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Form Follows Future

Die Bauhausnummer

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Mut<br />

97<br />

ße Nachfrage verzeichnet, kann es natürlich schon sein,<br />

dass inzwischen auch heterosexuelle Männer einer Verhütungspille<br />

gegenüber nicht zwingend abgeneigt wären“.<br />

Die Aussicht auf eine marktreife hormonelle Verhütungsmethode<br />

für Männer scheint jedoch trotz allem relativ<br />

aussichtslos. Zu hoch seien die Risiken, sagt die Weltgesundheitsorganisation<br />

(WHO). Vor allem in Bezug auf<br />

die längerfristige Potenz der Männer haben viele Wissenschaftler<br />

Bedenken. Da noch nicht so lange an der Pille für<br />

den Mann geforscht wird, sind Studien anspruchsvolleren<br />

Vorgaben ausgesetzt als einst beim weiblichen Pendant<br />

in den Sechzigerjahren. Wahrscheinlich will man gewisse<br />

Fehler aus der Vergangenheit einfach nicht wiederholen.<br />

Doch selbst wenn die hormonelle Pille für den Mann<br />

aus gesundheitlichen Gründen keine Option wäre:<br />

Schließlich gibt es für Frauen auch genug andere Verhütungsmittel.<br />

Warum also nicht auch für Männer?<br />

Woran scheitert die Entwicklung?<br />

SAMENLEITER-VENTIL<br />

ODER ENZYMPILLE?<br />

Von den verschiedenen Methoden, an denen derzeit<br />

geforscht wird, scheinen vier besonders vielversprechend.<br />

Bei der Polymergelmethode, beispielsweise,<br />

wird ein synthetisches Gel per Injektion in beide Samenleiter<br />

gespritzt. Dieses Gel setzt sich wie ein Filter<br />

fest und lässt zwar Ejakulationsflüssigkeit durch,<br />

jedoch keine Spermien. Obwohl das Gel zehn Jahre<br />

hält, kann es im Falle eines früheren Kinderwunschs<br />

durch eine erneute Spritze wieder aufgelöst werden.<br />

Wie gesichert die dauerhafte Spermienproduktion<br />

nach einem solchen Eingriff ist, ist jedoch noch unklar.<br />

Auch kann man nach heutigem Stand Entzündungsrisiken<br />

nicht völlig ausschließen.<br />

Ähnliche Schwierigkeiten scheint es mit einer anderen<br />

Methode, dem Samenleiterventil, zu geben. Das vom<br />

Berliner Handwerker Clemens Bimek erfundene und<br />

mit einem Münchner Urologen zusammen entwickelte<br />

Verhütungsimplantat kann direkt in den Hodensack<br />

transplantiert werden und funktioniert - beide Samenleiter<br />

umschließend - wie ein Ventil. Mittels eines durch<br />

die Haut zu ertastenden Schalters kann der Mann dieses<br />

Ventil am Samenleiter wie mit einem Kippschalter<br />

bedienen. Ventil auf, Ventil zu. Der Fluss der Spermien<br />

wird also von Hand reguliert. Obwohl das Implantat<br />

zuverlässige Ergebnisse vorweisen kann, sind viele in<br />

der Fachwelt skeptisch. Beim Hantieren mit lebendem<br />

Gewebe könnten zu leicht Entzündungen und Vernarbungen<br />

am empfindlichen Samenleiter entstehen. Das<br />

Risiko, die Fruchtbarkeit dabei dauerhaft zu verlieren,<br />

sei zu hoch. Dementsprechend müssten sich erstmal<br />

genügend Männer finden, die eine derart invasive<br />

Methode testen wollen würden.<br />

An einem weniger Invasiven Verfahren forschen derzeit<br />

Wissenschaftler in den USA. Das Medikament<br />

EP055 beeinträchtigt das im Hoden produzierte Enzym<br />

TSSK2, welches die Beweglichkeit der Spermien<br />

regelt. Somit sorgt der Wirkstoff für unzuverlässige<br />

„Schwimmer“, die dann die Eizelle nicht erreichen. In<br />

einer Studie wurde das Enzympräparat bereits an Affen<br />

getestet, hier stellte sich die Zeugungsfähigkeit der<br />

Tiere nach 18 Tagen komplett wieder her.<br />

Wissenschaftler der University of Washington wiederum<br />

stellten bei der 100. Jahrestagung der amerikanischen<br />

Endocrine Society in Chicago einen Wirkstoff<br />

aus synthetisch hergestellten Hormonen vor – Demthandrolon-Undecanoat<br />

oder kurz DMAU. Das bereits an<br />

mehreren Männern im Alter von 18 bis 50 Jahren getestete<br />

Präparat unterdrückt die Testosteron-Produktion in<br />

den Hoden und somit auch die der Spermien. Zwar rief<br />

das Medikament minimale Nebenwirkungen wie leichte<br />

Gewichtszunahme und Abnahme des HDL Cholesterins<br />

hervor, jedoch bestanden alle Probanden jegliche Sicherheitstests,<br />

wie zum Beispiel für Leber- und Nierenfunktionen.<br />

Zudem blieben die üblichen Symptome von<br />

Testosteronmangel bei Männern wie zum Beispiel erektile<br />

Dysfunktionen und Stimmungsschwankungen in jedem<br />

Fall aus.<br />

KONTROLLVERLUST ODER<br />

MEHR FREIHEITEN?<br />

Obwohl also einige Methoden mit zu hohen Risiken verbunden<br />

und daher nicht praktikabel sind, scheinen andere,<br />

weniger invasive Präparate wie EP055 und DMAU,<br />

vielversprechend. Bis jetzt ist jedoch noch keines der Verfahren<br />

ausreichend erforscht worden, um zur Marktreife<br />

zu gelangen.<br />

Bis das soweit ist, kann es noch einige Zeit dauern. Zwischenzeitlich<br />

lässt sich Gleichberechtigung in der Verhütungsfrage<br />

vermutlich nur durch folgende Varianten<br />

herstellen: Während laut Dr. Heike Anzenberger immer<br />

mehr Männer ab 40 mit abgeschlossener Familienplanung<br />

dazu tendieren, sich sterilisieren zu lassen, rät sie<br />

jungen Patientinnen dazu, ihre Partner aufzufordern, sich<br />

an den Kosten für die Pille zu beteiligen. Jungen Männern<br />

hingegen wird von Sterilisation abgeraten. Zwar sind Vasektomien<br />

grundsätzlich reversibel, der Eingriff ist jedoch<br />

massiv und kann nicht in jedem Fall eine vollkommene<br />

Wiederherstellung der Fruchtbarkeit garantieren. Und<br />

obwohl bereits vasektomierte Männer, laut Rögelein, regelrecht<br />

begeistert sind, scheint die Kostenaufteilung von<br />

Verhütungsmitteln im Vergleich bei jüngeren Paaren nicht<br />

so einfach zu sein. „Wenn ich vor allem jüngere Patientinnen<br />

dazu animiere, sich die Kosten mit ihrem Partner zu<br />

teilen, stoße ich oft auf irritierte Gesichter“, sagt Dr. Anzenberger.<br />

Während viele Frauen oft einfach nicht auf die<br />

Idee kommen, haben einige Angst, die ausschließliche<br />

Kontrolle und Sicherheit über ihren Körper zu verlieren.<br />

Es scheint also ein schwieriger Konflikt zu sein, in dem<br />

sich die Frauen hier befinden. Einerseits gibt es einige,<br />

die sich mehr männliches Engagement bezüglich Verhütung<br />

wünschen und gerne auf sämtliche Nebenwirkungen<br />

der Pille verzichten würden. Andererseits gibt es Frauen,<br />

die Angst haben, die Verantwortung für die Verhütung<br />

aus der Hand zu geben. Es ist noch unklar, ob die Verhütungspille<br />

für den Mann wirklich den kompletten Kontrollverlust<br />

der Frau bedeutet. In jedem Fall bedeutet sie aber<br />

mehr Freiheiten.<br />

Während Frauen sich<br />

oft angeregt über<br />

Verhütung unterhalten,<br />

kommen hier, in<br />

unserem Online-<br />

Beitrag, endlich auch<br />

mal Männer zu Wort.

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