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Form Follows Future

Die Bauhausnummer

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Anfang<br />

Hin und weg?<br />

Overtourism heißt das Phänomen, wenn zu viele Reisende denselben<br />

Tipps folgen. Sieben Beispiele, welche Auswirkungen das<br />

haben kann und wie es dem Bauhaus-Hotspot Dessau bisher erging<br />

62<br />

–––<br />

Dass Popstar Justin Bieber bei seinen Fans regelmäßig<br />

für Ausnahmezustände sorgt, ist ja nichts Neues.<br />

Seit der Veröffentlichung seines Musikvideos zu „I’ll show<br />

you“ im Jahr 2015 bekommt ein ganzes Land das Ausmaß<br />

des Bieber-Fiebers zu spüren: Die isländische Schlucht<br />

Fjaðrárgljúfur, Schauplatz des Clips, wird geradezu überrannt.<br />

Alle wollen wie Justin die saftig grünen Grashügel<br />

hinunterrollen. Der einzige Ausweg, um das Ökosystem<br />

des Canyons zu schützen, war seine Sperrung. Seit dem<br />

1. Juni 2019 ist er wieder zugänglich, aber das sollte<br />

man lieber nicht zu laut sagen.<br />

ISLAND<br />

VENEDIG<br />

VON SONJA MEINKE<br />

„Ein Jahr lang wird das Jubiläum dieser Geburtshelferin der Moderne gefeiert.“<br />

TRAVELGUIDE LONELY PLANET<br />

–––<br />

Dem Bauhaus hat Deutschland 2019 ganz schön<br />

viel Aufmerksamkeit zu verdanken. Nicht nur haben die<br />

Trendscouts von Lonely Planet Dessau, Weimar und Berlin<br />

zu den Top-Destinationen des Jahres erklärt, auch auf<br />

die „52 Places to go in 2019“-Liste der New York Times<br />

haben es die drei deutschen Städte geschafft. Vor allem<br />

Dessau gilt als besonders sehenswert. In der 82.000-Einwohner-Stadt<br />

lehrten Gropius & Co. die längste Zeit. Und<br />

hier steht nach wie vor das Bauhaus-Gebäude, das mittlerweile<br />

UNESCO-Welterbe ist. Wie sieht es in Dessau<br />

also im Jubiläumsjahr aus? Wer die Stadt in Sachsen-Anhalt<br />

ansteuert, wird zwar mit der eindrucksvollen Campus-Architektur<br />

belohnt, ansonsten aber herrscht nicht gerade<br />

Partystimmung. Pünktlich zum 100-Jährigen sollten<br />

Elektrobusse durch Dessau rollen, um die Besucher zu den<br />

Sehenswürdigkeiten zu bringen. Doch daraus wurde wegen<br />

zu hoher Kosten nichts – und auch mit den Touristen<br />

sieht es mau aus. Womöglich sind wir einfach sechs Jahre<br />

zu früh dran. Denn das Bauhaus ist erst im Jahr 1925<br />

nach Dessau gezogen.<br />

BARCELONA<br />

–––<br />

DESSAU<br />

Die katalanische Hauptstadt hat die Schnauze voll<br />

von Urlaubern. Die jährlich rund 30 Millionen Besucher<br />

treiben unter anderem die Mieten in die Höhe: Nur noch<br />

Außenbezirke sind für Einheimische bezahlbar. Mit Sprüchen<br />

wie „Tourismus tötet die Stadtteile“ machen sie bei<br />

regelmäßig stattfindenden Demonstrationen ihrem Unmut<br />

Luft. Die Tourismus-Gegner fürchten den Verlust der kulturellen<br />

Seele ihrer Stadt.<br />

BILDER: PIXABAY; SHUTTERSTOCK; UNSPLASH<br />

PARIS<br />

–––<br />

„Aufgrund gestiegener Besucherzahlen üben die<br />

Mitarbeiter der Louvre-Rezeption und das Sicherheitspersonal<br />

ihr Recht zu streiken aus. Deshalb wird das Museum<br />

heute den ganzen Tag geschlossen bleiben”, twitterte das<br />

Louvre am 27. Mai dieses Jahres. Die Mona Lisa blieb<br />

den Touristen volle zwei Tage verwehrt. Obwohl die Eintrittskarten<br />

vom Museum erstattet wurden, hatten die Besucher<br />

wenig Verständnis für den Entschluss der Mitarbeiter.<br />

–––<br />

–––<br />

Viereinhalb Millionen Touristen treffen jährlich auf<br />

genauso viele Einwohner in Neuseeland. Umgerechnet<br />

sind es etwa 20 Euro, die die Regierung bald von allen<br />

Urlaubern außer Australiern fordert. Ab Oktober 2019<br />

fällt die Touristensteuer automatisch mit Beantragung des<br />

Visums an. Mit der Zahlung sollen die Besuchermassen<br />

reguliert und so die Umwelt geschützt werden. Wer sich<br />

jedoch den teuren 25-Stunden-Flug leisten kann, wird wohl<br />

auch das nötige Kleingeld für die Steuer berappen können.<br />

Die Einheimischen sind frustriert: Wieder und wieder<br />

verschiebt die Stadt im Wasser die Einführung der<br />

Eintrittsgebühr für Tagestouristen. Nun sollen erst ab 2020<br />

sechs bis zehn Euro pro Kopf fällig werden. In der Hochsaison<br />

drängeln sich täglich 130.000 Besucher durch die<br />

Lagunenstadt. Auch der Kreuzfahrttourismus ist für die<br />

Venezianer eine Zumutung. Erst im Juni gab es einen Zusammenprall<br />

zwischen einem Kreuzfahrtschiff und einem<br />

kleineren Boot. Der Unfall hat die Stimmung angeheizt:<br />

„Raus mit den Monsterschiffen“, fordern die Bewohner.<br />

NEUSEELAND<br />

KALIFORNIEN<br />

–––<br />

Wie ein Heuschreckenschwarm fielen Touristen im<br />

kalifornischen Lake Elsinore über die blühenden Mohnfelder<br />

her. Zurück blieben zertrampelte Blüten, Müll und<br />

über 200.000 Posts auf Instagram unter dem Hashtag<br />

#superbloom. Als letzte Konsequenz sperrten die kalifornischen<br />

Behörden den Zugang zu den Blumenwiesen, um<br />

das Naturwunder und die Anwohner zu schützen. #Naturelove<br />

sieht eindeutig anders aus.

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