ZAP-2019-22

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Fach 7, Seite 540 Negative Einwirkungen Immobiliarsachenrecht/WEG-Recht beschritten werden, wenn durch die abgelagerten Gegenstände (hier: Abfall, auch mit organischen Stoffen gefüllte Plastiktüten, Einrichtungsteile und Verpackungsmaterial) das Wohl der Allgemeinheit gefährdet wird. Sie kann dann durch Ordnungsverfügung dem betroffenen Grundstückseigentümer aufgeben, gesammelten Unrat, Müll, und anderes zu entfernen (VG Münster, Beschl. v. 24.8.2016 – 7 L 1222/16, IMR 2017, 80; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 24.8.2009 – 8 A 10623/09, NVwZ 2009, 1508 – Schrottfahrzeuge; ebenso schon: OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 24.9.2002 – 8 A 11272/02.OVG; vgl. aber VG Neustadt a.d. Weinstraße, Urt. v. 11.9.2015 – 4 K 162/15.NW, juris – Verwendung von 100 alten Autoreifen als Terrassenbefestigung und als Pflanzenringe zulässig). Das kann selbst für das Innere des Nachbarhauses gelten (VG Arnsberg, Beschl. v. 20.8.2008 – 3L 547/08; juris, bestätigt durch OVG NRW, Beschl. v. 19.9.2008 – 5 B 1410/08, juris): Ein Hauseigentümer wird gerichtlich dazu verdonnert, sein Haus aufzuräumen und Flucht- sowie Rettungswege frei zu machen. Er hatte Zimmer und Flure mit Altpapier und anderen gesammelten Dingen bis zur Decke voll gestapelt. Im Garten des Hauses hatte er altes Holz zum Brennen angehäuft. Teilweise waren selbst die Fenster mit Kisten zugestellt. Weil Nachbarn sich durch das Verbrennen von Papier und Holz sowie das Gerümpel im Garten belästigt fühlen, schalten sie die Gemeinde ein. Ergebnis ist eine Ordnungsverfügung der Stadt. Die sofortige Vollziehung dieser Ordnungsverfügung ohne aufschiebende Wirkung wird angeordnet (§ 80 Abs. 3 S. 1 VwGO). Die Begründung: Ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung müsse damit gerechnet werden, dass in dem Wohnhaus des Eigentümers immer mehr Material – insbesondere Papier – gelagert werde. Das damit einhergehende, stetig ansteigende Brandpotenzial gefährde Leben und Gesundheit des Hauseigentümers und seiner Familienangehörigen sowie auch Leben und Gesundheit der Nachbarschaft. Eigene nachbarliche Abwehransprüche können aber neben der Möglichkeit einer initiierten behördlichen Ordnungsverfügung dann ausgelöst werden, wenn derartige Utensilien in einer Grenzgarage gelagert werden. Dadurch wird die Garage in ihrem Zweck entwidmet. Sie dient eben nicht mehr zum Abstellen von Kraftfahrzeugen und verliert dadurch das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenprivileg. Da den Abstandsflächenvorschriften auch nachbarschützende Wirkung zukommt, kommen Abwehransprüche des Nachbarn in Betracht (dazu eingehend: HORST, Nachbarschutz gegen Grenzgarage, DWW 2000, 217 ff. und 262 ff.). Motiviert können solche Ansprüche z.B. aus dem Gesichtspunkt des Brandschutzes sein, wenn in der Garage Schmier- und Betriebsstoffe gelagert oder Reparaturarbeiten ausgeführt werden. Häufig sind sie aber Folge des „nachbarlichen Ärgernisses“ darüber, dass der Pkw nicht in der Garage, sondern auf der Straße geparkt wird und deshalb den eigenen Parkraum des Nachbarn beeinträchtigt. Wenn auch der Nachbar gegen die zweckwidrige Nutzung der Grenzgarage zu Felde ziehen kann, so gibt es doch kein Recht auf einen eigenen Parkplatz auf der Straße, erst recht nicht vor der eigenen Haustüre (BGH, Urt. v. 22.1.2016 – V ZR 116/15, ZMR 2016, 382). Natürlich bleibt es dem Nachbarn immer unbenommen, die Bauaufsichtsbehörde zu unterrichten, um so ein bauaufsichtsbehördliches Einschreiten gegen die zweckwidrigen Nutzung der Garage einzuleiten (so: VG Berlin, Urt. v. 15.7.2015 – 19 K 273.14; zu Abwehransprüchen des Vermieters gegen die zweckwidrige Garagennutzung durch den Mieter: AG München, Urt. v. 21.11.2012 – 433 C 7448/12, NZM 2013, 541; LG Hamburg, Urt. v. 17.6.2015 – 318 S 167/14, NJW-RR 2016, 82; AG Stuttgart, Urt. v. 1.4.2016 – 37 C 5953/15, WuM 2016, 346). 9. Abschattungen des Rundfunk- und Fernsehempfangs Schattet ein Hochhaus Funkwellen so ab, dass auf dem Nachbargrundstück ein Empfang nicht mehr möglich ist, kann der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks nicht beanspruchen, auf Kosten des Hochhauseigentümers Anschluss an die Sammelantenne des Hochhauses zu erhalten. Er hat auch keinen Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Ausgleichs. Auch hier liegt eine sog. negative Einwirkung vor (BGH NJW 1984, 729 ff.). 10. Ungestörte Aussicht Auch Ansprüche auf eine ungestörte Aussicht werden zumeist nur erfolglos geltend gemacht, sei es als Anspruch auf Beseitigung oder Kürzung von Baum- und Pflanzenbeständen, sei es als Klage- 1180 ZAP Nr. 22 20.11.2019

Immobiliarsachenrecht/WEG-Recht Fach 7, Seite 541 Negative Einwirkungen begehren im Baurecht gegen ein Bauvorhaben (vgl. die Nachweise bei STOLLENWERK DWW 1995, 303). Dies gilt auch für ein Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan, der in der unmittelbaren Nachbarschaft sowohl Flächen für Pflegeeinrichtungen als auch ein allgemeines Wohngebiet ausweist und damit einen zuvor bestehenden Bebauungsplan ablöst, der Blick Beziehungen zur umgebenden Natur und die Vermeidung einer Störung des Landschaftsbilds stets betont hatte (Sächs. OVG, Urt. v. 15.5.2018 – 1 C 13/17; zur sichtbehindernden Bebauung auch: OLG Frankfurt, Urt. v. 12.11.2015 – 3 U 4/14, ZMR 2016, 326; LG Karlsruhe, Urt. v. 2.12.2011 – 9 S 236/11, juris – zur verneinten Verpflichtung eines Vermieters ggü. dem Wohnungsmieter, dessen Nachbarn zum Abriss einer blickstörenden Holzwand zu zwingen). Wer sich Licht und Aussicht ungestört erhalten will, sollte sich eine Grunddienstbarkeit am Nachbargrundstück bestellen und im Grundbuch eintragen lassen. Die Grunddienstbarkeit kann auch den Inhalt haben, dass der Nachbar kein Gebäude über eine bestimmte Höhe und in einem bestimmten Abstand von der Grenze errichtet. Auch der Anblick oder Ausblick auf einen Nacktbadeplatz ist keine Einwirkung i.S.d. § 906 BGB (RGZ 76, 130). Nachbarrechtliche Ansprüche bestehen deswegen nicht (BGHZ 95, 307). Dies gilt auch für das sichtbare Aufhängen von Wäsche zum Wochenende. Zwar ergibt sich ein unschöner Anblick auf ein fremdes Grundstück, doch handelt es sich nicht um eine Zuführung von Immissionen i.S.v. § 906 BGB (BGH NJW 1985, 2853; zum Schadenersatzanspruch aus culpa in contrahendo und aus unerlaubter Handlung bei Abschluss eines Kaufvertrags über ein Grundstück mit freiem Ausblick, wenn von Verkäuferseite die Frage nach sichtbehindernden Umbauplänen der Nachbarn wahrheitsgerecht verneint wird: BGH MittBayNot 1993, 353). 11. Störende Einblicke des Nachbarn und Videoüberwachung In Zeiten ständig zunehmenden Voyeurismus fühlen sich Nachbarn gerade bei beengten Wohnverhältnissen häufig durch tatsächliche oder durch vermutete Einsichtnahmen Dritter in den eigenen Lebensbereich bedrängt. Statten Nachbarn ihre Grundstücke so aus, dass sie von erhöhten Standpunkten aus Einsicht in die Nachbarbereiche nehmen können, führt das also in aller Regel zu Unbill. Zunächst stellt dabei das „sich beobachtet fühlen“ durch den Nachbarn eine negative Einwirkung dar, die zivilrechtlich nicht abwehrbar ist. Deswegen wird auch hier häufig das Bauordnungs- und das Bauplanungsrecht bemüht (z.B. im Falle eines Kinderspielturms; nahe der Grundstücksgrenze: OLG Hamm, Urt. v. 19.5.2014 – 5 U 190/13, NZM 2015, 431 – privatrechtlich und öffentlich-rechtlich erfolglos; ebenso (Kinderspielturm): VG Neustadt, Urt. v. 17.4.2008 – 4 K 25/08. NW; im Falle eines Baumhauses nahe der Grundstücksgrenze: LG Dortmund, Urt. v. 20.2.2007 – 1 S 109/06, NZM 2007, 936 – öffentlichrechtlich erfolgreich; zum „Pfahlbau“ an der Grundstücksgrenze: VG München, Urt. v. 13.7.2016 – M9K 15.570, juris – Abrissverfügung aus baurechtlichen Gründen bestätigt; zum Einblick nehmen den Nachbarn durch Überlehnen auf den Balkon des Kontrahenten: OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.3.2016 – 4 UF 26/16, MDR 2016, 1136 = NJW-aktuell, Heft 41/2016, 9 – keine Anordnung nach § 1 Abs. 2 Nr. 2a GewSchG, da die Verletzung des Luftraums über dem nachbarlichen Balkon einem Eindringen in das befriedete Besitztum nicht gleichkommt). Unberührt bleibt die Prüfung einer Verletzung des nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts (LG Rottweil, Urt. v. 23.5.2018 – 1 S 11/18; LG Hamburg, Urt. v. 18.1.2018 – 304 O 69/17 – juris) und eines strafbaren Verhaltens nach § 238 StGB (Stalking). Zivilrechtliche Abwehr- und Beseitigungsansprüche bestehen in einer Gesamtschau mit den neuen Bestimmungen des Datenschutzes dazu (§ 4 BDSG-2018, Art. 4 Abs. 2 und 6, Art. 6, 13, 14, 17, 25, 32 DSGVO), wenn der Nachbar Überwachungskameras installiert hat, die das eigene Grundstück mit erfassen (BGH, Urt. v. 21.10.2011 – V ZR 265/10, NJW-RR 2012, 140; OLG Köln, Urt. v. 22.9.2016 – 15 U 33/16, NJW 2017, 835 ff; OLG Köln, NJW 2009, 1827; auch Befürchtung der Videoüberwachung reicht: ZAP Nr. 22 20.11.2019 1181

Fach 7, Seite 540<br />

Negative Einwirkungen<br />

Immobiliarsachenrecht/WEG-Recht<br />

beschritten werden, wenn durch die abgelagerten Gegenstände (hier: Abfall, auch mit organischen<br />

Stoffen gefüllte Plastiktüten, Einrichtungsteile und Verpackungsmaterial) das Wohl der Allgemeinheit<br />

gefährdet wird. Sie kann dann durch Ordnungsverfügung dem betroffenen Grundstückseigentümer<br />

aufgeben, gesammelten Unrat, Müll, und anderes zu entfernen (VG Münster, Beschl. v. 24.8.2016 –<br />

7 L 1<strong>22</strong>2/16, IMR 2017, 80; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 24.8.2009 – 8 A 10623/09, NVwZ 2009, 1508<br />

– Schrottfahrzeuge; ebenso schon: OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 24.9.2002 – 8 A 11272/02.OVG; vgl.<br />

aber VG Neustadt a.d. Weinstraße, Urt. v. 11.9.2015 – 4 K 162/15.NW, juris – Verwendung von 100 alten<br />

Autoreifen als Terrassenbefestigung und als Pflanzenringe zulässig).<br />

Das kann selbst für das Innere des Nachbarhauses gelten (VG Arnsberg, Beschl. v. 20.8.2008 – 3L<br />

547/08; juris, bestätigt durch OVG NRW, Beschl. v. 19.9.2008 – 5 B 1410/08, juris): Ein Hauseigentümer<br />

wird gerichtlich dazu verdonnert, sein Haus aufzuräumen und Flucht- sowie Rettungswege frei zu<br />

machen. Er hatte Zimmer und Flure mit Altpapier und anderen gesammelten Dingen bis zur Decke voll<br />

gestapelt. Im Garten des Hauses hatte er altes Holz zum Brennen angehäuft. Teilweise waren selbst die<br />

Fenster mit Kisten zugestellt. Weil Nachbarn sich durch das Verbrennen von Papier und Holz sowie das<br />

Gerümpel im Garten belästigt fühlen, schalten sie die Gemeinde ein. Ergebnis ist eine Ordnungsverfügung<br />

der Stadt. Die sofortige Vollziehung dieser Ordnungsverfügung ohne aufschiebende Wirkung<br />

wird angeordnet (§ 80 Abs. 3 S. 1 VwGO). Die Begründung: Ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung<br />

müsse damit gerechnet werden, dass in dem Wohnhaus des Eigentümers immer mehr Material<br />

– insbesondere Papier – gelagert werde. Das damit einhergehende, stetig ansteigende Brandpotenzial<br />

gefährde Leben und Gesundheit des Hauseigentümers und seiner Familienangehörigen sowie auch<br />

Leben und Gesundheit der Nachbarschaft.<br />

Eigene nachbarliche Abwehransprüche können aber neben der Möglichkeit einer initiierten behördlichen<br />

Ordnungsverfügung dann ausgelöst werden, wenn derartige Utensilien in einer Grenzgarage<br />

gelagert werden. Dadurch wird die Garage in ihrem Zweck entwidmet. Sie dient eben nicht mehr zum<br />

Abstellen von Kraftfahrzeugen und verliert dadurch das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenprivileg.<br />

Da den Abstandsflächenvorschriften auch nachbarschützende Wirkung zukommt, kommen<br />

Abwehransprüche des Nachbarn in Betracht (dazu eingehend: HORST, Nachbarschutz gegen Grenzgarage,<br />

DWW 2000, 217 ff. und 262 ff.). Motiviert können solche Ansprüche z.B. aus dem Gesichtspunkt<br />

des Brandschutzes sein, wenn in der Garage Schmier- und Betriebsstoffe gelagert oder<br />

Reparaturarbeiten ausgeführt werden. Häufig sind sie aber Folge des „nachbarlichen Ärgernisses“<br />

darüber, dass der Pkw nicht in der Garage, sondern auf der Straße geparkt wird und deshalb den<br />

eigenen Parkraum des Nachbarn beeinträchtigt. Wenn auch der Nachbar gegen die zweckwidrige<br />

Nutzung der Grenzgarage zu Felde ziehen kann, so gibt es doch kein Recht auf einen eigenen<br />

Parkplatz auf der Straße, erst recht nicht vor der eigenen Haustüre (BGH, Urt. v. <strong>22</strong>.1.2016 – V ZR 116/15,<br />

ZMR 2016, 382). Natürlich bleibt es dem Nachbarn immer unbenommen, die Bauaufsichtsbehörde zu<br />

unterrichten, um so ein bauaufsichtsbehördliches Einschreiten gegen die zweckwidrigen Nutzung der<br />

Garage einzuleiten (so: VG Berlin, Urt. v. 15.7.2015 – 19 K 273.14; zu Abwehransprüchen des Vermieters<br />

gegen die zweckwidrige Garagennutzung durch den Mieter: AG München, Urt. v. 21.11.2012 – 433 C<br />

7448/12, NZM 2013, 541; LG Hamburg, Urt. v. 17.6.2015 – 318 S 167/14, NJW-RR 2016, 82; AG Stuttgart,<br />

Urt. v. 1.4.2016 – 37 C 5953/15, WuM 2016, 346).<br />

9. Abschattungen des Rundfunk- und Fernsehempfangs<br />

Schattet ein Hochhaus Funkwellen so ab, dass auf dem Nachbargrundstück ein Empfang nicht mehr<br />

möglich ist, kann der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks nicht beanspruchen, auf Kosten des<br />

Hochhauseigentümers Anschluss an die Sammelantenne des Hochhauses zu erhalten. Er hat auch<br />

keinen Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Ausgleichs. Auch hier liegt eine sog. negative Einwirkung<br />

vor (BGH NJW 1984, 729 ff.).<br />

10. Ungestörte Aussicht<br />

Auch Ansprüche auf eine ungestörte Aussicht werden zumeist nur erfolglos geltend gemacht, sei es<br />

als Anspruch auf Beseitigung oder Kürzung von Baum- und Pflanzenbeständen, sei es als Klage-<br />

1180 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 20.11.<strong>2019</strong>

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