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Form Follows Future

Die Bauhausnummer

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Revolution<br />

80<br />

SIEBEN TAGE,<br />

SIEBEN FARBEN<br />

Damals schwer verdauliche Körnerdiät heute<br />

gelber Montag und grüner Dienstag. Wo<br />

fängt der Ernährungswahn an, wo hört er auf?<br />

VON MARIE-LOUISE WENZL-SYLVESTER<br />

Ein kurzer Blick in Deutschlands Kantinen zeigt meist<br />

opulente Gerichte, wie ein klassisches Schnitzel mit Pommes<br />

Frites, Nudeln und eine obligatorische Salatbar, die<br />

neben Wurstsalat und Dosenmais oftmals ungeschälte<br />

Gurken, sowie halbgereifte Tomaten hergibt. Immerhin.<br />

Freunde von herzhaften Mahlzeiten gingen in der<br />

Bauhaus-Mensa weitestgehend leer aus. Schon vor 100<br />

Jahren lag dort die vegane Ernährung im Trend. Exotisch<br />

klingende Gerichte wie „Isländisch-Moos-Pudding“, „Gefülltes<br />

Brot-Symposium“ und „Knoblauch-Kaltschale“ sorgten<br />

bei den Studierenden für starken Durchfall und regelmäßige<br />

Ohnmacht.<br />

In seinem Buch „Jenear Tischgeschichten“ widmet Autor<br />

Christian Hill den skurrilen Mazdaznan-Menüs eine<br />

ganze Seite.<br />

Initiator für diese durchaus spezielle Ernährungsform<br />

war der Schweizer Künstler und Lehrmeister Johannes Itten.<br />

Er brachte 1919 die Mazdaznan-Lehre, eine wild<br />

zusammengewürfelte Mixtur aus verschiedensten Religionen,<br />

ans Bauhaus. Bewusstes maßvolles Essen, Selbstbeherrschung<br />

und die richtige Atmung sollte die geistige<br />

und körperliche Kraft der Anhänger dieser Lebensphilosophie<br />

stärken. Schlemmen und daraus resultierendes Übergewicht<br />

waren tabu.<br />

Der amerikanische Schriftsteller Tom Wolfe kritisiert in<br />

seinem kurzweiligen Pamphlet „Mit dem Bauhaus leben“<br />

die strikte Ernährungsform:<br />

„Es gab in Weimar eine Phase, da bestand die Bauhaus-Diät<br />

ausschließlich aus einem Mus von rohem, frisch<br />

geernteten Gemüse. Das Mus war so schlaff und faserig,<br />

dass man Knoblauch beigeben musste, um irgendeinen<br />

Geschmack zu erzielen.“<br />

Doch hat sich seitdem wirklich so viel geändert? Im<br />

Zeitalter von sozialen Medien, in dem ein Food-Trend den<br />

nächsten jagt, sind wir heute vielleicht sogar noch extremer<br />

als Itten es uns vorlebte. Mal ehrlich, wer hat noch<br />

keine im Internet aufgeschnappte, erfolgversprechende<br />

Diät ausprobiert und nach spätestens einer Woche wieder<br />

aufgegeben?<br />

FOTOS: MARIE-LOUISE WENZL-SYLVESTER INSPIRIERT VON PHILIP KARLBERG

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