2016 zu<br />

beschäftigen. Zwar kann der Arbeitgeber nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX a.F./jetzt § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1<br />

SGB IX verpflichtet sein, an einer Maßnahme der stufenweisen Wiedereingliederung derart mitzuwirken,<br />

1246 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 969<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

dass er den Beschäftigten entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans beschäftigt. Im<br />

konkreten Fall des Klägers lagen allerdings besondere Umstände vor, aufgrund derer die beklagte Stadt<br />

ihre Zustimmung zum Wiedereingliederungsplan vom 28.10.2015 verweigern durfte. Es bestand aufgrund<br />

der Beurteilung der Betriebsärztin vom 12.10.2015 die begründete Befürchtung, dass der Gesundheitszustand<br />

des Klägers eine Beschäftigung entsprechend diesem Wiedereingliederungsplan nicht zulassen<br />

würde. Die begründeten Zweifel an der Geeignetheit des Wiedereingliederungsplans ließen sich auch nicht<br />

bis zum vorgesehenen Beginn der Maßnahme ausräumen.<br />

Hinweise:<br />

1. Das BAG hat bisher einen Anspruch auf stufenweise Wiedereingliederung eines nicht schwerbehinderten<br />

Arbeitnehmers verneint.<br />

2. Ob behinderte oder nicht behinderte Arbeitnehmer bei unterbliebenem BEM Verdienstausfall geltend<br />

machen können, ist offen (zum BEM: BISSELS/FALTER BB 2018, 1405).<br />

3. Im konkreten Fall lagen drei ärztliche Beurteilungen vor: Die ersten beiden, die innerhalb von zwei<br />

Wochen erfolgten, widersprachen sich. Bei der dritten ärztlichen Beurteilung bestand Übereinstimmung.<br />

5. Urlaubsabgeltung und Verfallfristen – Neubeginn der Verjährung<br />

Die Parteien des vorliegend zu referierenden Revisionsverfahrens streiten um die Abgeltung von 169,5<br />

Arbeitstagen Urlaub aus den Jahren 2008–2013. Die Beklagte beschäftigte den Kläger als Exportsachbearbeiter<br />

in der Zeit vom 19.8.1998 bis zum 31.8.2016. Nach dem Arbeitsvertrag belief sich der<br />

Urlaubsanspruch auf 30 Arbeitstage im Jahr. Urlaubsansprüche waren bis spätestens 31. des dem<br />

Urlaubsjahr folgenden Jahres geltend zu machen. Die dem Kläger erteilten Lohn-/Gehaltsabrechnungen<br />

wiesen in den letzten Jahren jeweils den kumulierten Gesamturlaub aus, den die Beklagte dem Kläger in<br />

den Vorjahren nicht gewährt hatte. In der Entgeltabrechnung für Dezember 2014, die – wie alle übrigen<br />

– von einem externen Dienstleister unter Angabe des Namens und der Anschrift der Beklagten erstellt<br />

wurde, ist ein Resturlaub von 169,5 Tagen angegeben. Die Klage auf Abgeltung von aus den Jahren<br />

2008–2013 stammenden Resturlaub im Umfang von 169,5 Arbeitstagen hatte beim LAG Erfolg. Die<br />

Revision der Beklagten führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung (BAG, Urt. v.<br />

19.3.<strong>2019</strong> – 9 AZR 881/16, NZA <strong>2019</strong>, 1046).<br />

Das BAG teilt die Auffassung des LAG nicht, den Entgeltabrechnungen sei zu entnehmen, dass sich die<br />

Beklagte dem Kläger gegenüber hinsichtlich der dort ausgewiesenen restlichen Urlaubstage rechtsgeschäftlich<br />

binden wollte. Die in einer Entgeltabrechnung enthaltene Mitteilung einer bestimmten<br />

Anzahl von Urlaubstagen stelle regelmäßig eine Wissens-, nicht aber eine rechtsgestaltende Willenserklärung<br />

des Arbeitgebers dar. Ihr kommt in aller Regel nicht die Bedeutung zu, der Arbeitgeber wolle den<br />

ausgewiesenen Urlaub auch dann gewähren, wenn er ihn nicht schuldet.<br />

Das Gericht lässt offen, obUrlaubsansprüche verjähren können (ablehnend etwa BAGE 81, 328).<br />

Hinweis:<br />

Siehe hierzu näher unten 6. a: Fehlt es an einer Unterrichtung der Arbeitnehmer über den Umfang ihrer<br />

Urlaubsansprüche und deren möglichen Fortfall zum Jahresende oder ist die Unterrichtung fehlerhaft bzw.<br />

intransparent, so schreibt sich der Urlaub fort, eine Verjährung nach § 195 ff. BGB tritt nicht ein.<br />

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausginge, die Vorschriften der § 194 ff. BGB über die<br />

Verjährung (die hier gem. § 195 BGB 3 Jahre beträgt), wobei die Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer<br />

Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden<br />

ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) wären auf Urlaubsansprüche anzuwenden, griffe die von der Beklagten<br />

erhobene Einrede der Verjährung nicht durch. Zu dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis der<br />

Parteien endete, waren die aus den Jahren 2008–2013 stammenden Urlaubsansprüche des Klägers nicht<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1247


Fach 17 R, Seite 970<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Arbeitsrecht<br />

verjährt, weil die Verjährung am Tag nach der Erteilung einer jeden Entgeltabrechnung nach § 212 Abs. 1<br />

Nr. 1 BGB jeweils neu in Lauf gesetzt wurde. Die in einer Entgeltabrechnung enthaltene Mitteilung einer<br />

bestimmten Anzahl von Urlaubstagen könne ein rein tatsächliches Anerkenntnis i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 1<br />

BGB enthalten. Liege ein solches vor, beginne die Verjährungsfrist für die in den Abrechnungen<br />

ausgewiesenen Urlaubsansprüche jeweils an dem auf die Abrechnung folgenden Tag erneut zu laufen,<br />

wenn die Verjährungsfrist zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Entgeltabrechnung erteilt,<br />

noch nicht abgelaufen ist.<br />

Die Entgeltabrechnungen, die die Beklagte von einem externen Dienstleister unter Angabe ihres Namens<br />

und ihrer Anschrift erstellen ließ, sind ihr – zumindest nach den Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht<br />

– als eigene Erklärung zuzurechnen. Mit der Beauftragung des Dienstleisters, in dieser Weise Entgelt- und<br />

Urlaubsansprüche der in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abzurechnen, duldete es die Beklagte,<br />

dass der Dienstleister für sie wie ein Vertreter auftrat und damit bei den Arbeitnehmern den Rechtsschein<br />

erweckte, er sei bevollmächtigt, die Ansprüche i.S.v. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB als nicht erfüllt anzuerkennen.<br />

Das BAG gibt dem Berufungsgericht auf, nach der Zurückverweisung die für die Entscheidung des<br />

Streitfalls erheblichen Tatsachen festzustellen und hierbei zu beachten:<br />

Einmal die neuere Rechtsprechung des Senats, wonach der Urlaub gem. § 7 Abs. 3 BUrlG i.d.R. nur verfallen<br />

kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn<br />

klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub andernfalls mit Ablauf des Kalenderjahres<br />

oder Übertragungszeitraums erlischt (BAG NZA <strong>2019</strong>, 977, s. hierzu sogleich unter 6.). Das LAG wird nach<br />

der Zurückverweisung der Sache den Parteien insoweit rechtliches Gehör zu gewähren und dann<br />

aufzuklären haben, ob die Beklagte ihren Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist. Sollte dies der<br />

Fall sein, müsse weiter aufgeklärt werden, ob die Parteien – wie vom Kläger behauptet – im Jahre 2005<br />

eine Vereinbarung bezüglich des Verfalls von Urlaub geschlossen haben, und ggf. welchen konkreten<br />

Inhalt diese Absprache hat. Zwar erlaubt § 13 Abs. 1 BUrlG nicht, gesetzlich zwingende Urlaubsbestimmungen<br />

abzubedingen oder zum Nachteil der Arbeitnehmer zu modifizieren. Dies schließt jedoch<br />

nicht aus, dass die Parteien neben den bestehenden gesetzlichen Rechten vertragliche Ansprüche<br />

begründen etwa des Inhalts, dass der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer vereinbart, verfallenen Urlaub<br />

nachzugewähren. Gleiches gelte für eine Vereinbarung, die nicht die (Nach-)Gewährung verfallenen<br />

Urlaubs, sondern dessen Abgeltung vorsieht.<br />

6. Neues zum Urlaubsrecht<br />

Über die in den letzten zehn Jahren durch die Rechtsprechung des EuGH bewirkten Änderungen im<br />

Urlaubsrecht haben wir wiederholt berichtet, zuletzt <strong>ZAP</strong> F. 17 R, S. 943, 946 ff. Im Berichtszeitraum sind<br />

wiederum zahlreiche Entscheidungen des BAG ergangen, von denen einige nachfolgend darzustellen<br />

sind (vgl. auch die ausführliche Darstellung bei BAYREUTHER, Urlaubsrecht – finalisiert, NZA <strong>2019</strong>, 945).<br />

a) Verfall von Urlaub setzt Unterrichtung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber voraus<br />

In Umsetzung der Entscheidung des EuGH (NZA 2018, 1474), hat das BAG am 19.2.<strong>2019</strong> in vier Urteilen<br />

(vgl. 9 AZR 541/15, NZA <strong>2019</strong>, 982; 9 AZR 4<strong>23</strong>/16, NZA <strong>2019</strong>, 977; 9 AZR 321/16, NZA <strong>2019</strong> 1043; 9 AZR 278/<br />

16, juris) jeweils zum Verfall von Urlaubsansprüchen und der bestehenden Obliegenheit des Arbeitgebers<br />

entschieden. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BurlG) erlischt bei einer<br />

mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des<br />

Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 S. 1 BurlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 S. 3 und 4<br />

BUrlG, § 24 S. 2 MuSchG [2018] oder § 17 Abs. 2 BEEG), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in<br />

die Lage versetzt hat, seine Urlaubsansprüche wahrzunehmen und der Arbeitnehmer den Urlaub<br />

dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Ihren Mitwirkungsobliegenheiten genügen Arbeitgeber<br />

nur dann, wenn sie ihre Arbeitnehmer auf bestehende Urlaubsansprüche: (1) ausdrücklich, (2)<br />

rechtzeitig und (3) völlig transparent hinweisen sowie weiter (4) auf deren Verfall hinweisen, für den<br />

Fall, dass der Arbeitnehmer den Urlaub nicht beantragt. (5) Zugleich muss die Urlaubsnahme auch<br />

tatsächlich möglich sein.<br />

1248 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 971<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Das BAG weist ausdrücklich darauf hin, dass ein widersprüchliches Verhalten während des Jahres<br />

die Ordnungsmäßigkeit der Mitwirkungsobliegenheit nachträglich wieder entfallen lässt, so dass der<br />

Arbeitgeber diese erneut vornehmen muss, will er den Verfall auslösen. Beispielhaft soll dies die<br />

unbegründete oder fehlerhafte Ablehnung eines Urlaubsantrags sein.<br />

Ob Arbeitgeber das Erforderliche getan haben, um ihren Mitwirkungsobliegenheiten zu genügen, ist<br />

unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Arbeitgeber tragen insofern die<br />

Darlegungs- und Beweislast.<br />

Haben Arbeitgeber ihre Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt, tritt der am 31.12. des Urlaubsjahres<br />

nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1.1. des Folgejahres entsteht. Für ihn<br />

gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 Abs. 1 S. 1 und 3 BUrlG,<br />

d.h. Arbeitgeber können das uneingeschränkte Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren<br />

Jahren dadurch vermeiden, dass sie ihre Mitwirkungsobliegenheiten für den Gesamturlaubsanspruch<br />

bestehend aus dem neuen Urlaub und dem Urlaub aus dem/den zurückliegenden Urlaubsjahre/n im<br />

aktuellen Urlaubsjahr nachholen.<br />

Hinweise:<br />

1. Zeitliche Grenzen für die Fortschreibung des Urlaubs bei fehlender Information bestehen nicht:<br />

• Wegen § 13 BUrlG greifen individual- oder tarifvertragliche Ausschlussfristen nicht ein (s. BAG, Urt.<br />

v. 19.6.2018 – 9 AZR 615/17, NZA 2018, 1480).<br />

• Der fortgeschriebene Urlaub verjährt nicht nach §§ 195 ff. BGB.<br />

• Ferner gilt nicht die 15‐Monatsgrenze, die nach der Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 7.8.2012 – 9 AZR<br />

353/10, BAGE 142, 371) bei der Übertragung von Urlaub, der wegen Erkrankung im Bezugszeitraum<br />

nicht genommen werden konnte, einschlägig ist. Das BAG nimmt auf diese Grenze keinen Rekurs.<br />

2. Mittelbare zeitliche Grenzen des Urlaubsanspruchs ergeben sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

und Abgeltung des Urlaubs (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Es handelt sich hierbei um einen gewöhnlichen<br />

Geldanspruch, der sowohl nach § 195 BGB verjähren als auch aufgrund wirksam vereinbarter individualbzw.<br />

tarifvertraglicher Ausschlussfristen erlöschen kann.<br />

3. Es besteht kein Vertrauensschutz für Altfälle, die aktuelle Rechtsprechung zu Art. 267 AEUV wirkt auf<br />

den Ablauf der Umsetzungsfrist der ehemaligen Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG (<strong>23</strong>.11.1996) zurück. Der<br />

EuGH hat keinen Vertrauensschutz gewährt. Auf Vorlage des ArbG Verden hat der EuGH die deutschen<br />

Gerichte ausdrücklich angewiesen, keinen Vertrauensschutz zu gewähren (vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2018<br />

– C-385/17, NZA <strong>2019</strong>, 47).<br />

4. Die vorangestellten Grundsätze gelten zunächst für den gesetzlichen Urlaub (§ 3 BUrlG), aber auch für<br />

den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 208 SGB IX (s. etwa LAG Niedersachsen,<br />

Urt. v. 16.1.<strong>2019</strong> – 25 Sa 567/18). Darüber hinausgehende Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche<br />

können Tarif- oder Arbeitsvertragsparteien frei regeln, was die Befugnis einschließt zu bestimmen,<br />

dass der Mehrurlaub am Ende des Jahres oder des Übertragungszeitraums verfällt, ohne dass Arbeitgeber<br />

zuvor ihren Mitwirkungsobliegenheiten entsprochen haben (BAG, Urt. v. 19.2.<strong>2019</strong> – 9 AZR 541/<br />

15, NZA <strong>2019</strong>, 982, für den tariflichen Mehrurlaub). Allerdings weist das BAG auch darauf hin, für den<br />

Willen der Tarifvertragsparteien, den Verfall des Urlaubs abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen<br />

zu regeln, das Vorliegen deutlicher Anhaltspunkte zu fordern. Fehlen solche, sei von einem<br />

Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub<br />

auszugehen.<br />

5. Die Beweislast ist nun genau umgekehrt.<br />

b) Vererbbarkeit des Urlaubsanspruchs<br />

Das BAG hat durch vier Urteile vom 22.1.<strong>2019</strong> (9 AZR 45/16, NZA <strong>2019</strong>, 829; 9 AZR 10/17, NZA <strong>2019</strong>, 832;<br />

9 AZR 328/16, NZA <strong>2019</strong>, 835 und 9 AZR 149/17, NZA <strong>2019</strong>, 985) auf die Rechtsprechung des EuGH (zuletzt<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1249


Fach 17 R, Seite 972<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Arbeitsrecht<br />

Urt. v. 6.11.2018 – C-569/16 und C-570/16, NZA 2018, 1467) reagiert und entschieden, bei richtlinienkonformer<br />

Auslegung der §§ 1, 7 Abs. 4 BUrlG stehe den Erben eines im laufenden Arbeitsverhältnis<br />

verstorbenen Arbeitnehmers ein Anspruch auf Abgeltung des vom Erblasser nicht genommenen Urlaubs<br />

zu. Vererbbar sind auch Ansprüche auf (tarif-)vertraglichen Mehrurlaubsanspruch sowie auf den<br />

Zusatzurlaub schwerbehinderter Menschen nach § 208 Abs. 1 S. 1 SGB IX. Hinsichtlich des Mehrurlaubs<br />

gelten die gleichen Grundsätze wie oben unter a) Hinweis Nr. 4 ausgeführt.<br />

Vererbt wird der Abgeltungsanspruch so, wie er in der Person des Erblassers entstanden wäre. Er<br />

unterliegt tariflichen bzw. individualvertraglichen Ausschlussfristen (BAG, Urt. v. 22.1.<strong>2019</strong> – 9 AZR<br />

149/17, NZA <strong>2019</strong>, 985). Der Erbe hatte, im konkreten Fall, die tarifliche Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 S 1<br />

TVöD zu beachten, obwohl er nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stand und selbst nicht<br />

tarifgebunden war. Dies folgt aus dem Grundsatz der Universalsukzession (§ 1922 Abs. 1 BGB; vgl. BAG,<br />

a.a.O. Rn 34).<br />

c) Kürzung des Urlaubsanspruchs wegen Zeiten von Nichtarbeit<br />

In Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH (NZA 2018, 13<strong>23</strong>) betrachtet das BAG die Bestimmung in<br />

§ 17 Abs. 1 S. 1 BEEG, wonach Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der den Arbeitnehmern für das<br />

Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Monat der Elternzeit um 1 / 12<br />

kürzen können, als europarechtskonform.<br />

Der Urlaub, der nach dieser Vorschrift gekürzt werden kann, verfällt während der<br />

Elternzeit nicht gem. § 7 Abs. 3 BUrlG mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übergangszeitraums<br />

(BAG, Urt. v. 19.3.<strong>2019</strong> – 9 AZR 495/17, NZA <strong>2019</strong>, 1136, ZAT <strong>2019</strong>, 133, 135 m. Anm.; BAG, Urt.<br />

v. 19.3.<strong>2019</strong> – 9 AZR 362/18, ZAT <strong>2019</strong>, 128, 132 m. Anm.). Das BAG entscheidet aber auch, dass das<br />

Kürzungsrecht nur im bestehenden Arbeitsverhältnis durch Abgabe einer (empfangsbedürftigen)<br />

rechtsgeschäftlichen Erklärung ausgeübt werden kann, also nicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.<br />

Das Kürzungsrecht erstreckt sich demnach nicht auf einen Abgeltungsanspruch nach<br />

§ 7 Abs. 4 BUrlG. Kürzungsbefugnis besteht während und nach dem Ende der Elternzeit, nicht jedoch<br />

vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen.<br />

Entgegen früherer Rechtsprechung gestattet es das BAG Arbeitgebern nunmehr, unbezahlte Auszeiten<br />

(Sonderurlaub) bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu berücksichtigen (Urt. v. 19.2.<strong>2019</strong> –<br />

9 AZR 4<strong>23</strong>/16). Eine Kürzung des Urlaubs kommt aber dann nicht in Betracht, wenn ein ruhendes<br />

Arbeitsverhältnis darauf zurückzuführen ist, dass Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht<br />

in der Lage sind, ihre Verpflichtung zur Arbeitsleistung zu erfüllen (vgl. BAG, Urt. v. 22.1.<strong>2019</strong> – 9 AZR<br />

10/17, NZA <strong>2019</strong>, 832 Rn 28).<br />

Hinweise:<br />

Das BAG geht nun von dem Grundsatz aus, dass Erholungsurlaub zweierlei voraussetzt:<br />

• Ein bestehendes Arbeitsverhältnis und<br />

• tatsächliche Arbeitsleistung.<br />

Der tatsächlichen Arbeitsleistung stehen jedoch – wie sich aus dem Übereinkommen Nr. 132 der ILO über<br />

bezahlten Jahresurlaub vom 24.6.1970, Art. 5 Ziff. 4 ergibt – drei Fälle gleich. Danach sind Arbeitsversäumnisse<br />

aus Gründen, die unabhängig vom Willen des beteiligten Arbeitnehmers bestehen, wie beispielsweise:<br />

• Krankheit,<br />

• Unfall oder<br />

• Mutterschaft, als Dienstzeit anzurechnen, d.h. der tatsächlichen Arbeitsleistung gleichzustellen.<br />

Im Übrigen wendet das BAG den Proportionalitätsgrundsatz des § 3 BUrlG an, nach dem der Urlaubsanspruch<br />

im Verhältnis der Arbeitszeit umzurechnen ist (vgl. BAG, Urt. v. 21.5.<strong>2019</strong> – 9 AZR 259/18, BB <strong>2019</strong>,<br />

2291 [LS], Volltext s. https://juris.bundesarbeitsgericht.de/zweitesformat/bag/<strong>2019</strong>/<strong>2019</strong>-09-13/9_AZR_259-18.pdf).<br />

Die Umrechnung führe bei einer Änderung im laufenden Urlaubsjahr zu einer Neuberechnung der<br />

Urlaubsansprüche, ggf. nach Zeitanteilen, weshalb keine erworbenen Ansprüche entzogen, sondern zu<br />

erwerbende Ansprüche konkretisiert würden.<br />

1250 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 973<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Kein Urlaub entsteht daher bei: Sonderurlaub (vgl. BAG, Urt. v. 19.3.<strong>2019</strong> – 9 AZR 406/17, EzA-SD <strong>2019</strong>,<br />

Nr. 19, 5, Rn 28 ff. unter Aufgabe der Rechtsprechung BAG, Urt. v. 6.5.2014, 9 AZR 678/12, NZA 2014, 959<br />

„Charité“), Altersteilzeit im Blockmodell in der Freistellungsphase (vgl. BAG, Urt. v. 24.9.<strong>2019</strong> – 9 AZR<br />

481/18, Pressemitteilung Nr. 30/<strong>2019</strong>; Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urt. v. 13.7.2018 – 6 Sa 272/18, NZA-RR<br />

2018, 648), Sabbatjahr, Elternzeit Null (vgl. BAG, Urt. v. 19.3.<strong>2019</strong> – 9 AZR 495/17, NZA <strong>2019</strong>, 1136, ZAT<br />

<strong>2019</strong>, 133, 135 m. Anm.; BAG, Urt. v. 19.3.<strong>2019</strong> – 9 AZR 362/18, ZAT <strong>2019</strong>, 128, 132 m. Anm.), Kurzarbeit Null<br />

(vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2018 – C-385/17, NZA <strong>2019</strong>, 47).<br />

II.<br />

Kündigungsschutzrecht<br />

1. Verhältnis des Beschäftigungsanspruchs schwerbehinderter Menschen zur unternehmerischen<br />

Organisationsfreiheit<br />

Mit weiterem Urteil (v. 16.5.<strong>2019</strong> – 6 AZR 329/18, NZA <strong>2019</strong>, 1198) hat der Sechste Senat des BAG<br />

erstmalig das Verhältnis des Beschäftigungsanspruchs eines schwerbehinderten Menschen nach § 164<br />

SGB IX im Verhältnis zur unternehmerischen Organisationsfreiheit des Arbeitgebers entschieden.<br />

Dem Senat lag folgender Sachverhalt vor: Der schwerbehinderte Kläger war langjährig bei der<br />

insolventen Arbeitgeberin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterfiel einem tariflichen Sonderkündigungsschutz.<br />

Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt im Rahmen des<br />

zunächst in Eigenverwaltung betriebenen Insolvenzverfahrens, nachdem sie mit dem Betriebsrat einen<br />

Interessenausgleich mit Namensliste i.S.d. § 125 Abs. 1 InsO geschlossen hatte. Die Namensliste enthält<br />

den Namen des Klägers, dessen Arbeitsplatz wegen Umverteilung der noch verbliebenen Aufgaben<br />

nicht mehr besetzt werden muss. Die Hilfstätigkeiten, die er verrichtete, werden nunmehr von den<br />

verbliebenen Fachkräften mit erledigt. Andere Tätigkeiten kann der Kläger nicht ausüben. Er hält die<br />

Kündigung dennoch für unwirksam und beruft sich auf den tariflichen Sonderkündigungsschutz sowie<br />

den Beschäftigungsanspruch aus § 81 Abs. 4 SGB IX a.F.<br />

Die Klage hatte in allen drei Instanzen keinen Erfolg. Die streitgegenständliche Kündigung hat das<br />

Arbeitsverhältnis beendet. Der tarifliche Sonderkündigungsschutz zeigt gem. § 113 S. 1 InsO keine<br />

Wirkung. Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Beschäftigungsanspruch aus<br />

§ 164 Abs. 4 SGB IX/§ 81 Abs. 4 SGB IX a.F. kommt mangels geeigneter Weiterbeschäftigungsmöglichkeit<br />

nicht zum Tragen. Im bestehenden Arbeitsverhältnis können Schwerbehinderte nach § 164 Abs. 4<br />

SGB IX von ihrem Arbeitgeber bis zur Grenze der Zumutbarkeit die Durchführung des Arbeitsverhältnisses<br />

entsprechend ihrer gesundheitlichen Situation verlangen. Dies schließt jedoch eine betriebsbedingte<br />

Kündigung des Arbeitgebers nicht aus, weil schwerbehinderte Menschen keine Beschäftigungsgarantie<br />

nach § 164 SGB IX besitzen. Der Arbeitgeber kann eine unternehmerische Entscheidung<br />

treffen, welche den bisherigen Arbeitsplatz des Schwerbehinderten durch eine Organisationsänderung<br />

entfallen lässt. Dessen besonderer Beschäftigungsanspruch ist dann erst bei der Prüfung etwaiger<br />

Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf einem anderen freien Arbeitsplatz zu berücksichtigen.<br />

Die Arbeitgeberin war nicht verpflichtet, für den Kläger einen Arbeitsplatz zu schaffen oder zu erhalten,<br />

den sie nach ihrem Organisationskonzept nicht mehr benötigt.<br />

Hinweise:<br />

1. Ausgangspunkt ist die gesetzliche Vermutung des § 125 InsO. Sind bei einer Betriebsänderung nach § 111<br />

BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen<br />

Insolvenzverwalter und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird nach § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO<br />

vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt<br />

ist. Dies gilt auch für ein Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung, für das nach §§ 270 Abs. 1 S. 2, 279 S. 1<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1251


Fach 17 R, Seite 974<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Arbeitsrecht<br />

InsO grundsätzlich die gleichen Vorschriften wie für ein Regelinsolvenzverfahren und somit auch die<br />

Vorschriften für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />

gelten (BAG, Urt. v. 7.7.2011 – 6 AZR 248/10).<br />

2. Nach § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern<br />

Anspruch auf Beschäftigung, bei der sie ihre Fertigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten<br />

und weiterentwickeln können. Um eine behinderungsgerechte Beschäftigung zu ermöglichen, ist der<br />

Arbeitgeber nach § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 SGB IX auch zu einer Umgestaltung der Arbeitsorganisation<br />

verpflichtet, um so den Beschäftigungsanspruch des schwerbehinderten Menschen zu erfüllen. Dies<br />

kann eine Umorganisation auch technischen Hilfen beinhalten (vgl. BAG, Urt. v. 14.3.2006 – 9 AZR<br />

411/05, Rn 18; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.3.2010 – 7 Sa 58/10). Der Arbeitgeber ist jedoch in<br />

drei Fällen nicht zur Beschäftigung des schwerbehinderten Menschen verpflichtet, nämlich wenn:<br />

• ihm die Beschäftigung nicht zumutbar wäre,<br />

• mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre, § 164 Abs. 4 S. 3 SGB IX oder<br />

• für den schwerbehinderten Menschen ein zusätzlicher Arbeitsplatz eingerichtet werden müsste<br />

(BAG, Urt. v. 10.5.2005 – 9 AZR <strong>23</strong>0/04 LS und Rn 36 ff. zur Versetzungspflicht).<br />

3. Grundsatz: Das konkrete Organisationskonzept lässt den Arbeitsplatz des schwerbehinderten Klägers<br />

entfallen; dem steht § 164 SGB IX nicht entgegen.<br />

4. Ausnahme: Die Grenzen der freien Unternehmensentscheidung werden i.R.d. Missbrauchskontrolle<br />

erst dann überschritten, wenn eine nach § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG verbotene Diskriminierung wegen der<br />

Behinderung vorliegt. Dazu muss der schwerbehinderte Arbeitnehmer beispielsweise darlegen und<br />

beweisen, dass die Organisationsentscheidung getroffen wurde, um sich den Belastungen zu entziehen,<br />

die aus den besonderen Rechten schwerbehinderter Menschen folgen.<br />

2. Massenentlassung – Kündigung sofort nach Eingang der Massenentlassungsanzeige zulässig<br />

Während das BAG vielfach zu den Anforderungen der Massenentlassungsanzeige entschieden hat, hat<br />

der Fünfte Senat nur erstmalig entschieden, zu welchem Zeitpunkt die Kündigung wirksam erklärt<br />

werden kann (vgl. BAG Urt. v. 26.6.<strong>2019</strong> – 5 AZR 452/18, NZA <strong>2019</strong>, 1361 ff.). Es gilt der Grundsatz: Die<br />

nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige kann auch dann wirksam erstattet<br />

werden, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt ihres Eingangs bei der Agentur für Arbeit bereits zur<br />

Kündigung entschlossen ist. Kündigungen im Massenentlassungsverfahren sind daher – vorbehaltlich<br />

der Erfüllung sonstiger Kündigungsvoraussetzungen – wirksam, wenn die Anzeige bei der zuständigen<br />

Agentur für Arbeit eingeht, bevor dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben zugegangen ist.<br />

Mit Beschluss vom 1.6.2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin<br />

eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Die von ihm verfasste Massenentlassungsanzeige<br />

ging am 26.6.2017 zusammen mit einem beigefügten Interessenausgleich bei der Agentur für<br />

Arbeit ein. Mit Schreiben vom 26.6.2017 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ebenso<br />

wie die Arbeitsverhältnisse der anderen 44 zu diesem Zeitpunkt noch beschäftigten Arbeitnehmer<br />

ordentlich betriebsbedingt zum 30.9.2017. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 27.6.2017 zu.<br />

Dieser macht mit seiner Kündigungsschutzklage u.a. geltend, nach der Rechtsprechung des EuGH habe<br />

der Arbeitgeber auch seiner Anzeigepflicht vor einer Entscheidung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses<br />

nachzukommen. Darum dürfe die Unterschrift unter das Kündigungsschreiben, mit der die<br />

Kündigungserklärung konstitutiv geschaffen werde, erst erfolgen, nachdem die Massenentlassungsanzeige<br />

bei der Agentur für Arbeit eingegangen sei.<br />

Das ArbG hat die Klage abgewiesen, das LAG ihr stattgegeben. Die Revision des Beklagten hatte vor<br />

dem Sechsten Senat des BAG Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LAG.<br />

Das LAG war der Ansicht, die Anzeige müsse die Agentur für Arbeit erreichen, bevor der Arbeitgeber<br />

die Kündigungsentscheidung treffe, was sich in der Unterzeichnung des Kündigungsschreibens<br />

manifestiere.<br />

1252 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 975<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Das selbstständig neben dem nach § 17 Abs. 2 KSchG durchzuführenden Konsultationsverfahren<br />

stehende, in § 17 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 bis 5 KSchG geregelte Anzeigeverfahren dient beschäftigungspolitischen<br />

Zwecken. Die Agentur für Arbeit soll rechtzeitig über eine bevorstehende Massenentlassung<br />

unterrichtet werden, um sich auf die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorbereiten<br />

und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können. Das setzt voraus, dass bereits feststeht,<br />

wie viele und welche Arbeitnehmer konkret entlassen werden sollen.<br />

Auf den Willensentschluss des Arbeitgebers zur Kündigung kann, soll und will die Agentur für Arbeit –<br />

anders als der Betriebsrat im Rahmen des Konsultationsverfahrens – keinen Einfluss nehmen. Die<br />

Kündigung darf allerdings erst dann erfolgen, d.h. dem Arbeitnehmer zugehen (§ 130 Abs. 1 BGB), wenn<br />

die Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingegangen ist. Dies ist durch die<br />

Rechtsprechung des EuGH zu Art. 3 und Art. 4 der Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie)<br />

geklärt, so dass der Senat von einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV abgesehen hat. Nach<br />

Zurückverweisung wird das LAG aufzuklären haben, ob die Massenentlassungsanzeige inhaltlich den<br />

Vorgaben des § 17 Abs. 3 KSchG genügte und ob das Anhörungsverfahren gem. § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG<br />

ordnungsgemäß eingeleitet wurde.<br />

Hinweis:<br />

Das BAG stellt erstmalig klar, dass der unbedingte Kündigungsentschluss des Arbeitgebers im Massenentlassungsanzeigeverfahren<br />

unschädlich ist. Die Kündigung kann daher wirksam unmittelbar nach<br />

Eingang der Massenentlassungsanzeige erklärt werden.<br />

III.<br />

Befristungsrecht<br />

1. Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG (Rechtsprechungsänderung)<br />

Nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG dürfen Arbeitnehmer ohne Sachgrund nur dann befristet eingestellt<br />

werden, wenn zu demselben Arbeitgeber nicht bereits früher einmal ein befristetes oder<br />

unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (Vorbeschäftigungsverbot). Das BAG hat in der<br />

Vergangenheit die Vorschrift dahingehend ausgelegt – seiner Auffassung nach verfassungskonform –,<br />

eine erneute sachgrundlos befristete Einstellung sei dann zulässig, wenn das vorangegangene<br />

Arbeitsverhältnis mehr als 3 Jahre zurückliege (s. etwa BAG, Urt. v. 30.4.2014 – 7 AZN 114/14).<br />

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde war erfolgreich (BVerfG, Beschl.<br />

v. 6.6.2018 – 1BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14, NZA 2018, 774, hierzu FRIELING, jurisPR-ArbR 30/18, Anm. 1).<br />

Das BVerfG erachtet die Einschränkung der „Zuvorbeschäftigung“ für unvereinbar mit dem GG. Es geht<br />

davon aus, dass die gesetzliche Beschränkung befristeter Beschäftigungsformen und die Sicherung<br />

der unbefristeten Dauerbeschäftigung als Regelbeschäftigungsform der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG<br />

ergebenden Pflicht des Staates zum Schutz der strukturell unterlegenen Arbeitnehmer und dem<br />

Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) Rechnung trägt. Die mit einer Beschränkung der<br />

sachgrundlosen Befristung auf die erstmalige Beschäftigung bei dem jeweiligen Arbeitgeber einhergehende<br />

Beeinträchtigung der individuellen Berufsfreiheit ist insofern gerechtfertigt, als es dieser für den<br />

Schutz vor der Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung einer strukturellen Unterlegenheit und zur<br />

Sicherung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Regelfall bedarf. Die Auslegung der Vorschrift<br />

durch das BAG sei mit dem gesetzgeberischen Willen unvereinbar.<br />

Zwar könne sich ein Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben<br />

Arbeitgeber im Einzelfall als unzumutbar erweisen, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in<br />

Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der<br />

sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform<br />

zu erhalten.<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1253


Fach 17 R, Seite 976<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Arbeitsrecht<br />

Dies könne insb. der Fall sein, wenn<br />

• eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt,<br />

• ganz anders geartet war oder<br />

• von sehr kurzer Dauer gewesen ist.<br />

So liege es etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder<br />

Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung<br />

oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiografie, die mit einer<br />

beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht.<br />

Das BAG hat durch Urteil v. 27.1.<strong>2019</strong> (7 AZR 733/16, NZA <strong>2019</strong>,700, hierzu PAUL, juris PR-ArbR 27/<strong>2019</strong><br />

Anm. 4 und LEMBKE/TEGEL, NZA <strong>2019</strong>, 1029 – ferner in den Parallelverfahren vom gleichen Tag: 7 AZR 13/17<br />

und 7 AZR 161/15, s. ferner BAG, Urt. v. 20.3.<strong>2019</strong> – 7 AZR 409/16, NZA <strong>2019</strong>, 1274 u. Urt. v. 17.4.<strong>2019</strong> –<br />

7 AZR 3<strong>23</strong>/17, NZA <strong>2019</strong>, 1271) im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG seine Rechtsprechung,<br />

wonach die grundlose Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig ist, wenn die Vorbeschäftigung des<br />

Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber mehr als 3 Jahre zurückliegt, aufgegeben.<br />

Im Verfahren 7 AZR 733/16 war der Kläger zunächst vom 19.3.2004 bis zum 30.9.2005 als gewerblicher<br />

Mitarbeiter bei der Beklagten, einer Automobilherstellerin, tätig. Mit Wirkung zum 19.8.2013 stellte die<br />

Beklagte ihn erneut auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 18.7.2013 befristet für den Zeitraum bis<br />

zum 28.2.2014 als Facharbeiter im Bereich „Produktion und Logistik“ ein. Die Parteien haben später die<br />

Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 15.8.2015 vereinbart. Mit der am 17.8.2015 beim<br />

Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht<br />

(s. § 17 TzBfG) und die Auffassung vertreten, die Befristung sei wegen seiner Vorbeschäftigung nicht<br />

nach § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt. Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.<br />

Das BAG sieht vorliegend das gesetzliche Verbot der sachgrundlosen Befristung für den Arbeitgeber<br />

nicht als unzumutbar an. Den Zeitraum von 8 Jahren seit der Vorbeschäftigung sieht es als lang, aber<br />

nicht als sehr lang – unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG – an. Die Möglichkeit der<br />

sachgrundlosen Befristung bei einer erneuten Einstellung 8 Jahre nach dem Ende der Vorbeschäftigung<br />

allein wegen des Zeitablaufs dürfte den vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG<br />

verfolgten Zweck, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten,<br />

gefährden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren soziale Sicherung und insb. auch deren<br />

Versorgung im Alter maßgeblich an die Erwerbstätigkeit anknüpft, sind auf langfristige und unbefristete<br />

Arbeitsverhältnisse angewiesen. Die sachgrundlose Befristung soll daher nach der gesetzgeberischen<br />

Konzeption die Ausnahme bleiben, weil dies dazu beiträgt, das unbefristete Dauerarbeitsverhältnis als<br />

Regelfall der Beschäftigung zu erhalten. Diese sachgrundlose Befristung bei der erneuten Einstellung<br />

eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber ist auf Ausnahmefälle zu beschränken. Das wäre<br />

nicht gewährleistet, wenn dieselben Arbeitsvertragsparteien nach Ablauf von 8 Jahren erneut einen<br />

Arbeitsvertrag mit einer sachgrundlosen Befristung abschließen könnten. Da ein Erwerbsleben bei<br />

typisierender Betrachtung mindestens 40 Jahre umfasst, könnte ein Arbeitgeber jedenfalls 4 sachgrundlos<br />

befristete Arbeitsverträge von jeweils zweijähriger Dauer mit demselben Arbeitnehmer<br />

schließen. Damit wäre die grundlose Befristung nicht mehr die Ausnahme und das angestrebte Ziel einer<br />

langfristigen und dauerhaften Beschäftigung würde gefährdet.<br />

Ferner seien die vom Kläger während seiner Vorbeschäftigung geschuldeten Tätigkeiten keine ganz<br />

anderen gewesen als jene, die er ab dem 19.8.2013 zu erbringen hatte. Schließlich sei das erste zwischen<br />

den Parteien begründete Arbeitsverhältnis auch nicht von sehr kurzer Dauer gewesen. Sonstige<br />

Umstände, die im vorliegenden Fall eine verfassungskonforme Einschränkung des Anwendungsbereichs<br />

von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG gebieten könnten, seien nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.<br />

1254 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 977<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Abschließend führt das Gericht aus, ein Arbeitgeber, der im Hinblick auf die Rechtsprechung des Senats<br />

eine sachgrundlose Befristung mit einem Arbeitnehmer vereinbart hat, der bereits länger als 3 Jahre<br />

zuvor bei ihm beschäftigt war, könne sich nicht auf ein rechtlich schützenswertes Vertrauen in die<br />

Senatsrechtsprechung berufen. Höchstrichterliche Rechtsprechung sei kein Gesetzesrecht und erzeuge<br />

gerade keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Ferner sei die bisherige Rechtsprechung des Senats<br />

häufig kritisiert worden (s. etwa LAG Düsseldorf, Urt. v. 4.5.2018 – 6 Sa 64/18).<br />

Hinweise:<br />

1. Der Kläger des Verfahrens 7 AZR 13/17 war bereits früher für fast neun Monate beim beklagten<br />

Automobilhersteller als Montierer angestellt. Knapp 5,5 Jahre nach dem Ende des ersten Arbeitsverhältnisses<br />

wurde er erneut befristet eingestellt, wiederum als Montierer. Das Verfahren 7 AZR 161/15<br />

betraf einen Kläger, der früher 2 Jahre befristet beschäftigt gewesen war. 14,5 Monate später wurde<br />

er zunächst als Leiharbeitnehmer wieder eingesetzt, ca. 3,5 Jahre nach dem Ende des ersten Arbeitsvertrags<br />

schlossen die Parteien erneut einen befristeten Arbeitsvertrag, wonach dieselben Tätigkeiten<br />

wie bei der Vorbeschäftigung geschuldet waren. Auch diesen beiden Entfristungsklagen gab das BAG<br />

statt, ebenso wie in den Verfahren 7 AZR 409/16 (Vorbeschäftigungszeit 8 Jahre) und 7 AZR 3<strong>23</strong>/17; dort<br />

lag das vorangegangene Arbeitsverhältnis sogar 15 Jahre zurück.<br />

2. Das BAG hat mit diesen Urteilen insofern Klarheit geschaffen, als es die frühere Rechtsprechung zur<br />

Einschränkung der Zuvor-Beschäftigung aufgegeben und entschieden hat, dass ein Zeitraum von bis zu<br />

8 Jahren zwischen den Beschäftigungen nicht ausreicht, um das gesetzliche Verbot auszuhebeln und<br />

dass Vertrauensschutz nicht besteht. Offen bleibt, nach welchem Zeitraum man von „sehr langer Zeit“<br />

zwischen den Beschäftigungen ausgehen kann und welche weiteren, bisher unbenannten Gesichtspunkte<br />

eine befristete Neueinstellung rechtfertigen können. Das wird die Rechtsprechung noch zu<br />

klären haben. Am 21.8.<strong>2019</strong> hat nunmehr das BAG entschieden, dass jedenfalls eine Vorbeschäftigung,<br />

die 22 Jahre zurückliegt, das Verbot der sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG nicht<br />

rechtfertigt, da besondere Umstände, die ein anderes Ergebnis bedingen könnten, nicht bestehen<br />

(7 AZR 452/17).<br />

2. Altersgrenze – Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts<br />

Die Parteien des Rechtsstreits (BAG, Urt. v. 19.12.2018 – 7 AZR 70/17, NZA <strong>2019</strong>, 5<strong>23</strong>, s. hierzu ARNOLD/ZEH,<br />

NZA <strong>2019</strong>, 1017) hatten vereinbart, dass ihr Arbeitsverhältnis (der Kläger war bei dem beklagten Land als<br />

Lehrer beschäftigt) endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Schulhalbjahres (31.1.<br />

bzw. 31.7.), in dem die Lehrkraft das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersgrenze<br />

vollendet hat. Mit Änderungsvertrag vom 20.1.2015 vereinbarten sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

abweichend von der vorstehenden Regelung erst mit Ablauf des 31.7.2015. Durch Schreiben vom<br />

3.2.2015 ordnete die Schulleiterin gegenüber dem Kläger für die Zeit vom 1.2. bis 2015 bis einschließlich<br />

31.7.2015 jederzeit widerruflich über die vertraglich festgelegte Regelstundenzahl i.H.v. <strong>23</strong> Wochenstunden<br />

hinaus insgesamt 4 weitere Unterrichtsstunden an. Ferner erklärte die Schulleiterin mit<br />

Schreiben vom 4.3.2015, sie erhöhe die Teilzeitbeschäftigung von <strong>23</strong> Wochenstunden auf eine volle Stelle<br />

mit 25,5 Wochenstunden für den Zeitraum vom 1.2.2015 bis zum 31.7.2015. Damit sei das Schreiben vom<br />

3.2.2015 gegenstandslos.<br />

Die Klage, mit der der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31.7.2015<br />

geltend gemacht hat, blieb in allen Instanzen erfolglos.<br />

Nach § 41 S. 3 SGB VI können die Arbeitsvertragsparteien, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vereinbart haben, den Beendigungszeitpunkt durch<br />

Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses, ggf. auch mehrfach, hinausschieben. Eines Sachgrunds<br />

nach § 14 Abs. 1 TzBfG bedarf es insoweit nicht. Eine derartige weitere Vereinbarung unterliegt nicht der<br />

Befristungskontrolle. Sie enthält keine neue, die bereits bestandene Befristungsabrede ablösende<br />

Befristung, die ihrerseits auf ihre Wirksamkeit überprüft werden könnte. Demnach führte eine etwaige<br />

einvernehmliche Änderung der Arbeitszeit auf Grundlage des Schreibens der Schulleiterin vom 4.3.2015<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1255


Fach 17 R, Seite 978<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Arbeitsrecht<br />

nicht zu einer Unanwendbarkeit von § 41 S. 3 SGB VI. Hinsichtlich des früheren Schreibens der<br />

Schulleiterin vom 3.2.2015 folgt das BAG der Auffassung des LAG, diese Erklärung sei gar nicht auf eine<br />

Inhaltsänderung des Arbeitsvertrags gerichtet, sondern auf eine einseitige Anordnung von Mehrarbeit.<br />

Hinweise:<br />

1. Der Siebte Senat des BAG hat erstmalig zu § 41 S. 3 SGB VI entschieden. Die Entscheidung schafft<br />

Klarheit. § 41 S. 3 SGB VI ist wirksam und ermöglicht ein einfaches Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts.<br />

Die dagegen erhobenen Bedenken sind sowohl unionsrechtlich als auch verfassungsrechtlich<br />

höchstrichterlich ausgeräumt.<br />

2. Im Arbeitgebermandat bleibt Vorsicht geboten. Das BAG hat offen gelassen, ob – wie bei Verlängerung<br />

einer sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG (vgl. dazu BAG, Urt. v. 21.3.2018 – 7 AZR 428/<br />

16, Rn 37, NZA 2018, 999; Urt. v. 16.1.2008 – 7 AZR 603/06, Rn 7, NZA 2008, 701; Urt. v. <strong>23</strong>.8.2006 – 7 AZR<br />

12/06, Rn 15, NZA 2007, 204) – das Tatbestandsmerkmal des Hinausschiebens des Beendigungszeitpunkts<br />

voraussetzt, dass nur der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses unter Beibehaltung<br />

der übrigen Vertragsbedingungen geändert wird. Bei Annahme eines solchen Verständnisses könnte<br />

eine Befristung dann nicht auf § 41 S. 3 SGB X gestützt werden, wenn im Zusammenhang mit der Vereinbarung<br />

über das Hinausschieben des Beendigungstermins weitere Arbeitsbedingungen geändert<br />

wurden. Hingegen stünde eine einvernehmliche Änderung sonstiger Arbeitsbedingungen, die weder<br />

gleichzeitig noch im zeitlichen Zusammenhang mit der Vereinbarung über das Hinausschieben des<br />

Beendigungszeitpunkts erfolgt ist, einer Befristung nach § 41 S. 3 SGB VI nicht entgegen.<br />

3. Grenzen einer tarifvertraglichen Höchstdauer für sachgrundlose Befristung<br />

Nach § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG kann durch Tarifvertrag die Anzahl der Verlängerungen oder die<br />

Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 der Vorschrift festgelegt werden. Letztere<br />

bestimmt, dass die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen<br />

Grundes nur bis zur Dauer von 2 Jahren zulässig ist; bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die höchstens<br />

dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrags zulässig.<br />

Das BAG hat am 17.4.<strong>2019</strong> (7 AZR 410/17) entschieden, dass die in § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG eröffnete<br />

Möglichkeit nicht völlig unbegrenzt gilt. Es bestätigt seine frühere Rechtsprechung (etwa BAG NZA<br />

2018, 999), dass durch Tarifvertrag in diesem Zusammenhang nur geregelt werden kann, eine<br />

sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags bis zur Dauer von 6 Monaten vorzusehen und bis zu<br />

dieser Gesamtdauer die bis zu neunmalige Verlängerung zuzulassen. Im konkreten Fall enthielt der<br />

Tarifvertrag eine Regelung, wonach der Arbeitsvertrag bis zur Gesamtdauer von 7 Jahren ohne Vorliegen<br />

eines sachlichen Grundes befristet werden kann. Diese Bestimmung ist demnach unwirksam. Zur<br />

Begründung seiner Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG verweist das Gericht auf den systematischen<br />

Gesamtzusammenhang und Sinn und Zweck des TzBfG sowie auf unions- und verfassungsrechtliche<br />

Vorgaben. Die Revision der Beklagten gegen das der Befristungskontrollklage stattgebende Berufungsurteil<br />

blieb somit erfolglos.<br />

IV.<br />

Prozessrecht<br />

1. Feststellungsinteresse bei einer Feststellungsklage bzw. Zwischenfeststellungsklage<br />

Die Parteien streiten über die Berücksichtigung von Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten als vergütungspflichtige<br />

Arbeitszeit. Der Kläger hat zunächst für zwei konkret bezeichnete Tage die Bezahlung der<br />

von ihm aufgewendeten Umkleide- und Ruhezeiten einschließlich der dabei angefallenen Wegezeiten,<br />

ersatzweise deren Zeitgutschrift, beantragt. Daneben hat er die auf die Zukunft gerichtete Feststellung<br />

begehrt, dass die Umkleide- und Ruhezeiten einschließlich der dabei veranlassten Wegezeiten als<br />

Arbeitszeit zu berücksichtigen seien. Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien bestehen u.a.<br />

darüber, welche Tätigkeiten i.R.d. Annahme, Abgabe und Bereitstellung von Arbeitsmitteln anfallen<br />

und ob dies täglich der Fall ist; Streit besteht ferner hinsichtlich der Frage, wieviel Zeit der Kläger für die<br />

einzelnen Tätigkeiten aufwendet.<br />

1256 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 979<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Nach Klageabweisung hat der Kläger im Berufungsverfahren auf Anregung des LAG die Berufung im<br />

Hinblick auf den Leistungsantrag zurückgenommen und nur noch beantragt, festzustellen, dass die<br />

unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Klägers erforderlichen Zeiten des An- und<br />

Ablegens der Unternehmensbekleidung im Betrieb einschließlich der dabei veranlassten Wegezeiten<br />

und der Annahme, Abgabe und Bereitstellung von Arbeitsmitteln einschließlich der dabei veranlassten<br />

Wegezeiten als Bestandteil der von der Beklagten geschuldeten tariflichen Regelarbeitszeit vergütungspflichtig<br />

sind. Das LAG hat der Berufung teilweise stattgegeben, bis auf den Feststellungsantrag<br />

hinsichtlich der Ruhezeiten.<br />

Die Revision des Klägers blieb erfolglos. Aufgrund der begründeten Revision der Beklagten hat das BAG<br />

das Urteil des LAG teilweise – soweit es dem Feststellungsantrag hinsichtlich der Umkleide- und der dabei<br />

veranlassten Wegezeiten stattgegeben hat – aufgehoben und zurückverwiesen (BAG, Urt. v. 7.2.<strong>2019</strong> –<br />

6 AZR 84/18, NZA <strong>2019</strong>, 726).<br />

Seine Entscheidung begründet das BAG damit, sowohl der im Revisionsverfahren gestellte Feststellungsantrag<br />

des Klägers sei unzulässig als auch die im Berufungsverfahren gestellten weiteren<br />

Feststellungsanträge, denen das LAG zu Unrecht stattgegeben habe. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage<br />

auf Feststellung oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein<br />

rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald<br />

festgestellt wird. Dieses besondere Feststellungsinteresse muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder<br />

Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts<br />

wegen zu prüfen. Ein solches Interesse ist nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den<br />

Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien<br />

abschließend geklärt werden kann. Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden<br />

geschaffen wird. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen<br />

über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen.<br />

Das setzt bei einem auf die Feststellung der Rechtsgrundlage für die Vergütung gerichteten Antrag<br />

jedenfalls voraus, dass über weitere Faktoren, die die Vergütungshöhe bestimmen, kein Streit besteht<br />

und die konkrete Bezifferung dann lediglich eine Rechenaufgabe ist, die von den Parteien ebenso<br />

unstreitig durchgeführt werden kann für die Umsetzung der weiteren Zahlungsmodalitäten. Andernfalls<br />

müssen auch die weiteren Berechnungskriterien zum Gegenstand des Feststellungsantrags gemacht<br />

werden, damit nicht lediglich eine Vorfrage geklärt wird. Wie das konträre Vorbringen der Parteien im<br />

Rechtsstreit vorliegend zeigt, wären mit der Rechtskraft der begehrten Entscheidung weitere<br />

gerichtliche Auseinandersetzungen über den Vergütungsanspruch zwischen ihnen nicht auszuschließen.<br />

Ein Feststellungsinteresse ist nicht ausnahmsweise deswegen entbehrlich, weil es sich bei den<br />

Anträgen um eine zulässige Zwischenfeststellungsklage i.S.d. § 256 Abs. 2 ZPO handelt. Nach dieser<br />

Vorschrift kann zugleich mit der Hauptklage auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden,<br />

d.h. vorgreiflichen, Rechtsverhältnisses geklagt werden. Die Zwischenfeststellungsklage trägt dem<br />

Umstand Rechnung, dass gem. § 322 ZPO nur die Entscheidung über den Klageanspruch, nicht aber<br />

auch über das ihn bedingende Rechtsverhältnis in Rechtskraft erwächst und demgemäß ein späterer<br />

Rechtsstreit derselben Parteien über weitere auf das vorgreifliche Rechtsverhältnis gestützte<br />

Ansprüche zu einer abweichenden Beurteilung führen können. Mit ihr wird ein Element aus der<br />

Gesamtentscheidung, das geeignet ist, über den konkreten Einzelfall hinaus Rechtssicherheit und<br />

Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten herzustellen, verselbstständigt und mit eigener<br />

Rechtskraft versehen. Das für eine solche Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt darum<br />

nur dann vor, wenn das inzident ohnehin zu klärende streitige Rechtsverhältnis noch über den<br />

gegenwärtigen Prozess hinaus zwischen den Parteien Bedeutung hat oder jedenfalls gewinnen<br />

kann. Werden jedoch mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien mit<br />

Rechtskraftwirkung erschöpfend geregelt, ist bzw. wird die Zwischenfeststellungsklage unzulässig.<br />

Die Vorgreiflichkeit muss im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz<br />

(noch) vorliegen. Vorliegend fehlt es zum Zeitpunkt der Entscheidung des LAG an einer Haupt-<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1257


Fach 17 R, Seite 980<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Arbeitsrecht<br />

klage und damit an der Vorgreiflichkeit der begehrten Feststellung für diese. Hinsichtlich seiner<br />

ursprünglichen Klage auf Zahlung bzw. Zeitgutschrift für zwei konkrete Tage (Hauptklage) hat er<br />

seine Berufung zurückgenommen und seitdem nur noch den Feststellungsantrag weiterverfolgt.<br />

2. Rechtsweg: Fremdgeschäftsführer – arbeitgeberähnliche Person<br />

Die Parteien streiten im Rechtswegbestimmungsverfahren und in der Hauptsache über eine außerordentliche<br />

Kündigung. Die Klägerin ist Fremdgeschäftsführerin einer GmbH. Sie ist schwerbehindert<br />

mit einen GdB von 50. Die Klägerin kündigte Mitte Juli 2017 ihren Dienstvertrag ordentlich zu Ende 2018.<br />

Daraufhin kündigte die beklagte GmbH ihrerseits Ende Juli 2017 außerordentlich und berief die Klägerin<br />

mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführerin ab. Im August 2017 erhob die Klägerin Klage vor dem<br />

Arbeitsgericht, die auf Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung gerichtet<br />

war. Der Dienstvertrag sieht u.a. vor, die Klägerin sei „als Organvertreterin Leitende Angestellte (§ 14 Abs. 1<br />

KSchG)“, schulde ihre „volle Arbeitskraft“ und habe ihren Urlaub mit den „betrieblichen Belangen<br />

abzustimmen“. Die Beklagte rügt den Rechtsweg und hält das LG für zuständig.<br />

ArbG und LAG haben den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen bejaht. Das BAG (BAG, Beschl.<br />

v. 21.1.<strong>2019</strong> – 9 AZB <strong>23</strong>/18, ZAT <strong>2019</strong>, 58 m. Anm.) hebt die Entscheidung auf und verweist den<br />

Rechtsstreit an das Landgericht. Erstens liegt dem ArbGG der nationale Arbeitnehmerbegriff zugrunde,<br />

weil das Gesetz nicht in Umsetzung von Unionsrecht ergangen ist. Alsdann sperre § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG<br />

nicht, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung wegen der vorherigen Abberufung kein Organ<br />

mehr gewesen sei.<br />

Die Klägerin habe die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung geltend gemacht; der Erfolg der<br />

Klage hänge, da § 626 BGB für Arbeits- und Dienstverträge gelte, nicht von ihrem Arbeitnehmerstatus<br />

ab, sog. „et-et-Fall“. Ein „sic-non-Fall“ liege nur dann vor, wenn die Klage nur Erfolg haben könne, wenn<br />

ein Arbeitsverhältnis in Rede stehe. In diesem Fall reiche für den Rechtsweg zum ArbG die bloße<br />

Rechtsbehauptung aus, es liege ein Arbeitsverhältnis vor. Bei den „et-et-“ und „aut-aut-Fällen“ bedürfe<br />

es dagegen eines schlüssigen Vortrags zum Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Den habe die Klägerin<br />

nicht vorgetragen. Weder der Dienstvertrag noch der Vortrag, sie unterliege Weisungen, genügt dafür.<br />

Die Weisungen sind allein die gesellschaftsrechtlich bestimmten nach § 37 GmbHG.<br />

Zuletzt prüft der Senat, ob die Klägerin arbeitnehmerähnliche Person ist, weil diese als Arbeitnehmer i.S.d.<br />

§ 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG gelten und das LAG dies bejaht hatte. Der Neunte Senat verneint dies. Zwar liege<br />

das erste Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit vor, weil die Klägerin zur Sicherung ihrer Existenzgrundlage<br />

auf die Bezüge aus dem Dienstvertrag angewiesen sei. Es fehle aber am zweiten Merkmal: der<br />

einem Arbeitnehmer vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit. Dies folge aus dem Amt, den<br />

Vertretungsbefugnissen aus § 35 GmbHG und der Ausübung der Arbeitgeberfunktion.<br />

Hinweise:<br />

1. Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr und ist deshalb keine<br />

arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgeberähnliche Person. Der 9. Senat schließt sich dem 2. Senat<br />

(BAG, Urt. v. 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, GmbHR 2006, 592 m. Anm. HAASE) an und hält die Bejahung der<br />

Arbeitnehmereigenschaft bei Geltung des nationalen Arbeitnehmerbegriffs nur in „extremen Ausnahmefällen“<br />

für möglich (zur Anwesenheit des GmbH-Geschäftsführers zu den betrieblichen Arbeitszeiten:<br />

LAG Nürnberg, Beschl. v. 7.7.2016 – 7 Ta 48/16, BeckRS 2016, 118096). Der Neunte Senat stellt generellabstrakt<br />

klar, dass bei einem Fremdgeschäftsführer eine „Arbeitgeberähnlichkeit“ vorliegt.<br />

2. Vorsicht: Zahlreiche Gesetze, die Arbeitnehmerähnliche den Arbeitnehmern gleichstellen, gehen auf<br />

den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zurück. Diesen erfüllen jedoch Fremdgeschäftsführer (vgl.<br />

§ 2 Abs. 2 BUrlG; § 6 Abs. 1 AGG; § 2 Abs. 2 ArbSchG; § 1 Abs. 2 Nr. 7 MuSchG; nationaler Begriff dagegen:<br />

§ 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG, § 2 Abs. 3 FPfZG und § 26 Abs. 8 Nr. 6 BDSG).<br />

3. Die Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers soll – so der Neunte Senat – nicht der vorherigen<br />

Zustimmung des Integrationsamts bedürfen. Das entspricht der h.M., weil dem SGB IX nicht der uni-<br />

1258 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 981<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

onsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zugrunde liegt, so dass schwerbehinderte GmbH-Geschäftsführer<br />

insoweit schutzlos sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.10.2012 – 6 U 47/12, GmbHR 2012, 1347 m. Anm.<br />

BRÖTZMANN).<br />

4. Der EuGH hält die Versagung des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Beamte unter<br />

Hinweis auf Art. 27 der Behindertenrechtskonvention (BRK) für eine unionswidrige Ungleichbehandlung<br />

(EuGH, Urt. v. 9.3.2017 – C-406/15). Soweit aber Art. 27 BRK unmittelbar geltendes Unionsrecht darstellt,<br />

stellt sich die Frage, ob es sachlich gerechtfertigt, ist, GmbH-Geschäftsführern diesen Schutz zu<br />

versagen?<br />

5. Der BGH (Urt. v. 26.3.<strong>2019</strong> – II ZR 244/17, DB <strong>2019</strong>, 1138) hat für einen Fall verbotener Altersdiskriminierung<br />

entschieden, dass Fremdgeschäftsführer einer GmbH, die nicht unter das KSchG fallen, Arbeitnehmer i.S.v.<br />

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG sind (noch offen gelassen: BGH, Urt. v. <strong>23</strong>.4.2012 – II ZR 163/10, GmbHR 2012, 845 m.<br />

Anm. BRÖTZMANN). Der BGH folgt der durch „Danosa“ (EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-<strong>23</strong>2/09, ArbRB 2010, 358)<br />

und „Balkaya“ (EuGH, Urt. v. 9.7.2015 – C-229/14, ZIP 2015, 1555 Rn 38) angestoßenen Entwicklung und hält<br />

GmbH-Geschäftsführer bei Zugrundelegung des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs für Arbeitnehmer.<br />

Liegt einer Norm der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zugrunde, steht der jeweilige durch das<br />

Gesetz vermittelte Schutz auch GmbH-Geschäftsführern zu. Findet der nationale Arbeitnehmerbegriff<br />

Anwendung, sind GmbH-Geschäftsführer regelmäßig weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche<br />

Personen (BAG, Beschl. v. 21.1.<strong>2019</strong> – 9 AZB <strong>23</strong>/18, ZAT <strong>2019</strong>, 58 m. Anm.). Der BGH stellt aber auch klar,<br />

dass die unmittelbare Anwendung des § 6 Abs. 3 AGG deshalb scheitert, weil nach deutschem Recht keine<br />

Auslegung gegen den Wortlaut und den Willen des Gesetzgebers zulässig ist. Auch eine unionsrechtskonforme<br />

Auslegung dürfe nicht zu einer Auslegung contra legem nach nationalem Recht führen. Die<br />

Entscheidung des OLG Hamm zur Rechtfertigung ist mit Spannung zu erwarten: Der Zweite Senat gab<br />

den Hinweis, betriebs- und unternehmensbezogene Interessen könnten eine Ungleichbehandlung wegen<br />

des Alters jedenfalls insoweit rechtfertigen, wie sie sich als Teil eines sozialpolitischen (Gesamt-)Ziels<br />

darstellten. Wollte der Senat damit andeuten, dass Organe zwar Arbeitnehmer im unionsrechtlichen<br />

Sinne seien, aber bzgl. des Alters doch anders behandelt werden sollten?<br />

V. Sozialrecht<br />

Ende des Insolvenzgeldzeitraums bei Betriebsübergang<br />

Nach § 165 Abs. 1 S. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld,<br />

wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen<br />

3 Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt<br />

nach § 165 Abs. 1 S. 2 SGB III:<br />

• die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (Nr. 1),<br />

• die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (Nr. 2) oder<br />

• die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des<br />

Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels<br />

Masse nicht in Betracht kommt (Nr. 3).<br />

Hinweis:<br />

Insg ist innerhalb der (materiellrechtlichen) Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 S. 1 SGB III von zwei Monaten<br />

nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Die Frist verlängert sich bei unverschuldeter Fristversäumnis<br />

um weitere zwei Monate nach Wegfall des Hinderungsgrundes (§ 324 Abs. 3 S. 2 SGB III – spezialgesetzliche<br />

Ausprägung des Rechtsinstituts der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X). Den maßgeblichen<br />

Sorgfaltsmaßstab regelt § 324 Abs. 3 S. 3 SGB III.<br />

Vorliegend hatte das zuständige Amtsgericht am 30.7.2015 Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />

über das Vermögen der ehemaligen Arbeitgeberin der Klägerin – das Arbeitsverhältnis<br />

bestand bis zum 31.1.2015 – abgelehnt (Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB III). Die Klägerin<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1259


Fach 17 R, Seite 982<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Arbeitsrecht<br />

hatte offene Lohnansprüche für die Monate November 2014 bis Januar 2015. Es kam in Betracht, dass<br />

zum 12.12.2014 ein Betriebsübergang nach § 613a BGB eingetreten war. Die Agentur für Arbeit hatte<br />

im Hinblick darauf Insolvenzgeld nur bis zum 11.12.2014 gezahlt. Das LSG hatte unter Abänderung der<br />

erstinstanzlichen Entscheidung der Klägerin Insolvenzgeld bis einschließlich Ende Januar 2015<br />

zugesprochen. Es ließ offen, ob tatsächlich ein Betriebsübergang vorliege. Es widerspreche dem Zweck<br />

des Insolvenzgeldes, wenn Arbeitnehmer nach einer durch ein gesetzliches Insolvenzereignis eingetretenen<br />

Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers auf das Ergebnis des Insolvenzverfahrens bzw. die<br />

Geltendmachung von ausstehenden Arbeitsentgeltansprüchen gegen Dritte verwiesen würden.<br />

Das BSG folgt dem nicht, hob das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten<br />

Verhandlung und Entscheidung zurück (BSG, Urt. v. 26.2.<strong>2019</strong> – B 11 AL 3/18 R).<br />

Der Ausgleich von Ansprüchen auf rückständiges Arbeitsentgelt durch Insg i.S.d. § 165 Abs. 1 S. 1 SGB III<br />

erfolgt, so das BSG, nur für solche arbeitsrechtlichen Ansprüche, die in den Insolvenzgeldzeitraum<br />

fallen. Gesichert wird nicht jegliches ausgefallenes Arbeitsentgelt im Zusammenhang mit einer<br />

Insolvenz, sondern nur arbeitsrechtliche Ansprüche der Arbeitnehmer gegen konkrete Arbeitgeber,<br />

die wiederum von einem der in § 165 Abs. 1 S. 2 SGB III bezeichneten Insolvenzereignisse betroffen sein<br />

müssen. Im Falle eines Betriebsübergangs vor dem Insolvenzereignis endet der Insolvenzgeldzeitraum<br />

trotz fortbestehenden Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers mit der Betriebsübernahme<br />

durch den neuen Erwerber. Wegen eines Insolvenzereignisses bei dem (bisherigen) Arbeitgeber steht<br />

Insg nur bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs zu. Dies folgt aus § 613a BGB. Geht ein Betrieb oder<br />

Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser nach § 613a Abs. 1 S. 1<br />

BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen<br />

ein (gesetzliche Rechtsfolge des Betriebsübergangs). Nur für Verpflichtungen, die vor dem<br />

Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind, haften bisheriger Arbeitgeber und neuer Inhaber als<br />

Gesamtschuldner (§ 613a Abs. 2 BGB).<br />

Hinweis:<br />

In dem Fall gesamtschuldnerischer Haftung besteht, wie das BSG früher entschieden hat, ein Insolvenzgeld-<br />

Anspruch: Das Gesetz sieht nicht vor, dass der Anspruch auf Insg nicht oder erst entsteht, wenn auch<br />

der Dritte zahlungsunfähig geworden ist (s. BSG, Urt. v. 2.11.2000 – B 11 AL <strong>23</strong>/00 R). Bei einer solchen<br />

Fallgestaltung – die hier jedoch nicht vorliegt – wäre demnach die Frage des Eintritts eines Betriebsübergangs<br />

unerheblich.<br />

Demnach besteht für den Fall, dass ein Betriebsübergang am 12.12.2014 eingetreten sein sollte, ab<br />

diesem Zeitpunkt kein Anspruch der Klägerin auf Arbeitsentgelt gegen den früheren Arbeitgeber und<br />

demnach auch kein Anspruch auf Insolvenzgeld.<br />

Das LSG durfte demnach nicht offen lassen, ob vorliegend ein i.S.v. § 613a BGB erfolgt ist. Dies wird im<br />

neu eröffneten Berufungsverfahren zu klären sein. Das BSG entscheidet ferner, dass dann, wenn sich<br />

nach Ausschöpfung der Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts nicht feststellen lässt, ob ein<br />

Betriebsübergang stattgefunden hat, die Beklagte hierfür die objektive Beweislast (Feststellungslast)<br />

trägt. Insofern verweist das BSG auf seine st. Rspr. (s. etwa BSG, Urt. v. 14.10.2014 – B 1 KR 27/13 R, Rn 18<br />

m.w.N.), wonach die Unerweislichkeit einer Tatsache im Zweifel zulasten des Beteiligten geht, der aus<br />

ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet. Nach diesen Grundsätzen trägt die Beklagte die objektive<br />

Beweislast für das Vorliegen eines Betriebsübergangs im Insolvenzgeldzeitraum, da dies zu einer für die<br />

Arbeitsverwaltung vorteilhaften Kürzung der Insolvenzgeldzahlung führen kann.<br />

1260 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Gebührenrecht Fach 24, Seite 17<strong>23</strong><br />

Das Quotenvorrecht<br />

Gebührenrecht<br />

Das Quotenvorrecht in der Rechtsschutzversicherung<br />

Von Rechtsanwalt NORBERT SCHNEIDER, Neunkirchen<br />

Inhalt<br />

I. Gesetzliche Grundlage<br />

II. Bedeutung für die Praxis<br />

III. Die verschiedenen Konstellationen<br />

IV. Volle Erstattungspflicht des Gegners<br />

V. Kostenverteilung nach Quoten<br />

1. Überblick<br />

2. Nach Saldierung der wechselseitigen<br />

Kostenerstattungsansprüche verbleibt<br />

ein Kostenerstattungsanspruch des<br />

Mandanten, der die nicht gedeckten<br />

Kosten abdeckt<br />

3. Nach Saldierung der wechselseitigen<br />

Kostenerstattungsansprüche verbleibt<br />

kein Kostenerstattungsanspruch des<br />

Mandanten<br />

4. Nach Saldierung der wechselseitigen<br />

Kostenerstattungsansprüche verbleibt<br />

zwar ein Kostenerstattungsanspruch<br />

des Mandanten, der allerdings nicht<br />

ausreicht, um die nicht gedeckten Kosten<br />

abzudecken<br />

VI. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben<br />

1. Überblick<br />

2. Kein Erstattungsanspruch<br />

3. Erstattungsanspruch gegen den Gegner<br />

VII. Fazit<br />

I. Gesetzliche Grundlage<br />

Das Quotenvorrecht hat in der Rechtsschutzversicherung – ebenso wie in allen anderen Versicherungssparten<br />

– seine Grundlage in § 86 Abs. 1 S. 2 VVG. Auch bei einer Rechtsschutzversicherung handelt es<br />

sich nämlich um eine Schadensversicherung (OLG Köln NJW 1973, 905; AG Köln AGS 2007, 379 = JurBüro<br />

2006, 546 = RVGreport 2007, 198; HARBAUER/SCHNEIDER, ARB, 9. Aufl. 2018, § 17 ARB 2000 Rn 170 ff.;<br />

VAN BÜHREN, ARB, 3. Aufl. 2013, § 5 ARB 2010 Rn 106, 171; K. SCHNEIDER, Rechtsschutzversicherung für<br />

Anfänger, Rn 476 ff.).<br />

Nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG gehen daher Schadenersatzansprüche des Versicherten gegen einen Dritten<br />

– hier also materielle und prozessuale Kostenerstattungsansprüche – auf den Versicherer über,<br />

soweit dieser die zugrunde liegenden Kosten bezahlt. Der Versicherungsnehmer muss sich dann der<br />

Durchsetzung dieser Ansprüche enthalten und dies seinem Versicherer überlassen. Dem Versicherer<br />

steht insoweit im Wege der cessio legis ab dem Moment der Zahlung ein Anspruch gegen den<br />

Erstattungsschuldner zu.<br />

Werden solche übergegangenen Kostenerstattungsansprüche an den Versicherungsnehmer ausgezahlt,<br />

müssen diese Gelder an den Versicherer weitergeleitet werden.<br />

Das Gleiche gilt, wenn solche übergegangenen Kostenerstattungsansprüche an den Anwalt des<br />

Versicherungsnehmers ausbezahlt werden. Auch er muss diese Gelder an den Versicherer weiterleiten.<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1261


Fach 24, Seite 1724<br />

Das Quotenvorrecht<br />

Gebührenrecht<br />

Insoweit kann gegen den Auszahlungsanspruch des Versicherers weder mit eigenen Forderungen<br />

gegen den Mandanten noch mit Forderungen des Mandanten gegen den Versicherer aufgerechnet<br />

werden. Da nach den ARB zudem eine Abtretung von Ansprüchen des Versicherungsnehmers gegen<br />

den Versicherer ausgeschlossen ist (§ 17 Abs. 8 ARB 2010; 4.1.7. ARB 2012), kann sich der Anwalt auch<br />

nicht Freistellungs- oder Zahlungsansprüche des Mandanten wirksam abtreten lassen und dann<br />

aufrechnen.<br />

§ 86 Abs. 1 VVG enthält allerdings zwei wichtige Einschränkungen des Forderungsübergangs:<br />

1. Der Forderungsübergang tritt nur insoweit ein, als der Versicherer auch geleistet hat (§ 86 Abs. 1<br />

S. 1 VVG). Soweit er nicht geleistet hat, etwa weil bestimmte Kostenpositionen nicht versichert<br />

sind, geht ein darauf gerichteter Erstattungsanspruch folglich erst gar nicht auf ihn über.<br />

2. Liegen die Voraussetzungen des Forderungsübergangs nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG vor, dann unterbleibt<br />

dieser dennoch, wenn der Übergang zum Nachteil des Versicherungsnehmers erfolgen würde (§ 86<br />

Abs. 1 S. 2 VVG). Von Nachteil für den Versicherungsnehmer wäre ein Forderungsübergang dann,<br />

wenn bei ihm noch vom Versicherungsschutz nicht gedeckte Kosten offenstünden und er diese nicht<br />

vorab aus der Kostenerstattung entnehmen dürfte.<br />

Vereinfacht ausgedrückt: Zahlt der Rechtsschutzversicherer, gehen entsprechende Kostenerstattungsansprüche<br />

i.R.d. Zahlung auf ihn über. Soweit dem Versicherungsnehmer darüber hinaus kongruente<br />

Kosten entstanden sind, die nicht unter den Versicherungsschutz fallen (s. hierzu KLAUS SCHNEIDER, a.a.O.,<br />

Rn 477), können auch die Erstattungsansprüche wegen dieser Kosten nicht auf den Rechtsschutzversicherer<br />

übergehen, sondern bleiben beim Versicherungsnehmer und können von ihm eingezogen<br />

werden.<br />

II. Bedeutung für die Praxis<br />

Besondere Bedeutung in der Praxis hat das Quotenvorrecht für:<br />

• eine vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung,<br />

• vom Versicherungsschutz nicht gedeckte Reisekosten des Anwalts,<br />

• vom Versicherungsschutz nicht erfasste Kosten eines Terminsvertreters und<br />

• vom Versicherungsschutz ohnehin nicht erfasste Parteikosten im Inland.<br />

III. Die verschiedenen Konstellationen<br />

Für die Durchsetzung und Ausübung des Quotenvorrechts sind verschiedene Konstellationen zu<br />

beachten.<br />

• Ergibt sich zugunsten des Mandanten ein einseitiger Kostenerstattungsanspruch (s. IV.) oder ergibt<br />

sich nach Kostenausgleichung ein ausreichend hoher Erstattungsanspruch, um die nicht gedeckten<br />

Kosten davon zu decken (s. V. 2.), ist die Durchsetzung des Quotenvorrechts relativ einfach.<br />

• Liegt eine Kostenquotierung zugrunde, bei der dem Versicherungsnehmer zwar ein eigener<br />

Kostenerstattungsanspruch zusteht, dieser aber im Wege der Ausgleichung ganz oder teilweise<br />

untergeht, ist die Durchsetzung etwas schwieriger (s. V. 3. u. 4).<br />

• Werden die Kosten gegeneinander aufgehoben, ist wiederum anders zu verfahren (s. VI.).<br />

IV. Volle Erstattungspflicht des Gegners<br />

Soweit die Gegenseite die Kosten in voller Höhe zu tragen hat, wird sich die Frage des Quotenvorrechts<br />

in aller Regel nicht stellen, da dann der Mandant seine nicht gedeckten Kosten ohnehin in voller<br />

Höhe von der Gegenseite erstattet erhält und ein Forderungsübergang zu seinem Nachteil nicht<br />

stattfinden kann.<br />

1262 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Gebührenrecht Fach 24, Seite 1725<br />

Das Quotenvorrecht<br />

Beispiel 1:<br />

Der Mandant wohnt in München und beauftragt dort einen Anwalt, für ihn vor dem LG Augsburg<br />

(Entfernung 71 km) Klage zu erheben. Der Streitwert beläuft sich auf 20.000 €. Die Kosten des<br />

Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt. Der Mandant ist rechtsschutzversichert bei einer<br />

Selbstbeteiligung von 200 €.<br />

Der Anwalt rechnet wie folgt ab:<br />

1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 964,60 €<br />

2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 890,40 €<br />

3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

4. Reisekosten zum Termin, 2 × 71 km x 0,30 €, Nr. 7003 VV RVG 42,60 €<br />

5. Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG 25,00 €<br />

6. Parkgebühren (netto), Nr. 7006 VV RVG 3,36 €<br />

Zwischensumme 1.945,96 €<br />

7. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 369,73 €<br />

Gesamt 2.315,69 €<br />

Der Rechtsschutzversicherer zieht von der vorstehenden Rechnung die Reisekosten zuzüglich<br />

anteiliger Umsatzsteuer ab sowie die vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung i.H.v. 200 €. Er zahlt<br />

also vertragsgemäß nur:<br />

1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 964,60 €<br />

2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 890,40 €<br />

3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

Zwischensumme 1.875,00 €<br />

4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 356,25 €<br />

Zwischensumme 2.<strong>23</strong>1,25 €<br />

5. abzgl. Selbstbeteiligung - 200,00 €<br />

Gesamt 2.031,25 €<br />

Des Weiteren zahlt er die 3,0-Gerichtsgebühr i.H.v. 1.035 €.<br />

Im Kostenfestsetzungsverfahren werden jetzt angemeldet die Kosten des Anwalts einschließlich seiner<br />

Reisekosten sowie die eingezahlte Gerichtsgebühr. Des Weiteren werden noch folgende Parteikosten<br />

gem. § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m. dem JVEG zur Festsetzung angemeldet:<br />

1. Reisekosten zum Termin, 2 × 71 km x 0,25 €/km 42,60 €<br />

2. Zeitversäumnis 3 Stunden x 3,50 €/Stunde 10,50 €<br />

3. Parkgebühren 4,00 €<br />

Gesamt 57,10 €<br />

Diese Kosten werden auch festgesetzt, da sowohl die Reisekosten des Anwalts als auch die Parteikosten<br />

erstattungsfähig sind. Insgesamt werden somit gegen den Beklagten festgesetzt:<br />

Anwalt 2.315,69 €<br />

3,0-Gerichtsgebühr 1.035,00 €<br />

Parteikosten 57,10 €<br />

Gesamt 3.407,79 €<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1263


Fach 24, Seite 1726<br />

Das Quotenvorrecht<br />

Gebührenrecht<br />

Dieser Anspruch geht nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG in Höhe der vom Rechtsschutzversicherer gezahlten<br />

Beträge auf diesen über:<br />

Anwaltskosten 2.031,25 €<br />

Gerichtsgebühr 1.035,00 €<br />

Gesamt 3.066,25 €<br />

Nicht übergehen, also beim Mandanten verbleiben, (3.407,79 €–3.066,25 € =) 341,54 €.<br />

Dem Mandanten entsteht durch den Forderungsübergang auf den Versicherer kein Nachteil, weil ihm in<br />

Höhe der nicht gedeckten Kosten, nämlich:<br />

die nicht gedeckten Reisekosten des Anwalts i.H.v. brutto 84,44 €<br />

die Selbstbeteiligung 200,00 €<br />

die eigenen Parteikosten 57,10 €<br />

Gesamt 341,54 €<br />

der Erstattungsanspruch gegen den Gegner in voller Höhe verbleibt.<br />

Zu beachten ist insoweit allenfalls der Vorrang des Versicherungsnehmers. Die ersten 341,54 €, die auf die<br />

Kostenerstattung gezahlt werden, stehen dem Versicherungsnehmer zu. Erst die weiteren Zahlungen sind<br />

an den Versicherer weiterzuleiten.<br />

V. Kostenverteilung nach Quoten<br />

1. Überblick<br />

Problematischer wird es, wenn die Kosten des Rechtsstreits quotiert worden sind. Hier sind wiederum<br />

drei Fälle zu unterscheiden:<br />

1. Nach Kostenausgleichung verbleibt zugunsten des Mandanten ein Erstattungsanspruch, der die nicht<br />

gedeckten Kosten übersteigt.<br />

2. Nach Kostenausgleichung ergibt sich ein Kostenerstattungsanspruch des Gegners.<br />

3. Nach Kostenausgleichung verbleibt zugunsten des Mandanten ein Erstattungsanspruch, der jedoch<br />

nicht ausreicht, um die nicht gedeckten Kosten zu decken.<br />

2. Nach Saldierung der wechselseitigen Kostenerstattungsansprüche verbleibt ein Kostenerstattungsanspruch<br />

des Mandanten, der die nicht gedeckten Kosten abdeckt<br />

a) Abrechnung mit dem Versicherer<br />

Hier ist die Abrechnung relativ einfach. Der Mandant erhält letztlich aus Versicherungsleistung und<br />

Kostenerstattung sämtliche Kosten gedeckt.<br />

Beispiel 2:<br />

Wie Beispiel 1; jedoch sind die Kosten des Rechtsstreits zu 40 % dem Mandanten auferlegt worden und zu<br />

60 % dem Beklagten.<br />

An der Abrechnung gegenüber dem Mandanten ändert sich gegenüber dem Beispiel 1 nichts.<br />

Auch der Rechtsschutzversicherer zahlt wiederum den gleichen Betrag wie in Beispiel 1.<br />

Nunmehr wird die Kostenausgleichung wie folgt durchgeführt:<br />

1264 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Gebührenrecht Fach 24, Seite 1727<br />

Das Quotenvorrecht<br />

a) Kosten Kläger<br />

1. Anwaltskosten 2.315,69 €<br />

2. vorgelegte Gerichtskosten 1.035,00 €<br />

3. Parteikosten 57,10 €<br />

3.407,79 €<br />

b) Kosten Beklagter<br />

1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 964,60 €<br />

2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 890,40 €<br />

3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

Zwischensumme 1.875,00 €<br />

4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 356,25 €<br />

Gesamt 2.<strong>23</strong>1,25 €<br />

c) Zwischensumme 5.639,04 €<br />

d) hiervon 40 % 2.255,62 €<br />

e) abzgl. eigener Kosten Mandant - 3.407,79 €<br />

Ausgleichsanspruch Mandant 1.152,17 €<br />

Dieser Betrag wird festgesetzt und vom Beklagten an den Anwalt des Mandanten gezahlt.<br />

Jetzt ist zunächst einmal zu fragen, inwieweit dieser Anspruch auf den Rechtsschutzversicherer nach<br />

§ 86 Abs. 1 S. 1 VVG übergegangen ist.<br />

Der Kostenerstattungsanspruch des Mandanten beträgt:<br />

Anwaltskosten Mandant 2.315,69 €<br />

Gerichtskosten, 3,0-Gebühr 1.035,00 €<br />

Parteikosten 57,10 €<br />

Zwischensumme 3.407,79 €<br />

hiervon 60 % 2.044,68 €<br />

An dieser Stelle ist jetzt zum einen zu berücksichtigen, dass der Rechtsschutzversicherer die Reisekosten<br />

des Anwalts gar nicht gezahlt hat, so dass i.H.v. 60 % der Reisekosten, die ja in der Erstattung enthalten<br />

sind, ein Anspruchsübergang bereits nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG nicht stattfinden kann. Gleiches gilt für die<br />

200 € Selbstbeteiligung und die Parteikosten, die vom Versicherer ja gar nicht gezahlt worden sind.<br />

Übergangsfähig nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG sind also nur:<br />

Anwaltskosten Mandant (ohne Reisekosten abzgl. Selbstbeteiligung) 2.031,25 €<br />

Gerichtskosten, 3,0-Gebühr 1.035,00 €<br />

Zwischensumme 3.066,25 €<br />

hiervon 60 % 1.839,75 €<br />

Damit ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass der Erstattungsanspruch i.H.v. (2.044,68 € - 1.839,75 € =)<br />

204,93 € gar nicht auf den Versicherer übergehen konnte, sondern nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG beim<br />

Mandanten verblieben ist.<br />

Da dem Mandanten aber 341,54 € nicht versicherte Kosten entstanden sind, fehlen ihm jetzt noch<br />

136,61 €.<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1265


Fach 24, Seite 1728<br />

Das Quotenvorrecht<br />

Gebührenrecht<br />

Würde auch insoweit der Kostenerstattungsanspruch auf den Versicherer übergehen, würde dies zum<br />

Nachteil des Mandanten gereichen. Das würde gegen § 86 Abs. 1 S. 2 VVG verstoßen. Also ist auch in<br />

Höhe der weiteren 136,61 € der Anspruch beim Mandanten verblieben.<br />

Aus der Kostenerstattung darf der Mandant also insgesamt entnehmen:<br />

nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG verbliebene 204,93 €<br />

nach § 86 Abs. 1 S. 2 VVG verbliebene 136,61 €<br />

Gesamt 341,54 €<br />

Auf den Rechtsschutzversicherer geht damit lediglich der Restbetrag i.H.v.:<br />

festgesetzte Kosten 1.156,37 €<br />

abzgl. beim Mandanten verbliebene - 341,54 €<br />

Gesamt 814,83 €<br />

über und ist an diesen weiterzuleiten.<br />

Häufig wird von den Rechtsschutzversicherern die Geltung des Quotenvorrechts in der Rechtsschutzversicherung<br />

geleugnet. Das ist jedoch unzutreffend. Bei der Rechtsschutzversicherung handelt es sich<br />

um eine Schadensversicherung (VAN BÜHREN, a.a.O., Einleitung Rn 10), so dass auch für sie § 86 VVG gilt<br />

(HARBAUER/SCHNEIDER, a.a.O., § 17 ARB 2010 Rn 170 ff.; VAN BÜHREN, a.a.O., § 5 Rn 106, 171; KLAUS SCHNEIDER,<br />

a.a.O., Rn 476 ff.).<br />

Des Weiteren wird eingewandt, die Vorabentnahme des Fehlbetrags unterlaufe die Regelungen des<br />

Versicherungsvertrags zum Selbstbehalt. Der Selbstbehalt solle bewirken, dass der Mandant auf jeden<br />

Fall mit Kosten belastet werde. Auch dies ist nicht zutreffend. Der Selbstbehalt betrifft die Frage, in<br />

welcher Höhe der Rechtsschutzversicherer den Versicherungsnehmer von Kosten freistellen muss; das<br />

Quotenvorrecht betrifft dagegen die Frage, in welcher Höhe ein Rücklauf erstatteter Kosten erfolgt. Der<br />

Versicherer muss auch bei Ausübung des Quotenvorrechts nie mehr zahlen, als vertraglich unter<br />

Einbeziehung des Selbstbehalts vereinbart ist. Er bekommt lediglich nicht alles zurückerstattet. Das ist<br />

aber keine Frage des Selbstbehalts.<br />

Mitunter wird auch eingewandt, aus den ARB ergebe sich Gegenteiliges, nämlich, dass das Quotenvorrecht<br />

in der Rechtsschutzversicherung nicht geltend gemacht werden könne. Auch dieser Einwand<br />

ist unzutreffend. Nach § 87 VVG kann von der Regelung des § 86 Abs. 1 S. 2 VVG nicht abgewichen<br />

werden. Entsprechende Vereinbarungen in den ARB wären nichtig. Auch eine dahingehende Auslegung<br />

ist unzulässig (AG Köln AGS 2007, 379 = JurBüro 2006, 546 = RVGreport 2007, 198).<br />

b) Abrechnung mit dem Mandanten<br />

Wie der Anwalt bei der Abrechnung mit dem Mandanten vorgeht, also ob er die vom Rechtsschutzversicherer<br />

nicht gedeckten Kosten zunächst dem Mandanten in Rechnung stellt und einzieht oder ob<br />

er sie zunächst als offene Posten stehen lässt, ist unerheblich.<br />

• Wird der Fehlbetrag zunächst vom Mandanten eingefordert, dann handelt es sich bei der dem<br />

Quotenvorrecht unterfallenden Kostenerstattung insoweit um Fremdgeld, das dem Mandanten<br />

auszuzahlen ist.<br />

• Lässt der Anwalt die nicht vom Versicherungsschutz gedeckten Kosten zunächst als offenen Posten<br />

stehen, dann kann er die Kostenerstattung insoweit mit seinem Honoraranspruch verrechnen und<br />

entsprechend verbuchen.<br />

Hat der Anwalt im Beispiel 2 also die nicht gedeckten Reisekosten i.H.v. 84,44 € sowie die 200 €<br />

Selbstbeteiligung vom Mandanten angefordert und eingezogen, dann ist die gesamte nicht übergegangene<br />

Kostenerstattung als Fremdgeld zu buchen. Davon sind:<br />

1266 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Gebührenrecht Fach 24, Seite 1729<br />

Das Quotenvorrecht<br />

die nicht gedeckten Reisekosten des Anwalts inkl. Umsatzsteuer 84,44 €<br />

die Selbstbeteiligung 200,00 €<br />

die eigenen Parteikosten 57,10 €<br />

Gesamt 341,54 €<br />

an den Mandanten auszukehren und die restlichen 814,83 € an den Versicherer.<br />

Hat der Anwalt die nicht gedeckten Kosten nicht vom Mandanten eingefordert, dann kann er diesen<br />

Fehlbetrag i.H.v. 284,44 € aus der Kostenerstattung entnehmen und mit seinem offenen Honorar<br />

verrechnen und entsprechend buchen.<br />

Von dem Restbetrag sind dann die Parteikosten des Mandanten i.H.v. 57,10 € an diesen als Fremdgeld<br />

auszukehren und die restlichen 814,83 € an den Versicherer.<br />

Zweckmäßig ist es m.E., die nicht gedeckten Kosten als offene Posten stehen zu lassen und bei späterem<br />

Eingang der Kostenerstattung dann als Honorar zu verbuchen. Dies erspart unnötige Buchungen und<br />

Überweisungen, da dann nicht der Betrag erst vom Mandanten eingefordert und später wieder<br />

ausgezahlt werden muss.<br />

Unabhängig davon, wie mit dem Mandanten abgerechnet wird, ist es wichtig, dass rechtzeitig beim<br />

Rechtsschutzversicherer ein Vorschuss angefordert wird, so dass mit Vorschussleistung und<br />

Kostenerstattung letztlich mehr zur Verfügung steht, als zur Abdeckung der Kosten des Versicherungsnehmers<br />

benötigt wird. Wird erst nach Eingang der Kostenerstattung mit dem Rechtsschutzversicherer<br />

abgerechnet, verweigert dieser oft die Zahlung, so dass wegen eines geringfügigen Betrags geklagt<br />

werden muss. Dies vermeidet der Anwalt, wenn er rechtzeitig einen Vorschuss vereinnahmt, so dass<br />

dann der Rechtsschutzversicherer auf Auszahlung klagen müsste, was in der Praxis allerdings kaum<br />

noch vorkommt, da den Rechtsschutzversicherern die Rechtslage durchaus bekannt ist.<br />

3. Nach Saldierung der wechselseitigen Kostenerstattungsansprüche verbleibt kein Kostenerstattungsanspruch<br />

des Mandanten<br />

a) Überblick<br />

Ist der Kostenerstattungsanspruch des Gegners höher als der eigene Kostenerstattungsanspruch, ist die<br />

Sache schwieriger, weil dann beim Mandanten nach Kostenausgleichung (§ 106 ZPO) kein Kostenerstattungsanspruch<br />

zu seinen Gunsten mehr verbleiben wird. Ungeachtet dessen gelten auch hier die<br />

gleichen Erwägungen wie in der vorangegangenen Fallgruppe, da auch dann dem Versicherungsnehmer<br />

ein Kostenerstattungsanspruch zusteht, der quotenbevorrechtigt ist.<br />

b) Getrennte Kostenfestsetzung<br />

Deutlich wird das Quotenvorrecht, wenn die Kosten getrennt festgesetzt werden.<br />

Beispiel 3:<br />

Wie Beispiel 1; jedoch hat der Mandant nur zu 30 % gewonnen und zu 70 % verloren. Das Gericht<br />

entscheidet mit entsprechender Kostenquote.<br />

Der einfachere Weg, das Quotenvorrecht durchzusetzen, besteht darin, nicht die Kostenausgleichung<br />

nach § 106 ZPO zu betreiben, sondern jeweils einseitig festsetzen zu lassen. Eine Verpflichtung, auf den<br />

Kostenfestsetzungsantrag des Gegners zu reagieren und der Aufforderung des Gerichts, gem. § 106<br />

Abs. 1 S. 1 ZPO die eigenen Kosten anzumelden, nachzukommen, also sich an der Kostenausgleichung zu<br />

beteiligten, besteht nicht (LG Frankfurt AGS 2011, 515 = NJW-Spezial 2011, 604 = RVGreport 2011, 391; LG<br />

Frankenthal NJW-Spezial 2013, 220). Der Mandant kann also abwarten, bis der Gegner seine Kosten zur<br />

Festsetzung anmeldet. Der Rechtspfleger setzt dann eine Frist zur Anmeldung der eigenen Kosten von<br />

einer Woche (§ 106 Abs. 1 S. 1 ZPO). Diese Wochenfrist muss der Anwalt verstreichen lassen bzw.<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1267


Fach 24, Seite 1730<br />

Das Quotenvorrecht<br />

Gebührenrecht<br />

erklären, dass er an der Kostenausgleichung nicht teilnimmt, sondern eine getrennte Festsetzung<br />

wünscht. Dann muss der Rechtspfleger einseitig festsetzen. Es würden dann also im Beispiel zugunsten<br />

des Gegners festgesetzt:<br />

1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 964,60 €<br />

2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 890,40 €<br />

3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

Zwischensumme 1.875,00 €<br />

4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 356,25 €<br />

Gesamt 2.<strong>23</strong>1,25 €<br />

hiervon 70 % 1.561,88 €<br />

Diesen Betrag muss der Rechtsschutzversicherer dem Gegner erstatten.<br />

Hiernach beantragt dann der Mandant die Festsetzung der eigenen Kosten. Er erhält jetzt einen<br />

Kostenfestsetzungsbeschluss über:<br />

Anwaltskosten Mandant 2.315,69 €<br />

Gerichtskosten, 3,0-Gebühr 1.035,00 €<br />

Parteikosten 57,10 €<br />

Zwischensumme 3.407,79 €<br />

hiervon 30 % 1.022,34 €<br />

Von dieser Kostenerstattung darf der Mandant dann jetzt seine nicht gedeckten Kosten entnehmen i.H.v.:<br />

die nicht gedeckten Reisekosten des Anwalts inkl. Umsatzsteuer 84,44 €<br />

die Selbstbeteiligung 200,00 €<br />

die eigenen Parteikosten 57,10 €<br />

Gesamt 341,54 €<br />

Lediglich der Restbetrag i.H.v. 680,80 € geht auf den Rechtsschutzversicherer über.<br />

Nicht selten wenden Rechtspfleger bei Eingang des zweiten Kostenfestsetzungsantrags ein, dies sei<br />

rechtsmissbräuchlich. Die Kosten hätten rechtzeitig zur Ausgleichung angemeldet werden müssen. Eine<br />

nachträgliche einseitige Festsetzung sei jetzt nicht mehr möglich. Dies ist jedoch unzutreffend. Es<br />

besteht für eine Partei keine Pflicht, an einer Kostenausgleichung teilzunehmen. Es besteht lediglich<br />

für den Rechtspfleger eine Pflicht zur Kostenausgleichung, wenn beide Parteien ihre Kosten gleichzeitig<br />

anmelden. Meldet dagegen eine Partei ihre eigenen Kosten erst an, nachdem die Kosten des Gegners<br />

festgesetzt worden sind, findet keine Ausgleichung mehr statt. Die jeweiligen Erstattungsansprüche<br />

sind dann gesondert festzusetzen. Die Parteien haben insoweit ein freies Wahlrecht, ob sie an der<br />

Kostenausgleichung teilnehmen oder ob sie eine einseitige Festsetzung wünschen (LG Frankfurt AGS<br />

2011, 515 = NJW-Spezial 2011, 604 = RVGreport 2011, 391; LG Frankenthal NJW-Spezial 2013, 220).<br />

Darauf hinzuweisen ist allerdings, dass diese Methode der getrennten Kostenfestsetzung nur dann<br />

funktioniert, wenn sich der eigene Kostenerstattungsanspruch auch beim Gegner realisieren lässt.<br />

Ist der Gegner nicht zahlungsfähig, kann er also den Kostenerstattungsanspruch des Mandanten<br />

nicht bedienen, funktioniert diese Methode nicht ohne Weiteres. In diesem Fall kann aber immerhin<br />

nach der Festsetzung zugunsten des Gegners gegen dessen Erstattungsanspruch noch mit dem<br />

eigenen Kostenerstattungsanspruch die Aufrechnung erklärt werden, da die Aufrechnung mit<br />

einem prozessualen Kostenerstattungsanspruch nicht dessen Festsetzung erfordert, sondern nur<br />

das Entstehen des Kostenerstattungsanspruchs als solchen (OLG Frankfurt MDR 1984, 148;<br />

LG Tübingen NJW 1965, 1608).<br />

1268 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Gebührenrecht Fach 24, Seite 1731<br />

Das Quotenvorrecht<br />

c) Kostenausgleichung<br />

Etwas komplizierter wird es, wenn der Mandant sich an der Kostenausgleichung beteiligt. In diesem Fall<br />

ist das Quotenvorrecht über Bereicherungsrecht zu lösen.<br />

Beispiel 4:<br />

Wie Beispiel 3; jedoch meldet der Kläger seine Kosten gem. § 106 Abs. 1 S. 2 ZPO zur Ausgleichung an.<br />

Es ergibt sich jetzt folgende Kostenfestsetzung:<br />

a) Kosten Kläger<br />

1. Anwaltskosten 2.315,69 €<br />

2. vorgelegte Gerichtskosten 1.035,00 €<br />

3. Parteikosten 57,10 €<br />

3.407,79 €<br />

b) Kosten des Beklagten<br />

1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 964,60 €<br />

2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 890,40 €<br />

3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

Zwischensumme 1.875,00 €<br />

4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 356,25 €<br />

Gesamt 2.<strong>23</strong>1,25 €<br />

c) Zwischensumme 5.639,04 €<br />

d) hiervon 70 % 3.947,33 €<br />

e) abzgl. eigener Kosten Mandant - 3.407,79 €<br />

Ausgleichsanspruch Gegner 539,54 €<br />

Jetzt erhält also nicht der Mandant einen Kostenerstattungsanspruch, sondern der Gegner, so dass an<br />

dem letztlich festgesetzten Erstattungsanspruch ein Quotenvorrecht nicht ausgeübt werden kann.<br />

Dabei darf jedoch nicht vernachlässigt werden, dass i.H.v. 30 % dem Mandanten ein Kostenerstattungsanspruch<br />

zustand und dieser Anspruch insoweit quotenbevorrechtigt war.<br />

Ist die Kostenausgleichung einmal durchgeführt, dann kann das Quotenvorrecht nur noch bereicherungsrechtlich<br />

durchgesetzt werden, da der beim Mandanten verbliebene quotenbevorrechtigte<br />

Anspruch infolge der Kostenausgleichung durch Verrechnung untergegangen ist. Dadurch, dass der<br />

Mandant jedoch auch seine quotenbevorrechtigten Ansprüche in die Ausgleichung mit einbezogen hat,<br />

ist der Rechtsschutzversicherer ungerechtfertigt bereichert. Er muss jetzt nur noch von einem<br />

geringeren Kostenerstattungsanspruch des Gegners freistellen als bei getrennter Festsetzung. Er wäre<br />

nämlich zu einer höheren Kostenerstattung an den Gegner verpflichtet, wenn der Mandant seine<br />

quotenbevorrechtigten Ansprüche nicht in die Ausgleichung einbezogen hätte, sondern nur die<br />

übergangsfähigen, also nicht bevorrechtigten. Dann hätte sich folgende Berechnung des Kostenerstattungsanspruchs<br />

ergeben:<br />

Im Falle der getrennten Kostenfestsetzung hätte der Versicherer 1.561,88 € an den Gegner zahlen müssen<br />

und es wäre im Gegenzug ein Kostenerstattungsanspruch i.H.v. – 680,80 € auf ihn übergegangen. Der<br />

Versicherer wäre also per Saldo mit 881,08 € belastet worden.<br />

Aufgrund der Kostenausgleichung muss der Versicherer jetzt aber nur 539,54 € an den Gegner zahlen.<br />

Damit ist der Versicherer im Fall der Kostenausgleichung um 881,08 € - 539,54 € = 341,54 €<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1269


Fach 24, Seite 1732<br />

Das Quotenvorrecht<br />

Gebührenrecht<br />

ungerechtfertigt bereichert und muss diesen Betrag an den Mandanten auszahlen (HARBAUER/<br />

SCHNEIDER, a.a.O., § 17 ARB 2010 Rn 178; K. SCHNEIDER, a.a.O., Rn 481). Anschaulich ausgedrückt hat dies<br />

das AG Bonn im dritten Leitsatz seiner Entscheidung:<br />

AG Bonn, Urt. v. 17.11.1998 – 2 C 226/98 (BRAGOreport 2000, 31, https://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/bonn/<br />

ag_bonn/j1998/2_C_226_98urteil19981117.html):<br />

1. Das sog. Quotenvorrecht gilt auch in der Rechtsschutzversicherung.<br />

2. In Höhe des Selbstbehalts verbleiben Kostenerstattungsansprüche beim Versicherungsnehmer und<br />

gehen nicht auf den Versicherer über.<br />

3. Bringt der Versicherungsnehmer den bei ihm verbliebenen Kostenerstattungsanspruch in die Kostenausgleichung<br />

nach § 106 Abs. 1 ZPO ein und geht dieser Erstattungsanspruch infolgedessen unter, so<br />

entsteht dem Versicherungsnehmer insoweit ein Ausgleichsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung<br />

gegen den Rechtsschutzversicherer.<br />

4. Nach Saldierung der wechselseitigen Kostenerstattungsansprüche verbleibt zwar ein Kostenerstattungsanspruch<br />

des Mandanten, der allerdings nicht ausreicht, um die nicht gedeckten<br />

Kosten abzudecken<br />

a) Überblick<br />

Verbleibt nach Saldierung der wechselseitigen Kostenerstattungsansprüche zwar ein Kostenerstattungsanspruch<br />

des Mandanten, reicht dieser jedoch nicht aus, um die nicht gedeckten Kosten<br />

abzudecken, so ist letztlich genauso vorzugehen wie in den vorherigen Beispielen. Auch hier kommt die<br />

getrennte Kostenfestsetzung in Betracht sowie der bereicherungsrechtliche Ausgleich.<br />

b) Getrennte Festsetzung<br />

Wählt der Mandant die getrennte Festsetzung, ergeben sich letztlich keine Abweichungen gegenüber<br />

dem Fall, dass bei Saldierung kein Anspruch mehr verbleibt.<br />

Beispiel 5:<br />

Wie vorangegangenes Beispiel 4; jedoch hat der Mandant zum Teil gewonnen und zum Teil verloren. Das<br />

Gericht legt dem Mandanten 57 % der Kosten auf und dem Beklagten 43 %.<br />

Auch hier kann die getrennte Kostenfestsetzung durchgeführt werden. Das ergibt dann folgende<br />

Erstattungsansprüche:<br />

aa) Erstattungsanspruch Beklagter<br />

1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 964,60 €<br />

2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 890,40 €<br />

3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

Zwischensumme 1.875,00 €<br />

4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 356,25 €<br />

Gesamt 2.<strong>23</strong>1,25 €<br />

hiervon 57 % 1.271,81 €<br />

Diesen Betrag muss der Rechtsschutzversicherer dem Gegner erstatten.<br />

bb) Erstattungsanspruch Mandant<br />

Der Mandant erhält einen Kostenfestsetzungsbeschluss über:<br />

1270 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Gebührenrecht Fach 24, Seite 1733<br />

Das Quotenvorrecht<br />

Anwaltskosten Mandant 2.315,69 €<br />

Gerichtskosten, 3,0-Gebühr 1.035,00 €<br />

Parteikosten 57,10 €<br />

Zwischensumme 3.407,79 €<br />

hiervon 43 % 1.465,35 €<br />

Von diesem Betrag kann der Mandant seinen Fehlbetrag abziehen, und zwar i.H.v. 341,54 €. Der Restbetrag<br />

i.H.v. 1.1<strong>23</strong>,81 € steht dem Rechtsschutzversicherer zu.<br />

c) Kostenausgleichung<br />

Führt der Mandant die Kostenausgleichung durch, ergibt sich folgende Berechnung:<br />

a) Kosten Kläger<br />

1. Anwaltskosten 2.315,69 €<br />

2. vorgelegte Gerichtskosten 1.035,00 €<br />

3. Parteikosten 57,10 €<br />

3.407,79 €<br />

b) Kosten des Beklagten<br />

1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 964,60 €<br />

2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 890,40 €<br />

3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />

Zwischensumme 1.875,00 €<br />

4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 356,25 €<br />

Gesamt 2.<strong>23</strong>1,25 €<br />

c) Zwischensumme 5.639,04 €<br />

d) hiervon 57 % 3.214,25 €<br />

e) abzgl. eigener Kosten Beklagter 3.407,79 €<br />

Ausgleichsanspruch Mandant 193,54 €<br />

Die Kostenerstattung i.H.v. 193,54 € kann der Mandant behalten, da i.H.v. (43 % aus 341,54 € =) 146,86 €<br />

erst gar kein Übergang nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG eingetreten ist und i.H.v. (193,54 € - 146,86 € =) 46,68 €<br />

das Quotenvorrecht nach § 86 Abs. 1 S. 2 VVG greift.<br />

Damit fehlen dem Mandanten aber immer noch (341,54 € - 193,54 € =) 148,00 €.<br />

Hinsichtlich dieses Restbetrags besteht jetzt wiederum ein Bereicherungsanspruch, der sich wie folgt<br />

berechnet:<br />

Im Falle der getrennten Kostenfestsetzung hätte der Versicherer 1.271,81 € an den Gegner zahlen müssen<br />

und es wäre im Gegenzug ein Kostenerstattungsanspruch i.H.v. 1.1<strong>23</strong>,81 € auf ihn übergegangen. Der<br />

Versicherer wäre also per Saldo mit 148 € belastet worden.<br />

Aufgrund der Kostenausgleichung muss der Versicherer jetzt aber nichts mehr an den Gegner zahlen.<br />

Damit ist er um 148 € ungerechtfertigt bereichert und muss diesen Betrag an den Mandanten nach<br />

Bereicherungsrecht auskehren.<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1271


Fach 24, Seite 1734<br />

Das Quotenvorrecht<br />

Gebührenrecht<br />

Der Mandant erhält also:<br />

aus der Kostenerstattung 193,54 €<br />

vom Rechtsschutzversicherer 148,00 €<br />

Gesamt 341,54 €<br />

VI.<br />

Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben<br />

1. Überblick<br />

Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben worden, dann ergibt sich hinsichtlich der Anwaltskosten<br />

und der Parteikosten kein Erstattungsanspruch. Lediglich die Gerichtskosten sind hälftig zu teilen (§ 92<br />

Abs. 1 S. 2 ZPO), so dass sich nur hinsichtlich dieser Position ein Erstattungsanspruch gegen den Gegner<br />

ergeben kann.<br />

2. Kein Erstattungsanspruch<br />

a) Überblick<br />

Soweit sich kein Erstattungsanspruch ergibt, etwa weil beide Parteien Gerichtskosten nachzahlen<br />

müssen oder zurückerstattet erhalten, kann das Quotenvorrecht nicht greifen, da es untereinander<br />

keinen Erstattungsanspruch gibt.<br />

b) Beide Parteien müssen Gerichtskosten nachzahlen<br />

Müssen nach Abschluss des Verfahrens beide Parteien Gerichtskosten nachzahlen, dann können sich<br />

weder untereinander noch gegen die Landeskasse Erstattungsansprüche ergeben.<br />

Beispiel 6:<br />

In einem Rechtsstreit zahlt der Kläger die 3,0-Gerichtsgebühr aus dem vorläufigen Streitwert von<br />

5.000 € (438 €) voraus. Der Beklagte verteidigt sich mit zwei Hilfsaufrechnungen, über die das Gericht<br />

entscheidet. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben. Der Streitwert wird gem. § 45 Abs. 3 GKG<br />

auf 15.000 € festgesetzt.<br />

Die 3,0-Gerichtsgebühr beträgt 879,90 €. Hiervon schuldet der Kläger 439,95 €, so dass von ihm noch<br />

1,95 € nachzufordern sind. Der Beklagte schuldet weitere 439,95 €. Ein Erstattungsanspruch hinsichtlich<br />

der Gerichtskosten kommt also nicht in Betracht.<br />

c) Eine oder beide Parteien erhalten Gerichtskosten zurückgezahlt<br />

Erhält eine Partei oder erhalten beide Parteien Gerichtskosten von der Landeskasse zurückerstattet, so<br />

ergeben sich ebenfalls keine Kostenerstattungsansprüche untereinander. Es stellt sich dann aber die<br />

Frage, ob an den Rückzahlungen der Landeskasse ein Quotenvorrecht geltend gemacht werden kann.<br />

Beispiel 7:<br />

In einem Verfahren (Streitwert 5.000 €) hat der Kläger 438 € Gerichtsgebühren gezahlt. Beide Parteien<br />

haben zudem je 1.000 € Vorschuss für einen Sachverständigen eingezahlt. Hiernach schließen die<br />

Parteien einen Vergleich, bevor das Gericht den Sachverständigen beauftragt hat.<br />

Angefallen ist jetzt nur eine 1,0-Gebühr i.H.v. 146 €. Der Kläger erhält also 1.365 € nicht verbrauchte<br />

Kosten aus der Landeskasse zurückerstattet und der Beklagte 927 €. Ein Erstattungsanspruch gegen den<br />

Gegner hinsichtlich der Gerichtskosten kommt dagegen nicht in Betracht.<br />

Die Frage ist jetzt, ob der Kläger an den zurückgezahlten 1.365 € ein Quotenvorrecht geltend machen<br />

kann. Insoweit ist strittig, ob auch dieser Rückzahlungsanspruch dem Quotenvorrecht unterliegt. Die<br />

Rechtsprechung (AG Wetzlar AGS 2007, 115) und Literatur (HARBAUER/SCHNEIDER, a.a.O., § 17 ARB 2010<br />

Rn 174; KLAUS SCHNEIDER, a.a.O., Rn 479 a.E.) nehmen dies zum Teil an und machen keinen Unterschied zu<br />

den Kostenerstattungsansprüchen.<br />

1272 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>


Gebührenrecht Fach 24, Seite 1735<br />

Das Quotenvorrecht<br />

Nach zutreffender Auffassung handelt es sich hier jedoch lediglich um einen Abrechnungsanspruch, für<br />

den § 86 Abs. 1 VVG nicht gilt. Der Anspruchsübergang erfolgt hier nach § 17 Abs. 8 ARB 2010, so dass<br />

an dem Auszahlungsanspruch gegenüber der Landeskasse auch kein Quotenvorrecht geltend gemacht<br />

werden kann (AG Kempten AGS 2011, 363 = JurBüro 2011, 269 = NJW-Spezial 2011, 381 = RVGreport 2011,<br />

400; LG Heilbronn AGS 2016, 104 = NJW-Spezial 2016, 92).<br />

Diese Auffassung dürfte wohl zutreffend sein, da § 86 Abs. 1 S. 2 VVG ausdrücklich einen Schadenersatzanspruch,<br />

also einen Kostenerstattungsanspruch, voraussetzt. Bei dem Anspruch auf Rückzahlung nicht<br />

verbrauchter Gerichtskosten handelt es sich aber nicht um einen Erstattungsanspruch, sondern lediglich<br />

um ein Abrechnungsguthaben, das dem Versicherer unabhängig von § 86 VVG zusteht bzw. auf ihn<br />

übergeht, nämlich nach § 17 Abs. 8 ARB 2010. Dass nur dies richtig sein kann, zeigt sich insb. beim<br />

Beklagten.<br />

Es verhält sich hier nicht anders als bei einer überzahlten Anwaltsvergütung. Muss der Anwalt im<br />

Nachhinein einen Vorschuss teilweise zurückzahlen oder sogar einen abgerechneten Betrag, etwa weil<br />

der Streitwert im Nachhinein reduziert worden ist, greift auch kein Quotenvorrecht.<br />

Reicht der Kostenerstattungsanspruch nicht aus, um die nicht gedeckten Kosten auszugleichen, bleibt<br />

der Mandant auf diesen Kosten sitzen.<br />

Beispiel 8:<br />

Der Anwalt hatte nach Abschluss des Verfahrens nach dem gerichtlich festgesetzten Streitwert i.H.v.<br />

15.000 € seine Vergütung mit 1.380,40 € abgerechnet. Der Rechtsschutzversicherer hat diesen Betrag<br />

abzüglich 250 € Selbstbeteiligung gezahlt. Auf die Streitwertbeschwerde des Gegners wird der Streitwert<br />

auf 5.000 € herabgesetzt, so dass sich nur noch eine Vergütung i.H.v. 925,<strong>23</strong> € ergibt.<br />

Dieser Rückzahlungsanspruch steht gem. § 17 Abs. 8 ARB 2010 dem Rechtsschutzversicherer zu, nicht<br />

dem Mandanten. Ein Fall des § 86 Abs. 1 S. 2 VVG ist daher nicht gegeben.<br />

Würde man in diesen Fällen ein Quotenvorrecht bejahen, hätte es der Anwalt in der Hand, durch<br />

überhöhte Vorschussanforderungen oder Abrechnungen oder zu hohe Wertangaben bei Gericht<br />

Rückzahlungsansprüche zu provozieren, um dann das Quotenvorrecht für den Mandanten ausüben<br />

zu können.<br />

3. Erstattungsanspruch gegen den Gegner<br />

Ergibt sich dagegen hinsichtlich der Gerichtskosten ein echter Erstattungsanspruch gegen den Gegner,<br />

dann wiederum greift das Quotenvorrecht.<br />

Beispiel 9:<br />

In einem Verfahren (Streitwert 100.000 €) hat der Rechtsschutzversicherer für den Kläger die 3,0-<br />

Gerichtsgebühr i.H.v. 3.078 € eingezahlt. Er zahlt ferner die Vergütung des Anwalts abzüglich 300 €<br />

Selbstbeteiligung. Die Parteien schließen einen Vergleich, in dem die Kosten des Verfahrens gegeneinander<br />

aufgehoben werden.<br />

Der Kläger erhält jetzt von der Landeskasse 2,0 der eingezahlten Gerichtsgebühr i.H.v. 2.052 €<br />

zurückgezahlt, da aufgrund der Ermäßigung nach Nr. 1211 Nr. 3 GKG-KostVerz. diese Kosten nicht<br />

verbraucht sind. Daran kann er kein Quotenvorrecht geltend machen.<br />

Hinsichtlich der 1,0-Gebühr, die verfallen ist, steht ihm aber ein echter Kostenerstattungsanspruch<br />

gegen den Gegner zu, der folglich nach § 86 Abs. 1 S. 2 VVG dem Quotenvorrecht unterliegt.<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1273


Fach 24, Seite 1736<br />

Das Quotenvorrecht<br />

Gebührenrecht<br />

Es ergibt sich also ein Kostenerstattungsanspruch i.H.v. 1.026 € (1,0-Gerichtsgebühr), hiervon ½: 513 €.<br />

Insoweit handelt es sich um einen echten Kostenerstattungsanspruch, der wiederum dem Quotenvorrecht<br />

unterliegt. Der Mandant kann hiervon also seine nicht gedeckten Kosten – hier die<br />

Selbstbeteiligung von 300 €–einbehalten und auf seine nicht gedeckten Anwaltskosten verrechnen.<br />

Beispiel 10:<br />

In einem Verfahren (Streitwert 10.000 €) hat der Rechtsschutzversicherer für den Kläger 7<strong>23</strong> €<br />

Gerichtsgebühren gezahlt. Von den Anwaltskosten hat er eine Selbstbeteiligung i.H.v. 300 € einbehalten.<br />

Hiernach schließen die Parteien einen Vergleich und heben die Kosten gegeneinander auf.<br />

Der Kläger erhält jetzt von der Landeskasse 2,0 der eingezahlten Gerichtsgebühr i.H.v. 482 € zurückgezahlt,<br />

da aufgrund der Ermäßigung nach Nr. 1211 Nr. 3 GKG-KostVerz. diese Kosten nicht verbraucht sind.<br />

Es verbleibt bei ihm eine Gerichtsgebühr i.H.v. 241 €. Daraus ergibt sich ein Kostenerstattungsanspruch<br />

i.H.v. 241 € (1,0-Gerichtsgebühr), hiervon ½: 120,50 €.<br />

Diesen Betrag darf der Kläger behalten. In Höhe der weiteren 179,50 € kann er die Selbstbeteiligung<br />

nicht kompensieren.<br />

Noch ungünstiger wird es bei diesen Konstellationen für den Beklagten. Da dieser keine Gerichtskosten<br />

gezahlt hat, hat er in den beiden vorangegangen Fällen insoweit keinen Erstattungsanspruch, so dass er<br />

ein Quotenvorrecht gar nicht geltend machen kann.<br />

Abgesehen davon, dass es ohnehin eine Obliegenheitsverletzung darstellt, in einem Vergleich die<br />

Kostenaufhebung zu vereinbaren, ist es für den rechtsschutzversicherten Mandanten grds. günstiger,<br />

anstelle der Kostenaufhebung zu vereinbaren, dass jede Partei 50 % der Kosten zu erstatten hat. Dann<br />

besteht i.H.v. 50 % ein Kostenerstattungsanspruch, der i.d.R. ausreicht, um über das dann gegebene<br />

Quotenvorrecht seine Fehlbeträge abzudecken.<br />

VII. Fazit<br />

Ist der Anwalt im Rahmen seines Mandats damit betraut, auch die Abrechnung mit dem Rechtschutzversicherer<br />

vorzunehmen, muss er unbedingt das Quotenvorrecht berücksichtigen. Soweit es zu einer<br />

Kostenverteilung kommt, kann der Anwalt für den Mandaten in den meisten Fällen eine nach den ARB<br />

vereinbarte Selbstbeteiligung und auch nicht gedeckte Anwalts- und Parteikosten vorab im Wege der<br />

Kostenerstattung für den Mandanten realisieren. Versäumt der Anwalt dies, liegt darin eine Verletzung<br />

seiner aus dem Mandat geschuldeten Pflichten, die sogar zu Schadenersatz führen kann.<br />

1274 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>

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