ZAP-2019-22

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15.11.2019 Aufrufe

Kolumne ZAP ausgelöst, sondern erst durch das Empfangsbekenntnis und dessen Datierung. Wenn der BGH den Anwaltskanzleien die Verpflichtung auferlegt, vor Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses eine Frist einzutragen, steht das nach meiner Überzeugung mit Sinn und Bedeutung des Empfangsbekenntnisses nicht in Einklang. Denn erst dessen Unterzeichnung und Datierung durch den Anwalt bestimmt den maßgeblichen Zeitpunkt und löst den Fristenlauf aus. Das bedeutet aber: Der Fristablauf kann vom Sekretariat vorher gar nicht berechnet werden. Das Sekretariat des Anwalts kann erst nach Datierung und Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses durch den Anwalt ermitteln, wann der Anwalt sich zum Empfang bekannt hat und wann demgemäß die Fristen laufen. Die Auffassung des IX. und des VI. Senats, wonach der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis für eine Urteilszustellung erst unterzeichnen darf, wenn die Rechtsmittelfrist vorher festgehalten ist, geht nicht nur an der Praxis der Anwaltskanzleien, sondern auch an der Bedeutung des Empfangsbekenntnisses und dessen Wirkung für die Zustellung (§ 195 ZPO) vorbei. Anders als der IX. und der VI. Senat meinen kann der vom BGH postulierte Ablauf (erst Fristeintragung, dann Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses) nicht eingehalten werden. Notwendig und der gesetzlichen Bedeutung des Empfangsbekenntnisses nach § 195 ZPO entsprechend ist vielmehr folgender Ablauf: Datierung und Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses durch den Anwalt selbst, dann Eintragung der maßgebenden Frist durch das Sekretariat ab dem Zeitpunkt und Datum der Unterzeichnung und Datierung des Empfangsbekenntnisses, Versendung des Empfangsbekenntnisses. Erst ab dem Zeitpunkt der Datierung des Empfangsbekenntnisses können die Fristen im Kalender durch das Sekretariat notiert werden. Wie der IX. Senat in seiner Entscheidung zutreffend ausführt (Rn 13), kommt es für den Fristbeginn darauf an, wann der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis unterzeichnet hat. Zu einem vorherigen Zeitpunkt lässt sich die Rechtsmittelfrist nicht zutreffend berechnen und im Kalender eintragen. Der bloße Vermerk über die Zustellung im Büro des Anwalts mag sinnvoll sein, für den Fristenlauf ist er aber nicht entscheidend. Dass natürlich nach der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses die Fristen korrekt nach der Datierung des Empfangsbekenntnisses im Kalender zu vermerken sind, steht auf einem anderen Blatt. Die Kanzleiorganisation und/oder eine Einzelweisung müssen das sicherstellen. Das bedeutet aber: Zur ordnungsgemäßen Büroorganisation im Sinne der Ausführungen des IX. Senats gehört eine klare Anweisung an das Sekretariat, dass stets und unter allen Umständen die Fristen im Kalender eingetragen werden, sobald der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis mit einem bestimmten Datum unterzeichnet hat und zur Absendung freigibt. Das von BGH aufgestellte Postulat sollte also aus meiner Sicht richtigerweise lauten: Der Rechtsanwalt darf und muss das Empfangsbekenntnis auch ohne vorherige Fristeneintragung im Kalender datieren und unterzeichnen. Vor Versendung muss allerdings im Rahmen der Büroorganisation sichergestellt sein, dass die durch Datierung des Empfangsbekenntnisses ausgelöste Frist (vom Sekretariat) im Kalender eingetragen wurde. Diese Kontrolle kann dem gut ausgebildeten Sekretariat im Rahmen einer Organisationsanweisung überlassen werden. Prof. Dr. EKKEHART REINELT, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe 1156 ZAP Nr. 22 20.11.2019

ZAP Anwaltsmagazin Anwaltsmagazin Zukunftsthemen beschäftigten Hauptversammlung In Düsseldorf trafen sich Ende Oktober die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechtsanwaltskammern zu ihrer diesjährigen Herbstversammlung, um sich mit den Herausforderungen der kommenden Jahre zu beschäftigen. Auf der Tagesordnung standen u.a. die Themen Legal Tech, Fremdkapitalbeteiligungen und das Berufsrecht der Insolvenzverwalter. Zu Letzterem, dem Berufsrecht für Insolvenzverwalter, beschloss die Hauptversammlung nach intensiver Diskussion eines Eckpunktepapiers mit 23 Ja-Stimmen, den BRAO-Ausschuss und den Ausschuss Insolvenzrecht zu beauftragen, einen bereits bestehenden Vorschlag noch konkreter auszuarbeiten und insb. Details zur Zulassung und zur Ausgestaltung der Berufspflichten niederzulegen. 95 % der Insolvenzverfahren werden derzeit von Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern betreut. Das aktuelle Eckpunktepapier sieht vor, die Berufsaufsicht über die Insolvenzverwalter in ein effektives und etabliertes Selbstverwaltungssystem zu integrieren, das von Erfahrung und Kompetenz geprägt ist und dadurch Segmentierung effektiv verhindert. Die guten Erfahrungen mit der unabhängigen – und staatsfernen – Selbstverwaltung einerseits und der funktionierenden Anwaltsgerichtsbarkeit andererseits sollen auch bei der Regulierung des Berufsrechts der Insolvenzverwalter eingebracht werden. Einen weiteren Themenschwerpunkt bildete das Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften (vgl. dazu zuletzt ZAP-Anwaltsmagazin 18/2019, S. 941). Hier begrüßte der zuständige BRAK-Aussschuss, dass den Berufsausübungsgesellschaften künftig grds. alle nationalen und europäischen Rechtsformen zur Verfügung gestellt werden sollen. Abzulehnen sei dagegen, dass allen ausländischen Gesellschaftsformen aus allen Ländern die Befugnis zur Rechtsdienstleistung und entsprechende Postulationsfähigkeit eingeräumt werden soll. Eine solche Öffnung des Rechtsmarkts sei mit der „Büchse der Pandora“ zu vergleichen. Es fehlten selbst rudimentäre Regeln für die Einhaltung der originären in anderen Ländern bestehenden Berufspflichten. Dies könne keine Zustimmung finden. Auch eine Öffnung des Fremdkapitalverbots – z.B. für Wagniskapital – sei strikt abzulehnen. Jedwede Einschränkung des Verbotes der Fremdbeteiligung sei inkohärent und gefährlich. Die beabsichtigte „Verbesserung interprofessioneller Zusammenarbeit“ lehnte der Ausschuss ebenfalls nachdrücklich ab. Zum einen definiere das Papier nicht, was unter „vereinbar“ zu verstehen sei. Zum anderen gefährde der Vorschlag den Schutz des Mandanten, dem die anwaltlichen Berufspflichten dienen. Ein rechtspolitisches Bedürfnis nach derartiger Zusammenarbeit bestehe in keinerlei Hinsicht. Kritisiert wurde auch, dass das Eckpunktepapier zur Unabhängigkeit der Anwaltschaft, zur Verschwiegenheitspflicht und zum Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen schweige, obwohl es sich um Kernwerte des Anwaltsberufes handele. Intensiv befasste sich die Hauptversammlung ferner mit den Entwicklungen im Bereich Legal Tech. Eine ausschussübergreifende Arbeitsgruppe der BRAK hat sich intensiv mit dem Thema befasst und kam zu der auch vom BRAK-Präsidium vertretenen Auffassung, dass kein Regulierungsbedarf im Rechtsdienstleistungsgesetz bestehe. Auch wenn jeder neue technische Fortschritt zu begrüßen sei, müsse im Rahmen der digitalen Entwicklungen sichergestellt werden, dass eine ZAP Nr. 22 20.11.2019 1157

Kolumne<br />

<strong>ZAP</strong><br />

ausgelöst, sondern erst durch das Empfangsbekenntnis<br />

und dessen Datierung. Wenn der BGH<br />

den Anwaltskanzleien die Verpflichtung auferlegt,<br />

vor Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses<br />

eine Frist einzutragen, steht das nach meiner<br />

Überzeugung mit Sinn und Bedeutung des Empfangsbekenntnisses<br />

nicht in Einklang. Denn erst<br />

dessen Unterzeichnung und Datierung durch den<br />

Anwalt bestimmt den maßgeblichen Zeitpunkt<br />

und löst den Fristenlauf aus.<br />

Das bedeutet aber: Der Fristablauf kann vom<br />

Sekretariat vorher gar nicht berechnet werden.<br />

Das Sekretariat des Anwalts kann erst nach<br />

Datierung und Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses<br />

durch den Anwalt ermitteln, wann<br />

der Anwalt sich zum Empfang bekannt hat und<br />

wann demgemäß die Fristen laufen. Die Auffassung<br />

des IX. und des VI. Senats, wonach der<br />

Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis für eine<br />

Urteilszustellung erst unterzeichnen darf, wenn<br />

die Rechtsmittelfrist vorher festgehalten ist, geht<br />

nicht nur an der Praxis der Anwaltskanzleien,<br />

sondern auch an der Bedeutung des Empfangsbekenntnisses<br />

und dessen Wirkung für die Zustellung<br />

(§ 195 ZPO) vorbei.<br />

Anders als der IX. und der VI. Senat meinen kann der<br />

vom BGH postulierte Ablauf (erst Fristeintragung,<br />

dann Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses)<br />

nicht eingehalten werden. Notwendig und der gesetzlichen<br />

Bedeutung des Empfangsbekenntnisses<br />

nach § 195 ZPO entsprechend ist vielmehr folgender<br />

Ablauf:<br />

Datierung und Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses<br />

durch den Anwalt selbst, dann<br />

Eintragung der maßgebenden Frist durch das<br />

Sekretariat ab dem Zeitpunkt und Datum der<br />

Unterzeichnung und Datierung des Empfangsbekenntnisses,<br />

Versendung des Empfangsbekenntnisses.<br />

Erst ab dem Zeitpunkt der Datierung des Empfangsbekenntnisses<br />

können die Fristen im Kalender<br />

durch das Sekretariat notiert werden. Wie der<br />

IX. Senat in seiner Entscheidung zutreffend ausführt<br />

(Rn 13), kommt es für den Fristbeginn darauf<br />

an, wann der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis<br />

unterzeichnet hat. Zu einem vorherigen<br />

Zeitpunkt lässt sich die Rechtsmittelfrist nicht<br />

zutreffend berechnen und im Kalender eintragen.<br />

Der bloße Vermerk über die Zustellung im Büro<br />

des Anwalts mag sinnvoll sein, für den Fristenlauf<br />

ist er aber nicht entscheidend.<br />

Dass natürlich nach der Unterzeichnung des<br />

Empfangsbekenntnisses die Fristen korrekt nach<br />

der Datierung des Empfangsbekenntnisses im<br />

Kalender zu vermerken sind, steht auf einem<br />

anderen Blatt. Die Kanzleiorganisation und/oder<br />

eine Einzelweisung müssen das sicherstellen. Das<br />

bedeutet aber: Zur ordnungsgemäßen Büroorganisation<br />

im Sinne der Ausführungen des IX. Senats<br />

gehört eine klare Anweisung an das Sekretariat,<br />

dass stets und unter allen Umständen die Fristen<br />

im Kalender eingetragen werden, sobald der<br />

Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis mit einem<br />

bestimmten Datum unterzeichnet hat und<br />

zur Absendung freigibt.<br />

Das von BGH aufgestellte Postulat sollte also aus<br />

meiner Sicht richtigerweise lauten: Der Rechtsanwalt<br />

darf und muss das Empfangsbekenntnis<br />

auch ohne vorherige Fristeneintragung im Kalender<br />

datieren und unterzeichnen. Vor Versendung<br />

muss allerdings im Rahmen der Büroorganisation<br />

sichergestellt sein, dass die durch Datierung des<br />

Empfangsbekenntnisses ausgelöste Frist (vom Sekretariat)<br />

im Kalender eingetragen wurde. Diese<br />

Kontrolle kann dem gut ausgebildeten Sekretariat<br />

im Rahmen einer Organisationsanweisung überlassen<br />

werden.<br />

Prof. Dr. EKKEHART REINELT, Rechtsanwalt beim<br />

Bundesgerichtshof, Karlsruhe<br />

1156 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 20.11.<strong>2019</strong>

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