ZAP-2019-22

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Fach 7, Seite 538 Negative Einwirkungen Immobiliarsachenrecht/WEG-Recht NJW-RR 1995, 1231 zur Schädigung von Erikakulturen durch Brennesselsamen), kann der Eigentümer grds. das Herüberwehen von Unkrautsamen vom Nachbargrundstück nicht abwehren (OLG Düsseldorf OLGZ 1993, 451; LG Stuttgart MDR 1965, 990; OLG Karlsruhe RdL 1972, 8). Lösen allein Naturkräfte die Störung aus, so bestehen keine Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche gegen den Nachbarn gem. §§ 1004, 906 BGB. Dies ist nur dann anders, wenn er oder sein Voreigentümer die Störung durch eigene Handlungen oder pflichtwidriges Unterlassen selbst mit verursacht haben (BGH NJW 1985, 1773; a.A. SCHMID NJW 1988, 29). Dann kommt ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht oder eine Inanspruchnahme des Nachbarn als Störer aus §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB in Betracht. Voraussetzung ist, dass die Eigentumsbeeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Beklagten zurückgeht, was bei einem Unterlassen wiederum eine Handlungspflicht (Verkehrssicherungspflicht) voraussetzt (BGH, Urt. v. 16. 2. 2001 – V ZR 422/99, ZAP EN-Nr. 291/2001). Der BGH hat nicht nur eine Störerhaftung, sondern auch eine Verkehrssicherungspflicht verneint, wenn die Beeinträchtigungen zwar auf dem Zustand des Nachbargrundstücks beruhen, dieser aber ausschließlich durch Naturkräfte oder durch normale und übliche (landwirtschaftliche) Grundstücksnutzungen mit unumgänglicher nachteiliger Einwirkung für die Nachbarn hervorgerufen worden ist (BGH, a.a.O., entschieden für einen Weinberg, der ein Jahr lang nicht bewirtschaftet wurde, was zu einem Mehltaubefall der benachbarten Rebstöcke führte). Ganz ausnahmsweise kann sich in Extremfällen ein Beseitigungsanspruch aus § 242 BGB aus den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergeben, wenn dies aus zwingenden Gründen eines billigenden Interessenausgleichs geboten ist. In der Regel wirkt das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis aber nur als Schranke der Rechtsausübung, als Ergebniskorrektur (BGH, a.a.O., m.w.N. zur Rspr.; vgl. näher: HORST, Rechtshandbuch Nachbarrecht, Rn 282 ff., S. 81, Rn 1356, S. 369). So kommt ein Anspruch auf dieser Grundlage in Betracht, wenn in einer reinen Wohngegend mit sämtlich gärtnerisch gut gepflegten Grundstücken ein Grundstück über Jahre hinaus verwahrlost wird und der Grundstückseigentümer die Möglichkeit gehabt hätte, dem ohne großen Aufwand Einhalt zu gebieten (vgl. OLG Karlsruhe RdL 1972, 8; s. auch: BGH NJW 1984, 2207; BGHZ 28, 110). Für eine Bausiedlung (AG Tecklenburg MDR 1981, 51) oder für einen mit Mehltau befallenen Weinberg (BGH, Urt. v. 16.2.2001 – V ZR 422/99, ZAP EN-Nr. 291/2001) gelten diese Ausnahmen nicht. Anstelle eines Beseitigungsanspruchs kann sich ebenso als Ausnahme aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis auch ein Schadenersatzanspruch ergeben. Dies hat der BGH bei Schädlingsbefall mit Auswirkung für Nachbargrundstücke erwogen (BGH, Urt. v. 7.7.1996 – V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2635). Sei ein Eigentümer zur Verhinderung von Schädlingsbefall nicht verpflichtet, so könne dem Nachbarn aus dem Grundsatz des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses das Recht zuzubilligen sein, Bekämpfungsmaßnahmen auf dem Grundstück zu ergreifen, von dem die Störung ausgeht; dies zumindest dann, wenn diese Maßnahmen das störende Grundstück nicht unzumutbar beeinträchtigen. Ein solches Vorgehen zum eigenen Schutz setze voraus, dass der Nachbar von dem Eigentümer, auf dessen Grundstück Bekämpfungsmaßnahmen notwendig werden, rechtzeitig über den Befall oder über den drohenden Befall informiert werde. Dazu könne der Nachbar nach § 242 BGB im Hinblick auf die nachbarliche Verbundenheit verpflichtet sein. Verletze er diese Pflicht, hafte er nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung. Dies komme aber nur in Betracht, wenn er auf die Information über die drohende Gefahr angewiesen sei, sie also nicht selbst habe erkennen können (verneinend im Falle eines mehltaubefallenen Weinbergs: BGH, Urt. v. 16. 2. 2001 – VZR 422/99, ZAP EN-Nr. 291/2001). Eine Verunkrautung vor dem Grundstück auf dem Gehweg oder auf öffentlichem Straßengrund kann dagegen über ein Eingreifen der Gemeinde durch Ersatzvornahme nach entsprechender Androhung auf der Grundlage der Straßenreinigungssatzung unterbunden werden. 1178 ZAP Nr. 22 20.11.2019

Immobiliarsachenrecht/WEG-Recht Fach 7, Seite 539 Negative Einwirkungen 6. Abstellen von Schrott Beim Abstellen von Schrott, bei der Lagerung von Baumaterial, Baugeräten und Gerümpel handelt es sich um reine Verletzungen des ästhetischen Empfindens ohne weitergehende Beeinträchtigung des Nachbareigentums (BGH NJW 1970, 1541 ff., vgl. die Nachw. der Rechtspr. bei STOLLENWERK DWW 1995, 303). 7. Lagerung von Müll und Aufstellen von Müllbehältern Der Anblick von Müll auf Nachbargrundstücken ist eine hinzunehmende ästhetische Immission, solange damit keine Geruchsbelästigung, Gesundheitsgefährdung insbesondere durch Ungezieferbefall oder ordnungsbehördlich bedeutsame Gefahrenlage geschaffen wird. Der Eigentümer eines mit Müll beladenen Grundstücks ist aber Abfallbesitzer i.S.v. § 3 Abs. 1 AbfG. Als solcher ist er auch Störer und zur Beseitigung der Störung verpflichtet. Dies gilt auch, wenn der Müll von Dritten unberechtigt abgelagert worden ist (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 6.5.2003 – 8 B 10668/03, n.v. für die Beseitigungspflicht einer „wilden“ Müllablagerung; LG Frankfurt/Main, Urt. v. 8.6.2005 – 5/33 Ns 8910 Js 219753/03, NZM 2005, S. 679 f. für das Liegenlassen von Abfällen auf einem Hausgrundstück als Ordnungswidrigkeit, die ein „Messie“ vorab gesammelt hatte; BVerwG, Urt. v. 11.12.1997 – 7 C 58/96, NJW 1998, S. 1004: Entsorgungspflicht des Eigentümers als Abfallbesitzer bei Abfallanlandung durch Hochwasser; ALHEIT, S. 193; BVerwG, NJW 1989, S. 1295.). Ganz entsprechendes gilt für Wohnungseigentümergemeinschaften. Der Wohnungseigentümer, der regelmäßig und notorisch Mülltüten und ähnliche Abfälle vor seiner Wohnungstür im gemeinschaftlichen Eingangsbereich des Hauses deponiert, beeinträchtigt seine Miteigentümer mit der Folge, dass diese Abwehransprüche nach § 1004 BGB, § 14 Nr. 1 WEG haben (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.5.1996 – 3 Wx 88/96, WM 1996, 436 = ZMR 1996, 446). Beseitigungsansprüche können sich auch aus der Platzierung von Müllbehältern ergeben. Hier erfordert es das Gebot der Rücksichtnahme unter Nachbarn, Müllbehälter so zu platzieren, dass Auswirkungen nicht gerade zum Nachbarn hin entfaltet werden können. Denkbar sind hier unzumutbare Geruchsbelästigungen oder angezogene Tiere wie Fliegen und Ratten. Auch hier kommt ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB in Betracht. Dies gilt ebenso für Wohnungseigentümergemeinschaften (dazu: OLG Hamm, Beschl. v. 12.3.1999 – 15 W 17/99, ZMR 1999, 507 zu abgestellten Mülltonnen in einer Garage). Sind aber Geruchsbelästigungen ausgeschlossen und Mindestabstände eingehalten, kann eine Nachbarklage gegen aufgestellte Mülltonnen nicht erfolgreich sein (VG Neustadt a.d. Weinstraße, Urt. v. 14.7.2016 – 4 K 11/16.NW, juris, zur Nutzung eines Stellplatzes als Abstellplatz für Mülltonnen). Besonderheiten gelten für Gewässergrundstücke. Der Eigentümer oder der Besitzer eines Gewässergrundstücks oder gewässernahen Grundstücks wird überlassungspflichtiger Besitzer von Abfällen, die durch Hochwasser auf das Grundstück gelangen, wenn dieses Grundstück für die Allgemeinheit frei zugänglich ist. Eine Einschränkung der Verantwortlichkeit des Besitzers von aufgedrängten Abfällen kommt aus verfassungsrechtlichen Gründen nur in Betracht, wenn dieser in eine Opferposition gedrängt wurde. Dies ist nur dann der Fall, wenn der vom Abfallbesitzer für die Verwertung und Beseitigung zu betreibende Kostenaufwand die Privatnützigkeit des Eigentums i.S.v. Art. 14 Abs. 1 GG entfallen ließe. Abgesehen von diesem Grenzfall ergibt sich damit die Pflicht zur Abfallentsorgung bereits aus §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 und 2 AbfG i.V.m. §§ 3 Abs. 6, 13 Abs. 1, 15 Abs. 1 KrW-AbfG (BVerwG NJW 1998, 1004 f..). 8. Lagern von Baumaterial, Baugeräten, Altfahrzeugen und Gerümpel Ebenso bestehen keine Nachbaransprüche auf die Beseitigung von Baumaterialien, Autowracks, alten Stangen, Blech, sonstigem Gerümpel und Baugeräten. Allerdings kann die Ordnungsbehörde bei länger dauernder Lagerung von Baumaterial und Gerümpel auf dem Grundstück die Beseitigung auf Kosten des Eigentümers durch Ersatzvornahme veranlassen (VG Berlin, Beschl. v. 05.5.1994 – 13 A 10.94, juris = Grundeigentum 1994, 862). Generell kann in diesen Fällen der Umweg über die Ordnungsbehörde ZAP Nr. 22 20.11.2019 1179

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Negative Einwirkungen<br />

Immobiliarsachenrecht/WEG-Recht<br />

NJW-RR 1995, 1231 zur Schädigung von Erikakulturen durch Brennesselsamen), kann der Eigentümer<br />

grds. das Herüberwehen von Unkrautsamen vom Nachbargrundstück nicht abwehren (OLG<br />

Düsseldorf OLGZ 1993, 451; LG Stuttgart MDR 1965, 990; OLG Karlsruhe RdL 1972, 8). Lösen allein<br />

Naturkräfte die Störung aus, so bestehen keine Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche gegen<br />

den Nachbarn gem. §§ 1004, 906 BGB. Dies ist nur dann anders, wenn er oder sein Voreigentümer die<br />

Störung durch eigene Handlungen oder pflichtwidriges Unterlassen selbst mit verursacht haben (BGH<br />

NJW 1985, 1773; a.A. SCHMID NJW 1988, 29). Dann kommt ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten<br />

aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht oder eine Inanspruchnahme<br />

des Nachbarn als Störer aus §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB in Betracht. Voraussetzung ist, dass die<br />

Eigentumsbeeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Beklagten zurückgeht, was bei<br />

einem Unterlassen wiederum eine Handlungspflicht (Verkehrssicherungspflicht) voraussetzt (BGH,<br />

Urt. v. 16. 2. 2001 – V ZR 4<strong>22</strong>/99, <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 291/2001). Der BGH hat nicht nur eine Störerhaftung,<br />

sondern auch eine Verkehrssicherungspflicht verneint, wenn die Beeinträchtigungen zwar auf dem<br />

Zustand des Nachbargrundstücks beruhen, dieser aber ausschließlich durch Naturkräfte oder durch<br />

normale und übliche (landwirtschaftliche) Grundstücksnutzungen mit unumgänglicher nachteiliger<br />

Einwirkung für die Nachbarn hervorgerufen worden ist (BGH, a.a.O., entschieden für einen Weinberg,<br />

der ein Jahr lang nicht bewirtschaftet wurde, was zu einem Mehltaubefall der benachbarten<br />

Rebstöcke führte).<br />

Ganz ausnahmsweise kann sich in Extremfällen ein Beseitigungsanspruch aus § 242 BGB aus den<br />

Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergeben, wenn dies aus zwingenden Gründen<br />

eines billigenden Interessenausgleichs geboten ist. In der Regel wirkt das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis<br />

aber nur als Schranke der Rechtsausübung, als Ergebniskorrektur (BGH, a.a.O., m.w.N. zur<br />

Rspr.; vgl. näher: HORST, Rechtshandbuch Nachbarrecht, Rn 282 ff., S. 81, Rn 1356, S. 369). So kommt ein<br />

Anspruch auf dieser Grundlage in Betracht, wenn in einer reinen Wohngegend mit sämtlich gärtnerisch<br />

gut gepflegten Grundstücken ein Grundstück über Jahre hinaus verwahrlost wird und der Grundstückseigentümer<br />

die Möglichkeit gehabt hätte, dem ohne großen Aufwand Einhalt zu gebieten (vgl. OLG<br />

Karlsruhe RdL 1972, 8; s. auch: BGH NJW 1984, <strong>22</strong>07; BGHZ 28, 110).<br />

Für eine Bausiedlung (AG Tecklenburg MDR 1981, 51) oder für einen mit Mehltau befallenen Weinberg<br />

(BGH, Urt. v. 16.2.2001 – V ZR 4<strong>22</strong>/99, <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 291/2001) gelten diese Ausnahmen nicht.<br />

Anstelle eines Beseitigungsanspruchs kann sich ebenso als Ausnahme aus dem nachbarlichen<br />

Gemeinschaftsverhältnis auch ein Schadenersatzanspruch ergeben. Dies hat der BGH bei Schädlingsbefall<br />

mit Auswirkung für Nachbargrundstücke erwogen (BGH, Urt. v. 7.7.1996 – V ZR 213/94, NJW<br />

1995, 2633, 2635). Sei ein Eigentümer zur Verhinderung von Schädlingsbefall nicht verpflichtet, so<br />

könne dem Nachbarn aus dem Grundsatz des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses das Recht<br />

zuzubilligen sein, Bekämpfungsmaßnahmen auf dem Grundstück zu ergreifen, von dem die Störung<br />

ausgeht; dies zumindest dann, wenn diese Maßnahmen das störende Grundstück nicht unzumutbar<br />

beeinträchtigen. Ein solches Vorgehen zum eigenen Schutz setze voraus, dass der Nachbar von dem<br />

Eigentümer, auf dessen Grundstück Bekämpfungsmaßnahmen notwendig werden, rechtzeitig über<br />

den Befall oder über den drohenden Befall informiert werde. Dazu könne der Nachbar nach § 242 BGB<br />

im Hinblick auf die nachbarliche Verbundenheit verpflichtet sein. Verletze er diese Pflicht, hafte er<br />

nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung. Dies komme aber nur in Betracht, wenn er<br />

auf die Information über die drohende Gefahr angewiesen sei, sie also nicht selbst habe erkennen<br />

können (verneinend im Falle eines mehltaubefallenen Weinbergs: BGH, Urt. v. 16. 2. 2001 – VZR<br />

4<strong>22</strong>/99, <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 291/2001).<br />

Eine Verunkrautung vor dem Grundstück auf dem Gehweg oder auf öffentlichem Straßengrund kann<br />

dagegen über ein Eingreifen der Gemeinde durch Ersatzvornahme nach entsprechender Androhung auf<br />

der Grundlage der Straßenreinigungssatzung unterbunden werden.<br />

1178 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 20.11.<strong>2019</strong>

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