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ZAP-2019-22

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Anwaltsmagazin<br />

<strong>ZAP</strong><br />

Aus den Oppositionsparteien wird argumentiert,<br />

dass die Politik es versäumt habe, die Haftungsobergrenze<br />

von jährlich 110 Mio. € rechtzeitig<br />

den absehbar steigenden Risiken anzupassen.<br />

Regierungsvertreter hielten dem jedoch entgegen,<br />

dass mit einer Insolvenz von der Dimension<br />

der Thomas Cook-Pleite niemand habe rechnen<br />

können. Der größte bislang zu deckende Schadensfall<br />

habe bei 30 Mio. € gelegen. Es habe auch<br />

nur wenige Kritiker gegeben, die an der geltenden<br />

Haftungsobergrenze etwas auszusetzen hatten.<br />

Das System habe „wunderbar funktioniert“. Erst<br />

jetzt habe sich diese Ansicht als Fehleinschätzung<br />

erwiesen.<br />

Die Regierung ist der Auffassung, dass eine<br />

Anhebung der Garantiesumme auf 300 Mio. €,<br />

wie von Oppositionsvertretern gefordert, zur<br />

Folge hätte, dass sich Pauschalreisen verteuerten<br />

und kleinere Anbieter in Schwierigkeiten geraten<br />

könnten. Es sei außerdem nicht ausgemacht, dass<br />

sich Versicherer bereitfänden, ein so hohes Risiko<br />

abzudecken. Gleichwohl will die Bundesregierung<br />

jetzt alternative Modelle des Insolvenzschutzes<br />

für Pauschalreisende untersuchen.<br />

[Quelle: Bundesregierung]<br />

Experten-Diskussion über geplante<br />

PKH-Änderungen<br />

Die Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/1919 über<br />

Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte<br />

Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte<br />

Personen in Verfahren zur Vollstreckung<br />

eines Europäischen Haftbefehls war Ende Oktober<br />

Gegenstand einer Expertenanhörung im Bundestagsausschuss<br />

für Recht und Verbraucherschutz.<br />

Die EU-Richtlinie wäre eigentlich schon<br />

bis zum 5.5.<strong>2019</strong> in deutsches Recht umzusetzen<br />

gewesen. Ein entsprechender Regierungsentwurf<br />

liegt allerdings erst seit Kurzem vor.<br />

Die EU-Vorgaben wollen das Recht auf Zugang zu<br />

einem Rechtsbeistand effektiver ausgestalten. In<br />

diesem Zusammenhang legen sie auch Mindestvorschriften<br />

über das Recht auf Prozesskostenhilfe<br />

fest und stehen in engem Zusammenhang mit dem<br />

ebenfalls zu novellierenden Recht der notwendigen<br />

Verteidigung (s. zuletzt <strong>ZAP</strong>-Anwaltsmagazin<br />

18/<strong>2019</strong>, S. 943). Die geplante Umsetzung in<br />

deutsches Recht wurde von den Sachverständigen<br />

aber überwiegend kritisch beurteilt. So bezeichnete<br />

etwa der Vertreter des Deutschen Anwaltvereins<br />

(DAV) die Gesetzesvorlage als einen Rückschritt<br />

ggü. dem Referentenentwurf, der noch eine behutsame<br />

Erweiterung des bisherigen Systems der<br />

Pflichtverteidigung in Aussicht genommen habe.<br />

Der Referentenentwurf habe einen Fall notwendiger<br />

Verteidigung und anwaltlicher Beiordnung zum<br />

Zeitpunkt der erstmaligen polizeilichen Vernehmung<br />

einer beschuldigten Person indiziert. Jetzt<br />

solle eine entsprechende Feststellung und Beiordnung<br />

grds. von einer entsprechenden Antragstellung<br />

des Beschuldigten abhängig gemacht werden.<br />

Dies bedeute einen Bruch im bisherigen System der<br />

notwendigen Verteidigung.<br />

Der Vertreter der Vereinigung Berliner Strafverteidiger<br />

sprach von einem Abbau von Verfahrensgarantien<br />

für Beschuldigte in Strafverfahren. Notwendige<br />

Verteidigung diene nicht nur dem Schutz<br />

des Beschuldigten. Sie liege im gesellschaftlichen<br />

Interesse und dürfe nicht allein von einem Antrag<br />

des Beschuldigten abhängig gemacht werden.<br />

Ein geladener Rechtsanwalt und Honorarprofessor<br />

war der Ansicht, der Regierungsentwurf<br />

verfolge in europarechtswidriger Weise eine<br />

Minimierung und Aushöhlung der notwendigen<br />

Verteidigung, „verschlimmbessere“ den ursprünglichen<br />

Referentenentwurf und mache Korrekturund<br />

Ergänzungsbedarf bei einzelnen neuen Regelungen<br />

erforderlich. Der Zugang zum Recht<br />

müsse für diejenigen abgesichert werden, die dies<br />

aus eigenen Kräften nicht könnten oder wollten.<br />

Er merkte auch an, dass die frühe Verteidigung<br />

generell keine unzuträgliche Verzögerung von<br />

Strafverfahren bewirke, sondern, ganz im Gegenteil,<br />

nicht selten eine Beschleunigung.<br />

Aber auch die Vertreter der Ermittlerseite hatten<br />

Bedenken gegen den Entwurf, allerdings aus einer<br />

anderen Perspektive. Ein Generalstaatsanwalt<br />

war der Meinung, dass die Vorlage abzulehnen<br />

sei, da sie in weiten Teilen nicht dem Regelungsgehalt<br />

der PKH-Richtlinie entspreche und deren<br />

Vorgaben zum Teil zuwiderlaufe. Da sich Beschuldigte<br />

bereits nach geltendem Recht in jeder<br />

Lage des Verfahrens eines Verteidigers bedienen<br />

könnten, entspreche die Ausweitung der notwendigen<br />

Verteidigung im Regierungsentwurf<br />

nicht dem Regelungsgehalt der PKH-Richtlinie.<br />

Dort sei ein Anspruch auf finanzielle Hilfe, keine<br />

zwangsweise Beiordnung – auch nicht im Ermittlungsverfahren<br />

– vorgesehen. Sie dürfe nicht<br />

1160 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 20.11.<strong>2019</strong>

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