ZAP-2019-22
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<strong>ZAP</strong><br />
Anwaltsmagazin<br />
losgelöst von der EU-Richtlinie 2013/48 betrachtet<br />
werden, die allein den Zugang zum Rechtsbeistand<br />
regele und die von der PKH-Richtlinie<br />
nur insoweit ergänzt werde, als dass der Zugang<br />
zu einem Rechtsbeistand nicht an mangelnden<br />
finanziellen Mitteln scheitern solle. Auch werde<br />
die Umsetzung des Regierungsentwurfs, etwa<br />
bereits bei der ersten Beschuldigtenvernehmung<br />
durch die Polizei, erhebliche negative Auswirkungen<br />
auf die Strafverfolgung haben.<br />
Auch eine Oberstaatsanwältin sah das so. Oberstes<br />
Regelungsanliegen solle sein, in das bisherige<br />
System nur insoweit einzugreifen, als Anpassungen<br />
europarechtlich zwingend notwendig seien.<br />
Der derzeitige Gesetzentwurf sehe jedoch eine<br />
weitgehende Ausweitung der Pflichtverteidigung<br />
auf das Ermittlungsverfahren vor, die von der<br />
Richtlinie nicht gefordert und angesichts der<br />
bestehenden Belehrungs- und Beiordnungsvorschriften<br />
auch nicht geboten sei. Es bestehe keine<br />
Veranlassung für eine „überobligatorische“ Umsetzung<br />
der EU-Vorgaben.<br />
Der stellvertretende Bundesvorsitzende des Bundes<br />
Deutscher Kriminalbeamter (BDK) erwartet<br />
von einer Umsetzung des Entwurfs in der vorgelegten<br />
Fassung eine nachhaltige Veränderung<br />
der polizeilichen und justiziellen Praxis, deren<br />
Folgen im Hinblick auf die Aufklärung schwerer<br />
Straftaten noch nicht absehbar seien. Aufgrund<br />
der beabsichtigten Vorverlagerung der Pflichtverteidigerbestellung<br />
auf den Zeitpunkt vor der ersten<br />
polizeilichen Vernehmung stehe eine wesentliche<br />
Abkehr von der bisherigen Rechtspraxis an, die<br />
diese Entscheidung bislang erst zum Zeitpunkt der<br />
richterlichen Vorführung für erforderlich erachtet<br />
habe. Auch die Erläuterungen zum Gesetzentwurf<br />
seien für die Rechtsanwendung aus Sicht der<br />
polizeilichen Praxis wenig hilfreich.<br />
Ein Professor des Instituts für Kriminalwissenschaften<br />
und Rechtsphilosophie der Goethe-Universität<br />
Frankfurt und gleichzeitig Richter am OLG<br />
Frankfurt, begrüßte die Vorlage insgesamt, sah<br />
einige Punkte aber auch kritisch. Er erklärte mit<br />
Blick auf die längst abgelaufene Umsetzungsfrist<br />
der PKH-Richtlinie, dass das Gesetzgebungsverfahren<br />
auf der Basis des vorliegenden Gesetzentwurfs,<br />
aber mit Nachbesserungen, zügig seinen<br />
Fortgang nehmen sollte. Dem Gesetzgeber sei anzuraten,<br />
die Feststellung der Notwendigkeit der<br />
Verteidigung zeitlich vorzuverlagern, um eine Beiordnung<br />
vor einer ersten verantwortlichen polizeilichen<br />
Vernehmung in allen relevanten Fällen<br />
sicherzustellen, wie es in anderen Mitgliedstaaten<br />
der EU und in der Schweiz längst gelebte Rechtspraxis<br />
sei.<br />
[Quelle: Bundestag]<br />
Anwaltliche Hinweispflicht<br />
Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat darauf<br />
aufmerksam gemacht, dass die gesetzliche<br />
Hinweispflicht auf die Verbraucherstreitbeilegung<br />
auch für Anwältinnen und Anwälte gilt. Hierbei<br />
müsse die auf einer Anwaltswebsite und/oder in<br />
den AGB enthaltene Erklärung zur Teilnahmebereitschaft<br />
an Verbraucherstreitbeilegungsverfahren<br />
klar und verständlich sein. Die Aussage „im<br />
Einzelfall zu einer Teilnahme bereit“ genüge nicht. Die<br />
BRAK verweist auf eine jüngst ergangene Entscheidung<br />
des BGH (Urt. v. 21.8.<strong>2019</strong> – VIII ZR<br />
265/18). Diese betraf zwar einen Online-Shop für<br />
Lebensmittel; die BRAK betont jedoch, dass die<br />
dort bekräftigten Hinweispflichten gem. §§ 36, 37<br />
VSBG auch für Anwälte gelten.<br />
Die vorvertragliche Information nach § 36 Abs. 1<br />
VSBG müsse, so entschied der BGH, klar und verständlich<br />
sein. Die Teilnahmebereitschaft könne<br />
verneint, bejaht oder teilweise bejaht werden.<br />
Dies ergebe sich aus dem Begriff „inwieweit“.<br />
Wegen der in der Phase der Vertragsanbahnung<br />
bestehenden Vielfalt möglicher künftiger Streitigkeiten<br />
müsse der Unternehmer sich festlegen, bei<br />
welchen abstrakt bestimmbaren Fallgestaltungen<br />
er sich auf ein Schlichtungsverfahren einlassen<br />
werde. Die erfassten Fälle müssten so klar umschrieben<br />
werden, dass zuverlässig beurteilt werden<br />
könne, auf welche Fallgestaltungen sich die<br />
Bereitschaft erstrecke.<br />
In dem Fall ging es um folgenden Hinweis: „Der<br />
Anbieter ist nicht verpflichtet, an Streitbeilegungsverfahren<br />
vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.<br />
Die Bereitschaft dazu kann jedoch im<br />
Einzelfall erklärt werden.“ Dies, so der BGH, genüge<br />
nicht dem Transparenzgebot und zwinge Verbraucher<br />
zu Nachfragen. Der BGH hat deshalb<br />
den geltend gemachten Unterlassungsanspruch<br />
und die Erstattungspflicht der Abmahnkosten<br />
gemäß UKlaG bejaht. Damit dürften nach Ansicht<br />
des BGH auch Aussagen wie „ … sind grds. bereit, an<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 20.11.<strong>2019</strong> 1161