ZAP-2019-22

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Fach 19 R, Seite 520 Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2019 Rechtsprechung Weiterhin befasst sich das BVerwG mit der von der Behörde zu treffenden Billigkeitsentscheidung (hier auf der Grundlage des § 52 Abs. 2 S. 3 LBeamtVG BE), durch die von der Rückforderung ganz oder teilweise abgesehen werden kann. Hinweis: Die Billigkeitsentscheidung bezweckt, eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, sodass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten abzustellen (st. Rspr., zuletzt BVerwG, Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 35 Rn 24 m.w.N. und 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 30 Rn 28). Bei der Billigkeitsentscheidung ist nach dem BVerwG von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung sei in die Ermessensentscheidung einzubeziehen. Deshalb sei aus Gründen der Billigkeit i.d.R. von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liege. In diesen Fällen, in denen der Beamte zwar entreichert sei, sich aber auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen könne, müsse sich die überwiegende behördliche Verantwortung für die Überzahlung in der Billigkeitsentscheidung niederschlagen. Das sei auch unter Gleichheitsgesichtspunkten geboten. Ein Beamter, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt habe, müsse besser stehen als ein Beamter, der die Überzahlung allein zu verantworten habe. Angesichts dessen erscheine ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 % des überzahlten Betrags im Regelfall angemessen. Bei Hinzutreten weiterer Umstände, etwa besonderer wirtschaftlicher Probleme des Beamten, könne auch eine darüberhinaus gehende Ermäßigung des Rückforderungsbetrags in Betracht kommen. Liege kein überwiegendes behördliches Mitverschulden für die Überzahlung von Besoldungs- oder Versorgungsbezügen vor, genüge die Einräumung von angemessenen Ratenzahlungsmöglichkeiten regelmäßig den Erfordernissen einer i.R.d. Rückforderungsbescheids zu treffenden Billigkeitsentscheidung. V. Personalvertretungsrecht 1. Prüfungspflicht der Verhinderungsgründe eines Personalratsmitglieds durch den Personalratsvorsitzenden Der Personalrat übt seine Tätigkeit mit den von den Beschäftigten gewählten Mitgliedern aus. Im Rahmen einer Wahlperiode kann immer wieder der Fall auftreten, dass ein Personalratsmitglied an der Sitzung des Personalrats nicht teilnehmen kann. Ist ein Personalratsmitglied verhindert, tritt nach dem jeweilig geltenden Personalvertretungsgesetz ein Ersatzmitglied an die Stelle des ordentlichen Mitglieds. Es stellt sich die Frage, welche Prüfungsanforderungen bei dem Wechsel vom ordentlichen zum Ersatzmitglied in Bezug auf den Grund der Verhinderung zu stellen sind. Das BVerwG hat in seinem Beschl. v. 16.5.2019 (5 PB 16.18) gefordert, dass der Vorsitzende des Personalrats auf die Anzeige der Verhinderungsgründe eines Personalratsmitglieds hin zu prüfen habe, ob eine vorübergehende Verhinderung des Mitglieds vorliege, die nach den jeweils anzuwendenden personalvertretungsrechtlichen Vorschriften die Ladung des Ersatzmitglieds rechtfertige. Er dürfe also nicht ohne eine genaue Prüfung von einer Verhinderung des Personalratsmitglieds ausgehen. 1200 ZAP Nr. 22 20.11.2019

Rechtsprechung Fach 19 R, Seite 521 Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2019 2. Mitbestimmung des Personalrats einer gemeinsamen Einrichtung bei der Eingruppierung ihr erstmalig zugewiesener Arbeitnehmer Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob der bei der gemeinsamen Einrichtung bestehende Personalrat für die Dienstpostenübertragung und Eingruppierung nur dann zuständig ist, wenn es sich um bereits der gemeinsamen Einrichtung zugewiesene Beschäftigte handelt, nicht hingegen in solchen Fällen, in denen die Beschäftigten von der Agentur für Arbeit neu eingestellt oder zu ihr versetzt und erst im Anschluss daran der gemeinsamen Einrichtung zugewiesen werden. In seinem Beschl. v. 19.2.2019 (5 P 7/17, NZA-RR 2019, 446 ff.) nimmt das BVerwG an, dass dem Personalrat auch im zweitgenannten Fall das Mitbestimmungsrecht aus § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG unter Berücksichtigung von § 44h SGB II zustehe. Für die beteiligungsrechtliche Zuständigkeit des Personalrats einer gemeinsamen Einrichtung sei – wie im Anwendungsbereich des § 69 Abs. 1 und 2 S. 1 BPersVG sonst auch – grds. erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Leiter der Dienststelle eine der Beteiligung des Personalrats der gemeinsamen Einrichtung unterliegende Maßnahme zu treffen beabsichtige oder getroffen habe. Demgegenüber komme es nicht darauf an, ob der Dienststellenleiter nach den zuständigkeitsregelnden oder organisationsrechtlichen Vorschriften für den Erlass der Maßnahme zuständig sei. Letzteres sei keine personalvertretungsrechtliche, sondern eine behördenrechtliche Frage. Zwar sei das Verständnis nicht fernliegend, dass die beteiligungsrechtliche Zuständigkeit des Personalrats der gemeinsamen Einrichtung in jedem Fall akzessorisch an die Entscheidungszuständigkeit des Dienststellenleiters anknüpfe. Dies sei indes nicht zwingend. Sinn und Zweck der Regelungen stünden einer solchen Auslegung entgegen. § 44h Abs. 3 und 5 SGB II ordneten die Zuständigkeiten der Personalräte der gemeinsamen Einrichtung und ihrer Träger und grenzten sie voneinander ab, soweit hierfür eine Notwendigkeit bestehe. Eine solche existiere nicht, soweit ein Dienststellenleiter eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme beabsichtige, weil in diesem Fall die Mitbestimmung nach Maßgabe des § 69 Abs. 1 und 2 S. 1 BPersVG grds. dem Personalrat dieser Dienststelle obliege. Anders verhalte es sich aber, wenn ein Personalrat von seinem Initiativrecht Gebrauch machen möchte. In diesem Fall fehle es an einer die Beteiligung des betreffenden Personalrats auslösenden Maßnahme des Dienststellenleiters, so dass es der Regelungen des § 44h Abs. 3 und 5 SGB II bedürfe, um den für die Ausübung des Initiativrechts zuständigen Personalrat zu bestimmen. Danach folge dessen Zuständigkeit der Zuständigkeit des jeweiligen Dienststellenleiters. VI. Prüfungsrecht (Anforderungen an Sanktionsnormen im Rahmen berufsbezogener Prüfungen) Im vorliegenden Fall ist der Prüfling im Rahmen der juristischen Pflichtfachprüfung vor dem Oberlandesgericht (Erstes Staatsexamen) im Rahmen der mündlichen Prüfung im Anschluss an die Vorträge zum Prüfungsgespräch erst fünf Minuten nach dessen Beginn erschienen. Das Justizprüfungsamts bei dem Oberlandesgericht erklärte die staatliche Pflichtfachprüfung, die selbstständiger Bestandteil der ersten juristischen Prüfung sei, für nicht bestanden. Das BVerwG hat in seinem Urt. v. 27.2.2019 (6 C 3.18, GewArch 2019, 246 ff. = VwZ 2019, 890 ff. = NWVBl 2019, 278 ff. = DStR 2019, 1599 f.) die Frage beantwortet, welche Anforderungen an Sanktionsregelungen im Rahmen berufsbezogener Prüfungen zu stellen sind. Es verlangt, dass sie im Rahmen berufsbezogener Prüfungen als Ermächtigungen für Eingriffe in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit genügen müssten. Berufsbezogene Prüfungen sollten Aufschluss darüber geben, ob die Prüflinge über diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die einen Erfolg der Berufsausbildung und eine einwandfreie Berufsausübung erwarten ließen. Auf Grund des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG obliege es dem zuständigen Normgeber, den Prüfungsstoff, das Prüfungssystem, das Prüfungsverfahren sowie die Bestehensvoraussetzungen festzulegen. Dem Gesetzesvorbehalt unterfalle insb. auch jede Form der Sanktionierung des Fehlverhaltens eines Prüflings. Dieser Gesetzesvorbehalt werde konkretisiert durch das prüfungsspezifische Bestimmtheitsgebot. Danach müsse vor allem die Grenze zwischen dem Bestehen und dem ZAP Nr. 22 20.11.2019 1201

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Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

2. Mitbestimmung des Personalrats einer gemeinsamen Einrichtung bei der Eingruppierung ihr<br />

erstmalig zugewiesener Arbeitnehmer<br />

Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob der bei der gemeinsamen Einrichtung bestehende Personalrat<br />

für die Dienstpostenübertragung und Eingruppierung nur dann zuständig ist, wenn es sich um<br />

bereits der gemeinsamen Einrichtung zugewiesene Beschäftigte handelt, nicht hingegen in solchen<br />

Fällen, in denen die Beschäftigten von der Agentur für Arbeit neu eingestellt oder zu ihr versetzt und erst<br />

im Anschluss daran der gemeinsamen Einrichtung zugewiesen werden.<br />

In seinem Beschl. v. 19.2.<strong>2019</strong> (5 P 7/17, NZA-RR <strong>2019</strong>, 446 ff.) nimmt das BVerwG an, dass dem<br />

Personalrat auch im zweitgenannten Fall das Mitbestimmungsrecht aus § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG unter<br />

Berücksichtigung von § 44h SGB II zustehe. Für die beteiligungsrechtliche Zuständigkeit des Personalrats<br />

einer gemeinsamen Einrichtung sei – wie im Anwendungsbereich des § 69 Abs. 1 und 2 S. 1<br />

BPersVG sonst auch – grds. erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Leiter der Dienststelle eine<br />

der Beteiligung des Personalrats der gemeinsamen Einrichtung unterliegende Maßnahme zu treffen<br />

beabsichtige oder getroffen habe. Demgegenüber komme es nicht darauf an, ob der Dienststellenleiter<br />

nach den zuständigkeitsregelnden oder organisationsrechtlichen Vorschriften für den Erlass der Maßnahme<br />

zuständig sei. Letzteres sei keine personalvertretungsrechtliche, sondern eine behördenrechtliche<br />

Frage.<br />

Zwar sei das Verständnis nicht fernliegend, dass die beteiligungsrechtliche Zuständigkeit des Personalrats<br />

der gemeinsamen Einrichtung in jedem Fall akzessorisch an die Entscheidungszuständigkeit des<br />

Dienststellenleiters anknüpfe. Dies sei indes nicht zwingend. Sinn und Zweck der Regelungen stünden<br />

einer solchen Auslegung entgegen. § 44h Abs. 3 und 5 SGB II ordneten die Zuständigkeiten der Personalräte<br />

der gemeinsamen Einrichtung und ihrer Träger und grenzten sie voneinander ab, soweit<br />

hierfür eine Notwendigkeit bestehe. Eine solche existiere nicht, soweit ein Dienststellenleiter eine<br />

mitbestimmungspflichtige Maßnahme beabsichtige, weil in diesem Fall die Mitbestimmung nach<br />

Maßgabe des § 69 Abs. 1 und 2 S. 1 BPersVG grds. dem Personalrat dieser Dienststelle obliege. Anders<br />

verhalte es sich aber, wenn ein Personalrat von seinem Initiativrecht Gebrauch machen möchte. In<br />

diesem Fall fehle es an einer die Beteiligung des betreffenden Personalrats auslösenden Maßnahme des<br />

Dienststellenleiters, so dass es der Regelungen des § 44h Abs. 3 und 5 SGB II bedürfe, um den für die<br />

Ausübung des Initiativrechts zuständigen Personalrat zu bestimmen. Danach folge dessen Zuständigkeit<br />

der Zuständigkeit des jeweiligen Dienststellenleiters.<br />

VI. Prüfungsrecht (Anforderungen an Sanktionsnormen im Rahmen berufsbezogener Prüfungen)<br />

Im vorliegenden Fall ist der Prüfling im Rahmen der juristischen Pflichtfachprüfung vor dem Oberlandesgericht<br />

(Erstes Staatsexamen) im Rahmen der mündlichen Prüfung im Anschluss an die Vorträge<br />

zum Prüfungsgespräch erst fünf Minuten nach dessen Beginn erschienen. Das Justizprüfungsamts bei<br />

dem Oberlandesgericht erklärte die staatliche Pflichtfachprüfung, die selbstständiger Bestandteil der<br />

ersten juristischen Prüfung sei, für nicht bestanden.<br />

Das BVerwG hat in seinem Urt. v. 27.2.<strong>2019</strong> (6 C 3.18, GewArch <strong>2019</strong>, 246 ff. = VwZ <strong>2019</strong>, 890 ff. = NWVBl<br />

<strong>2019</strong>, 278 ff. = DStR <strong>2019</strong>, 1599 f.) die Frage beantwortet, welche Anforderungen an Sanktionsregelungen<br />

im Rahmen berufsbezogener Prüfungen zu stellen sind. Es verlangt, dass sie im Rahmen<br />

berufsbezogener Prüfungen als Ermächtigungen für Eingriffe in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete<br />

Freiheit der Berufswahl der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit genügen müssten. Berufsbezogene<br />

Prüfungen sollten Aufschluss darüber geben, ob die Prüflinge über diejenigen Kenntnisse und<br />

Fähigkeiten verfügen, die einen Erfolg der Berufsausbildung und eine einwandfreie Berufsausübung<br />

erwarten ließen. Auf Grund des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG obliege es dem zuständigen<br />

Normgeber, den Prüfungsstoff, das Prüfungssystem, das Prüfungsverfahren sowie die Bestehensvoraussetzungen<br />

festzulegen. Dem Gesetzesvorbehalt unterfalle insb. auch jede Form der Sanktionierung<br />

des Fehlverhaltens eines Prüflings. Dieser Gesetzesvorbehalt werde konkretisiert durch das prüfungsspezifische<br />

Bestimmtheitsgebot. Danach müsse vor allem die Grenze zwischen dem Bestehen und dem<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 20.11.<strong>2019</strong> 1201

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