ZAP-2019-22
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<strong>ZAP</strong><br />
Kolumne<br />
Kolumne<br />
Das anwaltliche Empfangsbekenntnis und die Eintragung von Fristen<br />
In der Praxis werden (auch) durch die Gerichte<br />
Schriftstücke häufig gegen Empfangsbekenntnis<br />
des Anwalts zugestellt (§§ 172, 174, 195 ZPO). Der IX.<br />
Zivilsenat des BGH hat am 12.9.<strong>2019</strong> (IX ZB 13/19)<br />
entschieden (s. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 675/<strong>2019</strong> [in dieser<br />
Ausgabe] = NJW <strong>2019</strong>, 3234): „Der Rechtsanwalt darf<br />
das Empfangsbekenntnis für eine Urteilszustellung erst<br />
unterzeichnen, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist<br />
festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im<br />
Fristenkalender notiert worden ist (Rn 13).“<br />
Damit bestätigt der IX. Zivilsenat die bereits vom<br />
VI. Senat im Jahre 1996 etablierte Rechtsprechung<br />
(BGH, Beschl. v. 26.3.1996 – VI ZB 1/96, 2/96,<br />
NJW 1996, 1900, vgl. dazu REINELT, Kolumne in<br />
<strong>ZAP</strong> 20/2014, S. 1097). Auch der VI. Senat hatte<br />
damals festhalten:<br />
„Der Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis über<br />
eine Urteilszustellung erst unterzeichnen und zurückgeben,<br />
wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist<br />
festgehalten, sowie vermerkt worden ist, dass die Frist<br />
im Fristenkalender notiert worden ist.“<br />
Aber: Welche Frist soll vor Unterzeichnung und<br />
Absendung des Empfangsbekenntnisses im Kalender<br />
eingetragen worden sein und vor Unterzeichnung<br />
des Empfangsbekenntnisses überprüft werden?<br />
Das Sekretariat des Anwalts könnte allenfalls<br />
den Tag des Zugangs notieren. Das mag sinnvoll<br />
sein, weil der Rechtsanwalt nach § 14 BORA<br />
verpflichtet ist, Zustellungen unverzüglich entgegenzunehmen.<br />
Die nach dem Zugang berechnete<br />
Frist ist aber prozessual nicht die maßgebende.<br />
Zugang bedeutet hier nicht Zustellung. Denn<br />
die endgültige Berechnung dieser Frist ergibt sich<br />
erst mit der Unterzeichnung und Datierung des<br />
Empfangsbekenntnisses durch den Anwalt. Diesen<br />
Termin kann das Büro jedoch nicht im Wege der<br />
prévoyance eintragen, bevor der Rechtsanwalt unterzeichnet<br />
und datiert hat.<br />
Die Vorgabe der Entscheidungen des VI. und des<br />
IX. Zivilsenats verkehrt – wie ich bereits in der<br />
Kolumne in <strong>ZAP</strong> 20/2014 ausgeführt habe – die in<br />
der Praxis richtige und notwendige Reihenfolge.<br />
Sie steht nach meiner Überzeugung weder mit<br />
der Bedeutung des Empfangsbekenntnisses noch<br />
mit den üblichen und notwendigen Kanzleiabläufen<br />
in Einklang. Nicht etwa der Eingang der<br />
Schriftstücke bei der Anwaltskanzlei, sondern<br />
erst die Unterzeichnung und Abgabe des unterzeichneten<br />
Dokuments „Empfangsbekenntnis“<br />
löst die (Rechtsmittel-)Frist aus. Erst vom Datum<br />
der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses<br />
an ist diese zu berechnen. Das Büro kann<br />
diese erst dann durch den Anwalt bestimmte Frist<br />
nicht im Wege der spekulativen Vorausschau<br />
ermitteln.<br />
Wenn man sich also exakt an das Postulat des BGH<br />
hält, müsste der Anwalt bei Meidung einer Haftung<br />
zunächst eine für den prozessualen Fristenlauf<br />
unzutreffende, vom Zugang berechnete Frist<br />
eintragen und diese dann anschließend korrigieren<br />
lassen mit dem Datum der Unterzeichnung des<br />
Empfangsbekenntnisses. Ist das sinnvoll und gar –<br />
bei Meidung einer Haftung des Anwalts – notwendig?<br />
In der Praxis kommt es häufig vor, dass Schriftstücke<br />
in Anwaltskanzleien eingehen und der<br />
Rechtsanwalt wegen kurzfristiger Abwesenheit<br />
das Empfangsbekenntnis nicht sofort unterzeichnen<br />
kann oder will, weil er vom Inhalt des<br />
Schriftstücks erst noch Kenntnis nehmen muss.<br />
Die maßgebende Frist wird ja nicht durch den<br />
Eingangsstempel und den Zugang in der Kanzlei<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 20.11.<strong>2019</strong> 1155