ZAP-2019-22

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Fach 19 R, Seite 518 Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2019 Rechtsprechung verantwortet werden kann, ist nach dem BVerwG ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil. Ein solches Werturteil solle sachverständig und zuverlässig nur der Dienstherr durch seinen in Personalsachen entscheidenden Vertreter aufgrund seines Gesamturteils und der Beurteilungen der mit der Erprobung beauftragten Beamten abgeben. Dabei genügten bereits begründete ernsthafte Zweifel des Dienstherrn, ob der Beamte die Eignung und Befähigung besitze und die fachlichen Leistungen erbringe, die für die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit notwendig seien, um eine Bewährung zu verneinen. Diese Entscheidung sei gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Begriff der mangelnden Bewährung und die gesetzlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums verkannt worden seien, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liege und ob allgemeine Wertmaßstäbe beachtet oder sachfremde Erwägungen vermieden worden seien. 2. Untersuchungsanordnung im Zurruhesetzungsverfahren In der beamtenbezogenen Praxis des öffentlichen Dienstes kommt es immer wieder zu nicht geringen Fehlzeiten einzelner Beamter. Hierauf reagiert der Dienstherr vielfach mit der Aufforderung gegenüber dem Beamten, sich amtsärztlich auf die Dienstfähigkeit untersuchen zu lassen. Nicht selten bedarf es dabei der Zusatzbegutachtung durch einen Facharzt, die von der Untersuchungsanordnung mitumfasst wird. Dabei wird durchaus von dem Beamten eingewandt, die amtsärztliche Untersuchung stelle einen Eingriff in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG dar. Es wird häufig um vorläufigen Rechtschutz mit dem Ziel der Freistellung von der amtsärztlichen Untersuchung nachgesucht. Das BVerwG sieht in seinem Beschl. v. 14.3.2019 (2 VR 5/18, IÖD 2019, 122 ff. = DRiZ 2019, 314 f.) – anders als bisher – den vorläufigen Rechtsschutzantrag gem. § 44a VwGO als unzulässig an. Eine Untersuchungsanordnung sei eine behördliche Verfahrenshandlung i.S.d. § 44a S. 1 VwGO. Behördliche Verfahrenshandlungen i.S.d. § 44a S. 1 VwGO seien – ungeachtet dessen, ob sie Verwaltungsakt-Charakter hätten oder nicht – behördliche Handlungen, die im Zusammenhang mit einem schon begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren stünden und der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung dienten. Eine Untersuchungsanordnung sei als gemischt dienstlich-persönliche Weisung mangels unmittelbarer Außenwirkung kein Verwaltungsakt, sondern ein Realakt. Die Untersuchung diene der Ermittlung der medizinischen Daten, die nötig seien, um festzustellen, ob der Beamte dienstunfähig sei. Hinweis: Die Aufforderung zur Untersuchung ist somit lediglich ein erster Schritt in einem gestuften Verfahren, das bei Feststellung der Dienstunfähigkeit mit der Zurruhesetzung endet. Ein Ausnahmefall, in dem nach § 44a S. 2 VwGO ein isolierter Rechtsbehelf gegen eine behördliche Verfahrenshandlung statthaft sei, sei nicht gegeben. Hinreichender effektiver Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG sei gewährleistet, da dem Beamten Rechtsschutz gegen eine Zurruhesetzungsverfügung zustehe, sowohl Hauptsacherechtsschutz als auch – wenn die Zurruhesetzungsverfügung sofort vollziehbar sei – vorläufiger Rechtsschutz. Erweise sich hierbei die Untersuchungsanordnung als rechtswidrig, sei es auch die Zurruhesetzungsverfügung. An der Nichtbefolgung einer rechtmäßigen Untersuchungsanordnung hingegen habe der Beamte kein schützenswertes Interesse und er bedürfe insoweit auch keines isolierten Rechtsschutzes. Zwar habe der Beamte das „Prognoserisiko“: Wenn er zu Unrecht die Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung annehme, drohe ihm wegen des Rechtsgedankens des § 444 ZPO oder wegen einer landesgesetzlichen Regelung die Klage- bzw. Antragsabweisung bezüglich der Zurruhesetzungsverfügung, aber dieses Risiko sei für ihn nicht unzumutbar. Weiter führt das BVerwG aus, nach § 44 Abs. 6 BBG sei ein Beamter verpflichtet, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen und, falls dies aus amtsärztlicher Sicht für erforderlich gehalten werde, auch beobachten zu lassen, wenn Zweifel über die Dienstunfähigkeit bestünden. Das 1198 ZAP Nr. 22 20.11.2019

Rechtsprechung Fach 19 R, Seite 519 Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. 2019 Verfahren der ärztlichen Untersuchung sei in § 48 BBG geregelt. Eine Untersuchungsanordnung müsse wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die grundrechtsbewehrte persönliche Sphäre des Beamten nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestimmten formellen und inhaltlichen Anforderungen genügen. Hinweis: Einer Untersuchungsanordnung müssen – erstens – tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als naheliegend erscheinen lassen (BVerwG, Buchholz 237.8 § 56 RhPLBG Nr. 4 Rn 9). Die Untersuchungsanordnung muss – zweitens – Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Die Behörde darf dies nicht dem Belieben des Arztes überlassen. Besonders weist das BVerwG darauf hin, dass eine schlichte Untersuchungsanordnung, die im Tatbestand die Fehlzeiten des Beamten aufliste und um eine ärztliche Begutachtung mit dem Prognosehorizont bitte, ob zu erwarten sei, dass die Dienstfähigkeit innerhalb von sechs Monaten wieder voll hergestellt sein werde, rechtmäßig sein könne. Hinweis: Eine Zusatzbegutachtung durch den (Amts-)Arzt darf nicht angeordnet werden. Eine solche Anordnung gegenüber dem Beamten ist unzulässig. Hingegen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr seine Untersuchungsanordnung hinsichtlich ihres Umfangs sogleich darauf erstreckt, dass der Beamte sich auch einer vom untersuchenden (Amts-)Arzt ggf. für erforderlich erachteten weiteren fachärztlichen Zusatzbegutachtung zu unterziehen habe. Dies gilt auch für eine fachpsychiatrische Untersuchung. 3. Rückforderung überzahlter Dienst- und Versorgungsbezüge Bei der Besoldung und Versorgung eines Beamten kann es zu Überzahlungen kommen. Diese Überzahlungen können vielfältige Ursachen haben: Sie können auf unzutreffenden oder unterlassenen Angaben des Beamten über die Veränderung der Verhältnisse, sie können aber auch auf Fehler im Verantwortungsbereich der Behörde beruhen. Als spezielle Ausformung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs sehen sowohl das Bundesbesoldungsgesetz und das Beamtenversorgungsgesetz als auch die Landesbesoldungsgesetze und -versorgungsgesetze Spezialregelungen für die Rückforderung der zu viel gezahlten Beträge vor. Einem solchen Rückforderungsanspruch widmet sich das BVerwG in seinem Urt. v. 21.2.2019 (2 C 24.17, IÖD 2019, 134 ff. = NVwZ-RR 2019, 781 ff.). Es weist darauf hin, dass die regelmäßige Verjährungsfrist für Rückforderungsansprüche des Dienstherrn gegen den Beamten (hier: gem. § 52 Abs. 2 LBeamtVG BE) entsprechend § 195 BGB drei Jahre betrage. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginne die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei (Nr. 1) und der Dienstherr von den den Rückforderungsanspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder grob fahrlässig nicht erlangt habe (Nr. 2). Hinweis: Grobe Fahrlässigkeit i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Sie liegt nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung („Verschulden gegen sich selbst“) vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat. ZAP Nr. 22 20.11.2019 1199

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Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Rechtsprechung<br />

verantwortet werden kann, ist nach dem BVerwG ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil. Ein solches<br />

Werturteil solle sachverständig und zuverlässig nur der Dienstherr durch seinen in Personalsachen<br />

entscheidenden Vertreter aufgrund seines Gesamturteils und der Beurteilungen der mit der Erprobung<br />

beauftragten Beamten abgeben. Dabei genügten bereits begründete ernsthafte Zweifel des Dienstherrn,<br />

ob der Beamte die Eignung und Befähigung besitze und die fachlichen Leistungen erbringe, die für<br />

die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit notwendig seien, um eine Bewährung zu verneinen. Diese<br />

Entscheidung sei gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Begriff der mangelnden Bewährung und<br />

die gesetzlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums verkannt worden seien, ob der Beurteilung ein<br />

unrichtiger Sachverhalt zugrunde liege und ob allgemeine Wertmaßstäbe beachtet oder sachfremde<br />

Erwägungen vermieden worden seien.<br />

2. Untersuchungsanordnung im Zurruhesetzungsverfahren<br />

In der beamtenbezogenen Praxis des öffentlichen Dienstes kommt es immer wieder zu nicht geringen<br />

Fehlzeiten einzelner Beamter. Hierauf reagiert der Dienstherr vielfach mit der Aufforderung gegenüber<br />

dem Beamten, sich amtsärztlich auf die Dienstfähigkeit untersuchen zu lassen. Nicht selten bedarf es<br />

dabei der Zusatzbegutachtung durch einen Facharzt, die von der Untersuchungsanordnung mitumfasst<br />

wird. Dabei wird durchaus von dem Beamten eingewandt, die amtsärztliche Untersuchung stelle einen<br />

Eingriff in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG dar.<br />

Es wird häufig um vorläufigen Rechtschutz mit dem Ziel der Freistellung von der amtsärztlichen<br />

Untersuchung nachgesucht.<br />

Das BVerwG sieht in seinem Beschl. v. 14.3.<strong>2019</strong> (2 VR 5/18, IÖD <strong>2019</strong>, 1<strong>22</strong> ff. = DRiZ <strong>2019</strong>, 314 f.) – anders<br />

als bisher – den vorläufigen Rechtsschutzantrag gem. § 44a VwGO als unzulässig an. Eine Untersuchungsanordnung<br />

sei eine behördliche Verfahrenshandlung i.S.d. § 44a S. 1 VwGO. Behördliche Verfahrenshandlungen<br />

i.S.d. § 44a S. 1 VwGO seien – ungeachtet dessen, ob sie Verwaltungsakt-Charakter<br />

hätten oder nicht – behördliche Handlungen, die im Zusammenhang mit einem schon begonnenen<br />

und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren stünden und der Vorbereitung einer regelnden<br />

Sachentscheidung dienten. Eine Untersuchungsanordnung sei als gemischt dienstlich-persönliche Weisung<br />

mangels unmittelbarer Außenwirkung kein Verwaltungsakt, sondern ein Realakt. Die Untersuchung<br />

diene der Ermittlung der medizinischen Daten, die nötig seien, um festzustellen, ob der Beamte<br />

dienstunfähig sei.<br />

Hinweis:<br />

Die Aufforderung zur Untersuchung ist somit lediglich ein erster Schritt in einem gestuften Verfahren, das<br />

bei Feststellung der Dienstunfähigkeit mit der Zurruhesetzung endet.<br />

Ein Ausnahmefall, in dem nach § 44a S. 2 VwGO ein isolierter Rechtsbehelf gegen eine behördliche<br />

Verfahrenshandlung statthaft sei, sei nicht gegeben. Hinreichender effektiver Rechtsschutz nach<br />

Art. 19 Abs. 4 GG sei gewährleistet, da dem Beamten Rechtsschutz gegen eine Zurruhesetzungsverfügung<br />

zustehe, sowohl Hauptsacherechtsschutz als auch – wenn die Zurruhesetzungsverfügung<br />

sofort vollziehbar sei – vorläufiger Rechtsschutz. Erweise sich hierbei die Untersuchungsanordnung<br />

als rechtswidrig, sei es auch die Zurruhesetzungsverfügung. An der Nichtbefolgung einer rechtmäßigen<br />

Untersuchungsanordnung hingegen habe der Beamte kein schützenswertes Interesse und er<br />

bedürfe insoweit auch keines isolierten Rechtsschutzes. Zwar habe der Beamte das „Prognoserisiko“:<br />

Wenn er zu Unrecht die Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung annehme, drohe ihm wegen<br />

des Rechtsgedankens des § 444 ZPO oder wegen einer landesgesetzlichen Regelung die Klage- bzw.<br />

Antragsabweisung bezüglich der Zurruhesetzungsverfügung, aber dieses Risiko sei für ihn nicht unzumutbar.<br />

Weiter führt das BVerwG aus, nach § 44 Abs. 6 BBG sei ein Beamter verpflichtet, sich nach Weisung<br />

der Behörde ärztlich untersuchen und, falls dies aus amtsärztlicher Sicht für erforderlich gehalten<br />

werde, auch beobachten zu lassen, wenn Zweifel über die Dienstunfähigkeit bestünden. Das<br />

1198 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 20.11.<strong>2019</strong>

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