ZAP-2019-22
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Fach 7, Seite 546<br />
Negative Einwirkungen<br />
Immobiliarsachenrecht/WEG-Recht<br />
1. Immissionen von Bäumen<br />
a) Beeinträchtigungen<br />
Beeinträchtigungen von Nachbargrundstücken durch Bäume können sich durch Astabwurf, eindringende<br />
Wurzeln, Bruchholz, Schattenwurf, Reduzierung der freien Aussicht, Insektenbefall, Immissionen<br />
von Laub, Blüten und Nadeln und schließlich durch Fallobst ergeben.<br />
b) Ansprüche des Gestörten<br />
In Betracht kommen Beseitigungs-, Unterlassungs-, Ausgleichs-, Aufwendungsersatz- sowie Schadensersatzansprüche<br />
(zu Ansprüchen wegen Laubfalls und Überhang HORST DWW 1991, 3<strong>22</strong> ff.).<br />
Die Rechtsprechung tendiert eindeutig dazu, nachbarrechtliche Ansprüche aus Laubfall, Blütenfall<br />
und Samenflug weitestgehend zu versagen. Fast allgemein wird die Ansicht vertreten, dass Beeinträchtigungen<br />
durch Blüten und Blätter hinzunehmen sind. Sie seien entweder unwesentlich oder<br />
ortsüblich. Ausnahmen bestehen nur, wenn Bäume und Pflanzen krankheitsbedingt vermehrte<br />
Immissionen verursachen und hierdurch selbst bei erhöhtem Reinigungsaufwand eine Verwahrlosung<br />
des beeinträchtigten Grundstücks droht. Aus diesen Gründen bestehen auch Aufwendungsersatzansprüche<br />
für Kosten der Reinigung von Grundstücken und Dachrinnen in den meisten Fällen nicht.<br />
Nur ganz ausnahmsweise wird dem beeinträchtigten Eigentümer ein angemessener Ausgleichsanspruch<br />
zugebilligt (BGH, Urt. v. 27.10.2017 – V ZR 8/17, NZM 2018, 241 bei verletztem Grenzabstand,<br />
der aber nicht mehr erfolgreich gerügt werden kann; vgl. auch OLG Hamburg Hamburger GE 1988, 8;<br />
OLG Karlsruhe NJW 1983, 2886, das dem beeinträchtigten und duldungspflichtigen Eigentümer einen<br />
angemessenen Geldausgleich gewährt, der auf Grundlage einer Schätzung des Reinigungsaufwandes<br />
nach § 287 Abs. 2 ZPO bestimmt wird [hier: jährlich 300 DM]; a.A.: OLG Stuttgart NJW 1986, 2768 und<br />
NJW-RR 1988, 204 [keine Entschädigung für Laubfall, Blüten- und Samenflug]; ebenso OLG Frankfurt<br />
NJW-RR 1987, 1101 [für eine Birke im ländlichen Bezirk] und NJW 1988, 2618 [für drei Pappeln in<br />
durchgrünter Wohngegend]).<br />
Besonders kennzeichnend sind zwei Entscheidungen des OLG Düsseldorf. Danach sind Laub, Blüten<br />
etc. keine Einwirkungen, die der Nachbar nach § 906 Abs. 1 BGB verbieten kann (MDR 1990, 245 =<br />
NJR-RR 1990, 144). Der betroffene Grundeigentümer habe i.d.R. Laubfall vom Nachbargrundstück<br />
auch entschädigungslos hinzunehmen. Wer auf parkähnlichem Grund zu wohnen privilegiert sei und<br />
zudem die Vorzüge eines begrünten Wohngebiets genieße, habe umgekehrt auch saisonale Einwirkungen<br />
der Begrünung zu dulden (OLG Düsseldorf NJWE-MietR 1996, 2).<br />
Der Grundeigentümer hat für mögliche Gefahren, die durch seine Bäume verursacht werden, einzustehen.<br />
Ihn trifft eine Verkehrssicherungspflicht. Eine Haftung für Schäden durch herabfallende Äste<br />
trifft den Grundeigentümer daher, wenn er seiner Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen ist<br />
und den Baum nicht in regelmäßigen Abständen kontrolliert und begutachtet (sog. Baumschau). Eine<br />
eingehende Untersuchung von Bäumen wird nur dann für erforderlich gehalten, wenn besonders<br />
verdächtige Umstände vorliegen. Eine ständige Überwachung ist grds. nicht notwendig (OLG Frankfurt<br />
NJW-RR 1987, 795; näher HORST DWW 1991, 3<strong>22</strong>, 329 ff. zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht der<br />
Gemeinde als Baumeigentümerin: OLG Bremen, Beschl. v. 13.4.2018 – 1 U 4/18, juris).<br />
Für besondere Risiken, die auf Naturgewalten beruhen, ist der Grundeigentümer nicht verantwortlich<br />
(AG Frankfurt NJW-RR 1994, 414).<br />
Eingedrungenes Wurzelwerk in ein privates Grundstück ist so lange hinzunehmen, wie dadurch keine<br />
konkrete Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks eintritt (VG Freiburg BWGZ 1994, 684 [kein öffentlich-rechtlicher<br />
Abwehranspruch im Fall eines auf einem öffentlichen Gehweg gepflanzten Baumes];<br />
LG Itzehoe NJW-RR 1995, 978). Beseitigungsansprüche gem. §§ 1004, 910 BGB für eingedrungenes<br />
Wurzelwerk bestehen aber, wenn dadurch ein Anheben oder ein Aufbrechen des benachbarten Bodens<br />
verursacht wird (LG Itzehoe, a.a.O.).<br />
1186 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 20.11.<strong>2019</strong>