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Form Follows Future

Die Bauhausnummer

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Revolution<br />

24<br />

25<br />

Schön ist,<br />

was funktioniert<br />

Diese Haltung vertraten nicht nur Schüler<br />

und Lehrende am Bauhaus – auch<br />

Designer von heute entwerfen die aktuelle<br />

Mode entsprechend. Eine Analyse des<br />

Utility-Trends VON ANGELA GUNDOLF<br />

Einen guten Fang macht man<br />

diese Saison mit Kleidung, die<br />

mehr kann als nur gut aussehen.<br />

Die Anglerweste von Oysho<br />

Sport vergüt über praktische<br />

Elemente wie aufgesetzte<br />

Taschen, einen verstellbaren<br />

Tunnelzug und versiegelte<br />

Zipper. Ein weiteres Plus: das<br />

atmungsaktive und wasserabweisende<br />

Material.<br />

Schnelllebigkeit ist ein prägender Teil unserer<br />

heutigen Gesellschaft. Oft haben weder Gebrauchsgegenstände<br />

noch Dinge mit einem<br />

persönlichen Bezug, wie zum Beispiel Beziehungen,<br />

eine langfristige Bedeutung für den<br />

Einzelnen. Doch derzeit scheinen sich genau danach die<br />

Menschen zu sehnen. Und das hat einen Grund: Die politisch<br />

kritische und instabile Lage bringt uns dazu, Einfachheit<br />

und Klarheit im Alltag zu schätzen.<br />

Diese Probleme greifen die Mode-Designer im<br />

Herbst/Winter 2019/20 in ihre Kollektionen auf. In <strong>Form</strong><br />

von funktioneller Mode kreieren sie Designs, die einen<br />

langfristigen Nutzen haben. Utility (Deutsch: Nützlichkeit)<br />

nennt sich der Trend, der Designelemente der funktionalen<br />

Outdoor-Bekleidung in den zeitgenössischen Kontext<br />

integriert. „Auf den Laufstegen wurden Jumpsuits, gegürtete<br />

Hosen und Jacken gezeigt [...] Der Trend liegt irgendwo<br />

zwischen schicker Safari und modernem Militär. Aber<br />

die allgemeine Botschaft ist klar: Mach dich nützlich“,<br />

schreibt Kerry Pieri in der amerikanische Harper‘s Bazaar<br />

über die Schauen.<br />

Ein Paradebeispiel für den Utility-Chic ist Stella Mc-<br />

Cartney. Gummistiefel, Cargo-Hosen und Outdoor-Jacken<br />

mit aufgesetzte Leistentaschen. Im Gegenzug dazu zeigt<br />

sie feminine Silhouetten und Materialien wie taillierte Blazer,<br />

Chiffon-Kleider und Fransen. Die britische Designerin<br />

vereint in ihrer Herbst-/Winterkollektion 2019/20 das<br />

Design der Jagd- und Militärkleidung mit der Eleganz der<br />

Powerfrau von heute: Ausgerechnet große aufgesetzte Taschen<br />

und Kellerfalten etwa – bislang eher als praktisch,<br />

weniger als schön angesehen – werden bei McCartney<br />

zu den Herzstücken ihrer Looks. „Funktion wird in <strong>Form</strong><br />

des Utility-Chic in die Mode aufgenommen“, beschreibt<br />

Elizabeth von der Goltz, Buying Director des Luxus-Händlers<br />

Net-à-Porter, das Phänomen.<br />

Ein Label, das schon seit seiner Gründung 2013 mit<br />

sportlichen Street-Styles und Elementen des Outdoor-Bereichs<br />

arbeitet, ist Off-White. In seiner Kollektion für<br />

Herbst/Winter 2019/20 zelebriert Chefdesigner Virgil<br />

Abloh vollkommene Funktionalität: Seine Models, die in<br />

übergroßen Daunenmänteln und Dufflecoats über den<br />

Runway liefen, könnten so auch eine Polarexpedition starten.<br />

„Virgil Abloh designt mit einem sehr hohen kreativen<br />

Anspruch und stellt gleichzeitig die Funktionalität in den<br />

Vordergrund“, sagt Theresa Pichler, Fashion Director der<br />

deutschen InStyle. Das Fleece-Material, das Abloh für<br />

die Kollektion bevorzugt, kommt aus dem Bereich der<br />

Outdoor-Bekleidung – es wärmt, ist formbeständig und<br />

trocknet schnell. Somit setzt der Designer nicht nur auf die<br />

Utility-Optik, sondern greift auch bei der Materialauswahl<br />

auf funktionale Stoffe zurück.<br />

FOTOS: PAUL MEYER<br />

Doch es ist nicht nur das Praktische, das den Trend so<br />

populär macht, sondern auch der vielfältige Einsatz im<br />

Alltag. Athleisure – ein Teil des Utility-Trends – ermöglicht<br />

es, ein Kleidungsstück sowohl im Büro, im Club, als auch<br />

beim Sport zu tragen. So wirkt ein Outfit zugleich schick<br />

und sportlich.<br />

Klassische Sport-Labels wie Adidas, Nike und Co.<br />

perfektionieren diese Verschmelzung längst. Durch Kooperationen<br />

mit High-Fashion-Labels bringen sie die<br />

Funktionalität des Sports auf die Laufstege. Zuletzt kollaborierte<br />

Nike mit dem amerikanischen Designer Matthew<br />

M. Williams, der 2009 durch die Zusammenarbeit mit<br />

Lady Gaga bekannt wurde. Williams entwarf 2018 eine<br />

Capsule-Kollektion für Nike und arbeitet nun vermehrt an<br />

Schuhen für das Label, die den Multifunktionalitätseffekt<br />

aufgreifen. Sein eigenes Label, 1017 ALYX 9SM, das<br />

in den letzen Saisonen eine der Newcomer-Brands auf<br />

den Pariser Modewochen war, zelebriert den Multifunktionalitätstrend<br />

noch mehr. Für Herbst/Winter 2019/20<br />

präsentiert Williams Cargo-Hosen, die man als elegant<br />

und sportlich zugleich bezeichnen kann, da sie schlicht<br />

und einfach beide Aspekte zu hundert Prozent erfüllen.<br />

Ebenfalls Multitalente sind seine Regenjacken, die sowohl<br />

die Funktion des gelben Paddington-Mantels erfüllen als<br />

auch mit moderner Optik überzeugen. Außerdem zeigt er<br />

klassische Rollkragen-Pullover, die durch ihren Schnitt und<br />

ihr atmungsaktives Material als Second Skin unter einen<br />

Blazer oder als Breathables bei der nächsten Jogging-Einheit<br />

getragen werden können. Kleidungsstücke, die zu jeder<br />

Uhrzeit, zu jedem Anlass und bei jedem Wetter zum<br />

Einsatz kommen.<br />

Die Gegenströmung CAMP dagegen – Eyecatcher<br />

und Motto der diesjährigen Met-Gala – zelebriert laut Susan<br />

Sontag die Liebe zum Unnatürlichen, zur Künstlichkeit<br />

und zur Übertreibung. Der Funktionalitätsgedanke aber<br />

ist es, der der Allgemeinheit einen zeitlosen, langfristigen<br />

Nutzen liefert: „Funktionskleidung ist gekommen, um zu<br />

bleiben. Seitdem sie bewusst entworfen wird, finden immer<br />

mehr Menschen Gefallen daran. Eine Regenjacke,<br />

ein Parka oder Track-Pants werden sich auch in ihrer<br />

Grundform nie ändern. Wer hier in gute Teile investiert,<br />

kann sie ein Leben lang tragen“, erklärt InStyle-Expertin<br />

Theresa Pichler.<br />

Die <strong>Form</strong> folgt also der Funktion. An dieses obligatorische<br />

Bauhaus-Credo von Architekt Louis O‘Sullivan knüpft<br />

heute die Utility-Mode an: Designs und Produkte werden<br />

langlebig, praktisch, modern und ästhetisch. Genau das<br />

wird in unserer Zeit, die von politischem Chaos geprägt<br />

ist, gebraucht. Denn schön ist am Ende, was funktioniert.<br />

Pinterest<br />

Stella McCartney, Off-White<br />

und Matthew M. Williams<br />

waren erst der Anfang:<br />

Durch das Scannen dieses<br />

Codes gelangen Sie in die<br />

ganze Welt von Utility,<br />

dem wohl praktischsten Modetrend<br />

diees Jahres.<br />

Lassen sie sich inspirieren!<br />

Wie beim Wandern wird diese<br />

Saison auch in der Stadt auf<br />

den praktikablen Lagen-Look<br />

gesetzt – links mit Regenjacke<br />

von Nike Performance und gepolsterter<br />

Weste von The North<br />

Face, unten mit einem leichten<br />

Cape von Nike als schützende<br />

und wasserabweisende Top-<br />

Schicht.<br />

WASSILY KANDINSKY<br />

Kunst und Technik – eine neue Einheit! –

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