ZAP-2019-23
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<strong>ZAP</strong><br />
Zeitschrift für die Anwaltspraxis<br />
<strong>23</strong> <strong>2019</strong><br />
4. Dezember<br />
31. Jahrgang<br />
ISSN 0936-7292<br />
Herausgeber: Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels, Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer • Rechtsanwalt beim<br />
BGH Prof. Dr. Ekkehart Reinelt, Karlsruhe • Rechtsanwalt Martin W. Huff, Köln • Prof. Dr. Martin Henssler, Institut für<br />
Anwaltsrecht, Universität zu Köln • Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann, Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins •<br />
Rechtsanwalt und Notar Herbert P. Schons, Duisburg • Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen • Rechtsanwalt<br />
Dr. Hubert W. van Bühren, Köln Begründet von: Rechtsanwalt Dr. Egon Schneider<br />
AUS DEM INHALT<br />
Kolumne<br />
Der holprige Kanzleialltag mit dem beA (S. 1211)<br />
Anwaltsmagazin<br />
Rentenversicherung der Syndikusanwälte (S. 1215) • Erleichterung der Stiefkindadoption<br />
geplant (S. 1217) • Ergebnisse zur Reform des Sorge‐ und Umgangsrechts (S. 1217)<br />
Aufsätze<br />
C. Börstinghaus, Mietpreisbremse und Kappungsgrenzen (S. 1225)<br />
Sartorius/Gundel, Rechtsprechungsübersicht zum Arbeitsrecht (S. 1241)<br />
N. Schneider, Das Quotenvorrecht in der Rechtsschutzversicherung (S. 1261)<br />
Eilnachrichten<br />
OLG Bremen: Eilverfahren zur Herausgabe des Segelschulschiffs Gorch Fock (S. 1222)<br />
BVerfG: Erforderliche Neuregelung des Hartz-IV-Sanktionsregimes (S. 12<strong>23</strong>)<br />
BGH: Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bei Vermögensverfall (S. 1224)<br />
In Zusammenarbeit mit der<br />
Bundesrechtsanwaltskammer
Inhaltsverzeichnis Fach Fach/Seite Heft/Seite<br />
Kolumne – – 1211–1212<br />
Anwaltsmagazin – – 1213–1218<br />
Eilnachrichten 1 175–180 1219–1224<br />
C. Börstinghaus, Mietpreisbremse und Kappungsgrenzen<br />
– Gesetzliche Grundlagen und Übersicht<br />
der Gemeinden mit Mietpreisbeschränkungen 4 1827–1842 1225–1240<br />
Sartorius/Gundel, Rechtsprechungsübersicht zum<br />
Arbeitsrecht – 1. Halbjahr <strong>2019</strong> 17 R 963–982 1241–1260<br />
N. Schneider, Das Quotenvorrecht in der Rechtsschutzversicherung<br />
24 17<strong>23</strong>–1736 1261–1274<br />
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Redaktionsbeirat<br />
Ass. jur. Dr. Helene Bubrowski, Frankfurt/M. (F 25) • RiOLG a.D. RA Detlef Burhoff, Münster/Augsburg (F 9, 21, 22, 22R) • Prof. Dr.<br />
Nikolaj Fischer, Frankfurt/M. (F 2) • RA Prof. Dr. Eckhard Flohr, Gasteig/Kirchdorf i.T. (F 6) • RA Dr. Lutz Förster, Brühl (F 12) • RA Dr.<br />
Andreas Geipel, München (F 13) • RA Dr. Peter Haas, Bochum (F 20) • VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin (F 24) • RAin Dr.<br />
Annegret L. Harz, München (F 4, 4R, 7) • RA Prof. Dr. Bernd Hirtz, Köln (F 15) • RA Martin W. Huff, Köln (F <strong>23</strong>) • RAuN Daniel Krause,<br />
Braunschweig (F 5) • RAin Dr. Kirstin Maaß, Köln (F 17, 17R) • RA a.D. Ralf Rödel, Málaga (F 19, 19R) • RA Dr. Ulrich Sartorius,<br />
Breisach a.R. (F 18) • RA Volker Simmer (F 3) • RiAG a.D. Prof. Dr. Heinz Vallender, Erftstadt (F 14) • RA Dr. Hubert W. van Bühren,<br />
Köln (F 10) • RiAG a.D. Dr. Wolfram Viefhues, Gelsenkirchen (F 11, 11R) • RA Guido Vierkötter, Neunkirchen-Seelscheid (F 16) • RA<br />
beim BGH Dr. Christian Zwade, Karlsruhe (F 8).<br />
Ständige Mitarbeiter<br />
Prof. Dr. Wilfried Alt, Frankfurt/M. • VorsRiVG a.D. Prof. Dr. Bernd Andrick, Gelsenkirchen • RiAG Prof. Dr. Ulf Börstinghaus,<br />
Gelsenkirchen • RiSG Thomas Bubeck, Freiburg • RiOLG a.D. RA Detlef Burhoff, Münster/Augsburg • VorsRiOLG Dr. Christoph Eggert,<br />
Düsseldorf • Prof. Dr. Nikolaj Fischer, Frankfurt/M. • RA Prof. Dr. Eckhard Flohr, Gasteig/Kirchdorf i.T. • VorsRiLG a.D. Uwe Gottwald,<br />
Vallendar • RA Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen, Köln • RA Dr. Peter Haas, Bochum • VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin • RA<br />
Dr. Wolfgang Hartung, Mönchengladbach • Prof. Dr. Martin Henssler, Köln • RA, Justitiar Haus u. Grund Dr. Hans Reinold Horst,<br />
Hannover/Solingen • RiAG Ralph Kossmann, Wuppertal • Notar Dr. Hans-Frieder Krauß, Hof • RAuN Dr. Wilhelm Krekeler, Dortmund<br />
• RA Günter Lange, Haltern • RA Dr. Jörg Lauer, Mannheim • PräsSG a.D. RA Dr. Klaus Louven, Geldern • RA Dietmar Mampel, Bonn •<br />
RA Prof. Dr. Volkmar Mehle, Bonn • RA Prof. Dr. Ralf Neuhaus, Dortmund • RA Kai-Jochen Neuhaus, Dortmund • RA Dr. Mark Niehuus,<br />
Mühlheim a.d.R. • RA Prof. Dr. Hermann Plagemann, Frankfurt/M. • RiOLG a.D. Heinrich Reinecke, Lehrte • RA beim BGH Prof. Dr.<br />
Ekkehart Reinelt, Karlsruhe • RA Dr. Kurt Reinking, Köln • RA Prof. Dr. Franz Salditt, Neuwied • RA Dr. Ulrich Sartorius, Breisach a.R. •<br />
PräsLG a.D. Kurt Schellhammer, Konstanz • RA Norbert Schneider, Neunkirchen • RiAG a.D. Kurt Stollenwerk, Bergisch Gladbach •<br />
RiAG a.D. Prof. Dr. Wilhelm Uhlenbruck, Köln • RiAG Prof. Dr. Heinz Vallender, Erftstadt • RA Dr. Hubert W. van Bühren, Köln.<br />
Impressum<br />
Manuskripte: Der Verlag haftet nicht für unverlangt eingesandte Manuskripte. Die Annahme zur Veröffentlichung erfolgt<br />
schriftlich. Mit der Annahme überträgt der Autor dem Verlag das ausschließliche Verlagsrecht. Eingeschlossen sind insb. die<br />
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(Formulierungs-)Hinweise, Muster und Anmerkungen lediglich Arbeitshilfen und Anregungen für die Lösung typischer Fallgestaltungen<br />
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Einrichtungen. Anzeigenverwaltung: <strong>ZAP</strong> Verlag GmbH, Rochusstr. 2–4, 531<strong>23</strong> Bonn, E-Mail: anzeigen@zap-verlag.de.<br />
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service@zap-verlag.de. Redaktion: RAin Astrid von Schweinitz (V.i.S.d.P.) – verantwortliche Redakteurin; Peggy von Schoenebeck –<br />
Redaktionsassistentin, E-Mail: redaktion@zap-verlag.de.<br />
Druck: Hans Soldan Druck GmbH, Essen. ISSN 0936-7292
<strong>ZAP</strong><br />
Kolumne<br />
Kolumne<br />
Der holprige Kanzleialltag mit dem beA<br />
Der Slogan der Bundesrechtsanwaltskammer<br />
(BRAK) für das beA „Digital.Einfach.Sicher“ klingt<br />
gut, aber im Kanzleilalltag gibt es dann doch jede<br />
Menge Hürden zu überwinden.<br />
Die Auswirkungen des beA auf meinen Kanzleialltag<br />
sind enorm: Es geht dabei nicht nur um den<br />
Zeitaufwand für Installation, Updates und Schulungen<br />
sowie die Notwendigkeit, sich auch als<br />
Einzelanwältin neben der juristischen Arbeit intensiv<br />
mit IT-Fragen beschäftigen zu müssen.<br />
Auch die umständliche Benutzeroberfläche und<br />
ein schlechter Hotline-Service des beA sind selbst<br />
bei bestehendem Interesse, das beA gleich richtig<br />
nutzen zu wollen, ein nervenaufreibender Faktor,<br />
der nicht dazu beiträgt, dass man sich schnell mit<br />
dem beA anfreunden mag.<br />
Ich nutze das beA mittlerweile nicht nur, um<br />
Gerichtspost zu empfangen, sondern auch zum<br />
Versand. Es erspart mir schließlich das umständliche<br />
Ausfertigen von Schriftsätzen und das<br />
Kopieren von teils umfangreichen Anlagen. Als<br />
ein Unsicherheitsfaktor hat sich dabei die mal<br />
mehr, mal weniger große Störanfälligkeit des beA<br />
erwiesen, so dass bei fristgebundenen Angelegenheiten<br />
durchaus haftungsträchtige Fragen<br />
auftauchen können. Also rufe ich wieder häufiger<br />
bei Gericht an, um mich zu erkundigen, ob ein<br />
Schriftsatz auch tatsächlich angekommen ist,<br />
und nutze die Fristen nicht bis zum allerletzten<br />
Tag aus, so dass im Ernstfall noch genügend Zeit<br />
bleibt, per Fax oder Briefpost zu versenden. Ich<br />
betrachte das als Rückschritt, soll doch die<br />
Digitalisierung den Kanzleialltag und den Umgang<br />
mit den Justizbehörden vereinfachen und<br />
Kosten auf beiden Seiten einsparen.<br />
Aus Telefonaten mit Mitarbeitern von Geschäftsstellen<br />
bei Gericht ist mir bekannt, dass diese gar<br />
nicht richtig auf den elektronischen Rechtsverkehr<br />
vorbereitet sind, je nach Bundesland sind sie<br />
ganz ordentlich bis gar nicht darauf eingerichtet.<br />
In der Justiz scheint es nicht nur an leistungsfähiger<br />
Hard- und Software zum Führen von<br />
eAkten zu fehlen, sondern es werden auch fast<br />
immer alle Schriftsätze mit Anlagen ausgedruckt,<br />
sortiert und oft an andere Verfahrensbeteiligte<br />
per Post weitergeleitet, und das kostet Zeit und<br />
Geld – da sind die Justizmitarbeiter nicht zu<br />
beneiden. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen,<br />
zunächst die Justiz technisch wie organisatorisch<br />
fit für den elektronischen Rechtsverkehr zu<br />
machen, ehe man die Anwaltschaft zur Nutzung<br />
des beA verpflichtet.<br />
Vollkommen unübersichtlich wird es, wenn innerhalb<br />
der Gerichte eine Kammer den ERV und das<br />
beA nutzt, aber andere Kammern am herkömmlichen<br />
Versand mit Briefpost festhalten. Diese<br />
Erfahrungen mache ich jedenfalls derzeit mit dem<br />
Arbeitsgericht München und dem Sozialgericht<br />
München. Es gibt auch die Variante, dass innerhalb<br />
einer Kammer mal via beA, mal per Briefpost<br />
versandt wird, das kommt dann offenbar auf die<br />
Art und den Umfang der Mitteilung an. Es scheint<br />
vom Zufall abhängig zu sein, ob in einem Gerichtsverfahren<br />
der ERV und das beA verwendet werden.<br />
Es wäre sehr zu begrüßen, wenn es seitens<br />
der Justiz eine einheitliche Linie gäbe, denn der<br />
Aufwand für die Kontrolle aller Posteingangsmöglichkeiten<br />
und für die Bearbeitung des Posteingangs,<br />
wie Scannen und Zuordnen zu den einzelnen<br />
Akten, wird gerade in kleinen Kanzleien mit<br />
wenig Personal so derzeit eher mehr als weniger.<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1211
Kolumne<br />
<strong>ZAP</strong><br />
Die Gerichte monieren auch, dass es nicht ausreichend<br />
ist, beim Versand über das beA den<br />
Schriftsatz und die Anlagen eindeutig zu bezeichnen<br />
und im richtigen Format zu versenden,<br />
sondern dass es überdies notwendig ist, auf dem<br />
Schriftsatz und den Anlagen exakt die gleiche<br />
Bezeichnung zu verwenden, denn eine Schwachstelle<br />
des beA ist es zurzeit offenbar, dass die<br />
Schriftstücke und Anlagen, z.B. K1 bis K5 nicht in<br />
der Reihenfolge beim Empfänger ankommen, wie<br />
sie versandt werden; so entsteht bei der Justiz ein<br />
enormer Sortieraufwand, für den die Anwaltschaft<br />
m.E. aber nicht verantwortlich ist.<br />
Weitere Unstimmigkeiten mit den Gerichten<br />
entstehen auch, wenn von mir ein Empfangsbekenntnis<br />
elektronisch angefordert wird für<br />
einen Gerichtsschriftsatz, den ich nie, weder per<br />
beA noch per Post, erhalten habe. Erst durch eine<br />
telefonische Nachfrage bei der Geschäftsstelle<br />
erfahre ich dann, dass es wohl technische Probleme<br />
gab und zugegeben wird, dass der Schriftsatz,<br />
dessen Empfang ich bestätigen soll, gar nicht<br />
korrekt versandt wurde.<br />
Neben den Problemen mit der Justiz scheint aber<br />
auch die Akzeptanz des beA innerhalb der Anwaltschaft<br />
noch nicht deutlich gewachsen zu sein. Man<br />
ist zwar, wie gesetzlich vorgeschrieben, empfangsbereit,<br />
aber eben nicht immer willig, auch schon<br />
mal aktiv Schriftsätze an Kollegen und Kolleginnen<br />
zu versenden. Ich mache die Erfahrung, dass die<br />
Reaktionszeiten auf Schriftsätze oft länger sind,<br />
wenn ich das beA verwende. Bei telefonischer<br />
Nachfrage reagieren die Kollegen und Kolleginnen<br />
oft abwehrend und bitten ausdrücklich um die<br />
Verwendung der vertrauten Kommunikationsmittel<br />
wie Fax oder unverschlüsselte E-Mail.<br />
Fazit: Es bleibt noch ein langer Weg bis zur<br />
problemlosen alltäglichen Nutzung des ERV und<br />
des beA, denn es fehlt häufig noch sowohl an den<br />
organisatorisch-technischen Voraussetzungen als<br />
auch an der Bereitschaft aller Beteiligten, das beA<br />
als Teil der Digitalisierung der Anwaltstätigkeit als<br />
etwas Selbstverständliches zu begreifen.<br />
Rechtsanwältin und Fachanwältin für<br />
Arbeitsrecht PETRA GEIßINGER, Aßling/Oberbayern<br />
1212 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
<strong>ZAP</strong><br />
Anwaltsmagazin<br />
Anwaltsmagazin<br />
Experten skeptisch gegenüber<br />
Anti-Share-Deals-Gesetz<br />
Die Bundesregierung möchte Umgehungen bei der<br />
Erhebung der Grunderwerbsteuer eindämmen und<br />
hat deshalb ein Gesetzesvorhaben auf den Weg<br />
gebracht, mit dem entsprechende Gestaltungen<br />
erschwert werden (vgl. dazu <strong>ZAP</strong>-Anwaltsmagazin<br />
20/<strong>2019</strong>, S. 1046). Zu diesem Vorhaben fand Mitte<br />
Oktober eine Expertenanhörung im Finanzausschuss<br />
des Deutschen Bundestags statt.<br />
Dort bezweifelten allerdings einige Experten, dass<br />
die Anzahl zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer<br />
vorgenommener Share Deals mit dem von<br />
der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines<br />
Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes<br />
(BT-Drucks 19/13437) in Zukunft<br />
reduziert werden könne. Dem Gesetzentwurf, so<br />
die Kritiker, fehle eine zielgenaue Ausrichtung,<br />
so dass mit erheblichen „Kollateralschäden“ für<br />
sämtliche Branchen zu rechnen sei.<br />
Laut Gesetzentwurf wird Grunderwerbsteuer<br />
immer dann fällig, wenn das Eigentum an einem<br />
Grundstück übergeht. Um Grunderwerbsteuer zu<br />
vermeiden, werde häufig ein Unternehmen gegründet,<br />
dessen einziger Vermögensgegenstand<br />
ein Grundstück sei. Wenn statt des Grundstücks<br />
tatsächlich Anteile an dieser Gesellschaft erworben<br />
würden, bleibe die Gesellschaft rechtlich<br />
Eigentümerin des Grundstücks. Ein Eigentumswechsel<br />
finde nicht statt. Nach der bisherigen<br />
Steuerregelung wird bei einem Erwerb von<br />
weniger als 95 % der Anteile einer solchen<br />
Gesellschaft innerhalb von fünf Jahren keine<br />
Grunderwerbsteuer fällig. Es werde davon ausgegangen,<br />
dass das Gestaltungsmodell Share<br />
Deals in der gegenwärtigen Rechtslage bei hochpreisigen<br />
Transaktionen zu durchaus nennenswerten<br />
Steuermindereinnahmen führen dürfte,<br />
heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs.<br />
Die Neuregelung sieht nun vor, dass die Beteiligungsschwelle,<br />
ab der ein Grundstückserwerb<br />
angenommen wird, auf 90 % abgesenkt wird.<br />
Außerdem soll die Frist verlängert werden, innerhalb<br />
derer die Anteilskäufe der neuen Eigentümer<br />
berücksichtigt werden. Sie soll in Zukunft statt fünf<br />
zehn Jahre betragen. Der als Sachverständiger<br />
geladene niedersächsische Finanzminister REINHOLD<br />
HILBERS (CDU) erklärte dazu, wer eine Gestaltung<br />
auf 94,9 % hinbekomme, bekomme auch 89,9 %<br />
hin. Der Gesetzentwurf erreiche die Ziele nicht,<br />
warnte HILBERS, der sich für ein „schlüssiges, effektives<br />
und systematisches Gesamtkonzept“ aussprach.<br />
Die Spitzenverbände der Deutschen Wirtschaft<br />
kritisierten, dass in Zukunft Unternehmen erfasst<br />
würden, die Immobilien für die operativen Geschäfte<br />
des Unternehmens benötigen würden,<br />
z.B. Produktionshallen und Bürogebäude. Bei<br />
diesen würden zukünftig wirtschaftlich sinnvolle<br />
Umstrukturierungen unter Beteiligung von grundbesitzenden<br />
Gesellschaften behindert. Ebenfalls<br />
wären Immobilien als Kapitalanlage, beispielsweise<br />
für Altersvorsorgeprodukte, davon betroffen,<br />
obgleich derartige Investitionen ebenfalls<br />
nicht aus Steuerspargründen getätigt würden.<br />
Kritik kam auch aus der Wissenschaft, wenn auch<br />
aus unterschiedlichen Gründen. So erläuterte Prof.<br />
HENNING TAPPE von der Universität Trier, dass die<br />
Absenkung der maßgeblichen Beteiligungsschwelle<br />
von 95 auf 90 % mit Blick auf die Verhinderung von<br />
solchen Gestaltungen ein Schritt in die richtige<br />
Richtung sei. Share Deals würden jetzt aber nicht<br />
unattraktiver, sicher verhindert würden sie auf<br />
diese Weise nicht. Die Absenkung der Grenze sei<br />
nicht ausreichend. TAPPE brachte eine Absenkung<br />
der Grenze auf 75 % ins Spiel. Es werde zwar das<br />
Scheunentor geschlossen, „aber die Flügeltür bleibt<br />
offen“. Auf Fragen von Abgeordneten erklärte er, es<br />
sei schwer zu rechtfertigen, dass private Erwerber<br />
bis zu 6,5 % Steuern entrichten müssten, große<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1213
Anwaltsmagazin<br />
<strong>ZAP</strong><br />
Unternehmen, die ganze Straßenzüge kaufen würden,<br />
aber nicht. Für eine Absenkung auf 75 %<br />
plädierte auch Prof. RAINER WERNSMANN (Universität<br />
Passau). Die Absenkung der Beteiligungsschwelle<br />
auf 90 % in Kombination mit der Verlängerung der<br />
Haltefrist auf zehn Jahre erscheine „unzureichend zur<br />
Verhinderung von Steuerumgehungen“.<br />
Prof. ULRICH HUFELD (Helmut-Schmidt-Universität<br />
Hamburg) sagte, Umgehungsgestaltungen würden<br />
zwar unattraktiver, doch würden sie bis zur Grenze<br />
von 89,9 % attraktiv bleiben. Eine weitere Senkung<br />
der Grenze sah er kritisch. Die Zehnjahresfrist<br />
bezeichnete er als möglicherweise verfassungswidrig.<br />
Nach Ansicht des Instituts Finanzen und<br />
Steuern kann bei großen Immobilientransaktionen<br />
gestalterisch die Grunderwerbsteuer umgangen<br />
werden, während andererseits jedoch zahlreiche<br />
Share Deals besteuert würden, bei denen eine<br />
grunderwerbsteuerbezogene Umgehungsabsicht<br />
fern liege. „Der vorliegende Gesetzentwurf verschärft<br />
diese Situation“, so der Vertreter des Instituts. Prof.<br />
HERIBERT ANZINGER von der Universität Ulm erwartet<br />
sogar, dass mit dem Gesetzentwurf neue Steuergestaltungen<br />
z.B. über Stiftungen abgesichert<br />
werden könnten. Die von der Regierung geplanten<br />
Maßnahmen erscheinen ihm wenig geeignet, um<br />
das Ziel des Gesetzentwurfs zu erreichen.<br />
Unter Berufung auf Praxis und Wissenschaft stellte<br />
der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), die<br />
Spitzenorganisation der Immobilienwirtschaft in<br />
Deutschland, fest, dass die Regelungen „untauglich<br />
und weitgehend nicht erfüllbar“ seien. Es würden<br />
Konzernumstrukturierungen erschwert, und bei<br />
Unternehmen sowie bei der Finanzverwaltung<br />
werde es einen immensen Verwaltungsmehraufwand<br />
geben. „Die drohende zusätzliche grunderwerbsteuerliche<br />
Belastung, die sich beispielsweise auch im<br />
Rahmen der Projektentwicklung auswirkt, würde ferner<br />
kontraproduktiv bei dem Bemühen wirken, mehr Wohnraum<br />
zu schaffen und die Kosten der Nutzer zu senken.<br />
Denn die das Grundstück doppelt belastende Grunderwerbsteuer<br />
wird am Ende vom Erwerber zu tragen sein,<br />
der sie an den Nutzer weiter belastet“, stellte der ZIA in<br />
seiner Stellungnahme fest. [Quelle: Bundestag]<br />
Anwaltsverbände kritisieren geplante<br />
Änderungen im Inkassorecht<br />
Die Bundesregierung plant, die aus ihrer Sicht zu<br />
hohen Inkassokosten zu senken sowie die Ausnutzung<br />
mangelnder Rechtskenntnisse der Schuldner<br />
zu unterbinden. Dazu soll eine Reihe von gesetzgeberischen<br />
Maßnahmen ergriffen werden, die<br />
auch Rechtsanwälte zentral betreffen (s. bereits<br />
<strong>ZAP</strong>-Anwaltsmagazin 19/<strong>2019</strong>, S. 991 ff.). Vorgesehen<br />
ist u.a., die nach dem RVG zu berechnenden<br />
Gebühren für die außergerichtliche Inkassotätigkeit<br />
drastisch – nämlich um nahezu 50 % – zu<br />
senken, und zwar auch im Mandatsverhältnis<br />
zwischen Rechtsanwalt und Gläubiger. Gleichzeitig<br />
sollen neue und sehr weitgehende Aufklärungsund<br />
Hinweispflichten eingeführt werden, die einen<br />
erheblichen zusätzlichen Aufwand für die Rechtsanwälte<br />
darstellen dürften.<br />
Zu diesem Gesetzentwurf haben jetzt die Bundesrechtsanwaltskammer<br />
(BRAK) und der Deutsche<br />
Anwaltverein (DAV) ihre offiziellen Stellungnahmen<br />
abgegeben, in denen sie teils scharfe Kritik an<br />
den geplanten Neuregelungen üben. So erkennt<br />
etwa die BRAK an, dass es i.R.d. Berechnung von<br />
Inkassokosten in der Vergangenheit zu Missbrauchsfällen<br />
gekommen ist. Diese würden jedoch,<br />
soweit sie bekannt werden und Rechtsanwälte<br />
betreffen, auf der Grundlage der bestehenden<br />
Gesetze bereits umfassend zivil- und strafrechtlich<br />
sanktioniert. Auch das im Gesetzentwurf aufgeführte<br />
Argument, die Gerichte müssten vor<br />
Verfahren, in denen es um die Überprüfung von<br />
Inkassokosten geht, bewahrt werden, könne nicht<br />
als Rechtfertigung dafür dienen, die für Inkassotätigkeiten<br />
abrechenbare Vergütung drastisch und<br />
generell zu reduzieren – und das in Zeiten, in denen<br />
durch steigende Personal- und Raumkosten die<br />
Kostenbelastung der Rechtsanwälte permanent<br />
steige und die letzte Anpassung der anwaltlichen<br />
Gebühren mehr als sechs Jahre zurückliege.<br />
Kritisiert wird von der BRAK insb., dass der Gesetzentwurf<br />
nicht zwischen Inkassoleistungen durch<br />
Rechtsanwälte einerseits und durch Inkassounternehmen<br />
andererseits differenziere. Der „redliche“<br />
Rechtsanwalt, der in einer überschaubaren<br />
Anzahl Forderungseinzug betreibe und jede Forderung<br />
separat einer Prüfung unterziehe, werde<br />
abgestraft, obwohl es vornehmlich die Inkassounternehmen<br />
seien, bei denen die vom Gesetzgeber<br />
ausgeführten Missstände auftreten. Es fehle darüber<br />
hinaus an belastbarem Zahlenmaterial, das die<br />
vermeintlich unangemessene Abrechnungspraxis<br />
bei anwaltlichem Inkasso belege.<br />
Die geplanten erweiterten Aufklärungspflichten<br />
für Rechtsanwälte werden besonders vom DAV<br />
heftig kritisiert. Es sei verfehlt, dass nicht der<br />
Gläubiger zur Aufklärung des Verbrauchers ver-<br />
1214 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
<strong>ZAP</strong><br />
Anwaltsmagazin<br />
pflichtet werden soll, sondern dessen Anwalt. Der<br />
Anwalt des Gläubigers, der den Interessen seines<br />
Mandanten verpflichtet sei, werde auf diese Weise<br />
zum „Diener zweier Herren“. Dies schwäche zum<br />
einen das Vertrauensverhältnis zwischen dem<br />
Anwalt und seinem Mandanten (dem Gläubiger).<br />
Zum anderen stelle dies einen staatlichen Eingriff<br />
in das Mandatsverhältnis dar, ohne dass ersichtlich<br />
sei, weshalb ein solcher Eingriff gerechtfertigt<br />
sein soll. Bereits der jetzige § 43d BRAO sei der<br />
Anfang einer Fehlentwicklung gewesen. Erstmalig<br />
seien Anwälten Beratungspflichten gegenüber der<br />
Gegenpartei auferlegt worden, obwohl dies dem<br />
Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen<br />
evident widerspreche. Jetzt solle der Katalog der<br />
Informationspflichten des § 43d BRAO noch<br />
erheblich erweitert werden. Dies ergebe das Bild<br />
einer schleichenden Aushöhlung eines der „Eckpfeiler<br />
einer freien Advokatur“, indem Anwälte nach<br />
und nach nicht mehr den Interessen ihrer eigenen<br />
Mandanten, sondern dem Schutz der Gegenpartei<br />
verpflichtet würden. [Quellen: BRAK/DAV]<br />
Rentenversicherung der<br />
Syndikusanwälte<br />
Zum Thema rückwirkende Befreiung von der<br />
gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gibt es<br />
auch fast vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes<br />
zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte<br />
immer noch Streit zwischen betroffenen<br />
Syndikusrechtsanwälten und der Deutschen Rentenversicherung<br />
Bund (DRV). Diese hat bislang<br />
rückwirkende Befreiungen von der Versicherungspflicht<br />
für Syndikusrechtsanwälte, die in den<br />
entsprechenden Zeiten vor dem 1.4.2014 Pflichtmitglied<br />
in Kammer und Versorgungswerk waren<br />
und Mindest-/Pflichtbeiträge gezahlt haben, abgelehnt.<br />
Weiterhin ist zwischen DRV und vielen<br />
Syndikusrechtsanwälten streitig, ob – so die Auffassung<br />
der DRV – auch Syndikusrechtsanwälte,<br />
die bereits vor dem 1.1.2016 auf Befreiung von der<br />
Rentenversicherungspflicht geklagt hatten, nach<br />
Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung einen<br />
neuerlichen Antrag auf rückwirkende Befreiung<br />
stellen mussten, um eine rückwirkende Befreiung<br />
erwirken zu können. Besonders nachteilig ist diese<br />
Situation für Kollegen, die nicht mindestens 60<br />
Monate in die gesetzliche Rentenversicherung<br />
eingezahlt haben, deren Beiträge also mangels<br />
Erreichen der Mindestwartezeit verfallen würden.<br />
Im Bundestag ist deshalb angefragt worden, ob die<br />
Bundesregierung hier für eine gesetzliche Klarstellung<br />
sorgen wolle. Aus der Antwort der<br />
Bundesregierung geht jedoch hervor, dass sie<br />
keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf hinsichtlich<br />
der Situation der betroffenen Syndikusanwälte<br />
sieht (vgl. BT-Drucks 19/13808). Mit<br />
den sozialversicherungsrechtlichen Regelungen<br />
i.R.d. Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der<br />
Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung<br />
seien im Interesse der Betroffenen<br />
sehr großzügige Regelungen getroffen worden, mit<br />
denen umfassend Vertrauensschutz gewährt<br />
worden sei und Rückabwicklungen zulasten der<br />
Betroffenen vermieden werden konnten, schreibt<br />
die Bundesregierung. Die ausnahmsweise über den<br />
Stichtag hinausreichende rückwirkende Befreiungsregelung<br />
des § <strong>23</strong>1 Abs. 4b S. 4 SGB VI verfolge<br />
das Ziel, nachträglich eine ausschließlich in der<br />
berufsständischen Versorgung durchgeführte Versicherung<br />
zu legalisieren, obwohl keine gültige<br />
Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für<br />
die seinerzeit ausgeübte Beschäftigung vorgelegen<br />
habe und demzufolge eigentlich eine Versicherung<br />
in der gesetzlichen Rentenversicherung hätte erfolgen<br />
müssen.<br />
[Quelle: Bundestag]<br />
Klage gegen beA-Verschlüsselung<br />
abgewiesen<br />
Der Berliner Anwaltsgerichtshof (AGH Berlin) hat<br />
Mitte November die Klage von sieben im gesamten<br />
Bundesgebiet ansässigen Rechtsanwälten gegen<br />
die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zurückgewiesen.<br />
Nach Auffassung der Kläger gewährleistet<br />
die derzeit für das besondere elektronische<br />
Anwaltspostfach (beA) verwendete Verschlüsselungstechnik<br />
keine Sicherheit vor digitalen Angriffen,<br />
weil sie wegen des eingesetzten Hardware<br />
Security Modul (HSM) eine durchgehende Verschlüsselung<br />
des Übertragungswegs verhindert<br />
und so eine „Sollbruchstelle“ aufweise. Deswegen<br />
verstößt ihrer Auffassung nach die Sicherheitsarchitektur<br />
des beA gegen die gesetzlichen Vorgaben<br />
zur technischen Ausgestaltung, wodurch<br />
ungerechtfertigt in ihr Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit<br />
eingegriffen werde (s. dazu auch<br />
<strong>ZAP</strong>-Anwaltsmagazin 13/2018, S. 649).<br />
Das AGH Berlin sah dies im Ergebnis jedoch anders<br />
(Urt. v. 14.11.<strong>2019</strong> – I AGH 6/18; Gründe noch nicht<br />
veröff.). Nach Auffassung der Richter haben die<br />
Kläger keinen gegen die BRAK gerichteten Anspruch<br />
darauf, dass das beA in einer bestimmten<br />
Weise konzipiert oder betrieben werden muss. Das<br />
Erfordernis einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1215
Anwaltsmagazin<br />
<strong>ZAP</strong><br />
ergebe sich weder unmittelbar noch mittelbar aus<br />
dem Berufsrecht (BRAO bzw. RAVPV) oder dem<br />
Prozessrecht; auch eine Grundrechtsverletzung<br />
liege nicht vor. Im „Rechtssinne sicher“ sei nicht nur<br />
das technisch sicherste Verfahren, so die Anwaltsrichter.<br />
Allerdings wurde wegen der grundsätzlichen<br />
Bedeutung der Sache die Berufung zum BGH<br />
zugelassen.<br />
Die Richter stützten sich bei ihrer Bewertung<br />
stark auf das von der Fa. Secunet erarbeitete<br />
Gutachten zur Sicherheit des beA, das die BRAK<br />
nach den verschiedenen Sicherheitspannen selbst<br />
in Auftrag gegeben hatte (s. zuletzt <strong>ZAP</strong>-Anwaltsmagazin<br />
17/2018, S. 864). Auf der Basis<br />
dieses Gutachtens ging der Senat davon aus,<br />
dass inzwischen sämtliche der dort erkannten<br />
sicherheitsrelevanten Schwachstellen beseitigt<br />
sind. Der Ansicht der BRAK, dass das beA deshalb<br />
jetzt im Rechtssinne sicher sei, seien die klagenden<br />
Anwälte auch nicht substanziiert entgegengetreten,<br />
so der Senat. Ein eigenes Gutachten<br />
habe er deshalb nicht mehr in Auftrag gegeben.<br />
Damit steht bis zu einer eventuellen abweichenden<br />
Berufungsentscheidung fest, dass das beA<br />
vorläufig weiter ohne durchgehende Verschlüsselung<br />
betrieben werden kann. Nach Auffassung<br />
erster Kommentatoren haben die Berufsrichter in<br />
Berlin damit einen „Zustand relativer Gefahrenfreiheit“<br />
für ausreichend erklärt.<br />
[Red.]<br />
Entfristung der<br />
Rehabilitierungsgesetze<br />
Opfer des DDR-Regimes sollen weiterhin unterstützt<br />
werden. Im Oktober hat der Bundestag<br />
deshalb ein von der Bundesregierung vorgelegtes<br />
Gesetz beschlossen, mit dem die rehabilitierungsrechtlichen<br />
Vorschriften für die Opfer des ehemaligen<br />
DDR-Regimes weiter verbessert werden.<br />
Diese Erleichterungen betreffen insb. ehemalige<br />
Heimkinder.<br />
Auch beinahe drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung<br />
und dem Ende des DDR-Regimes<br />
führen Betroffene noch Rehabilitierungsverfahren.<br />
Nach derzeitiger Rechtslage können Anträge<br />
auf strafrechtliche, verwaltungsrechtliche oder<br />
berufliche Rehabilitierung aber nur noch bis zum<br />
31.12.<strong>2019</strong> gestellt werden. Damit Betroffene auch<br />
in Zukunft weiterhin entsprechende Anträge<br />
stellen können, sollen die jeweiligen Rehabilitierungsgesetze<br />
jetzt entfristet werden.<br />
Mit dem Gesetz wird auch die Rehabilitierung von<br />
Heimkindern verbessert. Zu diesem Zweck werden<br />
die Regelungen zur Sachverhaltsermittlung<br />
hinsichtlich der seinerzeitigen Heimunterbringung<br />
erleichtert. Außerdem bekommen DDR-<br />
Heimkinder unter bestimmten Voraussetzungen<br />
künftig einen zusätzlichen Anspruch auf Unterstützungsleistungen.<br />
Dieser soll explizit denjenigen<br />
zugutekommen, die als Kinder oder Jugendliche<br />
in ein Heim gekommen sind, weil ihre Eltern<br />
politisch verfolgt und inhaftiert wurden, die selbst<br />
aber nicht rehabilitiert wurden.<br />
[Quelle: Bundestag]<br />
Besserer Persönlichkeitsschutz bei<br />
Bildaufnahmen beschlossen<br />
Mitte November hat die Bundesregierung beschlossen,<br />
dass bestimmte bloßstellende Fotoaufnahmen<br />
künftig der Strafbarkeit unterfallen<br />
sollen. Damit wird eine Strafbarkeitslücke für den<br />
Fall geschlossen, dass Fotos oder Videos von<br />
Todesopfern bei Unfällen gemacht oder verbreitet<br />
werden. Auch das unbefugte Fotografieren<br />
unter den Rock oder in den Ausschnitt wird<br />
künftig unter Strafe gestellt und damit nicht nur<br />
einer zivilprozessualen Verfolgung der betroffenen<br />
Person überlassen bleiben.<br />
Damit werden insb. Schaulustige in den Blick<br />
genommen, die bei Unfällen oder Unglücksfällen<br />
Fotos oder Videos von den Unfallopfern machen<br />
und verbreiten. Bisher waren lediglich lebende<br />
Personen vor solchen Aufnahmen geschützt.<br />
Zukünftig soll es auch strafbar sein, wenn Gaffer<br />
Fotos und Videos verstorbener Personen machen<br />
und beispielsweise über soziale Netzwerke verbreiten.<br />
Der zweite Teil des Gesetzgebungsvorhabens<br />
betrifft die Verletzung der Intimsphäre durch<br />
das sog. Upskirting oder Downblousing. Dabei<br />
geht es um unbefugte und meistens heimliche<br />
Bildaufnahmen, die den Blick unter das Kleid oder<br />
in den Ausschnitt einer anderen Person zeigen.<br />
Oft entstehen solche Fotos oder Videos im<br />
öffentlichen Raum, beispielsweise auf einer Rolltreppe,<br />
und werden anschließend in Chatgruppen<br />
geteilt oder sogar verkauft. Bislang sind solche<br />
1216 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
<strong>ZAP</strong><br />
Anwaltsmagazin<br />
Aufnahmen lediglich verboten, wenn diese in<br />
einer Wohnung oder etwa einer Umkleidekabine<br />
gemacht werden.<br />
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass das Herstellen<br />
solcher Aufnahmen strafbar ist. Auch das Nutzen<br />
und Verbreiten solcher Bildaufnahmen gegenüber<br />
Dritten, z.B. in den sozialen Netzwerken, soll<br />
sanktioniert werden. Der vorgesehene Strafrahmen<br />
reicht von Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe<br />
von zwei Jahren.<br />
[Quelle: Bundesregierung]<br />
Erleichterung der Stiefkindadoption<br />
geplant<br />
Mit zwei Gesetzentwürfen will die Bundesregierung<br />
die Möglichkeit von Adoptionen und die<br />
Begleitung der daran beteiligten Familien verbessern.<br />
Anfang November wurden im Bundeskabinett<br />
deshalb ein im Bundesministerium für Justiz<br />
und Verbraucherschutz (BMJV) erarbeiteter Gesetzentwurf<br />
zur Stiefkindadoption und ein weiterer<br />
Entwurf aus dem Bundesfamilienministerium<br />
zu einem Adoptionshilfe-Gesetz beschlossen.<br />
Der Gesetzentwurf zur Stiefkindadoption in<br />
nichtehelichen Familien ist eine Reaktion auf<br />
die Entscheidung des BVerfG v. 26.3.<strong>2019</strong> (vgl. <strong>ZAP</strong><br />
EN-Nr. 304/<strong>2019</strong>). Das Bundesverfassungsgericht<br />
hatte im Ausschluss der Stiefkindadoption in<br />
nichtehelichen Familien einen Verstoß gegen das<br />
allgemeine Gleichbehandlungsgebot gesehen und<br />
diesen deshalb für verfassungswidrig erklärt.<br />
Zugleich hat es den Gesetzgeber verpflichtet, bis<br />
zum 31.3.2020 eine verfassungsmäßige Neuregelung<br />
zu treffen.<br />
Die jetzt beschlossenen Neuregelungen eröffnen<br />
Personen in verfestigter Lebensgemeinschaft,<br />
die in einem gemeinsamen Haushalt leben, die<br />
Möglichkeit der Adoption eines Kindes ihres<br />
Partners. Eine verfestigte Lebensgemeinschaft<br />
liegt nach dem Gesetzesentwurf i.d.R. vor, wenn<br />
die Betroffenen eheähnlich bereits vier Jahre<br />
zusammengelebt haben oder eheähnlich mit<br />
einem gemeinsamen Kind zusammenleben.<br />
Mit dem weiteren Entwurf zu einem Adoptionshilfe-Gesetz<br />
sollen sowohl die betroffenen Familien<br />
als auch die Adoptionsvermittlung besser<br />
unterstützt werden. Das Gesetz sieht dazu folgende<br />
vier Eckpunkte vor:<br />
• Rechtsanspruch auf Beratung aller Beteiligten<br />
Ein Rechtsanspruch auf eine Begleitung auch<br />
nach der Adoption soll eine gute Beratung und<br />
Unterstützung aller an einer Adoption durch die<br />
Adoptionsvermittlungsstellen Beteiligten sichern.<br />
Zugleich wird eine verpflichtende Beratung vor<br />
einer Stiefkindadoption eingeführt. Sie soll sicherstellen,<br />
dass die Adoption tatsächlich das Beste<br />
für das Kind ist.<br />
• Förderung eines offenen Umgangs mit der<br />
Adoption<br />
Die Adoptiveltern werden unterstützt, ihr Kind<br />
altersgerecht über die Tatsache ihrer Adoption<br />
aufzuklären. Die Herkunftseltern bekommen gegenüber<br />
der Adoptionsvermittlungsstelle einen<br />
Anspruch auf allgemeine Informationen über das<br />
Kind, welche von der Adoptivfamilie freiwillig zur<br />
Verfügung gestellt wurden. Dabei soll der Schutz<br />
von Informationen, deren Weitergabe nicht gewünscht<br />
ist, weiterhin gesichert bleiben.<br />
• Stärkung der Adoptionsvermittlungsstellen<br />
Die Adoptionsvermittlungsstellen erhalten einen<br />
konkreten Aufgabenkatalog. Zugleich werden sie<br />
mit anderen Stellen, etwa der Schwangerschaftsund<br />
der Erziehungsberatung, besser vernetzt.<br />
• Verbot unbegleiteter Auslandsadoptionen<br />
Auslandsadoptionen ohne Begleitung einer Vermittlungsstelle<br />
werden untersagt. Für mehr<br />
Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wird ein<br />
verpflichtendes Anerkennungsverfahren für ausländische<br />
Adoptionsbeschlüsse eingeführt.<br />
[Quelle: BMJV]<br />
Ergebnisse zur Reform des Sorgeund<br />
Umgangsrechts<br />
Die Experten der Arbeitsgruppe „Sorge- und Umgangsrecht,<br />
insbesondere bei gemeinsamer Betreuung<br />
nach Trennung und Scheidung“ haben im<br />
Oktober ihre Thesen zu einer Reform des Sorgeund<br />
Umgangsrechts vorgelegt. Die Arbeitsgruppe<br />
war im April 2018 im Bundesministerium der Justiz<br />
und für Verbraucherschutz (BMJV) eingesetzt<br />
worden, um den Reformbedarf im Sorge- und<br />
Umgangsrecht, auch im Hinblick auf Fälle des<br />
Wechselmodells, umfassend zu erörtern. Ziel ist<br />
eine Reform, die auch moderne Betreuungsmodelle<br />
besser als bisher abbildet, einvernehmliche Lösun-<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1217
Anwaltsmagazin<br />
<strong>ZAP</strong><br />
gen erleichtert sowie die elterliche Verantwortung<br />
unter Berücksichtigung von Kindeswohl und Kindeswillen<br />
stärkt.<br />
Die Arbeitsgruppe war mit acht im Bereich des<br />
Familienrechts tätigen Sachverständigen aus<br />
Rechtswissenschaft, Justiz und Anwaltschaft besetzt.<br />
Sie sah aufgrund der geänderten Lebenswirklichkeiten<br />
vieler Familien und der gesellschaftlichen<br />
Entwicklungen mehrheitlich Bedarf<br />
für eine grundlegende Reform im Bereich des<br />
Kindschaftsrechts. Zu ihren Vorschlägen zählen:<br />
• Die elterliche Sorge soll den rechtlichen Eltern<br />
eines Kindes von Anfang an gemeinsam zustehen.<br />
• Die elterliche Sorge soll nicht mehr entzogen<br />
werden können. Elternkonflikte sollen durch<br />
Regelung der Ausübung der elterlichen Sorge<br />
entschieden werden. Dies gilt insb. auch für die<br />
Betreuung des Kindes.<br />
• Ein Umgangsrecht soll es nur noch für Dritte<br />
geben.<br />
• Es soll kein gesetzliches Leitbild für ein bestimmtes<br />
Betreuungsmodell eingeführt werden.<br />
Vielmehr sollen alle Betreuungsformen bis<br />
hin zum Wechselmodell im Rahmen einer am<br />
Kindeswohl orientierten Einzelfallentscheidung<br />
angeordnet werden können.<br />
• Einer Sonderregelung für das Wechselmodell<br />
bedarf es deshalb nicht.<br />
• Das Wechselmodell kann, wenn es dem Kindeswohl<br />
am besten entspricht, wie jede andere<br />
Betreuungsform folglich auch gegen den Willen<br />
eines Elternteils angeordnet werden.<br />
• Der Kindeswillen soll künftig stärker berücksichtigt<br />
werden.<br />
• Die elterliche Verantwortung soll gestärkt<br />
und einvernehmliche Lösungen sollen erleichtert<br />
werden.<br />
Das BMJV wird diese Vorschläge nun prüfen und<br />
mit Blick auf eine gesetzliche Neuregelung auswerten.<br />
[Quelle: BMJV]<br />
EuGH stellt Dokumente online<br />
Der Gerichtshof der Europäischen Union macht<br />
ab sofort Verfahrensdokumente und rechtswissenschaftliche<br />
Dokumente auf seiner Website<br />
frei zugänglich. Sie stammen aus der Datenbank<br />
des Justiziellen Netzwerks der Europäischen<br />
Union (JNEU), das nicht nur dem Datenaustausch<br />
der Gerichte untereinander dient, sondern auch<br />
eine bessere gegenseitige Kenntnis der Rechtsordnungen<br />
und Rechtssysteme der Mitgliedstaaten<br />
insb. im Hinblick auf die Rechtsvergleichung<br />
fördern soll.<br />
Der jetzt neu zugängliche Bereich der EuGH-<br />
Website ermöglicht einen direkten Zugang zu<br />
Vorabentscheidungsverfahren und Vorlageentscheidungen<br />
in der Verfahrenssprache und allen<br />
sonstigen verfügbaren Sprachen. Außerdem können<br />
Entscheidungen nationaler Gerichte (auf Englisch<br />
und Französisch) abgerufen werden, die von<br />
den Verfassungsgerichten und obersten Gerichten<br />
der Mitgliedstaaten aufgrund ihrer Relevanz<br />
für das Unionsrecht ausgewählt wurden. Schließlich<br />
können auch verschiedene Dokumente wissenschaftlicher<br />
oder pädagogischer Art abgerufen<br />
werden, die von den am JNEU beteiligten Gerichten<br />
erstellt wurden, wie z.B. wissenschaftliche<br />
Vorarbeiten und Dokumentationen, thematische<br />
Übersichten über die Rechtsprechung zum Unionsrecht<br />
oder Dokumente, die eine Übersicht über<br />
die Rechtsentwicklung geben.<br />
Der Zugang zum Justiznetzwerk in der deutscher<br />
Fassung steht unter https://curia.europa.eu/jcms/<br />
jcms/p1_2170125/de/ bereit. [Quelle: EuGH]<br />
Wussten Sie schon, dass … ?<br />
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[Red.]<br />
1218 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Eilnachrichten <strong>2019</strong> Fach 1, Seite 175<br />
Eilnachrichten<br />
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Allgemeines Zivilrecht<br />
AGB-Formulare: Handschriftliche Eintragungen<br />
(OLG Celle, Urt. v. 2.10.<strong>2019</strong> – 14 U 94/19) • Handschriftliche Zusätze (hier: Prozentsätze für Einbehalte), die<br />
in vorformulierte Vertragsmuster eingetragen werden, ändern jedenfalls dann nichts an der Einordnung<br />
der davon betroffenen Klausel als AGB, wenn sie auf den Vertragsinhalt und die gegenseitigen Pflichten<br />
keinen wesentlichen Einfluss haben. Hinweis: Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 11.7. <strong>2019</strong> – VII ZR 266/17.<br />
<strong>ZAP</strong> EN-Nr. 681/<strong>2019</strong><br />
Miete/Nutzungen<br />
Mietminderung: Versorgung einer Wohnung mit Radio- und Fernsehanschluss<br />
(AG Dortmund, Urt. v. 8.10.<strong>2019</strong> – 425 C 5770/19) • Hat der Vermieter im Mietvertrag die Versorgung der<br />
Wohnung mit „Hör- und Sehfunk“ übernommen, stellt die Einstellung der Versorgung und der Verweis<br />
auf die Möglichkeit, individuelle Versorgungsverträge mit einem Kabelversorger abzuschließen, einen<br />
Mangel der Wohnung dar. Die Miete mindert sich in diesem Fall um 10 %. Hinweis: Der Vermieter war<br />
der Auffassung, dass es durch die technische Entwicklung und den technischen Wandel dem Mieter<br />
zumutbar sei, selbst für die Fernsehversorgung zu sorgen, zumal der Mietvertrag aus einer Zeit vor dem<br />
Mauerfall stamme. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 682/<strong>2019</strong><br />
Bauvertragsrecht<br />
Mehrkosten bei Bohrlochhavarie: Torflinse bei unbekannter Bodenbeschaffenheit<br />
(OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.8.<strong>2019</strong> – 13 U 249/17) • Kosten für Mehrarbeiten nach § 2 Nr. 5 VOB/B<br />
infolge des Auftretens einer sog. Torflinse können nicht verlangt werden, wenn allgemein bekannt<br />
ist, dass sich Torf im Boden des Baugebiets befindet und schon der Name des Gebiets auf das<br />
Vorhandensein von Torf hindeutet (hier: Hessisches Ried). Hinweis: Das Gericht hat es für unerheblich<br />
gehalten, dass in dem Gebiet „Hessisches Ried“ nicht bloß eine Bodenart vorherrschend ist.<br />
<strong>ZAP</strong> EN-Nr. 683/<strong>2019</strong><br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1219
Fach 1, Seite 176 Eilnachrichten <strong>2019</strong><br />
Sonstiges Vertragsrecht<br />
Ausgleichsansprüche wegen Flugverspätung: Beauftragung eines Rechtsanwalts<br />
(AG Eilenburg, Urt. v. 16.10.<strong>2019</strong> – 11 C 516/19) • Es kann weder als erforderlich noch als zweckmäßig<br />
angesehen werden, wenn ein Inkassounternehmen, dessen primäre geschäftliche Betätigung darin<br />
besteht, abgetretene Ausgleichsansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung zu verfolgen,<br />
einen Rechtsanwalt damit beauftragt, diese außergerichtlich gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen<br />
geltend zu machen. Hinweis: Eine überzeugende Begründung dieser wenig anwaltsfreundlichen<br />
Entscheidung wird nicht gegeben. Stattdessen wird es als absurd bezeichnet, dass das<br />
Unternehmen anwaltlicher Hilfe bedürfe. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 684/<strong>2019</strong><br />
Immobiliarsachenrecht/WEG-Recht<br />
Nachbargrundstück: Ordnungsgemäße Bewirtschaftung<br />
(BGH, Urt. v. 20.9.<strong>2019</strong> – V ZR 218/18) • Der Eigentümer eines Grundstücks ist hinsichtlich der von einem<br />
darauf befindlichen Baum (hier: Birken) ausgehenden natürlichen Immissionen auf benachbarte Grundstücke<br />
Störer i.S.d. § 1004 Abs. 1 BGB, wenn er sein Grundstück nicht ordnungsgemäß bewirtschaftet.<br />
Hieran fehlt es in aller Regel, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen<br />
eingehalten sind. Ein Anspruch auf Beseitigung des Baums lässt sich in diesem Fall regelmäßig<br />
auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis herleiten, § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Hinweis:<br />
Abgrenzung zu Senat, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 8/17, ZfIR 2018, 190. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 685/<strong>2019</strong><br />
Bank- und Kreditwesen<br />
Verbraucherkreditvertrag: Verwirkung eines Widerrufsrechts<br />
(AG Dortmund, Urt. v. 2.7.<strong>2019</strong> – 425 C 2560/19) • Die Ausübung des Widerrufsrechts hinsichtlich eines<br />
Verbraucherkreditvertrags kann verwirkt sein. Das erforderliche Zeitmoment ist bei einem Widerruf<br />
5 Jahre und 11 Monate nach Abschluss des Vertrags gegeben. Bei einer vorzeitigen Tilgung des Kredits<br />
bereits 9 Monate nach Vertragsschluss liegt auch das erforderliche Umstandsmoment vor. Hinweis:<br />
Auch ein „ewiges“ Widerrufsrecht kann verwirkt werden. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 686/<strong>2019</strong><br />
Straßenverkehrsrecht<br />
Auffahrunfall: Starkes Abbremsen des Vorausfahrenden<br />
(LG Saarbrücken, Urt. v. 4.10.<strong>2019</strong> – 13 S 69/19) • Der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des<br />
Auffahrenden wird nicht allein dadurch erschüttert, dass der Vorausfahrende entgegen § 4 Abs. 1 S. 2<br />
StVO ohne zwingenden Grund stark bremst. Hinweis: Nach § 4 Abs. 1 S. 1 StVO muss der Abstand zu<br />
einem vorausfahrenden Fahrzeug i.d.R. so groß sein, dass auch dann hinter ihm angehalten werden<br />
kann, wenn es plötzlich gebremst wird. Wer im Straßenverkehr auf den Vorausfahrenden auffährt, war<br />
i.d.R. unaufmerksam oder zu dicht hinter ihm. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 687/<strong>2019</strong><br />
Versicherungsrecht<br />
Transportfunktion eines Kraftfahrzeugs: Selbstentzündung eines abgestellten Kfz<br />
(OLG Dresden, Urt. v. 3.9.<strong>2019</strong> – 6 U 609/19) • Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG setzt voraus, dass die<br />
Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des schadensauslösenden<br />
Ereignisses noch gegeben ist oder zumindest noch nachwirkt. Daran fehlt es, wenn ein Kraftfahrzeug,<br />
das sich zur Reparatur in einer Werkstatt befindet, durch Selbstentzündung einer Betriebseinrichtung<br />
(hier aufgrund eines Kurzschlusses) einen Brandschaden verursacht, sofern dabei nicht eine durch einen<br />
1220 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Eilnachrichten <strong>2019</strong> Fach 1, Seite 177<br />
vorherigen Betriebsvorgang entstandene Gefahrenlage fort- bzw. nachwirkt. Hinweis: Abgrenzung zu<br />
BGH, Urt. v. 26.3.<strong>2019</strong> – V ZR <strong>23</strong>6/18. In diesem Fall hatte der Gebäudeversicherer der Kraftfahrzeugwerkstatt<br />
gegen den Haftpflichtversicherer des Lkw geklagt. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 688/<strong>2019</strong><br />
Falschangaben in einem Versicherungsantrag: Generalvertreter der Versicherung<br />
(OLG Dresden, Beschl. v. 22.7.<strong>2019</strong> – 4 U 1096/19) • Wer als Generalvertreter einer Versicherung in<br />
kollusivem Zusammenwirken mit seinem Vorgesetzten durch unwahre Angaben im Antragsformular den<br />
Abschluss eines nicht versicherbaren Risikos (hier: Abschluss einer Gebäudeversicherung für ein Bordell)<br />
ermöglicht, kann gegenüber dem Mittäter keine Schadenersatzansprüche geltend machen, wenn die<br />
Versicherung wegen dieses Verhaltens das Anstellungsverhältnis beendet. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 689/<strong>2019</strong><br />
Familienrecht<br />
Verfahren nach dem FamFG: Erledigung der Hauptsache<br />
(BGH, Beschl. v. 7.8.<strong>2019</strong> – XII ZB 29/19) • In Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in<br />
Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit tritt eine Erledigung der<br />
Hauptsache dann ein, wenn nach Einleitung des Verfahrens der Verfahrensgegenstand durch ein<br />
Ereignis, welches eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, weggefallen ist, so dass die<br />
Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, weil eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen<br />
kann. Für eine Antragstellung nach § 62 Abs. 1 FamFG reicht es aus, wenn sich aus dem gesamten<br />
Vorbringen des Betroffenen konkludent das Begehren ergibt, die Rechtmäßigkeit der getroffenen<br />
Maßnahme überprüfen zu lassen. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 690/<strong>2019</strong><br />
Löschung von Reallasten: Unterhaltssache<br />
(OLG Dresden, Beschl. v. 2.9.<strong>2019</strong> – 8 U 843/19) • Bei der Klage eines Vaters gegen seine Kinder auf<br />
Zustimmung zur Löschung von im Grundbuch eingetragenen Reallasten, die den Grundstückseigentümer<br />
zur Zahlung des jeweiligen Mindestunterhaltsbetrags verpflichten, handelt es sich um<br />
eine Unterhaltssache i.S.d. § <strong>23</strong>1 Abs. 1 Nr. 1 FamFG. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 691/<strong>2019</strong><br />
Nachlass/Erbrecht<br />
Erbscheinsantrag: Bindung des Nachlassgerichts<br />
(OLG München, Beschl. v. 10.7.<strong>2019</strong> – 31 Wx 242/19) • Der Grundsatz der (strengen) Bindung des<br />
Nachlassgerichts an den gestellten Erbscheinsantrag führt zur Aufhebung einer Entscheidung, in der das<br />
Nachlassgericht die Tatsachen für die Erteilung eines Erbscheins als festgestellt erachtet, der die Erbteile<br />
ausweist, der Antrag hingegen auf die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins gerichtet ist. Die Erteilung<br />
eines quotenlosen Erbscheins setzt voraus, dass alle in Betracht kommenden Miterben auf die<br />
Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten. Da ein Erbschaftsverkauf die Erbenstellung des<br />
Veräußerers unberührt lässt, ist auch dessen Verzichtserklärung für die erstrebte Erteilung erforderlich.<br />
<strong>ZAP</strong> EN-Nr. 692/<strong>2019</strong><br />
Zivilprozessrecht<br />
Anerkenntnis: Erklärung nach Beginn der mündlichen Revisionsverhandlung<br />
(BGH, Urt. v. 14.8.<strong>2019</strong> – IV ZR 279/17) • Die Regelung des § 555 Abs. 3 ZPO ist nicht auf Fälle beschränkt,<br />
in denen das Anerkenntnis erst nach Beginn der mündlichen Revisionsverhandlung erklärt worden ist.<br />
Besteht der Kläger nach Anerkenntnis der beklagten Partei im Revisionsverfahren auf einer streitigen<br />
Entscheidung, unterliegt der Vortrag der beklagten Partei, sie habe die Klageforderung nach Erlass des<br />
Berufungsurteils erfüllt, gem. § 559 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts. Das gilt<br />
auch dann, wenn die Erfüllung unstreitig ist. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 693/<strong>2019</strong><br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1221
Fach 1, Seite 178 Eilnachrichten <strong>2019</strong><br />
Schiedsgerichtsverfahren: Zurückverweisung<br />
(BGH, Beschl. v. 18.7.<strong>2019</strong> – I ZB 90/18) • Eine Zurückverweisung an das Schiedsgericht in direkter oder<br />
analoger Anwendung von § 1059 Abs. 4 ZPO kommt nicht in Betracht, wenn sie nur von einer Partei<br />
beantragt worden ist und der Aufhebungsgrund einer augenfälligen, gravierenden Verletzung des<br />
rechtlichen Gehörs einer Partei vorliegt. Hinweis: Fortführung von BGH, Beschl. v. 7.6.2018 –IZB 70/17,<br />
SchiedsVZ 2018, 318 Rn 24. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 694/<strong>2019</strong><br />
Zwangsvollstreckung/Insolvenz<br />
Eilverfahren: Herausgabe des Segelschulschiffs Gorch Fock<br />
(OLG Bremen, Beschl. v. 2.10.<strong>2019</strong> – 1 W <strong>23</strong>/19) • Der Erlass einer auf Herausgabe gerichteten einstweiligen<br />
Verfügung kommt nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller<br />
die Sache so dringend benötigt, dass allein ihre Sicherstellung oder Sequestrierung zur Gewährleistung<br />
effektiven Rechtsschutzes nicht ausreicht. Dies kann z.B. der Fall sein, weil er auf die Sache zur Abwendung<br />
einer unmittelbar gegenwärtigen Existenzgefährdung, zur Behebung einer anders nicht zu bewältigenden,<br />
existenziellen Notlage, zur Vermeidung eines die Existenz gefährdenden, unverhältnismäßigen Schadens<br />
oder zur Abwendung eines endgültigen, irreparablen Rechtsverlusts dringend angewiesen ist. Im<br />
Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass die Geltendmachung<br />
eines Zurückbehaltungsrecht nicht nur der Sicherung des Anspruchs, sondern auch dazu dient, auf den<br />
Schuldner Druck auszuüben, dass dieser seine Verbindlichkeit erfüllt. Hinweis: Die Antragstellerin war<br />
Alleineigentümerin des im Dienst der Bundeswehr stehenden Segelschulschiffs Gorch Fock. Dass die<br />
Antragstellerin derzeit Eigentümerin des Schiffsrumpfs ist, hat die Antragsgegnerin, eine Reparaturwerft,<br />
in Zweifel gezogen. Der Beschwerdewert wurde auf 10.000.000 € festgesetzt. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 695/<strong>2019</strong><br />
Handelsrecht/Gesellschaftsrecht<br />
Haftung eines Frachtführers: Beschädigung des Tranportguts<br />
(BGH, Urt. v. 19.9.<strong>2019</strong> – I ZR 64/18) • Ein Verspätungsschaden i.S.d. Art. <strong>23</strong> Abs. 5 CMR, der mit einem<br />
außerdem entstehenden Güterschaden i.S.v. Art. <strong>23</strong> Abs. 1 CMR zusammentrifft, ohne dass zwischen<br />
beiden Schäden ein kausaler Zusammenhang besteht, ist kumulativ neben dem Anspruch auf Schadenersatz<br />
wegen der Beschädigung oder des Verlusts des Transportguts ersatzfähig. Der Schuldner einer<br />
Forderung, hinsichtlich deren Gesamtgläubigerschaft gem. § 428 BGB besteht, kann grds. auch mit einer<br />
Gegenforderung aufrechnen, die ihm nur gegenüber einem oder einzelnen der Gesamtgläubiger zusteht.<br />
An der dabei erforderlichen Gleichartigkeit der Forderung der Gesamtgläubiger und der ihr gegenüberstehenden<br />
Forderung des Schuldners gegen einen der Gesamtgläubiger fehlt es allerdings, wenn der<br />
Gläubiger, gegen den sich die Gegenforderung des Schuldners richtet, Leistung entweder an sich selbst<br />
oder an einen Dritten verlangen kann und er das ihm insoweit zustehende Wahlrecht gem. § 263 Abs. 1<br />
BGB noch nicht ausgeübt hat. Im Anwendungsbereich der CMR besteht, soweit nach Art. 13 Abs. 1 S. 2<br />
CMR für die in Art. 17 CMR bestimmten Ansprüche wegen Verlust, Beschädigung und Überschreitung der<br />
Lieferfrist neben dem Absender auch der Empfänger anspruchsberechtigt ist, in deren Verhältnis zum<br />
Frachtführer eine Gesamtgläubigerschaft, wobei der Absender dabei Leistung wahlweise an sich selbst<br />
oder an den Empfänger verlangen kann. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 696/<strong>2019</strong><br />
Wirtschafts-/Urheber-/Medien-/Marken-/Wettbewerbsrecht<br />
Werbeblocker III: Unterdrückung werbefinanzierter Internetangebote<br />
(BGH, Urt. v. 8.10.<strong>2019</strong> – KZR 73/17) • Die Wettbewerbskräfte, denen sich ein auf einem zweiseitigen Markt<br />
tätiges Unternehmen zu stellen hat, das eine Dienstleistung gegenüber einer Marktseite unentgeltlich<br />
1222 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Eilnachrichten <strong>2019</strong> Fach 1, Seite 179<br />
erbringt und von der anderen Marktseite Entgelte verlangt, können i.d.R. nicht ohne Betrachtung<br />
beider Marktseiten und deren wechselseitiger Beeinflussung zutreffend erfasst werden. Der Anbieter<br />
einer Internetnutzern unentgeltlich zur Verfügung gestellten Software, die es ermöglicht, beim Abruf<br />
werbefinanzierter Internetangebote die Anzeige von Werbung zu unterdrücken, und der den Betreibern<br />
dieser Internetseiten gegen Entgelt die Freischaltung der blockierten Werbung durch Aufnahme in eine<br />
Weiße Liste anbietet, ist auf dem Markt der Eröffnung des Zugangs zu Nutzern, die seinen Werbeblocker<br />
installiert haben, marktbeherrschend, wenn die Betreiber dieser Internetseiten keine andere wirtschaftlich<br />
sinnvolle Zugangsmöglichkeit zu diesen Nutzern haben. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 697/<strong>2019</strong><br />
Arbeitsrecht<br />
Anspruch auf Urlaubsgewährung: Gekündigtes Arbeitsverhältnis<br />
(LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 12.9.<strong>2019</strong> – 5 SaGa 6/19) • Ein Arbeitnehmer kann im<br />
gekündigten Arbeitsverhältnis, dessen Fortbestand aufgrund einer Kündigungsschutzklage im Streit ist,<br />
im Wege einer einstweiligen Verfügung regelmäßig keine Urlaubsgewährung für einen Zeitraum nach<br />
Ablauf der Kündigungsfrist durchsetzen. Hinweis: Ein Urlaubsanspruch kann nur erfüllt werden, wenn<br />
im fraglichen Zeitraum eine Arbeitspflicht besteht. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 698/<strong>2019</strong><br />
Sozialrecht<br />
Hartz-IV: Erforderliche Neuregelung des Sanktionsregimes<br />
(BVerfG, Urt. v. 5.11.<strong>2019</strong> – 1 BvL 7/16) • Die zentralen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die<br />
Ausgestaltung staatlicher Grundsicherungsleistungen ergeben sich aus der grundrechtlichen Gewährleistung<br />
eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG). Gesichert<br />
werden muss einheitlich die physische und soziokulturelle Existenz. Die den Anspruch fundierende<br />
Menschenwürde steht allen zu und geht selbst durch vermeintlich „unwürdiges“ Verhalten nicht verloren.<br />
Das Grundgesetz verwehrt es dem Gesetzgeber aber nicht, die Inanspruchnahme existenzsichernder<br />
Leistungen an den Nachranggrundsatz zu binden, also nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn Menschen<br />
ihre Existenz nicht vorrangig selbst sichern können, sondern wirkliche Bedürftigkeit vorliegt. Der<br />
Gesetzgeber kann erwerbsfähigen Menschen, die nicht in der Lage sind, ihre Existenz selbst zu sichern und<br />
die deshalb staatliche Leistungen in Anspruch nehmen, abverlangen, selbst zumutbar an der Vermeidung<br />
oder Überwindung der eigenen Bedürftigkeit aktiv mitzuwirken. Er darf sich auch dafür entscheiden,<br />
insoweit verhältnismäßige Pflichten mit wiederum verhältnismäßigen Sanktionen durchzusetzen. Wird<br />
eine Mitwirkungspflicht zur Überwindung der eigenen Bedürftigkeit ohne wichtigen Grund nicht erfüllt<br />
und sanktioniert der Gesetzgeber das durch den vorübergehenden Entzug existenzsichernder Leistungen,<br />
schafft er eine außerordentliche Belastung. Dies unterliegt strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit;<br />
der sonst weite Einschätzungsspielraum zur Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit von<br />
Regelungen zur Ausgestaltung des Sozialstaats ist hier beschränkt. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 699/<strong>2019</strong><br />
Verfassungsrecht/Verwaltungsrecht<br />
Speicherung personenbezogener Daten: Arbeitsdatei Szenekundige Beamte<br />
(OVG Lüneburg, Urt. v. 18.10.<strong>2019</strong> – 11 LC 148/15) • Die Übersendung einer Verfahrensbeschreibung für<br />
eine Datei, in der personenbezogene Daten zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben verarbeitet werden,<br />
an den Landesbeauftragten für den Datenschutz ist formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die<br />
Speicherung personenbezogener Daten. Hinweis: Die Arbeitsdatei Szenekundige Beamte bezieht sich<br />
auf (Delikts-)Daten von Fußball-Hooligans. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 700/<strong>2019</strong><br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 12<strong>23</strong>
Fach 1, Seite 180 Eilnachrichten <strong>2019</strong><br />
Strafsachen/Ordnungswidrigkeiten<br />
Rücktritt: Wirksamkeitsvoraussetzungen<br />
(BGH, Beschl. v. 5.6.<strong>2019</strong> – 1 StR 34/19) • Ein wirksamer Rücktritt vom Versuch der räuberischen<br />
Erpressung mit Todesfolge (§§ 251, 255, 22 StGB) durch Verhinderung der Todesfolge gem. § 24 Abs. 1 S. 1<br />
Altern. 2 StGB setzt nicht voraus, dass der Täter auch vom Versuch der schweren räuberischen<br />
Erpressung (§§ 250, 255 StGB) zurücktritt. Dies gilt selbst dann, wenn der Täter für den Fall, dass seine<br />
Forderungen nicht erfüllt werden, damit droht, erneut ein Mittel einzusetzen, das geeignet ist, den Tod<br />
anderer Menschen herbeizuführen. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 701/<strong>2019</strong><br />
Bußgeldverfahren: Anwalt des Vertrauens<br />
(KG, Beschl. v. 8.10.<strong>2019</strong> – 3 Ws (B) 282/19) • Das Recht eines Betroffenen, sich nach §§ 137 Abs. 1 S. 1<br />
StPO, 46 Abs. 1 OWiG in jeder Lage des Verfahrens des Beistands eines Verteidigers zu bedienen, umfasst<br />
vor dem Hintergrund des darin zum Ausdruck kommenden Rechts auf ein faires Verfahren auch die<br />
Befugnis, sich im Ordnungswidrigkeitenverfahren von einem gewählten Anwalt seines Vertrauens<br />
verteidigen zu lassen. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 702/<strong>2019</strong><br />
Strafverfahren/Strafvollstreckung/Strafvollzug<br />
Beschwerde: Zulässigkeit<br />
(LG Köln, Beschl. v. 11.10.<strong>2019</strong> – 3<strong>23</strong> Qs 106/19) • Die Ausnahmevorschrift des § 305 S. 1 StPO greift<br />
jedenfalls dann nicht ein, wenn ein Rechtsmittel gegen das (künftige) Urteil nicht eröffnet ist oder die<br />
betroffene Entscheidung im Rahmen eines zulässigen Rechtsmittels nicht überprüft werden kann.<br />
Im Bußgeldverfahren kann der Betroffene wegen der zu garantierenden „Parität des Wissens“ bzw.<br />
der „Waffengleichheit“ verlangen, Einsicht in sämtliche existenten, zur Überprüfung der Messung<br />
erforderlichen Messunterlagen zu nehmen, und zwar auch, soweit sich diese nicht in den Gerichtsakten,<br />
sondern in den Händen der Verwaltungsbehörde befinden. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 703/<strong>2019</strong><br />
Anwaltsrecht/Anwaltsbüro<br />
Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft: Vermögensverfall<br />
(BGH, Beschl. v. 27.8.<strong>2019</strong> – AnwZ (Brfg) 35/19) • In Vermögensverfall befindet sich, wer in ungeordnete,<br />
schlechte finanzielle Verhältnisse, die er auf absehbare Zeit nicht ordnen kann, geraten ist und<br />
außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. Senatsbeschluss vom 28.1.<strong>2019</strong> – AnwZ<br />
(Brfg) 72/18, juris Rn 4). Der Vermögensverfall wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2 BRAO vermutet, wenn<br />
ein Insolvenzverfahren eröffnet ist. Hinweis: Vermögensverfall endet erst, wenn ein vom Insolvenzgericht<br />
bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308<br />
InsO) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den<br />
Gläubigern befreit wird. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 704/<strong>2019</strong><br />
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1224 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1827<br />
Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />
Wohnraummiete<br />
Mietpreisbremse und Kappungsgrenzen – Gesetzliche Grundlagen und<br />
Übersicht der Gemeinden mit Mietpreisbeschränkungen<br />
Von Dipl.-Kauffrau CATHRIN BÖRSTINGHAUS, Mainz<br />
Inhalt<br />
I. Einführung<br />
1. Kappungsgrenze<br />
2. Beschränkung der Wiedervermietungsmiete<br />
II. Gesetzliche Grundlagen<br />
1. Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />
(„Mietpreisbremse“) gem. § 556d Abs. 2 BGB<br />
2. Von 20 % auf 15 % abgesenkte Kappungsgrenze<br />
gem. § 558 Abs. 3 BGB<br />
III. Liste der Gemeinden mit Mietpreisbeschränkungen<br />
I. Einführung<br />
Die heutigen Regelungen über Bestandsmietenerhöhungen in §§ 557– 561 BGB sind das vorläufige<br />
Endergebnis einer langen Reihe von gesetzlichen Regelungen zum Mietpreisrecht (BÖRSTINGHAUS WuM<br />
2018, 610; HERRLEIN NZM 2016, 1; NJW 2017, 711). Die Geschichte des Miethöherechts in den letzten gut<br />
einhundert Jahren ähnelt in weiten Phasen der Quadratur des Kreises. Teilweise wird vom „Hüh und Hott<br />
im Mieterschutz“ gesprochen (HERRLEIN NJW 2017, 711, 715). Entstanden ist ein „Flickenteppich“ (BEUERMANN,<br />
Miete, § 1 Rn 9) von Regelungen, bei dem die große Linie schon lange verloren gegangen ist.<br />
1. Kappungsgrenze<br />
Fast 12 Jahre kannte das Miethöherecht für den preisfreien Wohnungsbau keine Kappungsgrenze. Erst ab<br />
dem 1. Januar 1983 hat der Gesetzgeber diese weitere Grenze für die Mieterhöhung eingeführt. Dies<br />
geschah in unmittelbarem Zusammenhang mit der damals zugleich erfolgten Neufassung des Begriffs der<br />
ortsüblichen Vergleichsmiete. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die ortsübliche Vergleichsmiete aus allen<br />
Mieten in der Gemeinde gebildet. Von diesem Zeitpunkt an bildeten nur noch die in den letzten drei Jahren<br />
neu vereinbarten oder geänderten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete. Damit fiel die Mehrzahl der<br />
niedrigeren älteren Bestandsmieten aus dem Vergleichsmietenbegriff heraus, was grds. einen Anstieg<br />
der Vergleichsmiete zur Folge haben sollte. Die Kappungsgrenze betrug damals 30 %. Durch das<br />
4. Mietrechtsänderungsgesetz ist die Kappungsgrenze 1993 zeitlich befristet für fünf Jahre gesplittet worden.<br />
Sie betrug für einen Teil des Wohnungsbestands nur noch 20 %, im Übrigen aber weiter 30 %. Vom<br />
1.9.2001 bis zum 31.3.2013 betrug die Kappungsgrenze dann einheitlich für alle Wohnungen 20 %. Seit dem<br />
1.5.2013 gilt dieser Prozentsatz als Obergrenze. Den Bundesländern wurde aber von diesem Zeitpunkt an<br />
gestattet, durch Rechtsverordnung für Gemeinden oder Teile von Gemeinden, in denen die ausreichende<br />
Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet<br />
ist, die Kappungsgrenze für fünf Jahre auf 15 % herabzusetzen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen,<br />
müssen die Zivilgerichte überprüfen (BGH GE 2016, 113 = DWW 2016, 15 = NZM 2016, 82 = NJW 2016, 476 =<br />
MDR 2016, 205 = WuM 2016, 144 mit Anm. BÖRSTINGHAUS jurisPR-BGHZivilR 2/2016, Anm. 3; DERS. LMK 2016,<br />
376055; BLANK WuM 2016, 161). Bisher hat aber wohl kein Zivilgericht eine Landesverordnung zur Senkung<br />
der Kappungsgrenze für unwirksam erklärt.<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1225
Fach 4, Seite 1828<br />
Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />
Miete/Nutzungen<br />
2. Beschränkung der Wiedervermietungsmiete<br />
Während bis zum Jahr 2015 alle Regelungen zur Miethöhe nur Bestandsmietverhältnisse betrafen, hat<br />
der Gesetzgeber durch das „Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten<br />
und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung – Mietrechtsnovellierungsgesetz“<br />
vom 21.4.2015 die Vorschriften der §§ 556d-556g ins BGB eingeführt. Hierdurch wurden<br />
erstmals Regelungen in das BGB eingefügt, die die Höhe der zulässigen Miete bei Neuabschluss eines<br />
Wohnraummietvertrags beschränken. In der Vergangenheit wurden diese Mieten nur unter den<br />
Voraussetzungen des § 5 WiStG i.V.m. § 134 BGB begrenzt. Aufgrund der Rechtsprechung des BGH zu § 5<br />
WiStG hatte diese Vorschrift völlig an Bedeutung verloren. Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung auf<br />
Mietsteigerungen bei Neuvermietung in bestimmten Regionen reagieren. Er hat mit dem Gesetz<br />
ausdrücklich sozialpolitische Zwecke verfolgt. Die Begrenzung sollte dazu beitragen „der direkten und<br />
indirekten Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen entgegenzuwirken“ (BT-<br />
Drucks 18/3121, S. 15). Die Begrenzung gilt nicht bei Neubauten und bei der ersten Vermietung nach<br />
umfassender Modernisierung, § 556f BGB. Von der Grundregel des § 556d Abs. 1 BGB, wonach die Miete<br />
bei der Neuvermietung maximal 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf, gibt es gem.<br />
§ 556e BGB zwei Ausnahmen, nämlich bei höherer Vormiete (§ 556e Abs. 1 BGB) und bei in den letzten<br />
drei Jahren durchgeführten Modernisierungsarbeiten (§ 556e Abs. 2 BGB).<br />
Voraussetzung für die Geltung der Beschränkung ist ein angespannter Wohnungsmarkt. Ein solcher<br />
liegt vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde<br />
oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Dies kann insb.<br />
dann der Fall sein, wenn<br />
• die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,<br />
• die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,<br />
• die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum<br />
geschaffen wird, oder<br />
• geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.<br />
Die Zivilgerichte müssen das Vorliegen dieser materiellen Voraussetzungen selbstständig überprüfen<br />
(BVerfG DWW <strong>2019</strong>, 247 = BVerfGE <strong>2019</strong>, 1097 = WuM <strong>2019</strong>, 510 = NZM <strong>2019</strong>, 676). Bisher hat noch kein<br />
Zivilgericht hier eine Prüfung oder sogar Verwerfung der Verordnung vorgenommen.<br />
Soweit Verordnungen von Zivilgerichten für unwirksam erklärt wurden, beruhte dies immer auf einem<br />
formellen Mangel. Die Gemeinde muss in eine entsprechende Landesverordnung aufgenommen sein.<br />
Diese Verordnung muss begründet werden. Aus der Begründung muss sich ergeben, aufgrund welcher<br />
Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt. Die der jeweiligen<br />
Landesregierung obliegende gesetzliche Verpflichtung, den Erlass einer Rechtsverordnung, die Gebiete mit<br />
angespannten Wohnungsmärken bestimmt, zu begründen, verfolgt in Anbetracht der mit der Gebietsbestimmung<br />
verbundenen Beschränkung der grundrechtlich geschützten Eigentumsfreiheit den Zweck, die<br />
Verhältnismäßigkeit der Gebietsausweisung zu gewährleisten. Mittels der Verordnungsbegründung soll die<br />
Entscheidung der jeweiligen Landesregierung insb. im Hinblick darauf nachvollziehbar gemacht werden,<br />
aufgrund welcher Tatsachen sie die von ihr ausgewiesenen Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten<br />
bestimmt hat und welche Begleitmaßnahmen sie plant, um die Anspannung der Wohnungsmärkte zu<br />
beseitigen (BGH GE <strong>2019</strong>, 1029 = MDR <strong>2019</strong>, 1051 = NZM <strong>2019</strong>, 584 = NJW <strong>2019</strong>, 2844 mit Anm. BEUERMANN<br />
GE <strong>2019</strong>, 1004; BÖRSTINGHAUS LMK <strong>2019</strong>, 419557; MONSCHAU MietRB <strong>2019</strong>, 257; BÖRSTINGHAUS NJW <strong>2019</strong>, 2848;<br />
BÖRSTINGHAUS jurisPR-BGHZivilR 19/<strong>2019</strong>, Anm. 1; DRASDO NJW-Spezial <strong>2019</strong>, 610). Mehr als die Hälfte der<br />
13 Landesverordnungen sind von Zivilgerichten wegen Mängeln bei der Begründung oder deren Veröffentlichung<br />
für unwirksam erklärt worden. Eine im maßgeblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens der<br />
Rechtsverordnung lediglich im Entwurfsstadium verbliebene Begründung wird weder dem Wortlaut des<br />
§ 556b Abs. 2 S. 5 bis 7 BGB noch dem Sinn und Zweck des Begründungserfordernisses gerecht. Der<br />
Zielrichtung des Begründungserfordernisses genügt es ebenfalls nicht, wenn der Verordnungsgeber die<br />
dem Begründungsgebot innewohnende Verpflichtung, die Verordnungsbegründung in zumutbarer Weise<br />
1226 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1829<br />
Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />
an allgemein zugänglicher Stelle amtlich bekannt zu machen, erst nach dem Inkrafttreten der Rechtsverordnung<br />
erfüllt. Offen gelassen hat der BGH lediglich, ob der Verordnungstext – etwa in Form einer<br />
Bezugnahme – zumindest deutlich machen muss, dass es eine entsprechende Begründung der Landesregierung<br />
gibt und wo diese zu finden ist. Möglich sei neben der Veröffentlichung im Gesetz- und<br />
Verordnungsblatt auch die Veröffentlichung an anderer amtlicher Stelle, wenn gewährleistet ist, dass die<br />
Verordnungsbegründung leicht zugänglich ist. Der 67. ZK des LG Berlin (Urt. v. 10.10.<strong>2019</strong> – 67 S 80/19)<br />
genügt jedoch auch die Veröffentlichung auf einer privaten Seite. Ein Begründungsmangel kann durch<br />
die nachträgliche Veröffentlichung der Verordnungsbegründung nicht rückwirkend geheilt werden (BGH<br />
GE <strong>2019</strong>, 1029 = MDR <strong>2019</strong>, 1051 = NZM <strong>2019</strong>, 584 = NJW <strong>2019</strong>, 2844). Ob dies für die Zukunft ab<br />
Veröffentlichung Auswirkungen hat, ist abschließend noch nicht geklärt, weshalb für Mietverträge, die nach<br />
dem „Heilungsversuch“ der jeweiligen Landesregierung abgeschlossen wurden, noch keine Rechtssicherheit<br />
besteht. Deshalb wurden diese maßgeblichen Daten in die Fußnoten aufgenommen.<br />
Nachfolgend soll die inzwischen kaum noch überschaubare Rechtslage dargestellt und es sollen alle<br />
Gemeinden aufgeführt werden, in denen entweder die Wiedervermietungsmiete beschränkt und/oder<br />
die Kappungsgrenze auf 15 % abgesenkt ist.<br />
II.<br />
Gesetzliche Grundlagen<br />
1. Begrenzung der Wiedervermietungsmiete („Mietpreisbremse“) gem. § 556d Abs. 2 BGB<br />
Bundesland Verordnung Fundstelle vom<br />
Baden-Württemberg Verordnung der Landesregierung zur Bestimmung GVBl. 2015, 852 29.9.2015<br />
der Gebiete mit Begrenzung der zulässigen Miethöhe<br />
bei Mietbeginn (Mietpreisbegrenzungsverordnung<br />
Baden-Württemberg – MietBgVO BW)<br />
Bayern<br />
Verordnung zur Festlegung des Anwendungsbereichs<br />
GVBl. <strong>2019</strong>, 458 16.7.<strong>2019</strong><br />
bundesrechtlicher Mieterschutzvorschrif-<br />
ten (Mieterschutzverordnung – MiSchuV)<br />
Berlin<br />
Gesetzliche Grundlage: Verordnung zur zulässigen GVBl. 2015, 101 28.4.2015<br />
Miethöhe bei Mietbeginn gem. § 556d Abs. 2 BGB<br />
(Mietenbegrenzungsverordnung)<br />
Brandenburg<br />
Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit GVBl. II <strong>2019</strong>, 28.3.<strong>2019</strong><br />
Mietpreisbegrenzung (Mietpreisbegrenzungsverordnung<br />
– MietbegrenzV)<br />
Nr. 25<br />
Bremen<br />
Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit Brem.GBl 2015, 17.11.2015<br />
Mietpreisbegrenzung (Mietpreisbegrenzungsverordnung<br />
– MietbegrenzV)<br />
512<br />
Hamburg<br />
Verordnung über die Einführung einer Mietpreisbegrenzung<br />
HmbGVBl. 2018, 10.7.2018<br />
nach § 556d des Bürgerlichen Gesetz-<br />
buchs (Mietpreisbegrenzungsverordnung)<br />
257<br />
Hessen<br />
Hessische Verordnung zur Bestimmung der Gebiete<br />
mit angespannten Wohnungsmärkten i.S.d. § 556d<br />
Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs<br />
(Hessische Mietenbegrenzungsverordnung)<br />
GVBl. <strong>2019</strong>, 78 27.6.<strong>2019</strong><br />
Mecklenburg-<br />
Landesverordnung zur Bestimmung von Gebieten<br />
Vorpommern<br />
nach § 556d und § 558 des Bürgerlichen Gesetzbuches<br />
(Mietpreisbegrenzungs- und Kappungsgrenzenlandesverordnung<br />
– MietBgKaLVO M-V)<br />
Niedersachsen<br />
Verordnung zur Festlegung des Anwendungsbereichs<br />
bundesrechtlicher Mieterschutzvorschriften<br />
(Niedersächsische Mieterschutzverordnung)<br />
NRW<br />
Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit<br />
Mietpreisbegrenzung (Mietpreisbegrenzungsverordnung<br />
– MietbegrenzVO NRW)<br />
GVOBl. M-V 13.9.2018<br />
2018, 359<br />
Nds. GVBl. 2016, 8.11.2016<br />
252<br />
GVBl. NRW. <strong>23</strong>.6.2015<br />
2015, 489<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1227
Fach 4, Seite 1830<br />
Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />
Miete/Nutzungen<br />
Bundesland Verordnung Fundstelle vom<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Landesverordnung über die Bestimmung der Gebiete<br />
GVBl. <strong>2019</strong>, 283 1.10.<strong>2019</strong><br />
mit Mietpreisbegrenzung nach § 556d des<br />
Bürgerlichen Gesetzbuchs (Mietpreisbegrenzungsverordnung)<br />
Schleswig-Holstein Landesverordnung über die zulässige Miethöhe GVOBl. 2015, 11.11.2015<br />
bei Mietbeginn (Mietpreisverordnung Schleswig-<br />
Holstein)<br />
402<br />
Thüringen<br />
Thüringer Verordnung zur Bestimmung der Gebiete GVBl. 2016, 166 10.3.2016<br />
mit Mietpreisbegrenzung nach § 556d BGB<br />
(Thüringer Mietpreisbegrenzungsverordnung –<br />
ThürMietBegrVO)<br />
2. Von 20 % auf 15 % abgesenkte Kappungsgrenze gem. § 558 Abs. 3 BGB<br />
Bundesland Verordnung Fundstelle vom<br />
Baden-Württemberg Verordnung der Landesregierung zur Bestimmung GBl. 2015, 346 9.6.2015<br />
der Gebiete mit abgesenkter Kappungsgrenze bei<br />
Mieterhöhungen (Kappungsgrenzenverordnung<br />
Baden-Württemberg – KappVO BW)<br />
Bayern<br />
Verordnung zur Festlegung des Anwendungsbereichs<br />
GVBl. <strong>2019</strong>, 458 16.7.<strong>2019</strong><br />
bundesrechtlicher Mieterschutzvor-<br />
schriften (Mieterschutzverordnung – MiSchuV)<br />
Berlin<br />
Verordnung zur Senkung der Kappungsgrenze gem. GVBl. 2018, 370 10.4.2018<br />
§ 558 Abs. 3 BGB (Kappungsgrenzenverordnung)<br />
Brandenburg<br />
Verordnung zur Bestimmung der Gebietskulisse zur GVBl. II <strong>2019</strong>, 28.8.<strong>2019</strong><br />
Senkung der Kappungsgrenze gem. § 558 Abs. 3 des<br />
Bürgerlichen Gesetzbuchs (Kappungsgrenzenverordnung<br />
– KappGrenzV)<br />
Nr. 65<br />
Bremen<br />
Verordnung zur Senkung der Kappungsgrenze gem. Brem.GBl <strong>2019</strong>, 1.9.<strong>2019</strong><br />
§ 558 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs<br />
(Kappungsgrenzen-Verordnung)<br />
520<br />
Hamburg<br />
Verordnung über die Absenkung der Kappungsgrenze<br />
HmbGVBl. 2018, 26.6.2018<br />
bei Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen<br />
Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 3 des Bürgerlichen<br />
Gesetzbuchs (Kappungsgrenzenverordnung)<br />
215<br />
Hessen<br />
Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit abgesenkter<br />
GBVl. <strong>2019</strong>, 277 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong><br />
Kappungsgrenze und mit verlängerter<br />
Kündigungsbeschränkung (Kappungsgrenzen- und<br />
Kündigungsbeschränkungsverordnung)<br />
Niedersachsen<br />
Verordnung zur Festlegung des Anwendungsbereichs<br />
Nds. GVBl. 2016, 8.11.2016<br />
bundesrechtlicher Mieterschutzvorschrif-<br />
ten (Niedersächsische Mieterschutzverordnung)<br />
252<br />
NRW<br />
Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit GV. NRW. <strong>2019</strong>, 1.6.<strong>2019</strong><br />
Absenkung der Kappungsgrenze (Kappungsgrenzenverordnung<br />
– KappGrenzVO NRW)<br />
220<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Landesverordnung über die Bestimmung der Gebiete<br />
GVBl. <strong>2019</strong>, 295 1.10.<strong>2019</strong><br />
mit abgesenkter Kappungsgrenze nach § 558<br />
Abs. 3 S. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs<br />
(Kappungsgrenzenverordnung)<br />
Sachsen Kappungsgrenzen-Verordnung SächsGVBl. 2015,<br />
441<br />
10.7.2015<br />
1228 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1831<br />
Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />
Bundesland Verordnung Fundstelle vom<br />
Schleswig-Holstein<br />
Thüringen<br />
Landesverordnung zur Änderung der Schleswig-<br />
Holsteinischen Kappungsgrenzenverordnung nach<br />
§ 558 Abs. 3 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch<br />
Thüringer Verordnung zur Senkung der Kappungsgrenze<br />
nach § 558 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs<br />
(Thüringer Kappungsgrenzenverordnung –<br />
ThürKappGrVO)<br />
GVOBl. 2018, 73 30.3.2018<br />
GVBl <strong>2019</strong>, 366 1.10.<strong>2019</strong><br />
III. Liste der Gemeinden mit Mietpreisbeschränkungen<br />
Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />
(Mietpreisbremse)<br />
Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />
durch Absenkung<br />
der Kappungsgrenze auf 15 %<br />
gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />
Aachen NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Ahrensburg SH 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />
Ahrensfelde BB 1.1.2016 10) 31.12.2020<br />
Ainring BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Alfter NRW 1.6.2014 30.6.2020<br />
Allershausen BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Alling BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Altbach BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Altdorf BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Ammersbek SH 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />
Andechs BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Anzing BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Aschaffenburg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Aschheim BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Asperg BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Attenkirchen BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Augsburg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Aying BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Bad Aibling BY 1.1.2016 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Bad Heilbrunn BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Bad Reichenhall BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Bad Tölz BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Bad Endorf BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Bad Homburg v.d.H. HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
Bad Honnef NRW 1.6.2014 30.6.2020<br />
Bad Krozingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Bad Säckingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Bad Sassendorf NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Bad Soden am Taunus HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
Bad Vilbel HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
Bad Wörishofen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Baienfurt BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Baierbrunn BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Baltrum NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Bamberg BY 1.1.2016 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1229
Fach 4, Seite 1832<br />
Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />
Miete/Nutzungen<br />
Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />
(Mietpreisbremse)<br />
Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />
durch Absenkung<br />
der Kappungsgrenze auf 15 %<br />
gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />
Bargteheide SH 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />
Barsbüttel SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />
Bayerisch Gmain BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Bayreuth BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Benediktbeuern BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Bensheim HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />
Berg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Bergen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Bergisch Gladbach NRW 1.6.2014 30.6.2020<br />
Bergkirchen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Bergtheim BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Berlin BE 1.6.2015 31.5.2020 19.5.2013 10.5.20<strong>23</strong><br />
Bernau bei Berlin BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Bielefeld NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Bietigheim-Bissingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Birkenwerder BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Bischofsheim HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
Blankenfelde-Mahlow BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Bocholt NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Bochum NRW 1.6.<strong>2019</strong> 30.6.2020<br />
Bonn NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Borkum NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Bornheim NRW 1.6.<strong>2019</strong> 30.6.2020<br />
Bottrop NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Brannenburg BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Braunschweig NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Bremen (ohne Bremerhaven) HB 1.12.2015 20.11.2020 1.9.2014 31.8.2024<br />
Brühl NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Brühl BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Brunnthal BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Buchholz in der Nordheide NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Buxtehude NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Coesfeld NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Dachau BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Dallgow-Döberitz BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Darmstadt HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
Deggendorf BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Denkendorf BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Denzlingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Dießen am Ammersee BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Dietzenbach HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />
Dingolfing BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Dinslaken NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
1<strong>23</strong>0 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1833<br />
Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />
Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />
(Mietpreisbremse)<br />
Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />
durch Absenkung<br />
der Kappungsgrenze auf 15 %<br />
gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />
Dorfen BY 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Dormagen NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Dortmund NRW 1.6.<strong>2019</strong> 30.6.2020<br />
Dossenheim BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Dreieich HE 27.11.2015 30.6.<strong>2019</strong> 5) 6) 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />
Dresden SN 31.7.2015 30.6.2020<br />
Durmersheim BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Düsseldorf NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Ebersberg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Eching BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Edingen-Neckarhausen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Egelsbach HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />
Eggenstein-Leopoldshafen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Egmating BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Eichenau BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Eichwalde BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Elsendorf BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Eltville am Rhein HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />
Emmendingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Emmerich am Rhein NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Emmering BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Eppelheim BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Erding BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Erdweg BY 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Eresing BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Erfurt TH 31.3.2016 31.1.2021 1.10.<strong>2019</strong> 30.9.2024<br />
Ergolding BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Erkner BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Erkrath NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Erlangen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Eschborn HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />
Essen NRW 1.6.<strong>2019</strong> 30.6.2020<br />
Euskirchen NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Fahrenzhausen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Falkensee BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Feldafing BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Feldkirchen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Feldkirchen-Westerham BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Fellbach BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Feucht BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Filderstadt BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Finsing BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Flörsheim am Main HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1<strong>23</strong>1
Fach 4, Seite 1834<br />
Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />
Miete/Nutzungen<br />
Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />
(Mietpreisbremse)<br />
Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />
durch Absenkung<br />
der Kappungsgrenze auf 15 %<br />
gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />
Forchheim BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Forstinning BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Frankfurt am Main HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
Frauenneuharting BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Frechen NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Freiberg am Neckar BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Freiburg im Breisgau BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Freilassing BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Freising BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Friedberg HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />
Friedrichsdorf HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />
Friedrichshafen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Fürstenfeldbruck BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Fürth BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Garching bei München BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Garmisch-Partenkirchen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Gauting BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Geldern NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Gerbrunn BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Geretsried BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Germering BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Gernsheim HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />
Gerzen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Gießen HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />
Gilching BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Ginsheim-Gustavsburg HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />
Glienicke/Nordbahn BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Glinde SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />
Glonn BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Goldbach BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Göttingen NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Gräfelfing BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Grafing bei München BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Grasbrunn BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Greifswald MV 1.10.2018 30.9.20<strong>23</strong><br />
Grenzach-Wyhlen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Greven NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Grevenbroich NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Griesheim HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
Gröbenzell BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Gronau (Westfalen) NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Großbeeren BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Grünwald BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
1<strong>23</strong>2 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1835<br />
Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />
Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />
(Mietpreisbremse)<br />
Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />
durch Absenkung<br />
der Kappungsgrenze auf 15 %<br />
gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />
Gundelfingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Haan NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Haar BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Haimhausen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Hallbergmoos BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Halstenbek SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8)<br />
Haltern am See NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Hamburg HH 1.7.2015 30.6.2020 9) 1.9.2013 31.8.20<strong>23</strong><br />
Hanau HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />
Hannover NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Hattersheim am Main HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
Hausham BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Hebertshausen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Heidelberg BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Heilbronn BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Heitersheim BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Helgoland SH 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />
Hemsbach BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Hennef (Sieg) NRW 1.6.<strong>2019</strong> 30.6.2020<br />
Hennigsdorf BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Herrsching am Ammersee BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Heusenstamm HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />
Hilden NRW 1.6.2014 30.6.2020<br />
Hilgertshausen-Tandern BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Hochheim am Main HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />
Hofheim am Taunus HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
Hohen Neuendorf BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Hohenbrunn BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Höhenkirchen-Siegertsbrunn BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Hohenlinden BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Holzkirchen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Hopferau BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Hoppegarten BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Hörnum SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />
Hürth NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Iffezheim BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Ingolstadt BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Inning am Ammersee BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Irschenberg BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Ismaning BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Jena TH 31.3.2016 31.1.2021<br />
Juist NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Jülich NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1<strong>23</strong>3
Fach 4, Seite 1836<br />
Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />
Miete/Nutzungen<br />
Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />
(Mietpreisbremse)<br />
Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />
durch Absenkung<br />
der Kappungsgrenze auf 15 %<br />
gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />
Kampen SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />
Kamp-Lintfort NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Karlsfeld BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Karlsruhe BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Kassel HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
Kaufbeuren BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Kaufering BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Kelkheim (Taunus) HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />
Kelsterbach HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />
Kempen NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Kempten (Allgäu) BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Kerpen NRW 1.6.2014 30.6.2020<br />
Kevelaer NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Kiedrich HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />
Kiefersfelden BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Kiel SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 30.3.2018 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />
Kirchdorf BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Kirchentellinsfurt BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Kirchheim bei München BY 1.1.2016 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Kirchseeon BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Kleinmachnow BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Kleinrinderfeld BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Kleve NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Kolbermoor BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Köln NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Königs Wusterhausen BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Konstanz BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Krailling BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Kranzberg BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Kreuth BY 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Kronberg im Taunus HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />
Kürnach BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Landau RP 8.10.2015 11) 7.10.2020 13.2.2015 30.9.2024<br />
Landsberg am Lech BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Landshut BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Langen (Hessen) HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />
Langenbach BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Langenfeld (Rheinland) NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Langenhagen NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Langeoog NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Leer NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Leimen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Lenggries BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
1<strong>23</strong>4 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1837<br />
Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />
Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />
(Mietpreisbremse)<br />
Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />
durch Absenkung<br />
der Kappungsgrenze auf 15 %<br />
gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />
Lenting BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Leverkusen NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Lindau (Bodensee) BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Linkenheim-Hochstetten BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
List SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />
Lörrach BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Lotte NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Lüneburg NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Mainz RP 8.10.2015 11) 7.10.2020 13.2.2015 30.9.2024<br />
Maisach BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Manching BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Marburg HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
March BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Markt Indersdorf BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Markt Schwaben BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Marzling BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Meerbusch NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Memmingen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Merzhausen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Mettmann NRW 1.6.<strong>2019</strong> 30.6.2020<br />
Miesbach BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Moers NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Möglingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Monheim am Rhein NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Moosach BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Moosburg an der Isar BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Mörfelden-Walldorf HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
Mühlenbecker Land BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Mühlheim an der Ruhr NRW 1.6.<strong>2019</strong> 30.6.2020<br />
Müllheim BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
München BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Münster NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Murnau am Staffelsee BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Nassenfels BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Nauheim HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />
Nebel SH 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />
Neckarsulm BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Neubiberg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Neuburg an der Donau BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Neuching BY 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Neuenburg am Rhein BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Neuenhagen bei Berlin BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Neufahrn bei Freising BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1<strong>23</strong>5
Fach 4, Seite 1838<br />
Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />
Miete/Nutzungen<br />
Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />
(Mietpreisbremse)<br />
Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />
durch Absenkung<br />
der Kappungsgrenze auf 15 %<br />
gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />
Neuhausen auf den Fildern BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Neuried BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Neusäß BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Neuss NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Neutraubling BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Neu-Ulm BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Nidderau HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />
Niederkassel NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Norderney NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Norderstedt SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8)<br />
Nürnberg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Nuthetal BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Oberammergau BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Oberding BY 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Oberhaching BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Oberschleißheim BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Obertshausen HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />
Oberursel HE 27.11.2015 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />
Odelzhausen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Offenbach am Main HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
Offenburg BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Olching BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Oldenburg NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Oranienburg BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Osnabrück NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Ostbevern NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Otterfing BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Ottobrunn BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Overath NRW 1.6.2014 30.6.2020<br />
Paderborn NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Panketal BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Passau BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Penzberg BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Petershagen/Eggersdorf BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Petershausen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Pfaffenhofen an der Ilm BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Pfinztal BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Piding BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Planegg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Pliening BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Plochingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Pöcking BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Poing BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
1<strong>23</strong>6 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1839<br />
Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />
Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />
(Mietpreisbremse)<br />
Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />
durch Absenkung<br />
der Kappungsgrenze auf 15 %<br />
gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />
Potsdam BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Prien am Chiemsee BY 1.1.2016 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Puchheim BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Pullach im Isartal BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Putzbrunn BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Radolfzell am Bodensee BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Raesfeld NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Rangsdorf BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Rastatt BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Ratingen NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Raubling BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Raunheim HE 28.6.<strong>2019</strong> 26.11.2020 5) <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 26.11.2020<br />
Ravensburg BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Regensburg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Reichertshofen BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Remchingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Renningen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Reutlingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Rheda-Wiedenbrück NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Rheine NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Rheinfelden (Baden) BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Rheinstetten BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Riedering BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Rielasingen-Worblingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Rimsting BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Röhrmoos BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Rommerskirchen NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Rosenheim BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Rösrath NRW 1.6.2014 30.6.2020<br />
Rostock MV 1.10.2018 30.9.20<strong>23</strong><br />
Rüsselsheim HE 18.10.2014 <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> 7)<br />
Sandhausen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Sauerlach BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Schäftlarn BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Schönefeld BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Schöneiche bei Berlin BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Schöngeising BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Schulzendorf BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Schwabach BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Schwabhausen BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Schwaig bei Nürnberg BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Schwalbach am Taunus HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
Seefeld BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1<strong>23</strong>7
Fach 4, Seite 1840<br />
Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />
Miete/Nutzungen<br />
Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />
(Mietpreisbremse)<br />
Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />
durch Absenkung<br />
der Kappungsgrenze auf 15 %<br />
gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />
Seehausen am Staffelsee BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Senden NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Senden BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Siegburg NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Sindelfingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Singen (Hohentwiel) BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Soest NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Solingen NRW 1.6.<strong>2019</strong> 30.6.2020<br />
Sonthofen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Spatzenhausen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Speyer RP 8.10.2015 11) 7.10.2020 13.2.2015 30.9.2024<br />
Spiekeroog NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
St. Augustin NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Stadtbergen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Starnberg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Stein BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Steinen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Stephanskirchen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Straßlach-Dingharting BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Stutensee BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Stuttgart BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Sulzemoos BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Sylt SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />
Taufkirchen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Teltow BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Teningen BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Tettnang BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Traunreut BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Traunstein BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Trier RP 8.10.2015 11) 7.10.2020 13.2.2015 30.9.2024<br />
Troisdorf NRW 1.7.2015 30.6.2020 1) 1.6.2014 30.6.2020<br />
Tübingen BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Türkenfeld BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Tutzing BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Uettingen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Ulm BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Umkirch BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Unterföhring BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Unterhaching BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Unterpleichfeld BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Unterschleißheim BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Uttenreuth BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Vaterstetten BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
1<strong>23</strong>8 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1841<br />
Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />
Gemeinde Bundesland Begrenzung der Wiedervermietungsmiete<br />
(Mietpreisbremse)<br />
Begrenzung der Bestandsmietenerhöhung<br />
durch Absenkung<br />
der Kappungsgrenze auf 15 %<br />
gültig von gültig bis gültig seit gültig bis<br />
Vechta NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Velten BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Vierkirchen BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Waakirchen BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Waldbrunn BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Waldkirch BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Waltrop NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Wangerooge NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Wedel SH 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />
Weichs BY 1.8.2015 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Weil am Rhein BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Weilheim in Oberbayern BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Weingarten BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Weiterstadt HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
Wendelstein BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Wendlingen am Neckar BW 1.11.2015 31.10.2020 4) 1.7.2015 30.6.2020<br />
Wenningstedt-Braderup SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />
Wentorf bei Hamburg SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />
Werneuchen BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Wesel NRW 1.6.2014 31.5.<strong>2019</strong><br />
Wesseling NRW 1.6.2014 30.6.2020<br />
Weßling BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Wiesbaden HE 27.11.2015 26.11.2020 5) 18.10.2014 26.11.2020<br />
Wildau BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Winnenden BW 1.11.2015 31.10.2020 4)<br />
Wolfratshausen BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Wolfsburg NI 1.12.2016 30.11.2021 1.12.2016 30.11.2021<br />
Wörthsee BY 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020 3) 7.8.<strong>2019</strong> 31.7.2020<br />
Würzburg BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Wyk auf Föhr SH 1.12.2015 30.11.<strong>2019</strong> 8) 1.12.2014 30.11.<strong>2019</strong> 2)<br />
Zeuthen BB 1.1.2016 10) 31.12.2020 1.9.2014 31.12.2020<br />
Zirndorf BY 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong> 3) 1.1.2016 6.8.<strong>2019</strong><br />
Zorneding BY 1.8.2015 31.7.2020 3) 1.1.2016 31.7.2020<br />
Anmerkungen:<br />
1. Die Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit Mietpreisbegrenzung (Mietpreisbegrenzungsverordnung<br />
– MietbegrenzVO NRW) vom <strong>23</strong>.6.2015 (GVBl. NRW. 2015, 489) ist nach Ansicht des AG Köln<br />
(Urt. v. 15.2.<strong>2019</strong> – 208 C 188/18) wegen nicht ausreichender Begründung unwirksam.<br />
2. Die Kappungsgrenzenverordnung in Schleswig-Holstein wird voraussichtlich nicht verlängert.<br />
3. Die Verordnung vom 14.7.2015 (GVBl Nr. 8/2015, S. 250) ist durch die Verordnung zur Festlegung des<br />
Anwendungsbereichs bundesrechtlicher Mieterschutzvorschriften (Mieterschutzverordnung – MiSchuV)<br />
vom 10.11.2015 (GVBl Nr. 14/2015, S. 398) ab dem 31.12.2015 aufgehoben und ersetzt worden. Die<br />
Begründung der Verordnung ist im JMBl. 2015, 117 veröffentlicht worden. Das LG München I (NZM 2018,<br />
83) hat diese Begründung als nicht ausreichend angesehen und die Verordnung vom 10.11.2015 für nichtig<br />
erklärt. Am 24.7.2017 hat die Bayerische Staatsregierung eine ergänzende Begründung zu der bereits am<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1<strong>23</strong>9
Fach 4, Seite 1842<br />
Mietpreisbremse – Gemeindeübersicht<br />
Miete/Nutzungen<br />
16.12.2015 veröffentlichten Begründung beschlossen und am 26.7.2017 im JMBl. Nr. 6/2017, 90<br />
veröffentlicht. Nach dem AG München (Urt. v. 9.8.<strong>2019</strong> – 424 C 2<strong>23</strong>34/18) hat diese nachträgliche<br />
Veröffentlichung einer Begründung den Begründungsmangel der Verordnung vom 10.11.2015 weder ex<br />
tunc noch ex nunc geheilt (ebenso AG München, Urt. v. 28.6.<strong>2019</strong> – 461 C 12217/18). Am 7.8.<strong>2019</strong> hat die<br />
Staatsregierung eine neue Verordnung mit Begründung veröffentlicht (GVBl <strong>2019</strong>, 458). Nach dieser<br />
neuen Verordnung ist die Mieterschutzverordnung (MiSchuV) vom 10.11.2015 (GVBl., S. 398) mit Ablauf<br />
des 6.8.<strong>2019</strong> außer Kraft getreten.<br />
4. Die Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit Begrenzung der zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn<br />
(Mietpreisbegrenzungsverordnung Baden-Württemberg – MietBgVO BW) vom 29.9.2015 (GVBl 2015,<br />
852) ist nach Ansicht des LG Stuttgart (NZM <strong>2019</strong>, 290) wegen fehlender Begründung unwirksam.<br />
5. Die Hessische Mietenbegrenzungsverordnung vom 17.11.2015 (GVBl., S. 397) ist wegen fehlender<br />
Begründung zumindest anfänglich unwirksam (LG Frankfurt WuM 2018, 276 bestätigt durch BGH WuM<br />
<strong>2019</strong>, 440). Das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />
hat in dem Verfahren mitgeteilt, dass die Begründung „nicht vor 2017 auf der Homepage des<br />
Ministeriums als pdf-Download veröffentlicht wurde“ (zu begründeten Zweifeln an einer Veröffentlichung<br />
vor März 2018 s. BÖRSTINGHAUS, „Mietpreisbremse-Gate“ in Hessen, NJW 2018, 20). Die neue<br />
Verordnung für Hessen mit Begründung gilt seit dem 28.6.<strong>2019</strong>.<br />
6. Dreieich, Hessen, ist in der neuen Verordnung vom 28.6.<strong>2019</strong> nicht mehr als Gebiet mit angespanntem<br />
Wohnungsmarkt vermerkt.<br />
7. Die Hessische Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit abgesenkter Kappungsgrenze wäre zum<br />
17.10.<strong>2019</strong> ausgelaufen. Eine neue Verordnung ist am <strong>23</strong>.9.<strong>2019</strong> veröffentlicht worden und hat die<br />
bestehende Verordnung frühzeitig aufgehoben. Die Reduzierung der Kappungsgrenze in dieser<br />
Gemeinde ist in der neuen Verordnung weggefallen.<br />
8. Die derzeitige Landesverordnung über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn (Mietpreisverordnung<br />
Schleswig-Holstein) ist ursprünglich noch bis zum 30.11.2020 gültig. Die Landesregierung hat angekündigt,<br />
die Verordnung bereits frühzeitig zum Ablauf der Kappungsgrenzenverordnung zum 30.11.<strong>2019</strong> aufzuheben.<br />
9. Die Verordnung über die Einführung einer Mietpreisbegrenzung nach § 556d BGB (Mietpreisbegrenzungsverordnung)<br />
wurde am <strong>23</strong>.6.2015 veröffentlicht. Ein förmlicher Beschluss des Senats zu der Begründung<br />
der Mietpreisbegrenzungsverordnung existierte nicht. Am 22.10.2015 wurde im Transparenzportal der<br />
Freien und Hansestadt Hamburg die Niederschrift der Senatssitzung vom <strong>23</strong>.6.2015 mit Vorblatt zur<br />
Senatsdrucksache veröffentlicht. Die 26-seitige Begründung zur Mietpreisbegrenzungsverordnung, die in<br />
der Drucksache des Senats dem sog. dreiseitigen Vorblatt nachfolgt, wurde nicht mit veröffentlicht. Am<br />
6.6.2017 wurde auf der offiziellen Internetpräsenz der Freien und Hansestadt Hamburg die Begründung<br />
veröffentlicht. Außerdem wurde sie im Amtlichen Anzeiger vom 1.9.2017 veröffentlicht. Nach dem AG<br />
Hamburg-Altona (Urt. v. 9.10.2017 – 316 C 206/17; ebenso SCHULDT, Mietpreisbremse-Verordnungen: Das<br />
Begründungserfordernis als „Stolperstein“, NZM 2018, 258, 263) hat diese nachträgliche Veröffentlichung<br />
der Begründung den ursprünglichen Mangel weder rückwirkend noch für die Zukunft geheilt. Am<br />
10.7.2018 wurde die Verordnung über die Einführung einer Mietpreisbegrenzung nach § 556d des BGB<br />
(Mietpreisbegrenzungsverordnung) mit einer Begründung erneut verkündet (GVBl. 2018, 225). Darin<br />
wurde die alte VO vom <strong>23</strong>.6.2015 aufgehoben. Nach dem LG Hamburg (NZM 2018, 745) war die Verordnung<br />
von 2015 zumindest im September 2015 wegen fehlender Begründung unwirksam. Welche Auswirkungen<br />
die späteren Stadien der Veröffentlichung hatten, ist offengeblieben. Nach dem AG Hamburg<br />
(Urt. v. 19.12.2018 – 49 C 77/18) soll die Verordnung seit der Veröffentlichung am 1.9.2017 wirksam sein.<br />
10.Die Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit Mietpreisbegrenzung (Mietpreisbegrenzungsverordnung<br />
– MietbegrenzV) vom 8.12.2015 (GVBl. Nr. 65, 15) ist nach Ansicht des AG Potsdam (GE 2018,<br />
1464) wegen fehlender Begründung unwirksam. Im April <strong>2019</strong> wurde die neue Verordnung<br />
veröffentlicht. Diese entspricht der Verordnung von 2015 und bessert bei der Begründung nach.<br />
11. Für die Landesverordnung über die Bestimmung der Gebiete mit Mietpreisbegrenzung nach § 556d<br />
BGB (Mietpreisbegrenzungsverordnung) vom 28.9.2015 (GVBl. 2015, 264) gibt es keine veröffentlichte<br />
Begründung. Die Mietpreisbremsenverordnung ist gemäß dem Urteil vom 26.7.<strong>2019</strong> des AG Mainz<br />
wegen verspäteter Begründung unwirksam. Am 30.9.<strong>2019</strong> wurden nun bereits eine neue Mietpreisbegrenzungsverordnung<br />
und eine neue Kappungsgrenzenverordnung veröffentlicht. Der Anwendungsbereich<br />
der Mietpreisbremse hat sich um eine Stadt (Speyer) erweitert.<br />
1240 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 963<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Rechtsprechung<br />
Rechtsprechungsübersicht zum Arbeitsrecht – 1. Halbjahr <strong>2019</strong><br />
Von Richter am Arbeitsgericht WOLFGANG GUNDEL, Freiburg, und Rechtsanwalt und Fachanwalt für<br />
Arbeits- und für Sozialrecht Dr. ULRICH SARTORIUS, Breisach<br />
Inhalt<br />
I. Individualarbeitsrecht<br />
1. Aufhebungsvertrag: Kein Widerruf; Verletzung<br />
des Gebots fairen Verhandelns<br />
2. Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen<br />
Ausschlussfristenklausel<br />
3. Diskriminierung wegen Schwerbehinderung<br />
4. Schadenersatz eines/einer schwerbehinderten<br />
Beschäftigten wegen Ablehnung<br />
einer stufenweisen Wiedereingliederung<br />
i.R.d. BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX a.F.<br />
5. Urlaubsabgeltung und Verfallfristen –<br />
Neubeginn der Verjährung<br />
6. Neues zum Urlaubsrecht<br />
II. Kündigungsschutzrecht<br />
1. Verhältnis des Beschäftigungsanspruchs<br />
schwerbehinderter Menschen zur unternehmerischen<br />
Organisationsfreiheit<br />
2. Massenentlassung – Kündigung sofort<br />
nach Eingang der Massenentlassungsanzeige<br />
zulässig<br />
III. Befristungsrecht<br />
1. Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2<br />
S. 2 TzBfG (Rechtsprechungsänderung)<br />
2. Altersgrenze – Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts<br />
3. Grenzen einer tarifvertraglichen Höchstdauer<br />
für sachgrundlose Befristung<br />
IV. Prozessrecht<br />
1. Feststellungsinteresse bei einer Feststellungsklage<br />
bzw. Zwischenfeststellungsklage<br />
2. Rechtsweg: Fremdgeschäftsführer –<br />
arbeitgeberähnliche Person<br />
V. Sozialrecht<br />
Ende des Insolvenzgeldzeitraums bei<br />
Betriebsübergang<br />
I. Individualarbeitsrecht<br />
1. Aufhebungsvertrag: Kein Widerruf; Verletzung des Gebots fairen Verhandelns<br />
Gegenstand der Entscheidung des BAG vom 7.12.2018 (6 AZR 75/18, NZA <strong>2019</strong>, 688, auszugsweise abgedr.<br />
in NJW <strong>2019</strong>, 1966 mit zustimmender Anm. BACHMANN/PONZEN, a.a.O.,1969; s. auch PETERSEN, Hürden beim<br />
Abschluss eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags, NWB <strong>2019</strong>, 1682 und FISCHINGER, Gebot fairen<br />
Verhandelns, NZA <strong>2019</strong>, 729) ist der Streit um den Bestand des Arbeitsverhältnisses der Klägerin nach<br />
Abschluss eines Aufhebungsvertrags.<br />
Die Klägerin war bei der Beklagten als Reinigungshilfe beschäftigt. Am 15.2.2016 suchte der Lebenspartner<br />
der Beklagten, welcher tatsächlich deren Geschäfte führt, die Klägerin gegen 17 Uhr in ihrer<br />
Wohnung auf und legte ihr einen Aufhebungsvertrag vor. Die Klägerin erklärte hierzu, sie sei an diesem<br />
Tage krank gewesen und habe im Bett gelegen, als der Lebenspartner der Beklagten geklingelt habe. Ihr<br />
Sohn habe ihn hereingelassen und sie geweckt, den ihr vorgehaltenen Vertrag habe sie unter dem<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1241
Fach 17 R, Seite 964<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Arbeitsrecht<br />
Einfluss von Schmerzmitteln „im Tran“ unterschrieben und erst hinterher gemerkt, was sie gemacht<br />
habe. Die Beklagte erwiderte, die Klägerin habe am Vormittag des 15.2.2016 telefonisch um den<br />
Abschluss eines Aufhebungsvertrags gebeten. Eine krankheits- oder medikamentenbedingte Beeinträchtigung<br />
sei bei Vertragsschluss nicht zu bemerken gewesen.<br />
Mit Schreiben vom 17.2.2016 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Anfechtung des<br />
Aufhebungsvertrags wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und Drohung. Hilfsweise werde die<br />
Zustimmung zum Vertragsschluss widerrufen. Da die Beklagte an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
festhielt, erhob die Klägerin Klage. Die Vorinstanzen haben diese Klage abgewiesen. Die<br />
vom LAG zugelassene und eingelegte Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur<br />
Zurückverweisung.<br />
Das BAG billigt zunächst die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach der Aufhebungsvertrag nicht<br />
deswegen unwirksam ist, weil die Klägerin die Annahme des entsprechenden Vertragsangebots in<br />
einem Zustand vorübergehender Störung ihrer Geistestätigkeit i.S.d. § 105 Abs. 2 Alt. 2 BGB erklärt habe<br />
und ihre Willenserklärung deshalb nichtig sei. Der entsprechende Vortrag der Klägerin war für eine<br />
solche Annahme nicht ausreichend. Gleiches gilt für die Ansicht des LAG, es bestehe kein Anfechtungsgrund<br />
i.S.d. §§ 119 ff. BGB. Die Vereinbarung ist auch nicht gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB wegen<br />
unangemessener Benachteiligung der Klägerin unwirksam. Formularmäßige Abreden, die Art und<br />
Umfang der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar<br />
bestimmen, sind aus Gründen der Vertragsfreiheit gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB regelmäßig von der<br />
gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ausgenommen.<br />
Ein gesetzliches Widerrufsrecht – ein vertragliches Widerrufsrecht hatten die Parteien nicht vereinbart,<br />
ein Aufhebungsvertrag ist i.Ü. nicht bereits deshalb unwirksam, weil Arbeitgeber den Arbeitnehmern<br />
kein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumen, s. bereits BAG 14.2.1996 – 2 AZR <strong>23</strong>4/95, NZA 1996, 811<br />
– gem. § 355 i.V.m. § 312g Abs. 1, § 312b BGB („Haustürgeschäft“) besteht nicht. Das BAG hat bereits zu<br />
der bis zum 12.6.2014 geltenden Rechtslage entschieden, dass arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge<br />
nicht als Haustürgeschäfte i.S.d. §§ 312 ff. BGB a.F. anzusehen sind.<br />
Nach § 312 Abs. 1 BGB in der ab dem 13.6.2014 geltenden Fassung sind die Vorschriften der Kapitel 1 und<br />
2 des Untertitels 2 (2. Buch, Abschnitt 3, Titel 1 des BGB) nur auf Verbraucherverträge i.S.d. § 310 Abs. 3<br />
BGB anzuwenden, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben. Kapitel 2<br />
beinhaltet Regelungen für „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge“.<br />
Dies sind solche Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des<br />
Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers i.S.d.<br />
§ 312b Abs. 2 BGB ist. Bei derart geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen steht dem<br />
Verbraucher gem. § 312g Abs. 1 BGB ein Widerrufsrecht gem. § 355 BGB zu. Nach der vom BAG<br />
vorgenommenen Auslegung des § 312 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung seines systematischen<br />
Zusammenhangs und des gesetzgeberischen Willens ergibt sich, dass die Norm den Anwendungsbereich<br />
des 2. Kapitels und damit der §§ 312b, 312 g BGB nicht eröffnet. Folglich können Arbeitnehmer ihr<br />
Einverständnis mit einem nach dem 12.6.2014 geschlossenen Aufhebungsvertrag unabhängig vom Ort<br />
des Vertragsschlusses nicht nach diesen Vorschriften widerrufen (s. im Einzelnen Rn 13-29 der<br />
Entscheidungsgründe).<br />
Das BAG beanstandet jedoch, das LAG habe nicht geprüft, ob der streitgegenständliche Aufhebungsvertrag<br />
unter Verstoß gegen das sog. Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen und deshalb<br />
unwirksam ist. Hierfür seien Anhaltspunkte im festgestellten Sachverhalt erkennbar.<br />
Das BAG hat bereits früher entschieden, dass der Gefahr einer möglichen Überrumpelung der<br />
Arbeitnehmer bei Vertragsverhandlungen, z.B. weil diese zu ungewöhnlichen Zeiten oder an<br />
ungewöhnlichen Orten stattfinden, mit dem Gebot fairen Verhandelns begegnet werden kann<br />
(s. BAG, Urt. v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, juris Rn 53). Bei diesem Gebot handelt es sich im<br />
1242 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 965<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Zusammenhang mit der Verhandlung eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags um eine durch die<br />
Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründete Nebenpflicht i.S.d. § 311 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 241<br />
Abs. 2 BGB. Nach § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur<br />
Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Der Inhalt der<br />
Rücksichtnahmepflichten ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Diese Grundsätze<br />
gelten auch bei Vertragsverhandlungen, bei denen die Parteien durchaus gegenläufige Interessen<br />
haben können. § 241 Abs. 2 BGB zwingt nicht zu einer Verleugnung der eigenen Interessen, sondern zu<br />
einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen der Gegenseite. Bei Verhandlungen über den<br />
Abschluss eines Aufhebungsvertrags kann eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2<br />
BGB verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire<br />
Behandlung des Vertragspartners darstellt.<br />
Bei einem schuldhaften Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns ist der Aufhebungsvertrag im<br />
Regelfall unwirksam. Der Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen einer Missachtung des<br />
Gebots fairen Verhandelns führt unmittelbar zu einem Entfall der Rechtswirkungen des Aufhebungsvertrags<br />
und damit zu einer Fortsetzung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses zu unveränderten<br />
Bedingungen. Die Rechtsprechung des BAG zum Schadenersatz bei Aufklärungspflichtverletzungen<br />
vor Abschluss eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags, wonach ein Schadenersatzanspruch<br />
nur finanzielle Entschädigungsansprüche zur Folge haben, nicht aber die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrags<br />
begründen könne, ist hier nicht einschlägig. Der Schutzbereich der Aufklärungspflicht<br />
unterscheidet sich von dem Gebot fairen Verhandelns insoweit, weil erstere sich nicht auf die mit dem<br />
Aufhebungsvertrag eintretende Beendigung des Vertragsverhältnisses bezieht.<br />
Die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns und die<br />
Kausalität dieses Verstoßes für den Abschluss des Aufhebungsvertrags – wobei hinsichtlich der<br />
Kausalität zwischen Verhandlungsverschulden und Schaden davon ausgegangen werden kann, dass<br />
Arbeitnehmer ohne die unfaire Behandlung ihre Eigeninteressen in vernünftiger Weise gewahrt und<br />
den Aufhebungsvertrag nicht abgeschlossen hätten – trägt derjenige, der sich auf eine Verletzung des<br />
§ 311 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB beruft.<br />
Im vorliegenden Fall erscheint es, so das BAG, nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte durch ein ihr<br />
zurechenbares Verhalten ihres Lebensgefährten am 15.2.2016 das Gebot fairen Verhandelns verletzt und<br />
damit die Entscheidungsfreiheit der Klägerin bezüglich des Vertragsabschlusses schuldhaft beeinträchtigt<br />
hat. Treffe es zu, dass die Klägerin entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht am Vormittag<br />
des 15.2.2016 um den Abschluss eines Aufhebungsvertrags gebeten hat, könnte das unangekündigte<br />
Aufsuchen der Klägerin in ihrer Wohnung einer Überrumpelung gleichkommen. Hinzu käme nach dem<br />
Vortrag der Klägerin die an diesem Tag bestehende Erkrankung. Das Gebot fairen Verhandelns wäre<br />
schon für sich genommen, aber erst recht in Verbindung mit einer Überrumpelung, verletzt, wenn<br />
sich die Klägerin bei der Vertragsverhandlung erkennbar in einem körperlich geschwächten Zustand<br />
befunden und der Lebensgefährte der Beklagten diese Situation ausgenutzt hätte. Dies gelte umso mehr,<br />
wenn keine triftigen Gründe für Verhandlungen mit der Klägerin noch während ihrer Erkrankung<br />
vorgelegen hätten. Das Gericht verweist insofern auf das Urteil des 10. Senats des BAG vom 2.11.2016<br />
(10 AZR 596/15, NJW 2017, 906 s. GUNDEL/SARTORIUS <strong>ZAP</strong> F. 17 R, S. 873 f.), wonach dann, wenn Arbeitnehmer<br />
arbeitsunfähig erkrankt sind, der Arbeitgeber bei der Ausübung der ihm verbleibenden Weisungsrechte<br />
wegen der latenten Gefahr einer Beeinträchtigung des Genesungsprozesses die Erteilung<br />
von Weisungen auf dringende betriebliche Anlässe zu beschränken und sich bezüglich der Art und Weise,<br />
der Häufigkeit und der Dauer der Inanspruchnahme (z.B. für Personalgespräche) am wohlverstandenen<br />
Interesse der Arbeitnehmer zu orientieren hat.<br />
Ob das Gebot fairen Verhandelns vorliegend missachtet wurde, kann der Senat nicht selbst entscheiden,<br />
da es hierzu an den erforderlichen Feststellungen des LAG fehlt. Der Rechtsstreit wurde demnach unter<br />
Aufhebung des Berufungsurteils an das LAG zurückverwiesen.<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1243
Fach 17 R, Seite 966<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Arbeitsrecht<br />
Hinweise:<br />
1. Es handelt sich um die erste einschlägige Entscheidung des BAG. Soweit das BAG auf die Urteile vom<br />
27.11.2003 ( 2 AZR 135/03, Rn 53, NZA 2004, 597 und 2 AZR 177/03, Rn 41, BB 2004, 1858;<br />
Parallelentscheidungen: BAG, Urt. v. 3.6.2004 – 2 AZR 427/03 und 428/03, juris) Bezug nimmt, sind<br />
die Entscheidungen zum Widerruf nach § 312 BGB und zur Anfechtung ergangen. Der jeweils enthaltene<br />
Hinweis lautet: „Der allgemeinen Gefahr einer möglichen Überrumpelung des Arbeitnehmers, z.B. weil die<br />
Vertragsverhandlungen zu ungewöhnlichen Zeiten oder an ungewöhnlichen Orten im Betrieb stattfinden (s. auch<br />
§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n.F.; ST. LORENZ JZ 1997, 277, 281 f.), kann allein über Informationspflichten und mit dem<br />
Gebot fairen Verhandelns begegnet werden (DÄUBLER NZA 2001, 1329, 1334; HENSSLER RdA 2002, 129, 135).“ Der<br />
Grundsatz hat dann 16 Jahre lang geschlummert.<br />
2. Das vom BAG angenommene Gebot fairen Verhandelns, gestützt auf § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB und § 241<br />
Abs. 2 BGB, könnte Auswirkungen für das gesamte Arbeitsrecht haben, so etwa für Änderungsverträge<br />
oder auch für den Arbeitsvertragsschluss selbst. Auch über das Arbeitsrecht hinaus kann der<br />
im allgemeinen Zivilrecht verortetete Gedanke fruchtbar gemacht werden. Ob dies erfolgt, bleibt<br />
abzuwarten. Für einen Änderungsvertrag unter Entziehung einer Leitungsfunktion nach Vorwürfen<br />
sexueller Belästigung geprüft und verneint: LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11.4.<strong>2019</strong> – 5 Sa 339/18, RDG<br />
<strong>2019</strong>, 244; für einen Aufhebungsvertrag geprüft und verneint: LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 7.3.<strong>2019</strong> –<br />
5 Sa 301/18, juris.<br />
2. Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenklausel<br />
Die Parteien streiten über Arbeitsentgelt. Nach dem schriftlichen Dienstvertrag vom 20.2.2012, der dem<br />
Arbeitsverhältnis zugrunde lag, hatte der klagende Arbeitnehmer Anspruch auf ein festes Jahresgehalt<br />
sowie auf eine leistungsabhängige Prämie i.H.v. zunächst 15.000 €. Die Prämie war bis Ende 2013<br />
garantiert und zahlbar bis zum 31. März des jeweiligen Folgejahres. Ferner war im Dienstvertrag eine<br />
zweistufige Ausschlussfrist vereinbart, nach der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die<br />
mit diesem in Verbindung stehen, zunächst schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend zu<br />
machen sind, andernfalls sie verfallen (1. Stufe). Ab dem Jahr 2014 hat der Kläger keine Prämien mehr<br />
erhalten. Im November 2015 listete er zur Vorbereitung einer kurz danach geführten Unterredung<br />
Gesprächsthemen auf, zu denen auch die Zahlung von Prämien für die Jahre 2014 und 2015 gehörte. Das<br />
Gespräch hat ebenso wie ein weiteres Gespräch im Mai 2016 zu keinem Ergebnis geführt. Mit seiner am<br />
17.2.2017 zugestellten Klage hat der Kläger u.a. die Zahlung von Prämien für die Jahre 2014 und 2015<br />
i.H.v. jeweils 15.000 € verlangt. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos (BAG, Urt. v. 17.4.<strong>2019</strong> – 5 AZR<br />
331/18, NZA <strong>2019</strong>, 1050).<br />
Das Gericht lässt offen, ob überhaupt ein Anspruch auf Prämienzahlung bestand, weil dieser jedenfalls<br />
mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen ist. Es lässt weiter offen, ob die Fälligkeit der<br />
Prämienansprüche nach dem Dienstvertrag am 31.3.2015 und 31.3.2016 eingetreten ist oder ob sich der<br />
Eintritt der Fälligkeit mangels einer Leistungsbestimmung i.S.v. § 315 Abs. 1 S. 1 BGB durch die Beklagte<br />
nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB richtet. Auch im letzteren Fall hätte der Kläger seinen Anspruch auf<br />
arbeitgeberseitige Ausübung des Bestimmungsrechts zumindest dem Grunde nach schriftlich<br />
geltend machen müssen, um die erste Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist-Regelung zu<br />
wahren. Die Regelung der Ausschlussfrist ist wirksam und nicht etwa wegen eines Verstoßes gegen<br />
§ 3 S. 1 MiLoG insgesamt unwirksam. Da der Dienstvertrag am 20.2.2012 abgeschlossen wurde,<br />
handelt es sich um einen sog. Altvertrag, der vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (16.8.2014)<br />
abgeschlossen ist. Für einen solchen nimmt – wie bereits der 9. Senat des BAG, Urt. v. 18.9.2018 –<br />
9 AZR 162/18, NZA 2018, 1619 – auch vorliegend der 5. Senat an, dass es bei der von § 3 S. 1<br />
MiLoG vorgesehenen Teilunwirksamkeit einer „überschießenden“ Verfallklausel bleibt, weil eine bei<br />
Vertragsschluss transparente Klausel nicht durch eine spätere Änderung der Rechtslage intransparent<br />
(§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) und damit insgesamt unwirksam wird.<br />
1244 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 967<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Die Auflistung der Gesprächsthemen vom <strong>23</strong>.11.2015 ist keine schriftliche Geltendmachung im Sinne<br />
der Ausschlussfrist. Zu einer solchen gehört es, dass der Anspruchsinhaber unmissverständlich zum<br />
Ausdruck bringt, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die<br />
Geltendmachung setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet<br />
und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner<br />
notwendigen Bestimmtheit ersichtlich gemacht wird.<br />
Aufgrund der Umstände des Einzelfalls entschied das BAG ferner, der Beklagten sei es nicht nach Treu<br />
und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die vertragliche Ausschlussfrist zu berufen.<br />
Schließlich führt das BAG aus, der Lauf der ersten Stufe der Ausschlussfrist sei nicht in analoger<br />
Anwendung des § 203 S. 1 BGB gehemmt. Selbst wenn in den Gesprächen der Parteien Verhandlungen<br />
zu sehen wären, könnte jedoch die Vorschrift nicht entsprechend angewandt werden, da der Kläger<br />
bereits die erste Stufe der Ausschlussfrist zur schriftlichen Geltendmachung der Ansprüche nicht<br />
eingehalten hat. Das Urteil des Senats vom 20.6.2018 (5 AZR 262/27, NZA 2018, 1402) sei hierauf nicht<br />
übertragbar. Der Senat hat dort angenommen, eine einzelvertragliche Verfallklausel nehme mit dem<br />
Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung auf einen vom Verjährungsrecht zur Hemmung der<br />
Verjährung zur Verfügung gestellten Tatbestand (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) Bezug, weshalb die Ähnlichkeit<br />
von Funktion und faktischer Wirkung es gebiete, auf die Ausschlussfrist diejenigen Verjährungsvorschriften<br />
entsprechend anzuwenden, deren Zweck dem Wesen der Ausschlussfrist nicht widerspricht.<br />
3. Diskriminierung wegen Schwerbehinderung<br />
Mit Urteil vom 16.5.<strong>2019</strong> (8 AZR 315/18, NZA <strong>2019</strong>, 1419) hat das BAG seine Rechtsprechung zur<br />
Benachteiligung wegen Schwerbehinderung nach § 81 und § 82 SGB IX a.F., jetzt § 154 und § 155 SGB IX<br />
(2018) fortgeführt.<br />
Der Kläger begehrt eine Diskriminierungsentschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der<br />
Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung. Die Beklagte ist eine Fraktion des Bayerischen<br />
Landtags. Im November 2016 schrieb sie zwei Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter aus. Der Kläger<br />
bewarb sich auf beide Stellen mit dem Hinweis auf seine Schwerbehinderung. Die Beklagte lud ihn nicht<br />
zu einem Vorstellungsgespräch ein und teilte ihm mit, sie habe sich für andere Bewerber entschieden.<br />
Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Anspruch<br />
genommen. Die Beklagte habe ihn wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Dies folge insb.<br />
daraus, dass die Beklagte ihn entgegen der zum Schutz und zur Förderung von Schwerbehinderten im<br />
SGB IX getroffenen Bestimmungen des § 82 S. 2 SGB IX a.F. nicht zu einem Vorstellungsgespräch<br />
eingeladen habe. Die Beklagte sei ein öffentlicher Arbeitgeber i.S.v. § 71 Abs. 3 SGB IX a.F.<br />
Die Klage war in allen drei Instanzen ohne Erfolg. Die Beklagte hat den Kläger nicht wegen seiner<br />
Schwerbehinderung benachteiligt. Sie hat keine zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen<br />
Verfahrens- und/oder Förderpflichten verletzt, insb. war sie nicht nach § 82 S. 2 SGB IX a.F. verpflichtet,<br />
den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Eine solche Pflicht trifft nur öffentliche<br />
Arbeitgeber i.S.v. § 71 Abs. 3 SGB IX a.F. Um einen solchen Arbeitgeber handelt es sich bei der Beklagten<br />
nicht, insb. ist diese keine sonstige Körperschaft des öffentlichen Rechts i.S.v. § 71 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX a.F.,<br />
da ihr ein solcher Status nicht verliehen wurde.<br />
Hinweise:<br />
1. Das LAG hatte zwei wichtige Fragen angesprochen: (1) Die Anhörungspflicht bei Nichtbestehen eines<br />
Personal-/Betriebsrats und (2) Die Einladungspflicht öffentlicher Arbeitgeber.<br />
2. Die Pflicht zur Anhörung und Unterrichtung eines schwerbehinderten Bewerbers gem. § 164 Abs. 1 S. 8<br />
und 9 SGB IX (2018) besteht nur, wenn eine Schwerbehindertenvertretung oder ein Betriebsrat bzw.<br />
Personalrat oder eine sonst in § 176 SGB IX genannte Vertretung besteht. Dies zeigt der Vergleich mit<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1245
Fach 17 R, Seite 968<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Arbeitsrecht<br />
der Erfüllung der Beschäftigungsquote. Das BAG (Urt. v. 21.2.2013 – 8 AZR 180/12, Rn 44 – juris) hat für<br />
den Fall, in dem ein Arbeitgeber die Beschäftigungsquote nach § 71 Abs. 1 SGB IX a.F. erfüllt und deshalb<br />
nicht verpflichtet ist, das Erörterungsverfahren gem. § 81 Abs. 1 S. 8 SGB IX a.F. durchzuführen, entschieden:<br />
Der Arbeitgeber sei dann nicht verpflichtet eine Unterrichtung gem. § 81 Abs. 1 S. 9 SGB IX<br />
a.F. (§ 164 Abs. 1 S. 9 SGB IX [2018]) durchzuführen, weil: (1) Satz 9 von der „getroffenen Entscheidung“<br />
spricht und (2) es andererseits systematisch unstimmig wäre, unabhängig vom Anhörungsverfahren<br />
eine Unterrichtungspflicht zu verlangen. Dasselbe gilt für den Fall, dass das Anhörungsverfahren<br />
mangels Existenz von Vertretungen, mit denen ein Anhörungsverfahren durchgeführt werden kann,<br />
nicht erfolgt.<br />
3. § 71 Abs. 3 SGB IX a.F. enthält eine Legaldefinition der „öffentlichen Arbeitgeber“ im Sinne der Norm.<br />
Es liegt eine abschließende Aufzählung vor.<br />
4. Schadenersatz eines/einer schwerbehinderten Beschäftigten wegen Ablehnung einer stufenweisen<br />
Wiedereingliederung i.R.d. BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX a.F.<br />
Der Achte Senat des BAG (Urt. v. 16.5.<strong>2019</strong> – 8 AZR 530/17, NZA <strong>2019</strong>, 1348) hat erstmalig zur Frage,<br />
ob die Ablehnung einer stufenweisen Widereingliederung i.R.d. BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX a.F., jetzt<br />
§ 167 SGB IX, einen Schadenersatzanspruch auslöst, entschieden.<br />
Der schwerbehinderte Kläger ist bei der beklagten Stadt als Technischer Angestellter beschäftigt. Von<br />
August 2014 bis einschließlich 6.3.2016 war er arbeitsunfähig erkrankt. Am 12.9.2015 fand eine<br />
betriebsärztliche Untersuchung des Klägers statt, die eine stufenweise Wiedereingliederung zur<br />
vorsichtigen Heranführung an die Arbeitsfähigkeit mit bestimmten Einschränkungen in der Tätigkeit<br />
befürwortete. Unter Vorlage des Wiedereingliederungsplans seines behandelnden Arztes vom<br />
28.10.2015 beantragte der Kläger bei der beklagten Stadt die stufenweise Wiedereingliederung in das<br />
Erwerbsleben im Zeitraum vom 16.11.2015 bis zum 15.1.2016. Der Wiedereingliederungsplan des<br />
behandelnden Arztes sah keine Einschränkungen in der Tätigkeit vor. Als absehbaren Zeitpunkt der<br />
Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit gab der behandelnde Arzt den 18.1.2016 an.<br />
Die beklagte Stadt lehnte diesen Wiedereingliederungsplan am 5.11.2015 mit der Begründung ab, dass ein<br />
Einsatz des Klägers im bisherigen Aufgabengebiet/Tätigkeitsbereich wegen der in der betriebsärztlichen<br />
Beurteilung aufgeführten Einschränkungen nicht möglich sei. Dem vom Kläger vorgelegten zweiten<br />
Wiedereingliederungsplan, der eine Wiedereingliederung in der Zeit vom 4.1. bis zum 4.3.2016 vorsah und<br />
dem ein Bericht der behandelnden Psychologin beilag, wonach Einschränkungen in der Tätigkeit nicht<br />
mehr bestanden, stimmte die beklagte Stadt nach erneuter – nun positiver – Beurteilung durch die<br />
Betriebsärztin zu. Diese Wiedereingliederung war erfolgreich, der Kläger erlangte am 7.3.2016 seine volle<br />
Arbeitsfähigkeit wieder.<br />
Der Kläger fordert mit seiner Klage von der beklagten Stadt den Ersatz der Vergütung, die ihm in der Zeit<br />
vom 18.1. bis zum 6.3.2016 dadurch entgangen ist, dass die beklagte Stadt ihn nicht entsprechend den<br />
Vorgaben des Wiedereingliederungsplans vom 28.10.2015 beschäftigt hat.<br />
Während das ArbG die Klage abwies, gab das LAG der Klage im Wesentlichen statt. Es hatte geurteilt,<br />
schwerbehinderte Menschen hätten einen Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, der auch<br />
eine stufenweise Wiedereingliederung beinhalte. Bei unberechtigter Ablehnung eines derartigen<br />
Anspruchs könne auch aus § 84 Abs. 2 SGB IX (bzw. § 167 Abs. 2 SGB IX [2018]) ein Vermögensschaden<br />
geltend gemacht werden. Eine entsprechende Kausalität, dass die unterbliebene Maßnahme nicht zu einer<br />
verzögerten Genesung führe, habe der Arbeitgeber nachzuweisen. Die Revision der beklagten Stadt hatte<br />
vor dem Achten Senat des BAG Erfolg. Die beklagte Stadt war nicht verpflichtet, den Kläger entsprechend<br />
den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans vom 28.10.2015 in der Zeit vom 16.11.2015 bis zum 15.1.2016 zu<br />
beschäftigen. Zwar kann der Arbeitgeber nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX a.F./jetzt § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1<br />
SGB IX verpflichtet sein, an einer Maßnahme der stufenweisen Wiedereingliederung derart mitzuwirken,<br />
1246 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 969<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
dass er den Beschäftigten entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans beschäftigt. Im<br />
konkreten Fall des Klägers lagen allerdings besondere Umstände vor, aufgrund derer die beklagte Stadt<br />
ihre Zustimmung zum Wiedereingliederungsplan vom 28.10.2015 verweigern durfte. Es bestand aufgrund<br />
der Beurteilung der Betriebsärztin vom 12.10.2015 die begründete Befürchtung, dass der Gesundheitszustand<br />
des Klägers eine Beschäftigung entsprechend diesem Wiedereingliederungsplan nicht zulassen<br />
würde. Die begründeten Zweifel an der Geeignetheit des Wiedereingliederungsplans ließen sich auch nicht<br />
bis zum vorgesehenen Beginn der Maßnahme ausräumen.<br />
Hinweise:<br />
1. Das BAG hat bisher einen Anspruch auf stufenweise Wiedereingliederung eines nicht schwerbehinderten<br />
Arbeitnehmers verneint.<br />
2. Ob behinderte oder nicht behinderte Arbeitnehmer bei unterbliebenem BEM Verdienstausfall geltend<br />
machen können, ist offen (zum BEM: BISSELS/FALTER BB 2018, 1405).<br />
3. Im konkreten Fall lagen drei ärztliche Beurteilungen vor: Die ersten beiden, die innerhalb von zwei<br />
Wochen erfolgten, widersprachen sich. Bei der dritten ärztlichen Beurteilung bestand Übereinstimmung.<br />
5. Urlaubsabgeltung und Verfallfristen – Neubeginn der Verjährung<br />
Die Parteien des vorliegend zu referierenden Revisionsverfahrens streiten um die Abgeltung von 169,5<br />
Arbeitstagen Urlaub aus den Jahren 2008–2013. Die Beklagte beschäftigte den Kläger als Exportsachbearbeiter<br />
in der Zeit vom 19.8.1998 bis zum 31.8.2016. Nach dem Arbeitsvertrag belief sich der<br />
Urlaubsanspruch auf 30 Arbeitstage im Jahr. Urlaubsansprüche waren bis spätestens 31. des dem<br />
Urlaubsjahr folgenden Jahres geltend zu machen. Die dem Kläger erteilten Lohn-/Gehaltsabrechnungen<br />
wiesen in den letzten Jahren jeweils den kumulierten Gesamturlaub aus, den die Beklagte dem Kläger in<br />
den Vorjahren nicht gewährt hatte. In der Entgeltabrechnung für Dezember 2014, die – wie alle übrigen<br />
– von einem externen Dienstleister unter Angabe des Namens und der Anschrift der Beklagten erstellt<br />
wurde, ist ein Resturlaub von 169,5 Tagen angegeben. Die Klage auf Abgeltung von aus den Jahren<br />
2008–2013 stammenden Resturlaub im Umfang von 169,5 Arbeitstagen hatte beim LAG Erfolg. Die<br />
Revision der Beklagten führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung (BAG, Urt. v.<br />
19.3.<strong>2019</strong> – 9 AZR 881/16, NZA <strong>2019</strong>, 1046).<br />
Das BAG teilt die Auffassung des LAG nicht, den Entgeltabrechnungen sei zu entnehmen, dass sich die<br />
Beklagte dem Kläger gegenüber hinsichtlich der dort ausgewiesenen restlichen Urlaubstage rechtsgeschäftlich<br />
binden wollte. Die in einer Entgeltabrechnung enthaltene Mitteilung einer bestimmten<br />
Anzahl von Urlaubstagen stelle regelmäßig eine Wissens-, nicht aber eine rechtsgestaltende Willenserklärung<br />
des Arbeitgebers dar. Ihr kommt in aller Regel nicht die Bedeutung zu, der Arbeitgeber wolle den<br />
ausgewiesenen Urlaub auch dann gewähren, wenn er ihn nicht schuldet.<br />
Das Gericht lässt offen, obUrlaubsansprüche verjähren können (ablehnend etwa BAGE 81, 328).<br />
Hinweis:<br />
Siehe hierzu näher unten 6. a: Fehlt es an einer Unterrichtung der Arbeitnehmer über den Umfang ihrer<br />
Urlaubsansprüche und deren möglichen Fortfall zum Jahresende oder ist die Unterrichtung fehlerhaft bzw.<br />
intransparent, so schreibt sich der Urlaub fort, eine Verjährung nach § 195 ff. BGB tritt nicht ein.<br />
Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausginge, die Vorschriften der § 194 ff. BGB über die<br />
Verjährung (die hier gem. § 195 BGB 3 Jahre beträgt), wobei die Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer<br />
Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden<br />
ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) wären auf Urlaubsansprüche anzuwenden, griffe die von der Beklagten<br />
erhobene Einrede der Verjährung nicht durch. Zu dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis der<br />
Parteien endete, waren die aus den Jahren 2008–2013 stammenden Urlaubsansprüche des Klägers nicht<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1247
Fach 17 R, Seite 970<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Arbeitsrecht<br />
verjährt, weil die Verjährung am Tag nach der Erteilung einer jeden Entgeltabrechnung nach § 212 Abs. 1<br />
Nr. 1 BGB jeweils neu in Lauf gesetzt wurde. Die in einer Entgeltabrechnung enthaltene Mitteilung einer<br />
bestimmten Anzahl von Urlaubstagen könne ein rein tatsächliches Anerkenntnis i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 1<br />
BGB enthalten. Liege ein solches vor, beginne die Verjährungsfrist für die in den Abrechnungen<br />
ausgewiesenen Urlaubsansprüche jeweils an dem auf die Abrechnung folgenden Tag erneut zu laufen,<br />
wenn die Verjährungsfrist zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Entgeltabrechnung erteilt,<br />
noch nicht abgelaufen ist.<br />
Die Entgeltabrechnungen, die die Beklagte von einem externen Dienstleister unter Angabe ihres Namens<br />
und ihrer Anschrift erstellen ließ, sind ihr – zumindest nach den Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht<br />
– als eigene Erklärung zuzurechnen. Mit der Beauftragung des Dienstleisters, in dieser Weise Entgelt- und<br />
Urlaubsansprüche der in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abzurechnen, duldete es die Beklagte,<br />
dass der Dienstleister für sie wie ein Vertreter auftrat und damit bei den Arbeitnehmern den Rechtsschein<br />
erweckte, er sei bevollmächtigt, die Ansprüche i.S.v. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB als nicht erfüllt anzuerkennen.<br />
Das BAG gibt dem Berufungsgericht auf, nach der Zurückverweisung die für die Entscheidung des<br />
Streitfalls erheblichen Tatsachen festzustellen und hierbei zu beachten:<br />
Einmal die neuere Rechtsprechung des Senats, wonach der Urlaub gem. § 7 Abs. 3 BUrlG i.d.R. nur verfallen<br />
kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn<br />
klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub andernfalls mit Ablauf des Kalenderjahres<br />
oder Übertragungszeitraums erlischt (BAG NZA <strong>2019</strong>, 977, s. hierzu sogleich unter 6.). Das LAG wird nach<br />
der Zurückverweisung der Sache den Parteien insoweit rechtliches Gehör zu gewähren und dann<br />
aufzuklären haben, ob die Beklagte ihren Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist. Sollte dies der<br />
Fall sein, müsse weiter aufgeklärt werden, ob die Parteien – wie vom Kläger behauptet – im Jahre 2005<br />
eine Vereinbarung bezüglich des Verfalls von Urlaub geschlossen haben, und ggf. welchen konkreten<br />
Inhalt diese Absprache hat. Zwar erlaubt § 13 Abs. 1 BUrlG nicht, gesetzlich zwingende Urlaubsbestimmungen<br />
abzubedingen oder zum Nachteil der Arbeitnehmer zu modifizieren. Dies schließt jedoch<br />
nicht aus, dass die Parteien neben den bestehenden gesetzlichen Rechten vertragliche Ansprüche<br />
begründen etwa des Inhalts, dass der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer vereinbart, verfallenen Urlaub<br />
nachzugewähren. Gleiches gelte für eine Vereinbarung, die nicht die (Nach-)Gewährung verfallenen<br />
Urlaubs, sondern dessen Abgeltung vorsieht.<br />
6. Neues zum Urlaubsrecht<br />
Über die in den letzten zehn Jahren durch die Rechtsprechung des EuGH bewirkten Änderungen im<br />
Urlaubsrecht haben wir wiederholt berichtet, zuletzt <strong>ZAP</strong> F. 17 R, S. 943, 946 ff. Im Berichtszeitraum sind<br />
wiederum zahlreiche Entscheidungen des BAG ergangen, von denen einige nachfolgend darzustellen<br />
sind (vgl. auch die ausführliche Darstellung bei BAYREUTHER, Urlaubsrecht – finalisiert, NZA <strong>2019</strong>, 945).<br />
a) Verfall von Urlaub setzt Unterrichtung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber voraus<br />
In Umsetzung der Entscheidung des EuGH (NZA 2018, 1474), hat das BAG am 19.2.<strong>2019</strong> in vier Urteilen<br />
(vgl. 9 AZR 541/15, NZA <strong>2019</strong>, 982; 9 AZR 4<strong>23</strong>/16, NZA <strong>2019</strong>, 977; 9 AZR 321/16, NZA <strong>2019</strong> 1043; 9 AZR 278/<br />
16, juris) jeweils zum Verfall von Urlaubsansprüchen und der bestehenden Obliegenheit des Arbeitgebers<br />
entschieden. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BurlG) erlischt bei einer<br />
mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des<br />
Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 S. 1 BurlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 S. 3 und 4<br />
BUrlG, § 24 S. 2 MuSchG [2018] oder § 17 Abs. 2 BEEG), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in<br />
die Lage versetzt hat, seine Urlaubsansprüche wahrzunehmen und der Arbeitnehmer den Urlaub<br />
dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Ihren Mitwirkungsobliegenheiten genügen Arbeitgeber<br />
nur dann, wenn sie ihre Arbeitnehmer auf bestehende Urlaubsansprüche: (1) ausdrücklich, (2)<br />
rechtzeitig und (3) völlig transparent hinweisen sowie weiter (4) auf deren Verfall hinweisen, für den<br />
Fall, dass der Arbeitnehmer den Urlaub nicht beantragt. (5) Zugleich muss die Urlaubsnahme auch<br />
tatsächlich möglich sein.<br />
1248 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 971<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Das BAG weist ausdrücklich darauf hin, dass ein widersprüchliches Verhalten während des Jahres<br />
die Ordnungsmäßigkeit der Mitwirkungsobliegenheit nachträglich wieder entfallen lässt, so dass der<br />
Arbeitgeber diese erneut vornehmen muss, will er den Verfall auslösen. Beispielhaft soll dies die<br />
unbegründete oder fehlerhafte Ablehnung eines Urlaubsantrags sein.<br />
Ob Arbeitgeber das Erforderliche getan haben, um ihren Mitwirkungsobliegenheiten zu genügen, ist<br />
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Arbeitgeber tragen insofern die<br />
Darlegungs- und Beweislast.<br />
Haben Arbeitgeber ihre Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt, tritt der am 31.12. des Urlaubsjahres<br />
nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1.1. des Folgejahres entsteht. Für ihn<br />
gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 Abs. 1 S. 1 und 3 BUrlG,<br />
d.h. Arbeitgeber können das uneingeschränkte Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren<br />
Jahren dadurch vermeiden, dass sie ihre Mitwirkungsobliegenheiten für den Gesamturlaubsanspruch<br />
bestehend aus dem neuen Urlaub und dem Urlaub aus dem/den zurückliegenden Urlaubsjahre/n im<br />
aktuellen Urlaubsjahr nachholen.<br />
Hinweise:<br />
1. Zeitliche Grenzen für die Fortschreibung des Urlaubs bei fehlender Information bestehen nicht:<br />
• Wegen § 13 BUrlG greifen individual- oder tarifvertragliche Ausschlussfristen nicht ein (s. BAG, Urt.<br />
v. 19.6.2018 – 9 AZR 615/17, NZA 2018, 1480).<br />
• Der fortgeschriebene Urlaub verjährt nicht nach §§ 195 ff. BGB.<br />
• Ferner gilt nicht die 15‐Monatsgrenze, die nach der Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 7.8.2012 – 9 AZR<br />
353/10, BAGE 142, 371) bei der Übertragung von Urlaub, der wegen Erkrankung im Bezugszeitraum<br />
nicht genommen werden konnte, einschlägig ist. Das BAG nimmt auf diese Grenze keinen Rekurs.<br />
2. Mittelbare zeitliche Grenzen des Urlaubsanspruchs ergeben sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
und Abgeltung des Urlaubs (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Es handelt sich hierbei um einen gewöhnlichen<br />
Geldanspruch, der sowohl nach § 195 BGB verjähren als auch aufgrund wirksam vereinbarter individualbzw.<br />
tarifvertraglicher Ausschlussfristen erlöschen kann.<br />
3. Es besteht kein Vertrauensschutz für Altfälle, die aktuelle Rechtsprechung zu Art. 267 AEUV wirkt auf<br />
den Ablauf der Umsetzungsfrist der ehemaligen Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG (<strong>23</strong>.11.1996) zurück. Der<br />
EuGH hat keinen Vertrauensschutz gewährt. Auf Vorlage des ArbG Verden hat der EuGH die deutschen<br />
Gerichte ausdrücklich angewiesen, keinen Vertrauensschutz zu gewähren (vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2018<br />
– C-385/17, NZA <strong>2019</strong>, 47).<br />
4. Die vorangestellten Grundsätze gelten zunächst für den gesetzlichen Urlaub (§ 3 BUrlG), aber auch für<br />
den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 208 SGB IX (s. etwa LAG Niedersachsen,<br />
Urt. v. 16.1.<strong>2019</strong> – 25 Sa 567/18). Darüber hinausgehende Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche<br />
können Tarif- oder Arbeitsvertragsparteien frei regeln, was die Befugnis einschließt zu bestimmen,<br />
dass der Mehrurlaub am Ende des Jahres oder des Übertragungszeitraums verfällt, ohne dass Arbeitgeber<br />
zuvor ihren Mitwirkungsobliegenheiten entsprochen haben (BAG, Urt. v. 19.2.<strong>2019</strong> – 9 AZR 541/<br />
15, NZA <strong>2019</strong>, 982, für den tariflichen Mehrurlaub). Allerdings weist das BAG auch darauf hin, für den<br />
Willen der Tarifvertragsparteien, den Verfall des Urlaubs abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen<br />
zu regeln, das Vorliegen deutlicher Anhaltspunkte zu fordern. Fehlen solche, sei von einem<br />
Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub<br />
auszugehen.<br />
5. Die Beweislast ist nun genau umgekehrt.<br />
b) Vererbbarkeit des Urlaubsanspruchs<br />
Das BAG hat durch vier Urteile vom 22.1.<strong>2019</strong> (9 AZR 45/16, NZA <strong>2019</strong>, 829; 9 AZR 10/17, NZA <strong>2019</strong>, 832;<br />
9 AZR 328/16, NZA <strong>2019</strong>, 835 und 9 AZR 149/17, NZA <strong>2019</strong>, 985) auf die Rechtsprechung des EuGH (zuletzt<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1249
Fach 17 R, Seite 972<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Arbeitsrecht<br />
Urt. v. 6.11.2018 – C-569/16 und C-570/16, NZA 2018, 1467) reagiert und entschieden, bei richtlinienkonformer<br />
Auslegung der §§ 1, 7 Abs. 4 BUrlG stehe den Erben eines im laufenden Arbeitsverhältnis<br />
verstorbenen Arbeitnehmers ein Anspruch auf Abgeltung des vom Erblasser nicht genommenen Urlaubs<br />
zu. Vererbbar sind auch Ansprüche auf (tarif-)vertraglichen Mehrurlaubsanspruch sowie auf den<br />
Zusatzurlaub schwerbehinderter Menschen nach § 208 Abs. 1 S. 1 SGB IX. Hinsichtlich des Mehrurlaubs<br />
gelten die gleichen Grundsätze wie oben unter a) Hinweis Nr. 4 ausgeführt.<br />
Vererbt wird der Abgeltungsanspruch so, wie er in der Person des Erblassers entstanden wäre. Er<br />
unterliegt tariflichen bzw. individualvertraglichen Ausschlussfristen (BAG, Urt. v. 22.1.<strong>2019</strong> – 9 AZR<br />
149/17, NZA <strong>2019</strong>, 985). Der Erbe hatte, im konkreten Fall, die tarifliche Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 S 1<br />
TVöD zu beachten, obwohl er nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stand und selbst nicht<br />
tarifgebunden war. Dies folgt aus dem Grundsatz der Universalsukzession (§ 1922 Abs. 1 BGB; vgl. BAG,<br />
a.a.O. Rn 34).<br />
c) Kürzung des Urlaubsanspruchs wegen Zeiten von Nichtarbeit<br />
In Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH (NZA 2018, 13<strong>23</strong>) betrachtet das BAG die Bestimmung in<br />
§ 17 Abs. 1 S. 1 BEEG, wonach Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der den Arbeitnehmern für das<br />
Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Monat der Elternzeit um 1 / 12<br />
kürzen können, als europarechtskonform.<br />
Der Urlaub, der nach dieser Vorschrift gekürzt werden kann, verfällt während der<br />
Elternzeit nicht gem. § 7 Abs. 3 BUrlG mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übergangszeitraums<br />
(BAG, Urt. v. 19.3.<strong>2019</strong> – 9 AZR 495/17, NZA <strong>2019</strong>, 1136, ZAT <strong>2019</strong>, 133, 135 m. Anm.; BAG, Urt.<br />
v. 19.3.<strong>2019</strong> – 9 AZR 362/18, ZAT <strong>2019</strong>, 128, 132 m. Anm.). Das BAG entscheidet aber auch, dass das<br />
Kürzungsrecht nur im bestehenden Arbeitsverhältnis durch Abgabe einer (empfangsbedürftigen)<br />
rechtsgeschäftlichen Erklärung ausgeübt werden kann, also nicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.<br />
Das Kürzungsrecht erstreckt sich demnach nicht auf einen Abgeltungsanspruch nach<br />
§ 7 Abs. 4 BUrlG. Kürzungsbefugnis besteht während und nach dem Ende der Elternzeit, nicht jedoch<br />
vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen.<br />
Entgegen früherer Rechtsprechung gestattet es das BAG Arbeitgebern nunmehr, unbezahlte Auszeiten<br />
(Sonderurlaub) bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu berücksichtigen (Urt. v. 19.2.<strong>2019</strong> –<br />
9 AZR 4<strong>23</strong>/16). Eine Kürzung des Urlaubs kommt aber dann nicht in Betracht, wenn ein ruhendes<br />
Arbeitsverhältnis darauf zurückzuführen ist, dass Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht<br />
in der Lage sind, ihre Verpflichtung zur Arbeitsleistung zu erfüllen (vgl. BAG, Urt. v. 22.1.<strong>2019</strong> – 9 AZR<br />
10/17, NZA <strong>2019</strong>, 832 Rn 28).<br />
Hinweise:<br />
Das BAG geht nun von dem Grundsatz aus, dass Erholungsurlaub zweierlei voraussetzt:<br />
• Ein bestehendes Arbeitsverhältnis und<br />
• tatsächliche Arbeitsleistung.<br />
Der tatsächlichen Arbeitsleistung stehen jedoch – wie sich aus dem Übereinkommen Nr. 132 der ILO über<br />
bezahlten Jahresurlaub vom 24.6.1970, Art. 5 Ziff. 4 ergibt – drei Fälle gleich. Danach sind Arbeitsversäumnisse<br />
aus Gründen, die unabhängig vom Willen des beteiligten Arbeitnehmers bestehen, wie beispielsweise:<br />
• Krankheit,<br />
• Unfall oder<br />
• Mutterschaft, als Dienstzeit anzurechnen, d.h. der tatsächlichen Arbeitsleistung gleichzustellen.<br />
Im Übrigen wendet das BAG den Proportionalitätsgrundsatz des § 3 BUrlG an, nach dem der Urlaubsanspruch<br />
im Verhältnis der Arbeitszeit umzurechnen ist (vgl. BAG, Urt. v. 21.5.<strong>2019</strong> – 9 AZR 259/18, BB <strong>2019</strong>,<br />
2291 [LS], Volltext s. https://juris.bundesarbeitsgericht.de/zweitesformat/bag/<strong>2019</strong>/<strong>2019</strong>-09-13/9_AZR_259-18.pdf).<br />
Die Umrechnung führe bei einer Änderung im laufenden Urlaubsjahr zu einer Neuberechnung der<br />
Urlaubsansprüche, ggf. nach Zeitanteilen, weshalb keine erworbenen Ansprüche entzogen, sondern zu<br />
erwerbende Ansprüche konkretisiert würden.<br />
1250 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 973<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Kein Urlaub entsteht daher bei: Sonderurlaub (vgl. BAG, Urt. v. 19.3.<strong>2019</strong> – 9 AZR 406/17, EzA-SD <strong>2019</strong>,<br />
Nr. 19, 5, Rn 28 ff. unter Aufgabe der Rechtsprechung BAG, Urt. v. 6.5.2014, 9 AZR 678/12, NZA 2014, 959<br />
„Charité“), Altersteilzeit im Blockmodell in der Freistellungsphase (vgl. BAG, Urt. v. 24.9.<strong>2019</strong> – 9 AZR<br />
481/18, Pressemitteilung Nr. 30/<strong>2019</strong>; Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urt. v. 13.7.2018 – 6 Sa 272/18, NZA-RR<br />
2018, 648), Sabbatjahr, Elternzeit Null (vgl. BAG, Urt. v. 19.3.<strong>2019</strong> – 9 AZR 495/17, NZA <strong>2019</strong>, 1136, ZAT<br />
<strong>2019</strong>, 133, 135 m. Anm.; BAG, Urt. v. 19.3.<strong>2019</strong> – 9 AZR 362/18, ZAT <strong>2019</strong>, 128, 132 m. Anm.), Kurzarbeit Null<br />
(vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2018 – C-385/17, NZA <strong>2019</strong>, 47).<br />
II.<br />
Kündigungsschutzrecht<br />
1. Verhältnis des Beschäftigungsanspruchs schwerbehinderter Menschen zur unternehmerischen<br />
Organisationsfreiheit<br />
Mit weiterem Urteil (v. 16.5.<strong>2019</strong> – 6 AZR 329/18, NZA <strong>2019</strong>, 1198) hat der Sechste Senat des BAG<br />
erstmalig das Verhältnis des Beschäftigungsanspruchs eines schwerbehinderten Menschen nach § 164<br />
SGB IX im Verhältnis zur unternehmerischen Organisationsfreiheit des Arbeitgebers entschieden.<br />
Dem Senat lag folgender Sachverhalt vor: Der schwerbehinderte Kläger war langjährig bei der<br />
insolventen Arbeitgeberin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterfiel einem tariflichen Sonderkündigungsschutz.<br />
Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt im Rahmen des<br />
zunächst in Eigenverwaltung betriebenen Insolvenzverfahrens, nachdem sie mit dem Betriebsrat einen<br />
Interessenausgleich mit Namensliste i.S.d. § 125 Abs. 1 InsO geschlossen hatte. Die Namensliste enthält<br />
den Namen des Klägers, dessen Arbeitsplatz wegen Umverteilung der noch verbliebenen Aufgaben<br />
nicht mehr besetzt werden muss. Die Hilfstätigkeiten, die er verrichtete, werden nunmehr von den<br />
verbliebenen Fachkräften mit erledigt. Andere Tätigkeiten kann der Kläger nicht ausüben. Er hält die<br />
Kündigung dennoch für unwirksam und beruft sich auf den tariflichen Sonderkündigungsschutz sowie<br />
den Beschäftigungsanspruch aus § 81 Abs. 4 SGB IX a.F.<br />
Die Klage hatte in allen drei Instanzen keinen Erfolg. Die streitgegenständliche Kündigung hat das<br />
Arbeitsverhältnis beendet. Der tarifliche Sonderkündigungsschutz zeigt gem. § 113 S. 1 InsO keine<br />
Wirkung. Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Beschäftigungsanspruch aus<br />
§ 164 Abs. 4 SGB IX/§ 81 Abs. 4 SGB IX a.F. kommt mangels geeigneter Weiterbeschäftigungsmöglichkeit<br />
nicht zum Tragen. Im bestehenden Arbeitsverhältnis können Schwerbehinderte nach § 164 Abs. 4<br />
SGB IX von ihrem Arbeitgeber bis zur Grenze der Zumutbarkeit die Durchführung des Arbeitsverhältnisses<br />
entsprechend ihrer gesundheitlichen Situation verlangen. Dies schließt jedoch eine betriebsbedingte<br />
Kündigung des Arbeitgebers nicht aus, weil schwerbehinderte Menschen keine Beschäftigungsgarantie<br />
nach § 164 SGB IX besitzen. Der Arbeitgeber kann eine unternehmerische Entscheidung<br />
treffen, welche den bisherigen Arbeitsplatz des Schwerbehinderten durch eine Organisationsänderung<br />
entfallen lässt. Dessen besonderer Beschäftigungsanspruch ist dann erst bei der Prüfung etwaiger<br />
Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf einem anderen freien Arbeitsplatz zu berücksichtigen.<br />
Die Arbeitgeberin war nicht verpflichtet, für den Kläger einen Arbeitsplatz zu schaffen oder zu erhalten,<br />
den sie nach ihrem Organisationskonzept nicht mehr benötigt.<br />
Hinweise:<br />
1. Ausgangspunkt ist die gesetzliche Vermutung des § 125 InsO. Sind bei einer Betriebsänderung nach § 111<br />
BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen<br />
Insolvenzverwalter und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird nach § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO<br />
vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt<br />
ist. Dies gilt auch für ein Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung, für das nach §§ 270 Abs. 1 S. 2, 279 S. 1<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1251
Fach 17 R, Seite 974<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Arbeitsrecht<br />
InsO grundsätzlich die gleichen Vorschriften wie für ein Regelinsolvenzverfahren und somit auch die<br />
Vorschriften für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />
gelten (BAG, Urt. v. 7.7.2011 – 6 AZR 248/10).<br />
2. Nach § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern<br />
Anspruch auf Beschäftigung, bei der sie ihre Fertigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten<br />
und weiterentwickeln können. Um eine behinderungsgerechte Beschäftigung zu ermöglichen, ist der<br />
Arbeitgeber nach § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 SGB IX auch zu einer Umgestaltung der Arbeitsorganisation<br />
verpflichtet, um so den Beschäftigungsanspruch des schwerbehinderten Menschen zu erfüllen. Dies<br />
kann eine Umorganisation auch technischen Hilfen beinhalten (vgl. BAG, Urt. v. 14.3.2006 – 9 AZR<br />
411/05, Rn 18; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.3.2010 – 7 Sa 58/10). Der Arbeitgeber ist jedoch in<br />
drei Fällen nicht zur Beschäftigung des schwerbehinderten Menschen verpflichtet, nämlich wenn:<br />
• ihm die Beschäftigung nicht zumutbar wäre,<br />
• mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre, § 164 Abs. 4 S. 3 SGB IX oder<br />
• für den schwerbehinderten Menschen ein zusätzlicher Arbeitsplatz eingerichtet werden müsste<br />
(BAG, Urt. v. 10.5.2005 – 9 AZR <strong>23</strong>0/04 LS und Rn 36 ff. zur Versetzungspflicht).<br />
3. Grundsatz: Das konkrete Organisationskonzept lässt den Arbeitsplatz des schwerbehinderten Klägers<br />
entfallen; dem steht § 164 SGB IX nicht entgegen.<br />
4. Ausnahme: Die Grenzen der freien Unternehmensentscheidung werden i.R.d. Missbrauchskontrolle<br />
erst dann überschritten, wenn eine nach § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG verbotene Diskriminierung wegen der<br />
Behinderung vorliegt. Dazu muss der schwerbehinderte Arbeitnehmer beispielsweise darlegen und<br />
beweisen, dass die Organisationsentscheidung getroffen wurde, um sich den Belastungen zu entziehen,<br />
die aus den besonderen Rechten schwerbehinderter Menschen folgen.<br />
2. Massenentlassung – Kündigung sofort nach Eingang der Massenentlassungsanzeige zulässig<br />
Während das BAG vielfach zu den Anforderungen der Massenentlassungsanzeige entschieden hat, hat<br />
der Fünfte Senat nur erstmalig entschieden, zu welchem Zeitpunkt die Kündigung wirksam erklärt<br />
werden kann (vgl. BAG Urt. v. 26.6.<strong>2019</strong> – 5 AZR 452/18, NZA <strong>2019</strong>, 1361 ff.). Es gilt der Grundsatz: Die<br />
nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige kann auch dann wirksam erstattet<br />
werden, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt ihres Eingangs bei der Agentur für Arbeit bereits zur<br />
Kündigung entschlossen ist. Kündigungen im Massenentlassungsverfahren sind daher – vorbehaltlich<br />
der Erfüllung sonstiger Kündigungsvoraussetzungen – wirksam, wenn die Anzeige bei der zuständigen<br />
Agentur für Arbeit eingeht, bevor dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben zugegangen ist.<br />
Mit Beschluss vom 1.6.2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin<br />
eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Die von ihm verfasste Massenentlassungsanzeige<br />
ging am 26.6.2017 zusammen mit einem beigefügten Interessenausgleich bei der Agentur für<br />
Arbeit ein. Mit Schreiben vom 26.6.2017 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ebenso<br />
wie die Arbeitsverhältnisse der anderen 44 zu diesem Zeitpunkt noch beschäftigten Arbeitnehmer<br />
ordentlich betriebsbedingt zum 30.9.2017. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 27.6.2017 zu.<br />
Dieser macht mit seiner Kündigungsschutzklage u.a. geltend, nach der Rechtsprechung des EuGH habe<br />
der Arbeitgeber auch seiner Anzeigepflicht vor einer Entscheidung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses<br />
nachzukommen. Darum dürfe die Unterschrift unter das Kündigungsschreiben, mit der die<br />
Kündigungserklärung konstitutiv geschaffen werde, erst erfolgen, nachdem die Massenentlassungsanzeige<br />
bei der Agentur für Arbeit eingegangen sei.<br />
Das ArbG hat die Klage abgewiesen, das LAG ihr stattgegeben. Die Revision des Beklagten hatte vor<br />
dem Sechsten Senat des BAG Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LAG.<br />
Das LAG war der Ansicht, die Anzeige müsse die Agentur für Arbeit erreichen, bevor der Arbeitgeber<br />
die Kündigungsentscheidung treffe, was sich in der Unterzeichnung des Kündigungsschreibens<br />
manifestiere.<br />
1252 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 975<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Das selbstständig neben dem nach § 17 Abs. 2 KSchG durchzuführenden Konsultationsverfahren<br />
stehende, in § 17 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 bis 5 KSchG geregelte Anzeigeverfahren dient beschäftigungspolitischen<br />
Zwecken. Die Agentur für Arbeit soll rechtzeitig über eine bevorstehende Massenentlassung<br />
unterrichtet werden, um sich auf die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorbereiten<br />
und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können. Das setzt voraus, dass bereits feststeht,<br />
wie viele und welche Arbeitnehmer konkret entlassen werden sollen.<br />
Auf den Willensentschluss des Arbeitgebers zur Kündigung kann, soll und will die Agentur für Arbeit –<br />
anders als der Betriebsrat im Rahmen des Konsultationsverfahrens – keinen Einfluss nehmen. Die<br />
Kündigung darf allerdings erst dann erfolgen, d.h. dem Arbeitnehmer zugehen (§ 130 Abs. 1 BGB), wenn<br />
die Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingegangen ist. Dies ist durch die<br />
Rechtsprechung des EuGH zu Art. 3 und Art. 4 der Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie)<br />
geklärt, so dass der Senat von einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV abgesehen hat. Nach<br />
Zurückverweisung wird das LAG aufzuklären haben, ob die Massenentlassungsanzeige inhaltlich den<br />
Vorgaben des § 17 Abs. 3 KSchG genügte und ob das Anhörungsverfahren gem. § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG<br />
ordnungsgemäß eingeleitet wurde.<br />
Hinweis:<br />
Das BAG stellt erstmalig klar, dass der unbedingte Kündigungsentschluss des Arbeitgebers im Massenentlassungsanzeigeverfahren<br />
unschädlich ist. Die Kündigung kann daher wirksam unmittelbar nach<br />
Eingang der Massenentlassungsanzeige erklärt werden.<br />
III.<br />
Befristungsrecht<br />
1. Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG (Rechtsprechungsänderung)<br />
Nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG dürfen Arbeitnehmer ohne Sachgrund nur dann befristet eingestellt<br />
werden, wenn zu demselben Arbeitgeber nicht bereits früher einmal ein befristetes oder<br />
unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (Vorbeschäftigungsverbot). Das BAG hat in der<br />
Vergangenheit die Vorschrift dahingehend ausgelegt – seiner Auffassung nach verfassungskonform –,<br />
eine erneute sachgrundlos befristete Einstellung sei dann zulässig, wenn das vorangegangene<br />
Arbeitsverhältnis mehr als 3 Jahre zurückliege (s. etwa BAG, Urt. v. 30.4.2014 – 7 AZN 114/14).<br />
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde war erfolgreich (BVerfG, Beschl.<br />
v. 6.6.2018 – 1BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14, NZA 2018, 774, hierzu FRIELING, jurisPR-ArbR 30/18, Anm. 1).<br />
Das BVerfG erachtet die Einschränkung der „Zuvorbeschäftigung“ für unvereinbar mit dem GG. Es geht<br />
davon aus, dass die gesetzliche Beschränkung befristeter Beschäftigungsformen und die Sicherung<br />
der unbefristeten Dauerbeschäftigung als Regelbeschäftigungsform der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG<br />
ergebenden Pflicht des Staates zum Schutz der strukturell unterlegenen Arbeitnehmer und dem<br />
Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) Rechnung trägt. Die mit einer Beschränkung der<br />
sachgrundlosen Befristung auf die erstmalige Beschäftigung bei dem jeweiligen Arbeitgeber einhergehende<br />
Beeinträchtigung der individuellen Berufsfreiheit ist insofern gerechtfertigt, als es dieser für den<br />
Schutz vor der Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung einer strukturellen Unterlegenheit und zur<br />
Sicherung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Regelfall bedarf. Die Auslegung der Vorschrift<br />
durch das BAG sei mit dem gesetzgeberischen Willen unvereinbar.<br />
Zwar könne sich ein Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben<br />
Arbeitgeber im Einzelfall als unzumutbar erweisen, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in<br />
Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der<br />
sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform<br />
zu erhalten.<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1253
Fach 17 R, Seite 976<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Arbeitsrecht<br />
Dies könne insb. der Fall sein, wenn<br />
• eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt,<br />
• ganz anders geartet war oder<br />
• von sehr kurzer Dauer gewesen ist.<br />
So liege es etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder<br />
Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung<br />
oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiografie, die mit einer<br />
beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht.<br />
Das BAG hat durch Urteil v. 27.1.<strong>2019</strong> (7 AZR 733/16, NZA <strong>2019</strong>,700, hierzu PAUL, juris PR-ArbR 27/<strong>2019</strong><br />
Anm. 4 und LEMBKE/TEGEL, NZA <strong>2019</strong>, 1029 – ferner in den Parallelverfahren vom gleichen Tag: 7 AZR 13/17<br />
und 7 AZR 161/15, s. ferner BAG, Urt. v. 20.3.<strong>2019</strong> – 7 AZR 409/16, NZA <strong>2019</strong>, 1274 u. Urt. v. 17.4.<strong>2019</strong> –<br />
7 AZR 3<strong>23</strong>/17, NZA <strong>2019</strong>, 1271) im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG seine Rechtsprechung,<br />
wonach die grundlose Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig ist, wenn die Vorbeschäftigung des<br />
Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber mehr als 3 Jahre zurückliegt, aufgegeben.<br />
Im Verfahren 7 AZR 733/16 war der Kläger zunächst vom 19.3.2004 bis zum 30.9.2005 als gewerblicher<br />
Mitarbeiter bei der Beklagten, einer Automobilherstellerin, tätig. Mit Wirkung zum 19.8.2013 stellte die<br />
Beklagte ihn erneut auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 18.7.2013 befristet für den Zeitraum bis<br />
zum 28.2.2014 als Facharbeiter im Bereich „Produktion und Logistik“ ein. Die Parteien haben später die<br />
Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 15.8.2015 vereinbart. Mit der am 17.8.2015 beim<br />
Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht<br />
(s. § 17 TzBfG) und die Auffassung vertreten, die Befristung sei wegen seiner Vorbeschäftigung nicht<br />
nach § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt. Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.<br />
Das BAG sieht vorliegend das gesetzliche Verbot der sachgrundlosen Befristung für den Arbeitgeber<br />
nicht als unzumutbar an. Den Zeitraum von 8 Jahren seit der Vorbeschäftigung sieht es als lang, aber<br />
nicht als sehr lang – unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG – an. Die Möglichkeit der<br />
sachgrundlosen Befristung bei einer erneuten Einstellung 8 Jahre nach dem Ende der Vorbeschäftigung<br />
allein wegen des Zeitablaufs dürfte den vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG<br />
verfolgten Zweck, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten,<br />
gefährden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren soziale Sicherung und insb. auch deren<br />
Versorgung im Alter maßgeblich an die Erwerbstätigkeit anknüpft, sind auf langfristige und unbefristete<br />
Arbeitsverhältnisse angewiesen. Die sachgrundlose Befristung soll daher nach der gesetzgeberischen<br />
Konzeption die Ausnahme bleiben, weil dies dazu beiträgt, das unbefristete Dauerarbeitsverhältnis als<br />
Regelfall der Beschäftigung zu erhalten. Diese sachgrundlose Befristung bei der erneuten Einstellung<br />
eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber ist auf Ausnahmefälle zu beschränken. Das wäre<br />
nicht gewährleistet, wenn dieselben Arbeitsvertragsparteien nach Ablauf von 8 Jahren erneut einen<br />
Arbeitsvertrag mit einer sachgrundlosen Befristung abschließen könnten. Da ein Erwerbsleben bei<br />
typisierender Betrachtung mindestens 40 Jahre umfasst, könnte ein Arbeitgeber jedenfalls 4 sachgrundlos<br />
befristete Arbeitsverträge von jeweils zweijähriger Dauer mit demselben Arbeitnehmer<br />
schließen. Damit wäre die grundlose Befristung nicht mehr die Ausnahme und das angestrebte Ziel einer<br />
langfristigen und dauerhaften Beschäftigung würde gefährdet.<br />
Ferner seien die vom Kläger während seiner Vorbeschäftigung geschuldeten Tätigkeiten keine ganz<br />
anderen gewesen als jene, die er ab dem 19.8.2013 zu erbringen hatte. Schließlich sei das erste zwischen<br />
den Parteien begründete Arbeitsverhältnis auch nicht von sehr kurzer Dauer gewesen. Sonstige<br />
Umstände, die im vorliegenden Fall eine verfassungskonforme Einschränkung des Anwendungsbereichs<br />
von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG gebieten könnten, seien nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.<br />
1254 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 977<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Abschließend führt das Gericht aus, ein Arbeitgeber, der im Hinblick auf die Rechtsprechung des Senats<br />
eine sachgrundlose Befristung mit einem Arbeitnehmer vereinbart hat, der bereits länger als 3 Jahre<br />
zuvor bei ihm beschäftigt war, könne sich nicht auf ein rechtlich schützenswertes Vertrauen in die<br />
Senatsrechtsprechung berufen. Höchstrichterliche Rechtsprechung sei kein Gesetzesrecht und erzeuge<br />
gerade keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Ferner sei die bisherige Rechtsprechung des Senats<br />
häufig kritisiert worden (s. etwa LAG Düsseldorf, Urt. v. 4.5.2018 – 6 Sa 64/18).<br />
Hinweise:<br />
1. Der Kläger des Verfahrens 7 AZR 13/17 war bereits früher für fast neun Monate beim beklagten<br />
Automobilhersteller als Montierer angestellt. Knapp 5,5 Jahre nach dem Ende des ersten Arbeitsverhältnisses<br />
wurde er erneut befristet eingestellt, wiederum als Montierer. Das Verfahren 7 AZR 161/15<br />
betraf einen Kläger, der früher 2 Jahre befristet beschäftigt gewesen war. 14,5 Monate später wurde<br />
er zunächst als Leiharbeitnehmer wieder eingesetzt, ca. 3,5 Jahre nach dem Ende des ersten Arbeitsvertrags<br />
schlossen die Parteien erneut einen befristeten Arbeitsvertrag, wonach dieselben Tätigkeiten<br />
wie bei der Vorbeschäftigung geschuldet waren. Auch diesen beiden Entfristungsklagen gab das BAG<br />
statt, ebenso wie in den Verfahren 7 AZR 409/16 (Vorbeschäftigungszeit 8 Jahre) und 7 AZR 3<strong>23</strong>/17; dort<br />
lag das vorangegangene Arbeitsverhältnis sogar 15 Jahre zurück.<br />
2. Das BAG hat mit diesen Urteilen insofern Klarheit geschaffen, als es die frühere Rechtsprechung zur<br />
Einschränkung der Zuvor-Beschäftigung aufgegeben und entschieden hat, dass ein Zeitraum von bis zu<br />
8 Jahren zwischen den Beschäftigungen nicht ausreicht, um das gesetzliche Verbot auszuhebeln und<br />
dass Vertrauensschutz nicht besteht. Offen bleibt, nach welchem Zeitraum man von „sehr langer Zeit“<br />
zwischen den Beschäftigungen ausgehen kann und welche weiteren, bisher unbenannten Gesichtspunkte<br />
eine befristete Neueinstellung rechtfertigen können. Das wird die Rechtsprechung noch zu<br />
klären haben. Am 21.8.<strong>2019</strong> hat nunmehr das BAG entschieden, dass jedenfalls eine Vorbeschäftigung,<br />
die 22 Jahre zurückliegt, das Verbot der sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG nicht<br />
rechtfertigt, da besondere Umstände, die ein anderes Ergebnis bedingen könnten, nicht bestehen<br />
(7 AZR 452/17).<br />
2. Altersgrenze – Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts<br />
Die Parteien des Rechtsstreits (BAG, Urt. v. 19.12.2018 – 7 AZR 70/17, NZA <strong>2019</strong>, 5<strong>23</strong>, s. hierzu ARNOLD/ZEH,<br />
NZA <strong>2019</strong>, 1017) hatten vereinbart, dass ihr Arbeitsverhältnis (der Kläger war bei dem beklagten Land als<br />
Lehrer beschäftigt) endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Schulhalbjahres (31.1.<br />
bzw. 31.7.), in dem die Lehrkraft das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersgrenze<br />
vollendet hat. Mit Änderungsvertrag vom 20.1.2015 vereinbarten sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
abweichend von der vorstehenden Regelung erst mit Ablauf des 31.7.2015. Durch Schreiben vom<br />
3.2.2015 ordnete die Schulleiterin gegenüber dem Kläger für die Zeit vom 1.2. bis 2015 bis einschließlich<br />
31.7.2015 jederzeit widerruflich über die vertraglich festgelegte Regelstundenzahl i.H.v. <strong>23</strong> Wochenstunden<br />
hinaus insgesamt 4 weitere Unterrichtsstunden an. Ferner erklärte die Schulleiterin mit<br />
Schreiben vom 4.3.2015, sie erhöhe die Teilzeitbeschäftigung von <strong>23</strong> Wochenstunden auf eine volle Stelle<br />
mit 25,5 Wochenstunden für den Zeitraum vom 1.2.2015 bis zum 31.7.2015. Damit sei das Schreiben vom<br />
3.2.2015 gegenstandslos.<br />
Die Klage, mit der der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31.7.2015<br />
geltend gemacht hat, blieb in allen Instanzen erfolglos.<br />
Nach § 41 S. 3 SGB VI können die Arbeitsvertragsparteien, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vereinbart haben, den Beendigungszeitpunkt durch<br />
Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses, ggf. auch mehrfach, hinausschieben. Eines Sachgrunds<br />
nach § 14 Abs. 1 TzBfG bedarf es insoweit nicht. Eine derartige weitere Vereinbarung unterliegt nicht der<br />
Befristungskontrolle. Sie enthält keine neue, die bereits bestandene Befristungsabrede ablösende<br />
Befristung, die ihrerseits auf ihre Wirksamkeit überprüft werden könnte. Demnach führte eine etwaige<br />
einvernehmliche Änderung der Arbeitszeit auf Grundlage des Schreibens der Schulleiterin vom 4.3.2015<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1255
Fach 17 R, Seite 978<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Arbeitsrecht<br />
nicht zu einer Unanwendbarkeit von § 41 S. 3 SGB VI. Hinsichtlich des früheren Schreibens der<br />
Schulleiterin vom 3.2.2015 folgt das BAG der Auffassung des LAG, diese Erklärung sei gar nicht auf eine<br />
Inhaltsänderung des Arbeitsvertrags gerichtet, sondern auf eine einseitige Anordnung von Mehrarbeit.<br />
Hinweise:<br />
1. Der Siebte Senat des BAG hat erstmalig zu § 41 S. 3 SGB VI entschieden. Die Entscheidung schafft<br />
Klarheit. § 41 S. 3 SGB VI ist wirksam und ermöglicht ein einfaches Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts.<br />
Die dagegen erhobenen Bedenken sind sowohl unionsrechtlich als auch verfassungsrechtlich<br />
höchstrichterlich ausgeräumt.<br />
2. Im Arbeitgebermandat bleibt Vorsicht geboten. Das BAG hat offen gelassen, ob – wie bei Verlängerung<br />
einer sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG (vgl. dazu BAG, Urt. v. 21.3.2018 – 7 AZR 428/<br />
16, Rn 37, NZA 2018, 999; Urt. v. 16.1.2008 – 7 AZR 603/06, Rn 7, NZA 2008, 701; Urt. v. <strong>23</strong>.8.2006 – 7 AZR<br />
12/06, Rn 15, NZA 2007, 204) – das Tatbestandsmerkmal des Hinausschiebens des Beendigungszeitpunkts<br />
voraussetzt, dass nur der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses unter Beibehaltung<br />
der übrigen Vertragsbedingungen geändert wird. Bei Annahme eines solchen Verständnisses könnte<br />
eine Befristung dann nicht auf § 41 S. 3 SGB X gestützt werden, wenn im Zusammenhang mit der Vereinbarung<br />
über das Hinausschieben des Beendigungstermins weitere Arbeitsbedingungen geändert<br />
wurden. Hingegen stünde eine einvernehmliche Änderung sonstiger Arbeitsbedingungen, die weder<br />
gleichzeitig noch im zeitlichen Zusammenhang mit der Vereinbarung über das Hinausschieben des<br />
Beendigungszeitpunkts erfolgt ist, einer Befristung nach § 41 S. 3 SGB VI nicht entgegen.<br />
3. Grenzen einer tarifvertraglichen Höchstdauer für sachgrundlose Befristung<br />
Nach § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG kann durch Tarifvertrag die Anzahl der Verlängerungen oder die<br />
Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 der Vorschrift festgelegt werden. Letztere<br />
bestimmt, dass die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen<br />
Grundes nur bis zur Dauer von 2 Jahren zulässig ist; bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die höchstens<br />
dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrags zulässig.<br />
Das BAG hat am 17.4.<strong>2019</strong> (7 AZR 410/17) entschieden, dass die in § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG eröffnete<br />
Möglichkeit nicht völlig unbegrenzt gilt. Es bestätigt seine frühere Rechtsprechung (etwa BAG NZA<br />
2018, 999), dass durch Tarifvertrag in diesem Zusammenhang nur geregelt werden kann, eine<br />
sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags bis zur Dauer von 6 Monaten vorzusehen und bis zu<br />
dieser Gesamtdauer die bis zu neunmalige Verlängerung zuzulassen. Im konkreten Fall enthielt der<br />
Tarifvertrag eine Regelung, wonach der Arbeitsvertrag bis zur Gesamtdauer von 7 Jahren ohne Vorliegen<br />
eines sachlichen Grundes befristet werden kann. Diese Bestimmung ist demnach unwirksam. Zur<br />
Begründung seiner Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG verweist das Gericht auf den systematischen<br />
Gesamtzusammenhang und Sinn und Zweck des TzBfG sowie auf unions- und verfassungsrechtliche<br />
Vorgaben. Die Revision der Beklagten gegen das der Befristungskontrollklage stattgebende Berufungsurteil<br />
blieb somit erfolglos.<br />
IV.<br />
Prozessrecht<br />
1. Feststellungsinteresse bei einer Feststellungsklage bzw. Zwischenfeststellungsklage<br />
Die Parteien streiten über die Berücksichtigung von Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten als vergütungspflichtige<br />
Arbeitszeit. Der Kläger hat zunächst für zwei konkret bezeichnete Tage die Bezahlung der<br />
von ihm aufgewendeten Umkleide- und Ruhezeiten einschließlich der dabei angefallenen Wegezeiten,<br />
ersatzweise deren Zeitgutschrift, beantragt. Daneben hat er die auf die Zukunft gerichtete Feststellung<br />
begehrt, dass die Umkleide- und Ruhezeiten einschließlich der dabei veranlassten Wegezeiten als<br />
Arbeitszeit zu berücksichtigen seien. Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien bestehen u.a.<br />
darüber, welche Tätigkeiten i.R.d. Annahme, Abgabe und Bereitstellung von Arbeitsmitteln anfallen<br />
und ob dies täglich der Fall ist; Streit besteht ferner hinsichtlich der Frage, wieviel Zeit der Kläger für die<br />
einzelnen Tätigkeiten aufwendet.<br />
1256 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 979<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Nach Klageabweisung hat der Kläger im Berufungsverfahren auf Anregung des LAG die Berufung im<br />
Hinblick auf den Leistungsantrag zurückgenommen und nur noch beantragt, festzustellen, dass die<br />
unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Klägers erforderlichen Zeiten des An- und<br />
Ablegens der Unternehmensbekleidung im Betrieb einschließlich der dabei veranlassten Wegezeiten<br />
und der Annahme, Abgabe und Bereitstellung von Arbeitsmitteln einschließlich der dabei veranlassten<br />
Wegezeiten als Bestandteil der von der Beklagten geschuldeten tariflichen Regelarbeitszeit vergütungspflichtig<br />
sind. Das LAG hat der Berufung teilweise stattgegeben, bis auf den Feststellungsantrag<br />
hinsichtlich der Ruhezeiten.<br />
Die Revision des Klägers blieb erfolglos. Aufgrund der begründeten Revision der Beklagten hat das BAG<br />
das Urteil des LAG teilweise – soweit es dem Feststellungsantrag hinsichtlich der Umkleide- und der dabei<br />
veranlassten Wegezeiten stattgegeben hat – aufgehoben und zurückverwiesen (BAG, Urt. v. 7.2.<strong>2019</strong> –<br />
6 AZR 84/18, NZA <strong>2019</strong>, 726).<br />
Seine Entscheidung begründet das BAG damit, sowohl der im Revisionsverfahren gestellte Feststellungsantrag<br />
des Klägers sei unzulässig als auch die im Berufungsverfahren gestellten weiteren<br />
Feststellungsanträge, denen das LAG zu Unrecht stattgegeben habe. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage<br />
auf Feststellung oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein<br />
rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald<br />
festgestellt wird. Dieses besondere Feststellungsinteresse muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder<br />
Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts<br />
wegen zu prüfen. Ein solches Interesse ist nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den<br />
Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien<br />
abschließend geklärt werden kann. Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden<br />
geschaffen wird. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen<br />
über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen.<br />
Das setzt bei einem auf die Feststellung der Rechtsgrundlage für die Vergütung gerichteten Antrag<br />
jedenfalls voraus, dass über weitere Faktoren, die die Vergütungshöhe bestimmen, kein Streit besteht<br />
und die konkrete Bezifferung dann lediglich eine Rechenaufgabe ist, die von den Parteien ebenso<br />
unstreitig durchgeführt werden kann für die Umsetzung der weiteren Zahlungsmodalitäten. Andernfalls<br />
müssen auch die weiteren Berechnungskriterien zum Gegenstand des Feststellungsantrags gemacht<br />
werden, damit nicht lediglich eine Vorfrage geklärt wird. Wie das konträre Vorbringen der Parteien im<br />
Rechtsstreit vorliegend zeigt, wären mit der Rechtskraft der begehrten Entscheidung weitere<br />
gerichtliche Auseinandersetzungen über den Vergütungsanspruch zwischen ihnen nicht auszuschließen.<br />
Ein Feststellungsinteresse ist nicht ausnahmsweise deswegen entbehrlich, weil es sich bei den<br />
Anträgen um eine zulässige Zwischenfeststellungsklage i.S.d. § 256 Abs. 2 ZPO handelt. Nach dieser<br />
Vorschrift kann zugleich mit der Hauptklage auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden,<br />
d.h. vorgreiflichen, Rechtsverhältnisses geklagt werden. Die Zwischenfeststellungsklage trägt dem<br />
Umstand Rechnung, dass gem. § 322 ZPO nur die Entscheidung über den Klageanspruch, nicht aber<br />
auch über das ihn bedingende Rechtsverhältnis in Rechtskraft erwächst und demgemäß ein späterer<br />
Rechtsstreit derselben Parteien über weitere auf das vorgreifliche Rechtsverhältnis gestützte<br />
Ansprüche zu einer abweichenden Beurteilung führen können. Mit ihr wird ein Element aus der<br />
Gesamtentscheidung, das geeignet ist, über den konkreten Einzelfall hinaus Rechtssicherheit und<br />
Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten herzustellen, verselbstständigt und mit eigener<br />
Rechtskraft versehen. Das für eine solche Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt darum<br />
nur dann vor, wenn das inzident ohnehin zu klärende streitige Rechtsverhältnis noch über den<br />
gegenwärtigen Prozess hinaus zwischen den Parteien Bedeutung hat oder jedenfalls gewinnen<br />
kann. Werden jedoch mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien mit<br />
Rechtskraftwirkung erschöpfend geregelt, ist bzw. wird die Zwischenfeststellungsklage unzulässig.<br />
Die Vorgreiflichkeit muss im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz<br />
(noch) vorliegen. Vorliegend fehlt es zum Zeitpunkt der Entscheidung des LAG an einer Haupt-<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1257
Fach 17 R, Seite 980<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Arbeitsrecht<br />
klage und damit an der Vorgreiflichkeit der begehrten Feststellung für diese. Hinsichtlich seiner<br />
ursprünglichen Klage auf Zahlung bzw. Zeitgutschrift für zwei konkrete Tage (Hauptklage) hat er<br />
seine Berufung zurückgenommen und seitdem nur noch den Feststellungsantrag weiterverfolgt.<br />
2. Rechtsweg: Fremdgeschäftsführer – arbeitgeberähnliche Person<br />
Die Parteien streiten im Rechtswegbestimmungsverfahren und in der Hauptsache über eine außerordentliche<br />
Kündigung. Die Klägerin ist Fremdgeschäftsführerin einer GmbH. Sie ist schwerbehindert<br />
mit einen GdB von 50. Die Klägerin kündigte Mitte Juli 2017 ihren Dienstvertrag ordentlich zu Ende 2018.<br />
Daraufhin kündigte die beklagte GmbH ihrerseits Ende Juli 2017 außerordentlich und berief die Klägerin<br />
mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführerin ab. Im August 2017 erhob die Klägerin Klage vor dem<br />
Arbeitsgericht, die auf Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung gerichtet<br />
war. Der Dienstvertrag sieht u.a. vor, die Klägerin sei „als Organvertreterin Leitende Angestellte (§ 14 Abs. 1<br />
KSchG)“, schulde ihre „volle Arbeitskraft“ und habe ihren Urlaub mit den „betrieblichen Belangen<br />
abzustimmen“. Die Beklagte rügt den Rechtsweg und hält das LG für zuständig.<br />
ArbG und LAG haben den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen bejaht. Das BAG (BAG, Beschl.<br />
v. 21.1.<strong>2019</strong> – 9 AZB <strong>23</strong>/18, ZAT <strong>2019</strong>, 58 m. Anm.) hebt die Entscheidung auf und verweist den<br />
Rechtsstreit an das Landgericht. Erstens liegt dem ArbGG der nationale Arbeitnehmerbegriff zugrunde,<br />
weil das Gesetz nicht in Umsetzung von Unionsrecht ergangen ist. Alsdann sperre § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG<br />
nicht, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung wegen der vorherigen Abberufung kein Organ<br />
mehr gewesen sei.<br />
Die Klägerin habe die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung geltend gemacht; der Erfolg der<br />
Klage hänge, da § 626 BGB für Arbeits- und Dienstverträge gelte, nicht von ihrem Arbeitnehmerstatus<br />
ab, sog. „et-et-Fall“. Ein „sic-non-Fall“ liege nur dann vor, wenn die Klage nur Erfolg haben könne, wenn<br />
ein Arbeitsverhältnis in Rede stehe. In diesem Fall reiche für den Rechtsweg zum ArbG die bloße<br />
Rechtsbehauptung aus, es liege ein Arbeitsverhältnis vor. Bei den „et-et-“ und „aut-aut-Fällen“ bedürfe<br />
es dagegen eines schlüssigen Vortrags zum Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Den habe die Klägerin<br />
nicht vorgetragen. Weder der Dienstvertrag noch der Vortrag, sie unterliege Weisungen, genügt dafür.<br />
Die Weisungen sind allein die gesellschaftsrechtlich bestimmten nach § 37 GmbHG.<br />
Zuletzt prüft der Senat, ob die Klägerin arbeitnehmerähnliche Person ist, weil diese als Arbeitnehmer i.S.d.<br />
§ 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG gelten und das LAG dies bejaht hatte. Der Neunte Senat verneint dies. Zwar liege<br />
das erste Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit vor, weil die Klägerin zur Sicherung ihrer Existenzgrundlage<br />
auf die Bezüge aus dem Dienstvertrag angewiesen sei. Es fehle aber am zweiten Merkmal: der<br />
einem Arbeitnehmer vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit. Dies folge aus dem Amt, den<br />
Vertretungsbefugnissen aus § 35 GmbHG und der Ausübung der Arbeitgeberfunktion.<br />
Hinweise:<br />
1. Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr und ist deshalb keine<br />
arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgeberähnliche Person. Der 9. Senat schließt sich dem 2. Senat<br />
(BAG, Urt. v. 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, GmbHR 2006, 592 m. Anm. HAASE) an und hält die Bejahung der<br />
Arbeitnehmereigenschaft bei Geltung des nationalen Arbeitnehmerbegriffs nur in „extremen Ausnahmefällen“<br />
für möglich (zur Anwesenheit des GmbH-Geschäftsführers zu den betrieblichen Arbeitszeiten:<br />
LAG Nürnberg, Beschl. v. 7.7.2016 – 7 Ta 48/16, BeckRS 2016, 118096). Der Neunte Senat stellt generellabstrakt<br />
klar, dass bei einem Fremdgeschäftsführer eine „Arbeitgeberähnlichkeit“ vorliegt.<br />
2. Vorsicht: Zahlreiche Gesetze, die Arbeitnehmerähnliche den Arbeitnehmern gleichstellen, gehen auf<br />
den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zurück. Diesen erfüllen jedoch Fremdgeschäftsführer (vgl.<br />
§ 2 Abs. 2 BUrlG; § 6 Abs. 1 AGG; § 2 Abs. 2 ArbSchG; § 1 Abs. 2 Nr. 7 MuSchG; nationaler Begriff dagegen:<br />
§ 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG, § 2 Abs. 3 FPfZG und § 26 Abs. 8 Nr. 6 BDSG).<br />
3. Die Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers soll – so der Neunte Senat – nicht der vorherigen<br />
Zustimmung des Integrationsamts bedürfen. Das entspricht der h.M., weil dem SGB IX nicht der uni-<br />
1258 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 981<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
onsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zugrunde liegt, so dass schwerbehinderte GmbH-Geschäftsführer<br />
insoweit schutzlos sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.10.2012 – 6 U 47/12, GmbHR 2012, 1347 m. Anm.<br />
BRÖTZMANN).<br />
4. Der EuGH hält die Versagung des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Beamte unter<br />
Hinweis auf Art. 27 der Behindertenrechtskonvention (BRK) für eine unionswidrige Ungleichbehandlung<br />
(EuGH, Urt. v. 9.3.2017 – C-406/15). Soweit aber Art. 27 BRK unmittelbar geltendes Unionsrecht darstellt,<br />
stellt sich die Frage, ob es sachlich gerechtfertigt, ist, GmbH-Geschäftsführern diesen Schutz zu<br />
versagen?<br />
5. Der BGH (Urt. v. 26.3.<strong>2019</strong> – II ZR 244/17, DB <strong>2019</strong>, 1138) hat für einen Fall verbotener Altersdiskriminierung<br />
entschieden, dass Fremdgeschäftsführer einer GmbH, die nicht unter das KSchG fallen, Arbeitnehmer i.S.v.<br />
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG sind (noch offen gelassen: BGH, Urt. v. <strong>23</strong>.4.2012 – II ZR 163/10, GmbHR 2012, 845 m.<br />
Anm. BRÖTZMANN). Der BGH folgt der durch „Danosa“ (EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-<strong>23</strong>2/09, ArbRB 2010, 358)<br />
und „Balkaya“ (EuGH, Urt. v. 9.7.2015 – C-229/14, ZIP 2015, 1555 Rn 38) angestoßenen Entwicklung und hält<br />
GmbH-Geschäftsführer bei Zugrundelegung des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs für Arbeitnehmer.<br />
Liegt einer Norm der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zugrunde, steht der jeweilige durch das<br />
Gesetz vermittelte Schutz auch GmbH-Geschäftsführern zu. Findet der nationale Arbeitnehmerbegriff<br />
Anwendung, sind GmbH-Geschäftsführer regelmäßig weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche<br />
Personen (BAG, Beschl. v. 21.1.<strong>2019</strong> – 9 AZB <strong>23</strong>/18, ZAT <strong>2019</strong>, 58 m. Anm.). Der BGH stellt aber auch klar,<br />
dass die unmittelbare Anwendung des § 6 Abs. 3 AGG deshalb scheitert, weil nach deutschem Recht keine<br />
Auslegung gegen den Wortlaut und den Willen des Gesetzgebers zulässig ist. Auch eine unionsrechtskonforme<br />
Auslegung dürfe nicht zu einer Auslegung contra legem nach nationalem Recht führen. Die<br />
Entscheidung des OLG Hamm zur Rechtfertigung ist mit Spannung zu erwarten: Der Zweite Senat gab<br />
den Hinweis, betriebs- und unternehmensbezogene Interessen könnten eine Ungleichbehandlung wegen<br />
des Alters jedenfalls insoweit rechtfertigen, wie sie sich als Teil eines sozialpolitischen (Gesamt-)Ziels<br />
darstellten. Wollte der Senat damit andeuten, dass Organe zwar Arbeitnehmer im unionsrechtlichen<br />
Sinne seien, aber bzgl. des Alters doch anders behandelt werden sollten?<br />
V. Sozialrecht<br />
Ende des Insolvenzgeldzeitraums bei Betriebsübergang<br />
Nach § 165 Abs. 1 S. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld,<br />
wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen<br />
3 Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt<br />
nach § 165 Abs. 1 S. 2 SGB III:<br />
• die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (Nr. 1),<br />
• die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (Nr. 2) oder<br />
• die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des<br />
Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels<br />
Masse nicht in Betracht kommt (Nr. 3).<br />
Hinweis:<br />
Insg ist innerhalb der (materiellrechtlichen) Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 S. 1 SGB III von zwei Monaten<br />
nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Die Frist verlängert sich bei unverschuldeter Fristversäumnis<br />
um weitere zwei Monate nach Wegfall des Hinderungsgrundes (§ 324 Abs. 3 S. 2 SGB III – spezialgesetzliche<br />
Ausprägung des Rechtsinstituts der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X). Den maßgeblichen<br />
Sorgfaltsmaßstab regelt § 324 Abs. 3 S. 3 SGB III.<br />
Vorliegend hatte das zuständige Amtsgericht am 30.7.2015 Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />
über das Vermögen der ehemaligen Arbeitgeberin der Klägerin – das Arbeitsverhältnis<br />
bestand bis zum 31.1.2015 – abgelehnt (Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB III). Die Klägerin<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1259
Fach 17 R, Seite 982<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Arbeitsrecht<br />
hatte offene Lohnansprüche für die Monate November 2014 bis Januar 2015. Es kam in Betracht, dass<br />
zum 12.12.2014 ein Betriebsübergang nach § 613a BGB eingetreten war. Die Agentur für Arbeit hatte<br />
im Hinblick darauf Insolvenzgeld nur bis zum 11.12.2014 gezahlt. Das LSG hatte unter Abänderung der<br />
erstinstanzlichen Entscheidung der Klägerin Insolvenzgeld bis einschließlich Ende Januar 2015<br />
zugesprochen. Es ließ offen, ob tatsächlich ein Betriebsübergang vorliege. Es widerspreche dem Zweck<br />
des Insolvenzgeldes, wenn Arbeitnehmer nach einer durch ein gesetzliches Insolvenzereignis eingetretenen<br />
Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers auf das Ergebnis des Insolvenzverfahrens bzw. die<br />
Geltendmachung von ausstehenden Arbeitsentgeltansprüchen gegen Dritte verwiesen würden.<br />
Das BSG folgt dem nicht, hob das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten<br />
Verhandlung und Entscheidung zurück (BSG, Urt. v. 26.2.<strong>2019</strong> – B 11 AL 3/18 R).<br />
Der Ausgleich von Ansprüchen auf rückständiges Arbeitsentgelt durch Insg i.S.d. § 165 Abs. 1 S. 1 SGB III<br />
erfolgt, so das BSG, nur für solche arbeitsrechtlichen Ansprüche, die in den Insolvenzgeldzeitraum<br />
fallen. Gesichert wird nicht jegliches ausgefallenes Arbeitsentgelt im Zusammenhang mit einer<br />
Insolvenz, sondern nur arbeitsrechtliche Ansprüche der Arbeitnehmer gegen konkrete Arbeitgeber,<br />
die wiederum von einem der in § 165 Abs. 1 S. 2 SGB III bezeichneten Insolvenzereignisse betroffen sein<br />
müssen. Im Falle eines Betriebsübergangs vor dem Insolvenzereignis endet der Insolvenzgeldzeitraum<br />
trotz fortbestehenden Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers mit der Betriebsübernahme<br />
durch den neuen Erwerber. Wegen eines Insolvenzereignisses bei dem (bisherigen) Arbeitgeber steht<br />
Insg nur bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs zu. Dies folgt aus § 613a BGB. Geht ein Betrieb oder<br />
Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser nach § 613a Abs. 1 S. 1<br />
BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen<br />
ein (gesetzliche Rechtsfolge des Betriebsübergangs). Nur für Verpflichtungen, die vor dem<br />
Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind, haften bisheriger Arbeitgeber und neuer Inhaber als<br />
Gesamtschuldner (§ 613a Abs. 2 BGB).<br />
Hinweis:<br />
In dem Fall gesamtschuldnerischer Haftung besteht, wie das BSG früher entschieden hat, ein Insolvenzgeld-<br />
Anspruch: Das Gesetz sieht nicht vor, dass der Anspruch auf Insg nicht oder erst entsteht, wenn auch<br />
der Dritte zahlungsunfähig geworden ist (s. BSG, Urt. v. 2.11.2000 – B 11 AL <strong>23</strong>/00 R). Bei einer solchen<br />
Fallgestaltung – die hier jedoch nicht vorliegt – wäre demnach die Frage des Eintritts eines Betriebsübergangs<br />
unerheblich.<br />
Demnach besteht für den Fall, dass ein Betriebsübergang am 12.12.2014 eingetreten sein sollte, ab<br />
diesem Zeitpunkt kein Anspruch der Klägerin auf Arbeitsentgelt gegen den früheren Arbeitgeber und<br />
demnach auch kein Anspruch auf Insolvenzgeld.<br />
Das LSG durfte demnach nicht offen lassen, ob vorliegend ein i.S.v. § 613a BGB erfolgt ist. Dies wird im<br />
neu eröffneten Berufungsverfahren zu klären sein. Das BSG entscheidet ferner, dass dann, wenn sich<br />
nach Ausschöpfung der Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts nicht feststellen lässt, ob ein<br />
Betriebsübergang stattgefunden hat, die Beklagte hierfür die objektive Beweislast (Feststellungslast)<br />
trägt. Insofern verweist das BSG auf seine st. Rspr. (s. etwa BSG, Urt. v. 14.10.2014 – B 1 KR 27/13 R, Rn 18<br />
m.w.N.), wonach die Unerweislichkeit einer Tatsache im Zweifel zulasten des Beteiligten geht, der aus<br />
ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet. Nach diesen Grundsätzen trägt die Beklagte die objektive<br />
Beweislast für das Vorliegen eines Betriebsübergangs im Insolvenzgeldzeitraum, da dies zu einer für die<br />
Arbeitsverwaltung vorteilhaften Kürzung der Insolvenzgeldzahlung führen kann.<br />
1260 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Gebührenrecht Fach 24, Seite 17<strong>23</strong><br />
Das Quotenvorrecht<br />
Gebührenrecht<br />
Das Quotenvorrecht in der Rechtsschutzversicherung<br />
Von Rechtsanwalt NORBERT SCHNEIDER, Neunkirchen<br />
Inhalt<br />
I. Gesetzliche Grundlage<br />
II. Bedeutung für die Praxis<br />
III. Die verschiedenen Konstellationen<br />
IV. Volle Erstattungspflicht des Gegners<br />
V. Kostenverteilung nach Quoten<br />
1. Überblick<br />
2. Nach Saldierung der wechselseitigen<br />
Kostenerstattungsansprüche verbleibt<br />
ein Kostenerstattungsanspruch des<br />
Mandanten, der die nicht gedeckten<br />
Kosten abdeckt<br />
3. Nach Saldierung der wechselseitigen<br />
Kostenerstattungsansprüche verbleibt<br />
kein Kostenerstattungsanspruch des<br />
Mandanten<br />
4. Nach Saldierung der wechselseitigen<br />
Kostenerstattungsansprüche verbleibt<br />
zwar ein Kostenerstattungsanspruch<br />
des Mandanten, der allerdings nicht<br />
ausreicht, um die nicht gedeckten Kosten<br />
abzudecken<br />
VI. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben<br />
1. Überblick<br />
2. Kein Erstattungsanspruch<br />
3. Erstattungsanspruch gegen den Gegner<br />
VII. Fazit<br />
I. Gesetzliche Grundlage<br />
Das Quotenvorrecht hat in der Rechtsschutzversicherung – ebenso wie in allen anderen Versicherungssparten<br />
– seine Grundlage in § 86 Abs. 1 S. 2 VVG. Auch bei einer Rechtsschutzversicherung handelt es<br />
sich nämlich um eine Schadensversicherung (OLG Köln NJW 1973, 905; AG Köln AGS 2007, 379 = JurBüro<br />
2006, 546 = RVGreport 2007, 198; HARBAUER/SCHNEIDER, ARB, 9. Aufl. 2018, § 17 ARB 2000 Rn 170 ff.;<br />
VAN BÜHREN, ARB, 3. Aufl. 2013, § 5 ARB 2010 Rn 106, 171; K. SCHNEIDER, Rechtsschutzversicherung für<br />
Anfänger, Rn 476 ff.).<br />
Nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG gehen daher Schadenersatzansprüche des Versicherten gegen einen Dritten<br />
– hier also materielle und prozessuale Kostenerstattungsansprüche – auf den Versicherer über,<br />
soweit dieser die zugrunde liegenden Kosten bezahlt. Der Versicherungsnehmer muss sich dann der<br />
Durchsetzung dieser Ansprüche enthalten und dies seinem Versicherer überlassen. Dem Versicherer<br />
steht insoweit im Wege der cessio legis ab dem Moment der Zahlung ein Anspruch gegen den<br />
Erstattungsschuldner zu.<br />
Werden solche übergegangenen Kostenerstattungsansprüche an den Versicherungsnehmer ausgezahlt,<br />
müssen diese Gelder an den Versicherer weitergeleitet werden.<br />
Das Gleiche gilt, wenn solche übergegangenen Kostenerstattungsansprüche an den Anwalt des<br />
Versicherungsnehmers ausbezahlt werden. Auch er muss diese Gelder an den Versicherer weiterleiten.<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1261
Fach 24, Seite 1724<br />
Das Quotenvorrecht<br />
Gebührenrecht<br />
Insoweit kann gegen den Auszahlungsanspruch des Versicherers weder mit eigenen Forderungen<br />
gegen den Mandanten noch mit Forderungen des Mandanten gegen den Versicherer aufgerechnet<br />
werden. Da nach den ARB zudem eine Abtretung von Ansprüchen des Versicherungsnehmers gegen<br />
den Versicherer ausgeschlossen ist (§ 17 Abs. 8 ARB 2010; 4.1.7. ARB 2012), kann sich der Anwalt auch<br />
nicht Freistellungs- oder Zahlungsansprüche des Mandanten wirksam abtreten lassen und dann<br />
aufrechnen.<br />
§ 86 Abs. 1 VVG enthält allerdings zwei wichtige Einschränkungen des Forderungsübergangs:<br />
1. Der Forderungsübergang tritt nur insoweit ein, als der Versicherer auch geleistet hat (§ 86 Abs. 1<br />
S. 1 VVG). Soweit er nicht geleistet hat, etwa weil bestimmte Kostenpositionen nicht versichert<br />
sind, geht ein darauf gerichteter Erstattungsanspruch folglich erst gar nicht auf ihn über.<br />
2. Liegen die Voraussetzungen des Forderungsübergangs nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG vor, dann unterbleibt<br />
dieser dennoch, wenn der Übergang zum Nachteil des Versicherungsnehmers erfolgen würde (§ 86<br />
Abs. 1 S. 2 VVG). Von Nachteil für den Versicherungsnehmer wäre ein Forderungsübergang dann,<br />
wenn bei ihm noch vom Versicherungsschutz nicht gedeckte Kosten offenstünden und er diese nicht<br />
vorab aus der Kostenerstattung entnehmen dürfte.<br />
Vereinfacht ausgedrückt: Zahlt der Rechtsschutzversicherer, gehen entsprechende Kostenerstattungsansprüche<br />
i.R.d. Zahlung auf ihn über. Soweit dem Versicherungsnehmer darüber hinaus kongruente<br />
Kosten entstanden sind, die nicht unter den Versicherungsschutz fallen (s. hierzu KLAUS SCHNEIDER, a.a.O.,<br />
Rn 477), können auch die Erstattungsansprüche wegen dieser Kosten nicht auf den Rechtsschutzversicherer<br />
übergehen, sondern bleiben beim Versicherungsnehmer und können von ihm eingezogen<br />
werden.<br />
II. Bedeutung für die Praxis<br />
Besondere Bedeutung in der Praxis hat das Quotenvorrecht für:<br />
• eine vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung,<br />
• vom Versicherungsschutz nicht gedeckte Reisekosten des Anwalts,<br />
• vom Versicherungsschutz nicht erfasste Kosten eines Terminsvertreters und<br />
• vom Versicherungsschutz ohnehin nicht erfasste Parteikosten im Inland.<br />
III. Die verschiedenen Konstellationen<br />
Für die Durchsetzung und Ausübung des Quotenvorrechts sind verschiedene Konstellationen zu<br />
beachten.<br />
• Ergibt sich zugunsten des Mandanten ein einseitiger Kostenerstattungsanspruch (s. IV.) oder ergibt<br />
sich nach Kostenausgleichung ein ausreichend hoher Erstattungsanspruch, um die nicht gedeckten<br />
Kosten davon zu decken (s. V. 2.), ist die Durchsetzung des Quotenvorrechts relativ einfach.<br />
• Liegt eine Kostenquotierung zugrunde, bei der dem Versicherungsnehmer zwar ein eigener<br />
Kostenerstattungsanspruch zusteht, dieser aber im Wege der Ausgleichung ganz oder teilweise<br />
untergeht, ist die Durchsetzung etwas schwieriger (s. V. 3. u. 4).<br />
• Werden die Kosten gegeneinander aufgehoben, ist wiederum anders zu verfahren (s. VI.).<br />
IV. Volle Erstattungspflicht des Gegners<br />
Soweit die Gegenseite die Kosten in voller Höhe zu tragen hat, wird sich die Frage des Quotenvorrechts<br />
in aller Regel nicht stellen, da dann der Mandant seine nicht gedeckten Kosten ohnehin in voller<br />
Höhe von der Gegenseite erstattet erhält und ein Forderungsübergang zu seinem Nachteil nicht<br />
stattfinden kann.<br />
1262 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Gebührenrecht Fach 24, Seite 1725<br />
Das Quotenvorrecht<br />
Beispiel 1:<br />
Der Mandant wohnt in München und beauftragt dort einen Anwalt, für ihn vor dem LG Augsburg<br />
(Entfernung 71 km) Klage zu erheben. Der Streitwert beläuft sich auf 20.000 €. Die Kosten des<br />
Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt. Der Mandant ist rechtsschutzversichert bei einer<br />
Selbstbeteiligung von 200 €.<br />
Der Anwalt rechnet wie folgt ab:<br />
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 964,60 €<br />
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 890,40 €<br />
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />
4. Reisekosten zum Termin, 2 × 71 km x 0,30 €, Nr. 7003 VV RVG 42,60 €<br />
5. Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG 25,00 €<br />
6. Parkgebühren (netto), Nr. 7006 VV RVG 3,36 €<br />
Zwischensumme 1.945,96 €<br />
7. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 369,73 €<br />
Gesamt 2.315,69 €<br />
Der Rechtsschutzversicherer zieht von der vorstehenden Rechnung die Reisekosten zuzüglich<br />
anteiliger Umsatzsteuer ab sowie die vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung i.H.v. 200 €. Er zahlt<br />
also vertragsgemäß nur:<br />
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 964,60 €<br />
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 890,40 €<br />
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />
Zwischensumme 1.875,00 €<br />
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 356,25 €<br />
Zwischensumme 2.<strong>23</strong>1,25 €<br />
5. abzgl. Selbstbeteiligung - 200,00 €<br />
Gesamt 2.031,25 €<br />
Des Weiteren zahlt er die 3,0-Gerichtsgebühr i.H.v. 1.035 €.<br />
Im Kostenfestsetzungsverfahren werden jetzt angemeldet die Kosten des Anwalts einschließlich seiner<br />
Reisekosten sowie die eingezahlte Gerichtsgebühr. Des Weiteren werden noch folgende Parteikosten<br />
gem. § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m. dem JVEG zur Festsetzung angemeldet:<br />
1. Reisekosten zum Termin, 2 × 71 km x 0,25 €/km 42,60 €<br />
2. Zeitversäumnis 3 Stunden x 3,50 €/Stunde 10,50 €<br />
3. Parkgebühren 4,00 €<br />
Gesamt 57,10 €<br />
Diese Kosten werden auch festgesetzt, da sowohl die Reisekosten des Anwalts als auch die Parteikosten<br />
erstattungsfähig sind. Insgesamt werden somit gegen den Beklagten festgesetzt:<br />
Anwalt 2.315,69 €<br />
3,0-Gerichtsgebühr 1.035,00 €<br />
Parteikosten 57,10 €<br />
Gesamt 3.407,79 €<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1263
Fach 24, Seite 1726<br />
Das Quotenvorrecht<br />
Gebührenrecht<br />
Dieser Anspruch geht nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG in Höhe der vom Rechtsschutzversicherer gezahlten<br />
Beträge auf diesen über:<br />
Anwaltskosten 2.031,25 €<br />
Gerichtsgebühr 1.035,00 €<br />
Gesamt 3.066,25 €<br />
Nicht übergehen, also beim Mandanten verbleiben, (3.407,79 €–3.066,25 € =) 341,54 €.<br />
Dem Mandanten entsteht durch den Forderungsübergang auf den Versicherer kein Nachteil, weil ihm in<br />
Höhe der nicht gedeckten Kosten, nämlich:<br />
die nicht gedeckten Reisekosten des Anwalts i.H.v. brutto 84,44 €<br />
die Selbstbeteiligung 200,00 €<br />
die eigenen Parteikosten 57,10 €<br />
Gesamt 341,54 €<br />
der Erstattungsanspruch gegen den Gegner in voller Höhe verbleibt.<br />
Zu beachten ist insoweit allenfalls der Vorrang des Versicherungsnehmers. Die ersten 341,54 €, die auf die<br />
Kostenerstattung gezahlt werden, stehen dem Versicherungsnehmer zu. Erst die weiteren Zahlungen sind<br />
an den Versicherer weiterzuleiten.<br />
V. Kostenverteilung nach Quoten<br />
1. Überblick<br />
Problematischer wird es, wenn die Kosten des Rechtsstreits quotiert worden sind. Hier sind wiederum<br />
drei Fälle zu unterscheiden:<br />
1. Nach Kostenausgleichung verbleibt zugunsten des Mandanten ein Erstattungsanspruch, der die nicht<br />
gedeckten Kosten übersteigt.<br />
2. Nach Kostenausgleichung ergibt sich ein Kostenerstattungsanspruch des Gegners.<br />
3. Nach Kostenausgleichung verbleibt zugunsten des Mandanten ein Erstattungsanspruch, der jedoch<br />
nicht ausreicht, um die nicht gedeckten Kosten zu decken.<br />
2. Nach Saldierung der wechselseitigen Kostenerstattungsansprüche verbleibt ein Kostenerstattungsanspruch<br />
des Mandanten, der die nicht gedeckten Kosten abdeckt<br />
a) Abrechnung mit dem Versicherer<br />
Hier ist die Abrechnung relativ einfach. Der Mandant erhält letztlich aus Versicherungsleistung und<br />
Kostenerstattung sämtliche Kosten gedeckt.<br />
Beispiel 2:<br />
Wie Beispiel 1; jedoch sind die Kosten des Rechtsstreits zu 40 % dem Mandanten auferlegt worden und zu<br />
60 % dem Beklagten.<br />
An der Abrechnung gegenüber dem Mandanten ändert sich gegenüber dem Beispiel 1 nichts.<br />
Auch der Rechtsschutzversicherer zahlt wiederum den gleichen Betrag wie in Beispiel 1.<br />
Nunmehr wird die Kostenausgleichung wie folgt durchgeführt:<br />
1264 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Gebührenrecht Fach 24, Seite 1727<br />
Das Quotenvorrecht<br />
a) Kosten Kläger<br />
1. Anwaltskosten 2.315,69 €<br />
2. vorgelegte Gerichtskosten 1.035,00 €<br />
3. Parteikosten 57,10 €<br />
3.407,79 €<br />
b) Kosten Beklagter<br />
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 964,60 €<br />
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 890,40 €<br />
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />
Zwischensumme 1.875,00 €<br />
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 356,25 €<br />
Gesamt 2.<strong>23</strong>1,25 €<br />
c) Zwischensumme 5.639,04 €<br />
d) hiervon 40 % 2.255,62 €<br />
e) abzgl. eigener Kosten Mandant - 3.407,79 €<br />
Ausgleichsanspruch Mandant 1.152,17 €<br />
Dieser Betrag wird festgesetzt und vom Beklagten an den Anwalt des Mandanten gezahlt.<br />
Jetzt ist zunächst einmal zu fragen, inwieweit dieser Anspruch auf den Rechtsschutzversicherer nach<br />
§ 86 Abs. 1 S. 1 VVG übergegangen ist.<br />
Der Kostenerstattungsanspruch des Mandanten beträgt:<br />
Anwaltskosten Mandant 2.315,69 €<br />
Gerichtskosten, 3,0-Gebühr 1.035,00 €<br />
Parteikosten 57,10 €<br />
Zwischensumme 3.407,79 €<br />
hiervon 60 % 2.044,68 €<br />
An dieser Stelle ist jetzt zum einen zu berücksichtigen, dass der Rechtsschutzversicherer die Reisekosten<br />
des Anwalts gar nicht gezahlt hat, so dass i.H.v. 60 % der Reisekosten, die ja in der Erstattung enthalten<br />
sind, ein Anspruchsübergang bereits nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG nicht stattfinden kann. Gleiches gilt für die<br />
200 € Selbstbeteiligung und die Parteikosten, die vom Versicherer ja gar nicht gezahlt worden sind.<br />
Übergangsfähig nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG sind also nur:<br />
Anwaltskosten Mandant (ohne Reisekosten abzgl. Selbstbeteiligung) 2.031,25 €<br />
Gerichtskosten, 3,0-Gebühr 1.035,00 €<br />
Zwischensumme 3.066,25 €<br />
hiervon 60 % 1.839,75 €<br />
Damit ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass der Erstattungsanspruch i.H.v. (2.044,68 € - 1.839,75 € =)<br />
204,93 € gar nicht auf den Versicherer übergehen konnte, sondern nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG beim<br />
Mandanten verblieben ist.<br />
Da dem Mandanten aber 341,54 € nicht versicherte Kosten entstanden sind, fehlen ihm jetzt noch<br />
136,61 €.<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1265
Fach 24, Seite 1728<br />
Das Quotenvorrecht<br />
Gebührenrecht<br />
Würde auch insoweit der Kostenerstattungsanspruch auf den Versicherer übergehen, würde dies zum<br />
Nachteil des Mandanten gereichen. Das würde gegen § 86 Abs. 1 S. 2 VVG verstoßen. Also ist auch in<br />
Höhe der weiteren 136,61 € der Anspruch beim Mandanten verblieben.<br />
Aus der Kostenerstattung darf der Mandant also insgesamt entnehmen:<br />
nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG verbliebene 204,93 €<br />
nach § 86 Abs. 1 S. 2 VVG verbliebene 136,61 €<br />
Gesamt 341,54 €<br />
Auf den Rechtsschutzversicherer geht damit lediglich der Restbetrag i.H.v.:<br />
festgesetzte Kosten 1.156,37 €<br />
abzgl. beim Mandanten verbliebene - 341,54 €<br />
Gesamt 814,83 €<br />
über und ist an diesen weiterzuleiten.<br />
Häufig wird von den Rechtsschutzversicherern die Geltung des Quotenvorrechts in der Rechtsschutzversicherung<br />
geleugnet. Das ist jedoch unzutreffend. Bei der Rechtsschutzversicherung handelt es sich<br />
um eine Schadensversicherung (VAN BÜHREN, a.a.O., Einleitung Rn 10), so dass auch für sie § 86 VVG gilt<br />
(HARBAUER/SCHNEIDER, a.a.O., § 17 ARB 2010 Rn 170 ff.; VAN BÜHREN, a.a.O., § 5 Rn 106, 171; KLAUS SCHNEIDER,<br />
a.a.O., Rn 476 ff.).<br />
Des Weiteren wird eingewandt, die Vorabentnahme des Fehlbetrags unterlaufe die Regelungen des<br />
Versicherungsvertrags zum Selbstbehalt. Der Selbstbehalt solle bewirken, dass der Mandant auf jeden<br />
Fall mit Kosten belastet werde. Auch dies ist nicht zutreffend. Der Selbstbehalt betrifft die Frage, in<br />
welcher Höhe der Rechtsschutzversicherer den Versicherungsnehmer von Kosten freistellen muss; das<br />
Quotenvorrecht betrifft dagegen die Frage, in welcher Höhe ein Rücklauf erstatteter Kosten erfolgt. Der<br />
Versicherer muss auch bei Ausübung des Quotenvorrechts nie mehr zahlen, als vertraglich unter<br />
Einbeziehung des Selbstbehalts vereinbart ist. Er bekommt lediglich nicht alles zurückerstattet. Das ist<br />
aber keine Frage des Selbstbehalts.<br />
Mitunter wird auch eingewandt, aus den ARB ergebe sich Gegenteiliges, nämlich, dass das Quotenvorrecht<br />
in der Rechtsschutzversicherung nicht geltend gemacht werden könne. Auch dieser Einwand<br />
ist unzutreffend. Nach § 87 VVG kann von der Regelung des § 86 Abs. 1 S. 2 VVG nicht abgewichen<br />
werden. Entsprechende Vereinbarungen in den ARB wären nichtig. Auch eine dahingehende Auslegung<br />
ist unzulässig (AG Köln AGS 2007, 379 = JurBüro 2006, 546 = RVGreport 2007, 198).<br />
b) Abrechnung mit dem Mandanten<br />
Wie der Anwalt bei der Abrechnung mit dem Mandanten vorgeht, also ob er die vom Rechtsschutzversicherer<br />
nicht gedeckten Kosten zunächst dem Mandanten in Rechnung stellt und einzieht oder ob<br />
er sie zunächst als offene Posten stehen lässt, ist unerheblich.<br />
• Wird der Fehlbetrag zunächst vom Mandanten eingefordert, dann handelt es sich bei der dem<br />
Quotenvorrecht unterfallenden Kostenerstattung insoweit um Fremdgeld, das dem Mandanten<br />
auszuzahlen ist.<br />
• Lässt der Anwalt die nicht vom Versicherungsschutz gedeckten Kosten zunächst als offenen Posten<br />
stehen, dann kann er die Kostenerstattung insoweit mit seinem Honoraranspruch verrechnen und<br />
entsprechend verbuchen.<br />
Hat der Anwalt im Beispiel 2 also die nicht gedeckten Reisekosten i.H.v. 84,44 € sowie die 200 €<br />
Selbstbeteiligung vom Mandanten angefordert und eingezogen, dann ist die gesamte nicht übergegangene<br />
Kostenerstattung als Fremdgeld zu buchen. Davon sind:<br />
1266 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Gebührenrecht Fach 24, Seite 1729<br />
Das Quotenvorrecht<br />
die nicht gedeckten Reisekosten des Anwalts inkl. Umsatzsteuer 84,44 €<br />
die Selbstbeteiligung 200,00 €<br />
die eigenen Parteikosten 57,10 €<br />
Gesamt 341,54 €<br />
an den Mandanten auszukehren und die restlichen 814,83 € an den Versicherer.<br />
Hat der Anwalt die nicht gedeckten Kosten nicht vom Mandanten eingefordert, dann kann er diesen<br />
Fehlbetrag i.H.v. 284,44 € aus der Kostenerstattung entnehmen und mit seinem offenen Honorar<br />
verrechnen und entsprechend buchen.<br />
Von dem Restbetrag sind dann die Parteikosten des Mandanten i.H.v. 57,10 € an diesen als Fremdgeld<br />
auszukehren und die restlichen 814,83 € an den Versicherer.<br />
Zweckmäßig ist es m.E., die nicht gedeckten Kosten als offene Posten stehen zu lassen und bei späterem<br />
Eingang der Kostenerstattung dann als Honorar zu verbuchen. Dies erspart unnötige Buchungen und<br />
Überweisungen, da dann nicht der Betrag erst vom Mandanten eingefordert und später wieder<br />
ausgezahlt werden muss.<br />
Unabhängig davon, wie mit dem Mandanten abgerechnet wird, ist es wichtig, dass rechtzeitig beim<br />
Rechtsschutzversicherer ein Vorschuss angefordert wird, so dass mit Vorschussleistung und<br />
Kostenerstattung letztlich mehr zur Verfügung steht, als zur Abdeckung der Kosten des Versicherungsnehmers<br />
benötigt wird. Wird erst nach Eingang der Kostenerstattung mit dem Rechtsschutzversicherer<br />
abgerechnet, verweigert dieser oft die Zahlung, so dass wegen eines geringfügigen Betrags geklagt<br />
werden muss. Dies vermeidet der Anwalt, wenn er rechtzeitig einen Vorschuss vereinnahmt, so dass<br />
dann der Rechtsschutzversicherer auf Auszahlung klagen müsste, was in der Praxis allerdings kaum<br />
noch vorkommt, da den Rechtsschutzversicherern die Rechtslage durchaus bekannt ist.<br />
3. Nach Saldierung der wechselseitigen Kostenerstattungsansprüche verbleibt kein Kostenerstattungsanspruch<br />
des Mandanten<br />
a) Überblick<br />
Ist der Kostenerstattungsanspruch des Gegners höher als der eigene Kostenerstattungsanspruch, ist die<br />
Sache schwieriger, weil dann beim Mandanten nach Kostenausgleichung (§ 106 ZPO) kein Kostenerstattungsanspruch<br />
zu seinen Gunsten mehr verbleiben wird. Ungeachtet dessen gelten auch hier die<br />
gleichen Erwägungen wie in der vorangegangenen Fallgruppe, da auch dann dem Versicherungsnehmer<br />
ein Kostenerstattungsanspruch zusteht, der quotenbevorrechtigt ist.<br />
b) Getrennte Kostenfestsetzung<br />
Deutlich wird das Quotenvorrecht, wenn die Kosten getrennt festgesetzt werden.<br />
Beispiel 3:<br />
Wie Beispiel 1; jedoch hat der Mandant nur zu 30 % gewonnen und zu 70 % verloren. Das Gericht<br />
entscheidet mit entsprechender Kostenquote.<br />
Der einfachere Weg, das Quotenvorrecht durchzusetzen, besteht darin, nicht die Kostenausgleichung<br />
nach § 106 ZPO zu betreiben, sondern jeweils einseitig festsetzen zu lassen. Eine Verpflichtung, auf den<br />
Kostenfestsetzungsantrag des Gegners zu reagieren und der Aufforderung des Gerichts, gem. § 106<br />
Abs. 1 S. 1 ZPO die eigenen Kosten anzumelden, nachzukommen, also sich an der Kostenausgleichung zu<br />
beteiligten, besteht nicht (LG Frankfurt AGS 2011, 515 = NJW-Spezial 2011, 604 = RVGreport 2011, 391; LG<br />
Frankenthal NJW-Spezial 2013, 220). Der Mandant kann also abwarten, bis der Gegner seine Kosten zur<br />
Festsetzung anmeldet. Der Rechtspfleger setzt dann eine Frist zur Anmeldung der eigenen Kosten von<br />
einer Woche (§ 106 Abs. 1 S. 1 ZPO). Diese Wochenfrist muss der Anwalt verstreichen lassen bzw.<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1267
Fach 24, Seite 1730<br />
Das Quotenvorrecht<br />
Gebührenrecht<br />
erklären, dass er an der Kostenausgleichung nicht teilnimmt, sondern eine getrennte Festsetzung<br />
wünscht. Dann muss der Rechtspfleger einseitig festsetzen. Es würden dann also im Beispiel zugunsten<br />
des Gegners festgesetzt:<br />
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 964,60 €<br />
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 890,40 €<br />
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />
Zwischensumme 1.875,00 €<br />
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 356,25 €<br />
Gesamt 2.<strong>23</strong>1,25 €<br />
hiervon 70 % 1.561,88 €<br />
Diesen Betrag muss der Rechtsschutzversicherer dem Gegner erstatten.<br />
Hiernach beantragt dann der Mandant die Festsetzung der eigenen Kosten. Er erhält jetzt einen<br />
Kostenfestsetzungsbeschluss über:<br />
Anwaltskosten Mandant 2.315,69 €<br />
Gerichtskosten, 3,0-Gebühr 1.035,00 €<br />
Parteikosten 57,10 €<br />
Zwischensumme 3.407,79 €<br />
hiervon 30 % 1.022,34 €<br />
Von dieser Kostenerstattung darf der Mandant dann jetzt seine nicht gedeckten Kosten entnehmen i.H.v.:<br />
die nicht gedeckten Reisekosten des Anwalts inkl. Umsatzsteuer 84,44 €<br />
die Selbstbeteiligung 200,00 €<br />
die eigenen Parteikosten 57,10 €<br />
Gesamt 341,54 €<br />
Lediglich der Restbetrag i.H.v. 680,80 € geht auf den Rechtsschutzversicherer über.<br />
Nicht selten wenden Rechtspfleger bei Eingang des zweiten Kostenfestsetzungsantrags ein, dies sei<br />
rechtsmissbräuchlich. Die Kosten hätten rechtzeitig zur Ausgleichung angemeldet werden müssen. Eine<br />
nachträgliche einseitige Festsetzung sei jetzt nicht mehr möglich. Dies ist jedoch unzutreffend. Es<br />
besteht für eine Partei keine Pflicht, an einer Kostenausgleichung teilzunehmen. Es besteht lediglich<br />
für den Rechtspfleger eine Pflicht zur Kostenausgleichung, wenn beide Parteien ihre Kosten gleichzeitig<br />
anmelden. Meldet dagegen eine Partei ihre eigenen Kosten erst an, nachdem die Kosten des Gegners<br />
festgesetzt worden sind, findet keine Ausgleichung mehr statt. Die jeweiligen Erstattungsansprüche<br />
sind dann gesondert festzusetzen. Die Parteien haben insoweit ein freies Wahlrecht, ob sie an der<br />
Kostenausgleichung teilnehmen oder ob sie eine einseitige Festsetzung wünschen (LG Frankfurt AGS<br />
2011, 515 = NJW-Spezial 2011, 604 = RVGreport 2011, 391; LG Frankenthal NJW-Spezial 2013, 220).<br />
Darauf hinzuweisen ist allerdings, dass diese Methode der getrennten Kostenfestsetzung nur dann<br />
funktioniert, wenn sich der eigene Kostenerstattungsanspruch auch beim Gegner realisieren lässt.<br />
Ist der Gegner nicht zahlungsfähig, kann er also den Kostenerstattungsanspruch des Mandanten<br />
nicht bedienen, funktioniert diese Methode nicht ohne Weiteres. In diesem Fall kann aber immerhin<br />
nach der Festsetzung zugunsten des Gegners gegen dessen Erstattungsanspruch noch mit dem<br />
eigenen Kostenerstattungsanspruch die Aufrechnung erklärt werden, da die Aufrechnung mit<br />
einem prozessualen Kostenerstattungsanspruch nicht dessen Festsetzung erfordert, sondern nur<br />
das Entstehen des Kostenerstattungsanspruchs als solchen (OLG Frankfurt MDR 1984, 148;<br />
LG Tübingen NJW 1965, 1608).<br />
1268 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Gebührenrecht Fach 24, Seite 1731<br />
Das Quotenvorrecht<br />
c) Kostenausgleichung<br />
Etwas komplizierter wird es, wenn der Mandant sich an der Kostenausgleichung beteiligt. In diesem Fall<br />
ist das Quotenvorrecht über Bereicherungsrecht zu lösen.<br />
Beispiel 4:<br />
Wie Beispiel 3; jedoch meldet der Kläger seine Kosten gem. § 106 Abs. 1 S. 2 ZPO zur Ausgleichung an.<br />
Es ergibt sich jetzt folgende Kostenfestsetzung:<br />
a) Kosten Kläger<br />
1. Anwaltskosten 2.315,69 €<br />
2. vorgelegte Gerichtskosten 1.035,00 €<br />
3. Parteikosten 57,10 €<br />
3.407,79 €<br />
b) Kosten des Beklagten<br />
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 964,60 €<br />
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 890,40 €<br />
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />
Zwischensumme 1.875,00 €<br />
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 356,25 €<br />
Gesamt 2.<strong>23</strong>1,25 €<br />
c) Zwischensumme 5.639,04 €<br />
d) hiervon 70 % 3.947,33 €<br />
e) abzgl. eigener Kosten Mandant - 3.407,79 €<br />
Ausgleichsanspruch Gegner 539,54 €<br />
Jetzt erhält also nicht der Mandant einen Kostenerstattungsanspruch, sondern der Gegner, so dass an<br />
dem letztlich festgesetzten Erstattungsanspruch ein Quotenvorrecht nicht ausgeübt werden kann.<br />
Dabei darf jedoch nicht vernachlässigt werden, dass i.H.v. 30 % dem Mandanten ein Kostenerstattungsanspruch<br />
zustand und dieser Anspruch insoweit quotenbevorrechtigt war.<br />
Ist die Kostenausgleichung einmal durchgeführt, dann kann das Quotenvorrecht nur noch bereicherungsrechtlich<br />
durchgesetzt werden, da der beim Mandanten verbliebene quotenbevorrechtigte<br />
Anspruch infolge der Kostenausgleichung durch Verrechnung untergegangen ist. Dadurch, dass der<br />
Mandant jedoch auch seine quotenbevorrechtigten Ansprüche in die Ausgleichung mit einbezogen hat,<br />
ist der Rechtsschutzversicherer ungerechtfertigt bereichert. Er muss jetzt nur noch von einem<br />
geringeren Kostenerstattungsanspruch des Gegners freistellen als bei getrennter Festsetzung. Er wäre<br />
nämlich zu einer höheren Kostenerstattung an den Gegner verpflichtet, wenn der Mandant seine<br />
quotenbevorrechtigten Ansprüche nicht in die Ausgleichung einbezogen hätte, sondern nur die<br />
übergangsfähigen, also nicht bevorrechtigten. Dann hätte sich folgende Berechnung des Kostenerstattungsanspruchs<br />
ergeben:<br />
Im Falle der getrennten Kostenfestsetzung hätte der Versicherer 1.561,88 € an den Gegner zahlen müssen<br />
und es wäre im Gegenzug ein Kostenerstattungsanspruch i.H.v. – 680,80 € auf ihn übergegangen. Der<br />
Versicherer wäre also per Saldo mit 881,08 € belastet worden.<br />
Aufgrund der Kostenausgleichung muss der Versicherer jetzt aber nur 539,54 € an den Gegner zahlen.<br />
Damit ist der Versicherer im Fall der Kostenausgleichung um 881,08 € - 539,54 € = 341,54 €<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1269
Fach 24, Seite 1732<br />
Das Quotenvorrecht<br />
Gebührenrecht<br />
ungerechtfertigt bereichert und muss diesen Betrag an den Mandanten auszahlen (HARBAUER/<br />
SCHNEIDER, a.a.O., § 17 ARB 2010 Rn 178; K. SCHNEIDER, a.a.O., Rn 481). Anschaulich ausgedrückt hat dies<br />
das AG Bonn im dritten Leitsatz seiner Entscheidung:<br />
AG Bonn, Urt. v. 17.11.1998 – 2 C 226/98 (BRAGOreport 2000, 31, https://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/bonn/<br />
ag_bonn/j1998/2_C_226_98urteil19981117.html):<br />
1. Das sog. Quotenvorrecht gilt auch in der Rechtsschutzversicherung.<br />
2. In Höhe des Selbstbehalts verbleiben Kostenerstattungsansprüche beim Versicherungsnehmer und<br />
gehen nicht auf den Versicherer über.<br />
3. Bringt der Versicherungsnehmer den bei ihm verbliebenen Kostenerstattungsanspruch in die Kostenausgleichung<br />
nach § 106 Abs. 1 ZPO ein und geht dieser Erstattungsanspruch infolgedessen unter, so<br />
entsteht dem Versicherungsnehmer insoweit ein Ausgleichsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung<br />
gegen den Rechtsschutzversicherer.<br />
4. Nach Saldierung der wechselseitigen Kostenerstattungsansprüche verbleibt zwar ein Kostenerstattungsanspruch<br />
des Mandanten, der allerdings nicht ausreicht, um die nicht gedeckten<br />
Kosten abzudecken<br />
a) Überblick<br />
Verbleibt nach Saldierung der wechselseitigen Kostenerstattungsansprüche zwar ein Kostenerstattungsanspruch<br />
des Mandanten, reicht dieser jedoch nicht aus, um die nicht gedeckten Kosten<br />
abzudecken, so ist letztlich genauso vorzugehen wie in den vorherigen Beispielen. Auch hier kommt die<br />
getrennte Kostenfestsetzung in Betracht sowie der bereicherungsrechtliche Ausgleich.<br />
b) Getrennte Festsetzung<br />
Wählt der Mandant die getrennte Festsetzung, ergeben sich letztlich keine Abweichungen gegenüber<br />
dem Fall, dass bei Saldierung kein Anspruch mehr verbleibt.<br />
Beispiel 5:<br />
Wie vorangegangenes Beispiel 4; jedoch hat der Mandant zum Teil gewonnen und zum Teil verloren. Das<br />
Gericht legt dem Mandanten 57 % der Kosten auf und dem Beklagten 43 %.<br />
Auch hier kann die getrennte Kostenfestsetzung durchgeführt werden. Das ergibt dann folgende<br />
Erstattungsansprüche:<br />
aa) Erstattungsanspruch Beklagter<br />
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 964,60 €<br />
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 890,40 €<br />
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />
Zwischensumme 1.875,00 €<br />
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 356,25 €<br />
Gesamt 2.<strong>23</strong>1,25 €<br />
hiervon 57 % 1.271,81 €<br />
Diesen Betrag muss der Rechtsschutzversicherer dem Gegner erstatten.<br />
bb) Erstattungsanspruch Mandant<br />
Der Mandant erhält einen Kostenfestsetzungsbeschluss über:<br />
1270 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Gebührenrecht Fach 24, Seite 1733<br />
Das Quotenvorrecht<br />
Anwaltskosten Mandant 2.315,69 €<br />
Gerichtskosten, 3,0-Gebühr 1.035,00 €<br />
Parteikosten 57,10 €<br />
Zwischensumme 3.407,79 €<br />
hiervon 43 % 1.465,35 €<br />
Von diesem Betrag kann der Mandant seinen Fehlbetrag abziehen, und zwar i.H.v. 341,54 €. Der Restbetrag<br />
i.H.v. 1.1<strong>23</strong>,81 € steht dem Rechtsschutzversicherer zu.<br />
c) Kostenausgleichung<br />
Führt der Mandant die Kostenausgleichung durch, ergibt sich folgende Berechnung:<br />
a) Kosten Kläger<br />
1. Anwaltskosten 2.315,69 €<br />
2. vorgelegte Gerichtskosten 1.035,00 €<br />
3. Parteikosten 57,10 €<br />
3.407,79 €<br />
b) Kosten des Beklagten<br />
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 964,60 €<br />
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 890,40 €<br />
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €<br />
Zwischensumme 1.875,00 €<br />
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 356,25 €<br />
Gesamt 2.<strong>23</strong>1,25 €<br />
c) Zwischensumme 5.639,04 €<br />
d) hiervon 57 % 3.214,25 €<br />
e) abzgl. eigener Kosten Beklagter 3.407,79 €<br />
Ausgleichsanspruch Mandant 193,54 €<br />
Die Kostenerstattung i.H.v. 193,54 € kann der Mandant behalten, da i.H.v. (43 % aus 341,54 € =) 146,86 €<br />
erst gar kein Übergang nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG eingetreten ist und i.H.v. (193,54 € - 146,86 € =) 46,68 €<br />
das Quotenvorrecht nach § 86 Abs. 1 S. 2 VVG greift.<br />
Damit fehlen dem Mandanten aber immer noch (341,54 € - 193,54 € =) 148,00 €.<br />
Hinsichtlich dieses Restbetrags besteht jetzt wiederum ein Bereicherungsanspruch, der sich wie folgt<br />
berechnet:<br />
Im Falle der getrennten Kostenfestsetzung hätte der Versicherer 1.271,81 € an den Gegner zahlen müssen<br />
und es wäre im Gegenzug ein Kostenerstattungsanspruch i.H.v. 1.1<strong>23</strong>,81 € auf ihn übergegangen. Der<br />
Versicherer wäre also per Saldo mit 148 € belastet worden.<br />
Aufgrund der Kostenausgleichung muss der Versicherer jetzt aber nichts mehr an den Gegner zahlen.<br />
Damit ist er um 148 € ungerechtfertigt bereichert und muss diesen Betrag an den Mandanten nach<br />
Bereicherungsrecht auskehren.<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1271
Fach 24, Seite 1734<br />
Das Quotenvorrecht<br />
Gebührenrecht<br />
Der Mandant erhält also:<br />
aus der Kostenerstattung 193,54 €<br />
vom Rechtsschutzversicherer 148,00 €<br />
Gesamt 341,54 €<br />
VI.<br />
Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben<br />
1. Überblick<br />
Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben worden, dann ergibt sich hinsichtlich der Anwaltskosten<br />
und der Parteikosten kein Erstattungsanspruch. Lediglich die Gerichtskosten sind hälftig zu teilen (§ 92<br />
Abs. 1 S. 2 ZPO), so dass sich nur hinsichtlich dieser Position ein Erstattungsanspruch gegen den Gegner<br />
ergeben kann.<br />
2. Kein Erstattungsanspruch<br />
a) Überblick<br />
Soweit sich kein Erstattungsanspruch ergibt, etwa weil beide Parteien Gerichtskosten nachzahlen<br />
müssen oder zurückerstattet erhalten, kann das Quotenvorrecht nicht greifen, da es untereinander<br />
keinen Erstattungsanspruch gibt.<br />
b) Beide Parteien müssen Gerichtskosten nachzahlen<br />
Müssen nach Abschluss des Verfahrens beide Parteien Gerichtskosten nachzahlen, dann können sich<br />
weder untereinander noch gegen die Landeskasse Erstattungsansprüche ergeben.<br />
Beispiel 6:<br />
In einem Rechtsstreit zahlt der Kläger die 3,0-Gerichtsgebühr aus dem vorläufigen Streitwert von<br />
5.000 € (438 €) voraus. Der Beklagte verteidigt sich mit zwei Hilfsaufrechnungen, über die das Gericht<br />
entscheidet. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben. Der Streitwert wird gem. § 45 Abs. 3 GKG<br />
auf 15.000 € festgesetzt.<br />
Die 3,0-Gerichtsgebühr beträgt 879,90 €. Hiervon schuldet der Kläger 439,95 €, so dass von ihm noch<br />
1,95 € nachzufordern sind. Der Beklagte schuldet weitere 439,95 €. Ein Erstattungsanspruch hinsichtlich<br />
der Gerichtskosten kommt also nicht in Betracht.<br />
c) Eine oder beide Parteien erhalten Gerichtskosten zurückgezahlt<br />
Erhält eine Partei oder erhalten beide Parteien Gerichtskosten von der Landeskasse zurückerstattet, so<br />
ergeben sich ebenfalls keine Kostenerstattungsansprüche untereinander. Es stellt sich dann aber die<br />
Frage, ob an den Rückzahlungen der Landeskasse ein Quotenvorrecht geltend gemacht werden kann.<br />
Beispiel 7:<br />
In einem Verfahren (Streitwert 5.000 €) hat der Kläger 438 € Gerichtsgebühren gezahlt. Beide Parteien<br />
haben zudem je 1.000 € Vorschuss für einen Sachverständigen eingezahlt. Hiernach schließen die<br />
Parteien einen Vergleich, bevor das Gericht den Sachverständigen beauftragt hat.<br />
Angefallen ist jetzt nur eine 1,0-Gebühr i.H.v. 146 €. Der Kläger erhält also 1.365 € nicht verbrauchte<br />
Kosten aus der Landeskasse zurückerstattet und der Beklagte 927 €. Ein Erstattungsanspruch gegen den<br />
Gegner hinsichtlich der Gerichtskosten kommt dagegen nicht in Betracht.<br />
Die Frage ist jetzt, ob der Kläger an den zurückgezahlten 1.365 € ein Quotenvorrecht geltend machen<br />
kann. Insoweit ist strittig, ob auch dieser Rückzahlungsanspruch dem Quotenvorrecht unterliegt. Die<br />
Rechtsprechung (AG Wetzlar AGS 2007, 115) und Literatur (HARBAUER/SCHNEIDER, a.a.O., § 17 ARB 2010<br />
Rn 174; KLAUS SCHNEIDER, a.a.O., Rn 479 a.E.) nehmen dies zum Teil an und machen keinen Unterschied zu<br />
den Kostenerstattungsansprüchen.<br />
1272 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>
Gebührenrecht Fach 24, Seite 1735<br />
Das Quotenvorrecht<br />
Nach zutreffender Auffassung handelt es sich hier jedoch lediglich um einen Abrechnungsanspruch, für<br />
den § 86 Abs. 1 VVG nicht gilt. Der Anspruchsübergang erfolgt hier nach § 17 Abs. 8 ARB 2010, so dass<br />
an dem Auszahlungsanspruch gegenüber der Landeskasse auch kein Quotenvorrecht geltend gemacht<br />
werden kann (AG Kempten AGS 2011, 363 = JurBüro 2011, 269 = NJW-Spezial 2011, 381 = RVGreport 2011,<br />
400; LG Heilbronn AGS 2016, 104 = NJW-Spezial 2016, 92).<br />
Diese Auffassung dürfte wohl zutreffend sein, da § 86 Abs. 1 S. 2 VVG ausdrücklich einen Schadenersatzanspruch,<br />
also einen Kostenerstattungsanspruch, voraussetzt. Bei dem Anspruch auf Rückzahlung nicht<br />
verbrauchter Gerichtskosten handelt es sich aber nicht um einen Erstattungsanspruch, sondern lediglich<br />
um ein Abrechnungsguthaben, das dem Versicherer unabhängig von § 86 VVG zusteht bzw. auf ihn<br />
übergeht, nämlich nach § 17 Abs. 8 ARB 2010. Dass nur dies richtig sein kann, zeigt sich insb. beim<br />
Beklagten.<br />
Es verhält sich hier nicht anders als bei einer überzahlten Anwaltsvergütung. Muss der Anwalt im<br />
Nachhinein einen Vorschuss teilweise zurückzahlen oder sogar einen abgerechneten Betrag, etwa weil<br />
der Streitwert im Nachhinein reduziert worden ist, greift auch kein Quotenvorrecht.<br />
Reicht der Kostenerstattungsanspruch nicht aus, um die nicht gedeckten Kosten auszugleichen, bleibt<br />
der Mandant auf diesen Kosten sitzen.<br />
Beispiel 8:<br />
Der Anwalt hatte nach Abschluss des Verfahrens nach dem gerichtlich festgesetzten Streitwert i.H.v.<br />
15.000 € seine Vergütung mit 1.380,40 € abgerechnet. Der Rechtsschutzversicherer hat diesen Betrag<br />
abzüglich 250 € Selbstbeteiligung gezahlt. Auf die Streitwertbeschwerde des Gegners wird der Streitwert<br />
auf 5.000 € herabgesetzt, so dass sich nur noch eine Vergütung i.H.v. 925,<strong>23</strong> € ergibt.<br />
Dieser Rückzahlungsanspruch steht gem. § 17 Abs. 8 ARB 2010 dem Rechtsschutzversicherer zu, nicht<br />
dem Mandanten. Ein Fall des § 86 Abs. 1 S. 2 VVG ist daher nicht gegeben.<br />
Würde man in diesen Fällen ein Quotenvorrecht bejahen, hätte es der Anwalt in der Hand, durch<br />
überhöhte Vorschussanforderungen oder Abrechnungen oder zu hohe Wertangaben bei Gericht<br />
Rückzahlungsansprüche zu provozieren, um dann das Quotenvorrecht für den Mandanten ausüben<br />
zu können.<br />
3. Erstattungsanspruch gegen den Gegner<br />
Ergibt sich dagegen hinsichtlich der Gerichtskosten ein echter Erstattungsanspruch gegen den Gegner,<br />
dann wiederum greift das Quotenvorrecht.<br />
Beispiel 9:<br />
In einem Verfahren (Streitwert 100.000 €) hat der Rechtsschutzversicherer für den Kläger die 3,0-<br />
Gerichtsgebühr i.H.v. 3.078 € eingezahlt. Er zahlt ferner die Vergütung des Anwalts abzüglich 300 €<br />
Selbstbeteiligung. Die Parteien schließen einen Vergleich, in dem die Kosten des Verfahrens gegeneinander<br />
aufgehoben werden.<br />
Der Kläger erhält jetzt von der Landeskasse 2,0 der eingezahlten Gerichtsgebühr i.H.v. 2.052 €<br />
zurückgezahlt, da aufgrund der Ermäßigung nach Nr. 1211 Nr. 3 GKG-KostVerz. diese Kosten nicht<br />
verbraucht sind. Daran kann er kein Quotenvorrecht geltend machen.<br />
Hinsichtlich der 1,0-Gebühr, die verfallen ist, steht ihm aber ein echter Kostenerstattungsanspruch<br />
gegen den Gegner zu, der folglich nach § 86 Abs. 1 S. 2 VVG dem Quotenvorrecht unterliegt.<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1273
Fach 24, Seite 1736<br />
Das Quotenvorrecht<br />
Gebührenrecht<br />
Es ergibt sich also ein Kostenerstattungsanspruch i.H.v. 1.026 € (1,0-Gerichtsgebühr), hiervon ½: 513 €.<br />
Insoweit handelt es sich um einen echten Kostenerstattungsanspruch, der wiederum dem Quotenvorrecht<br />
unterliegt. Der Mandant kann hiervon also seine nicht gedeckten Kosten – hier die<br />
Selbstbeteiligung von 300 €–einbehalten und auf seine nicht gedeckten Anwaltskosten verrechnen.<br />
Beispiel 10:<br />
In einem Verfahren (Streitwert 10.000 €) hat der Rechtsschutzversicherer für den Kläger 7<strong>23</strong> €<br />
Gerichtsgebühren gezahlt. Von den Anwaltskosten hat er eine Selbstbeteiligung i.H.v. 300 € einbehalten.<br />
Hiernach schließen die Parteien einen Vergleich und heben die Kosten gegeneinander auf.<br />
Der Kläger erhält jetzt von der Landeskasse 2,0 der eingezahlten Gerichtsgebühr i.H.v. 482 € zurückgezahlt,<br />
da aufgrund der Ermäßigung nach Nr. 1211 Nr. 3 GKG-KostVerz. diese Kosten nicht verbraucht sind.<br />
Es verbleibt bei ihm eine Gerichtsgebühr i.H.v. 241 €. Daraus ergibt sich ein Kostenerstattungsanspruch<br />
i.H.v. 241 € (1,0-Gerichtsgebühr), hiervon ½: 120,50 €.<br />
Diesen Betrag darf der Kläger behalten. In Höhe der weiteren 179,50 € kann er die Selbstbeteiligung<br />
nicht kompensieren.<br />
Noch ungünstiger wird es bei diesen Konstellationen für den Beklagten. Da dieser keine Gerichtskosten<br />
gezahlt hat, hat er in den beiden vorangegangen Fällen insoweit keinen Erstattungsanspruch, so dass er<br />
ein Quotenvorrecht gar nicht geltend machen kann.<br />
Abgesehen davon, dass es ohnehin eine Obliegenheitsverletzung darstellt, in einem Vergleich die<br />
Kostenaufhebung zu vereinbaren, ist es für den rechtsschutzversicherten Mandanten grds. günstiger,<br />
anstelle der Kostenaufhebung zu vereinbaren, dass jede Partei 50 % der Kosten zu erstatten hat. Dann<br />
besteht i.H.v. 50 % ein Kostenerstattungsanspruch, der i.d.R. ausreicht, um über das dann gegebene<br />
Quotenvorrecht seine Fehlbeträge abzudecken.<br />
VII. Fazit<br />
Ist der Anwalt im Rahmen seines Mandats damit betraut, auch die Abrechnung mit dem Rechtschutzversicherer<br />
vorzunehmen, muss er unbedingt das Quotenvorrecht berücksichtigen. Soweit es zu einer<br />
Kostenverteilung kommt, kann der Anwalt für den Mandaten in den meisten Fällen eine nach den ARB<br />
vereinbarte Selbstbeteiligung und auch nicht gedeckte Anwalts- und Parteikosten vorab im Wege der<br />
Kostenerstattung für den Mandanten realisieren. Versäumt der Anwalt dies, liegt darin eine Verletzung<br />
seiner aus dem Mandat geschuldeten Pflichten, die sogar zu Schadenersatz führen kann.<br />
1274 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>