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Form Follows Future

Die Bauhausnummer

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Revolution<br />

26<br />

„Die Kunst ist, mit wenig<br />

weiterzukommen.“<br />

Designerin und Künstlerin Ayzit Bostan ist für ihre<br />

reduzierte Mode bekannt. Konsequenterweise<br />

hat sie jetzt ein Bauhaus-Kleid entworfen. Ein Gespräch<br />

über Styling, Stoff und Stilgefühl VON JULIANA GUTZMANN<br />

Hundert Jahre Bauhaus – ein tolles Jubiläum. Hat die<br />

revolutionäre Bildungsstätte Sie schon länger inspiriert<br />

oder haben Sie erst durch Ihre Designkooperationen<br />

2018/19 einen Bezug dazu gefunden?<br />

Ayzit Bostan: Bauhaus interessiert mich beruflich<br />

schon lange. Ich lehre an der Kunsthochschule Kassel<br />

Produktdesign. Dort hatten wir bereits im letzten Sommersemester<br />

das Thema „Why not Bauhaus!?“. Mir ging es<br />

aber nicht um eine Retrospektive, sondern auch darum<br />

das Bauhaus ein bisschen zu entthronen – den Hype zu<br />

durchbrechen. In der heutigen Zeit kann man das ruhig<br />

realistischer sehen und die Strenge ein wenig auflösen.<br />

ges T-Shirt, das die Trägerin nicht anstrengt, aber trotzdem<br />

cool und angezogen aussieht. Dann hat es Taschen – praktisch!<br />

Beim inneren Gürtel fand ich toll, dass man nur eine<br />

Stelle betont und hinten locker lassen kann. Vorne ist man<br />

fitted, hinten weit. Diese Silhouette verwende ich gern.<br />

Wie würden Sie das Kleid stylen?<br />

Es kommt auf den verwendeten Stoff an. Das Bauhaus-Kleid<br />

gibt es in vielen Variationen, die man festlich,<br />

sinnlich oder auch ein bisschen rougher kombinieren<br />

kann. Es ist eine moderne Interpretation – keine Retrospektive.<br />

Ayzit Bostan, 51, in New York. 2015 hat sie sich von der Weltstadt inspirieren lassen, in der Bauhaus-Studentin Anni Albers im Jahr 1949 als erste Textilkünstlerin überhaupt<br />

eine Ausstellung im MOMA bekam. Ayzit Bostan ist zurzeit Teil einer Exposition zum Thema Bauhaus: ihre Neuinterpretation des Lattenstuhls von Marcel Breuer ist in „Reflex Bauhaus.<br />

40 Objects – 5 Conversations “ zu sehen. Besucht werden kann die Ausstellung noch bis Februar 2020 in der Münchner Pinakothek der Moderne.<br />

FOTO: FABIAN FRINZEL<br />

Wie zum Beispiel?<br />

Bei der Designkooperation mit Philipp Bree habe ich<br />

einen Brustbeutel entworfen, dessen Gurt-Enden freie <strong>Form</strong>en<br />

sind und eben kein Quadrat oder Kreis. Ich fand<br />

diese Interpretation irgendwie netter und auch lustiger.<br />

Der Bauhaus-Wiedererkennungseffekt entstand trotzdem<br />

durch unsere Farbgebung in der Taschenkollektion. Danach<br />

war ich im Flow. Wenn man sich intensiv mit etwas<br />

beschäftigt, strahlt das auch in andere Bereiche aus.<br />

Ich bin froh, dass ich die Bauhaus Idee früh aufgegriffen<br />

habe. 2019 gibt es schon einen leichten Overload: Alles<br />

wird Bauhaus. Das Kleid, für MO:DE 11 ist daher mein<br />

letztes Projekt in dieser Richtung.<br />

Das Kleid ist sehr clean gehalten. Welche Elemente genau<br />

sind für Sie daran Bauhaus?<br />

Vor allem die Farbe und der Stoff! Ich wollte ein pures<br />

Kleid machen, das aber durch die Ausschnittgröße auch<br />

eine gewisse Sexiness bekommt. Meiner Meinung nach<br />

war das Bauhaus nämlich auch minimal prüde. Es ist unfair:<br />

wenig Frauen sind sichtbar geblieben oder geworden,<br />

weil die Hochschule männerdominiert war – obwohl<br />

sie ja offiziell sehr progressiv und modern sein wollten.<br />

Die Studentinnen haben mehr Produkte verkauft, da ihre<br />

Entwürfe viel angewandter waren. Trotzdem sind sie als<br />

Designerinnen nie so gefeiert worden wie die männlichen<br />

Studenten/Absolventen.<br />

Das Bauhaus-Kleid ist knöchellang und sehr luftig geschnitten.<br />

Hatten Sie beim Entwurf auch angewandtes<br />

Design im Sinn?<br />

Definitiv. Ich finde ein pures Kleid so wunderbar unkompliziert.<br />

Gerade im Sommer. Man ist angezogen, es<br />

engt einen nicht ein. Man muss nicht tausend Stunden<br />

überlegen, was man anzieht. Eine Basis, die zu allem<br />

passt: flache Schuhe, hohe Schuhe, eine Tasche oder nur<br />

ein Beutel… so etwas mag ich. Im Prinzip ist es wie ein lan-<br />

Wie kann man das Schnittmuster zuhause<br />

anwenden?<br />

Ganz individuell. Verschiedene Farben, verschiedene<br />

Stoffe oder Muster – auch die Ärmellängen können variiert<br />

werden. Wir arbeiten gerade an einer Version in<br />

Schwarz mit durchsichtigen Ärmeln. Das ist das Tolle am<br />

Basic-Schnitt: Man kann sich immer wieder neu inspirieren<br />

lassen.<br />

Wenn Sie in der damaligen Zeit gelebt hätten, wären<br />

Sie auch ans Bauhaus gegangen?<br />

Das hätte mich total interessiert. Man wusste ja, dass<br />

aufgeschlossene, modern eingestellte oder die Moderne<br />

suchende Leute ans Bauhaus gingen. In so einem Kontext<br />

zusammen zu wachsen, sich zusammen auszuprobieren<br />

und durch andere inspiriert zu werden – das ist eine große<br />

Chance. Es waren ja nicht nur lokale, sondern auch<br />

internationale Studenten und Dozenten dort. In einer Welt<br />

ohne Internet – keine alltäglichen Austauschpartner. Im<br />

Prinzip war es natürlich auch ein bisschen Name-Dropping,<br />

aber trotzdem: alles was neu ist und sich neu entwickelt<br />

ist total interessant. Wenn hier in München etwas<br />

so Spannendes aufmachen würde, wo sich wichtige und<br />

interessante Leute treffen... da würde man sich ja auch<br />

bewerben.<br />

Wo finden Sie stattdessen kreativen Input?<br />

In einen Beruf wie meinen wächst man durch diverse<br />

Einflüsse hinein. Modedesign war und ist eigentlich gar<br />

nicht mein Fokus im Alltag. Ich finde eher, dass man sich<br />

für viele Richtungen interessieren muss. Designer oder<br />

Künstler zu sein ist kein Nine-to-Five-Job – es ist eine Haltung.<br />

Ob Filme, Ausstellungen, Musik, Austausch - alles<br />

kann inspirieren! An manchem bleibt man hängen und<br />

nimmt es wahr, weil man mit anderen Augen, einem andere<br />

Blick durch die Welt läuft. Dann absorbieren sich die<br />

Eindrücke und am Ende kommt etwas Persönliches heraus.<br />

Isabella Heinz, zurzeit Modedesignstudentin<br />

der AMD München, hat den beigelegten<br />

Papierschnitt des Bauhaus-Kleides für MO:DE 11<br />

digitalisiert. Das Schnittmuster zum Ausdrucken<br />

und Nachschneidern findet man auch auf unserer<br />

Homepage www.formfollowsfuture.de

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