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Die Bauhausnummer

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Freiheit<br />

„ICH MUSSTE LERNEN, AUFGABEN ABZUGEBEN“<br />

FRANZISKA (45), STELLV. CHEFREDAKTEURIN, IN EINER PARTNERSCHAFT, EIN KIND<br />

Franziska arbeitet nun schon seit mehr als 20 Jahren<br />

für die deutsche Ausgabe des Modemagazins Elle. Trotz<br />

ihres zeitintensiven Jobs investiert sie auch in ihr Familienleben<br />

mit Tochter und Partner viel Energie. Zwei unterschiedliche<br />

Bereiche ihres Lebens, die ihr gleichermaßen<br />

Freiheit geben und sie wachsen lassen. In ihrer Berufslaufbahn<br />

ist Franziska nie an den Punkt gekommen, sich<br />

entweder für den Job oder die Familie entscheiden zu<br />

müssen. Für sie sei es immer klar gewesen, konstant<br />

arbeiten zu wollen und selbstständig zu leben. Um diese<br />

zwei Komponenten zu vereinen, musste sie jedoch<br />

lernen, Kompromisse einzugehen, was ihre eigenen Ansprüche<br />

angeht. „Frauen wollen in allem hundertprozentig<br />

gut sein und alles geben. Ganz ohne Abstriche geht<br />

es jedoch nicht, wenn man Familie und Karriere unter<br />

einen Hut kriegen möchte“, sagt Franziska. Da sowohl<br />

ihr Mann als auch sie selbst beruflich sehr eingespannt<br />

sind, waren sie von Anfang an auf die Hilfe von Anderen<br />

angewiesen. Das Vertrauen und das Abgeben von<br />

Verantwortung sei also ein wichtiger Bestandteil ihres<br />

Familienlebens. Veränderung kann laut Franziska nur<br />

stattfinden, wenn Frauen mehr Dinge einfordern, den<br />

Männern mehr abverlangen und anfangen, „auch mal<br />

ihren Stiefel durchzuziehen“. Um eine gewisse Selbstverständlichkeit<br />

nach außen zu repräsentieren, sei das<br />

Selbstbewusstsein der Frauen ein wichtiger Faktor. Nur<br />

so könne ein gesellschaftliches Umdenken entstehen. Als<br />

Führungskraft ist ihr auch klar, dass die Doppelbelastung<br />

Job und Familie oftmals zu Konflikten führen kann. Mit<br />

diesem Thema sollte daher sehr sensibel umgegangen<br />

„ICH MÖCHTE KEINE<br />

AUFFÜHRUNG MEINES<br />

KINDES VERPASSEN“<br />

SARAH (27), VISUAL COMMERICIAL<br />

MANAGER, IN EINER PARTNERSCHAFT,<br />

KEINE KINDER<br />

werden: Es dürften für niemandem im Team Nachteile entstehen, auch nicht für Frauen ohne<br />

Kinder. „Wenn eine Mutter früher los muss, um ihr Kind abzuholen, sollte den kinderlosen<br />

Kolleginnen ein Ausgleich gewährt werden“, erklärt Franziska. Man könne nicht immer nur<br />

von den „armen Müttern“ sprechen, sondern müsse das gesamte Bild betrachten. In der<br />

Gesellschaft beobachtet Franziska eine Renaissance des Biedermeier, wie sie sagt: die Rückbesinnung<br />

auf die Familie und traditionelle Werte, begleitet von einer großen Sehnsucht nach<br />

Stabilität. Ein sehr klassisches Familienideal, das sie selbst nie hatte. Sie sei von einem sehr<br />

gleichberechtigten Rollenbild geprägt worden, weshalb ihr dies auch in der Erziehung ihrer<br />

Tochter besonders wichtig ist. Jeder Elternteil solle nach seinen Stärken eingesetzt werden,<br />

um das Bestmögliche herauszuholen. In Bezug auf Gleichberechtigung fordert Franziska eine<br />

größere Wertschätzung der Männer und gegenseitigen Respekt: „Es ist kein Kampf. Es sollte<br />

keiner sein, aber momentan ist es noch einer.“<br />

Wenn Sarah einmal Kinder hat, möchte sie ihnen bei<br />

den Hausaufgaben helfen, nachmittags mit ihnen ins<br />

Schwimmbad gehen und keine ihrer Musikaufführungen<br />

verpassen. Schließlich sind das die Ereignisse, die eine<br />

Mutter nicht verpassen sollte, findet sie. Sie ist aber der<br />

Meinung, dass das nur funktionieren kann, wenn sie<br />

Abstriche im Beruf machen würde. Eigentlich bietet ihr<br />

Job als Visual Commercial Manager bei Zara, wo sie<br />

für die Gestaltung der Verkaufsflächen zuständig ist, die<br />

idealen Arbeitszeiten für Mütter. Länger als 15:00 Uhr<br />

muss sie selten arbeiten. Sarah möchte sich jedoch noch<br />

weiterbilden, Seminare und Workshops sowie Filialen<br />

auf der ganzen Welt besuchen. Mit einem Kind wäre<br />

das für sie, die rund um die Uhr für ihre Familie da sein<br />

möchte, unmöglich. Daher hat sie dieses Thema erstmal<br />

auf Eis gelegt. Eigentlich so gar nicht, was sie sich einmal<br />

vorgestellt hat: „Mit 27 wollte ich längst in einem<br />

Haus mit Garten leben, mich hingebungsvoll um zwei<br />

Kindern kümmern und das Dasein als Familienmutter<br />

genießen.“ Zwar hat sie seit zehn Jahren eine stabile<br />

Beziehung, wohnt aber in einer gemütlichen Altbauwohnung<br />

und plant Kinder frühestens mit 30. Warum hat sich ihre Wunschvorstellung in Sachen<br />

Familie so verändert? Das liegt unter anderem an ihrem beruflichen Aufstieg, der ihr ganz<br />

neue Möglichkeiten aufzeigte. Angefangen hatte sie als gelernte Einzelhandelskauffrau. Das<br />

hieß: wechselnde Schichten, lange Arbeitszeiten und Einsätze auch an Samstagen - nicht<br />

gerade familienfreundlich. Viele Mütter mit Kindern arbeiten daher in Teilzeit und müssen<br />

trotzdem um freie Wochenenden kämpfen, da auch bei einer 25-Stunden-Woche nicht jeder<br />

Wunsch erfüllt werden kann. Jene Kolleginnen, die Vollzeit arbeiteten, waren oft gelangweilt<br />

und ausgebrannt, viele sahen in der Familienplanung den einzigen Ausweg. Doch Sarah<br />

merkte: ich möchte mich noch nicht aufs Private konzentrieren, sondern mich beruflich neuen<br />

Herausforderungen stellen! Deshalb bewarb sie sich als Visual Commercial Manager, wurde<br />

genommen - und sammelt seitdem Erfahrungen, die mit einem Kind schwierig wären. Wenn<br />

der richtige Zeitpunkt gekommen ist, sagt sie, werde es ihr besonders wichtig sein, dass ihr<br />

Partner nicht nur beim Kinderwunsch, sondern auch bei der Erziehung hundert Prozent hinter<br />

ihr steht. Schließlich opfere die Frau doch einiges für eine Familie. Daher ist es für Sarah nicht<br />

abwegig, dass der Partner nach der Geburt in Elternzeit geht - mindestens zwei Monate. Um<br />

das zu klären, sei aber noch genügend Zeit. Gerade lebt sie sehr gern im Hier und Jetzt.<br />

46<br />

UND SEI ES NUR ZUM ZEITVERTREIB“<br />

„WO WOLLE IST, IST AUCH EIN WEIB, DAS WEBT,<br />

OSKAR SCHLEMMER<br />

Bilder der Frauen und die Gedanken<br />

über ihre Zukunft finden Sie hier.

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