ZAP-2019-22

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Fach 1, Seite 168 Eilnachrichten 2019 Rückzahlung überzahlter Betriebskosten: Angabe des Umlageschlüssels (OLG Dresden, Beschl. v. 9.8.2019 – 5 U 936/19) • Eine Betriebskostenabrechnung ist formell ordnungsgemäß, wenn sie den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entspricht. Mindestens sind in diese eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Mieters und der Abzug seiner Vorauszahlungen aufzunehmen. Die Abgrenzung zwischen formeller Wirksamkeit einer Betriebskostenabrechnung einerseits und deren inhaltlicher Richtigkeit andererseits richtet sich danach, ob der Mieter in der Lage ist, die Art des Verteilungsschlüssels der einzelnen Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an den Gesamtkosten rechnerisch nachzuprüfen. Gibt eine Betriebskostenabrechnung nicht den Umlageschlüssel an, genügt sie – im gewerblichen Mietrecht – nicht den dargestellten Mindestanforderungen und ist deshalb formell unwirksam. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Umlagevereinbarung im Mietvertrag einen Umlageschlüssel nicht bestimmt. Hinweis: Auch wenn in dem Beschluss auf das gewerbliche Mietrecht verwiesen wird, dürfte für das Wohnraummietrecht nichts anderes gelten. ZAP EN-Nr. 651/2019 Mietsicherheit: Keine Befugnis einer vermieterseitigen Verwertung (LG Berlin, Beschl. v. 1.10.2019 – 67 T 107/19) • Wird der Mieter nicht im Rahmen einer Individualvereinbarung, sondern durch eine vom Vermieter gestellte Formularklausel zur Erbringung einer „Mietsicherheit“ verpflichtet, ohne dass die Klausel die Befugnis einer vermieterseitigen Verwertung während oder nach Beendigung des Mietverhältnisses näher regelt, ist der Kaution in Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB lediglich eine auf den Wortlaut der Sicherungsabrede beschränkte Funktion einer bloßen Sicherung des Vermieters vor einer möglichen Insolvenz des Mieters beizumessen, die ihm auch nach Beendigung des Mietverhältnisses ausschließlich für unstreitige oder rechtskräftig festgestellte Ansprüche das Recht zur Verwertung eröffnet. Hinweis: Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 24.7.2019 – VIII ZR 141/17, WuM 2019, 542 = ZAP EN-Nr. 482/2019 (LS). Bei der Mietvertragsgestaltung sollte die Verwertungsmöglichkeit eingehend ausformuliert werden, um die in diesem Beschluss ausgesprochene Beschränkung zu vermeiden. ZAP EN-Nr. 652/2019 Immobiliarsachenrecht/WEG-Recht Vertretung in einer Eigentümerversammlung: Juristische Person (BGH, Urt. v. 28.6.2019 – V ZR 250/18) • Eine Bestimmung in der Teilungserklärung, nach der Wohnungseigentümer sich in der Eigentümerversammlung nur durch den Ehegatten, einen Wohnungseigentümer oder den Verwalter vertreten lassen können, ist regelmäßig dahin ergänzend auszulegen, dass sie auch für juristische Personen gilt und dass diese sich nicht nur durch ihre organschaftlichen Vertreter, sondern auch durch einen ihrer Mitarbeiter vertreten lassen können. Eine solche Vertretungsklausel ist ferner regelmäßig ergänzend dahin auszulegen, dass sich eine juristische Person in der Eigentümerversammlung jedenfalls auch von einem Mitarbeiter einer zu demselben Konzern gehörenden (weiteren) Tochtergesellschaft vertreten lassen darf, wenn diese für die Verwaltung der Sondereigentumseinheiten zuständig ist. Hinweis: Gerade bei zerstrittenen Wohnungseigentümergemeinschaften ist die Frage der Vertretungsbefugnis häufig ein Thema. Die BGH-Entscheidung bringt nunmehr Klarheit in Bezug auf die Vertretung durch juristische Personen. ZAP EN-Nr. 653/2019 Nichtrückgabe von überlassenen Schlüsseln: Schadenersatzanspruch (OLG Dresden, Urt. v. 20.8.2019 – 4 U 665/19) • Beim Schlüsselverlust einer Wohnungsanlage kann der Geschädigte sowohl Kosten für den Austausch der Schlüsselanlage als auch für provisorische Sicherungsmaßnahmen verlangen, sofern die konkrete Gefahr eines Missbrauchs des verlorenen Schlüssels durch Dritte besteht. Hinweis: Schließanlagen unterliegen einer mechanischen Abnutzung und deshalb ist stets ein Abzug „Neu für Alt“ bei den Anschaffungskosten vorzunehmen; dieser kann gem. § 287 ZPO geschätzt werden. ZAP EN-Nr. 654/2019 1164 ZAP Nr. 22 20.11.2019

Eilnachrichten 2019 Fach 1, Seite 169 Bank- und Kreditwesen Darlehensvertrag: Fehlerhafte Widerrufsinformation (LG Ravensburg, Urt. v. 30.7. 2019 – 2 O 90/19) • Eine Widerrufsinformation bei einem Darlehensvertrag, der mit einem Kaufvertrag verbunden ist, ist unrichtig, wenn dem Darlehensnehmer mitgeteilt wird, er müsse für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins entrichten. Hinweis: Bei einer fehlerhaften Widerrufsinformation ist ein Wertersatzanspruch nach § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB ausgeschlossen. ZAP EN-Nr. 655/2019 Straßenverkehrsrecht Alleinhaftung bei Verkehrsunfall: Geschwindigkeit innerorts über 100 km/h (KG, Urt. v. 2.8.201922 U 33/18) • Wird die höchstzulässige Geschwindigkeit um mehr als das Doppelte überschritten und liegt die Geschwindigkeit innerorts absolut über 100 km/h, ist ein besonders schwerer Verkehrsverstoß gegeben, der i.d.R. zu einer Alleinhaftung führt, auch wenn der Handelnde an sich die Vorfahrt hat. Hinweis: Grundsätzlich verliert der Entgegenkommende auch durch eine Geschwindigkeitsüberschreitung seinen Vorrang gegenüber einem Linksabbiegenden nicht. Der Abbiegende hat nur mit möglichen mäßigen, wenngleich nicht unvernünftig hohen Geschwindigkeitsüberschreitungen des Entgegenkommenden zu rechnen. ZAP EN-Nr. 656/2019 Versicherungsrecht Versicherung für Kfz-Handel und -Handwerk: Rennstreckenveranstaltung (OLG Dresden, Urt. v. 20.8.2019 – 4 U 1385/18) • Der in der Kraftfahrzeugversicherung für Handel- und Handwerker (KfzSBHH) auf „fremde“ Fahrzeuge beschränkte Versicherungsschutz umfasst auch Ansprüche eines GbR-Gesellschafters für Schäden an seinem Privatfahrzeug. Die Werkstattobhut gemäß A 1.2.3 KfzSBHH erstreckt sich auch auf Probefahrten. Die Teilnahme an der Veranstaltung eines Autohauses auf einer Rennstrecke stellt aber jedenfalls dann keine Probefahrt mehr dar, wenn der Charakter einer „Spaßfahrt“ sowie das Austesten des Fahrzeugs in Grenzbereichen gleichrangig neben der Erprobung von dessen Funktionsfähigkeit stehen. Hinweis: Das OLG ging davon aus, dass es bei der Veranstaltung darauf ankam, Höchstgeschwindigkeiten zu erzielen. ZAP EN-Nr. 657/2019 Familienrecht Vorsorgebevollmächtigter: Fehlende Beschwerdeberechtigung (BGH, Beschl. v. 21.8.2019 – XII ZB 156/19) • Der Vorsorgebevollmächtigte ist nicht berechtigt, im eigenen Namen gegen einen die Einrichtung einer Betreuung ablehnenden Beschluss Beschwerde einzulegen. Hinweis: Dem Sohn der 95-jährigen, an einer fortschreitenden Demenz leidenden Betroffenen war eine Vorsorgevollmacht erteilt worden. ZAP EN-Nr. 658/2019 Nachlass/Erbrecht Testamentserrichtung während der NS-Zeit: Jüdischer Erblasser (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.9.2019 – 11 W 114/17 (Wx)) • Bei der Auslegung eines durch einen jüdischen Erblasser in der Zeit des Nationalsozialismus errichteten Testaments kann die nicht vorhergesehene Änderung der Rechtslage durch den Wegfall diskriminierender gesetzlicher Regelungen nach Ende des Zweiten Weltkriegs eine für eine ergänzende Testamentsauslegung hinreichende Lücke darstellen. Hinweis: In diesem Fall änderte der Erblasser sein Testament, weil der zunächst eingesetzte Erbe nach seiner Emigration in die USA nicht in den Genuss der Erbschaft kommen konnte. ZAP EN-Nr. 659/2019 ZAP Nr. 22 20.11.2019 1165

Fach 1, Seite 168 Eilnachrichten <strong>2019</strong><br />

Rückzahlung überzahlter Betriebskosten: Angabe des Umlageschlüssels<br />

(OLG Dresden, Beschl. v. 9.8.<strong>2019</strong> – 5 U 936/19) • Eine Betriebskostenabrechnung ist formell ordnungsgemäß,<br />

wenn sie den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entspricht. Mindestens sind in<br />

diese eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung der zugrunde gelegten<br />

Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Mieters und der Abzug seiner Vorauszahlungen aufzunehmen.<br />

Die Abgrenzung zwischen formeller Wirksamkeit einer Betriebskostenabrechnung einerseits<br />

und deren inhaltlicher Richtigkeit andererseits richtet sich danach, ob der Mieter in der Lage ist, die Art<br />

des Verteilungsschlüssels der einzelnen Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden<br />

Anteil an den Gesamtkosten rechnerisch nachzuprüfen. Gibt eine Betriebskostenabrechnung nicht den<br />

Umlageschlüssel an, genügt sie – im gewerblichen Mietrecht – nicht den dargestellten Mindestanforderungen<br />

und ist deshalb formell unwirksam. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Umlagevereinbarung<br />

im Mietvertrag einen Umlageschlüssel nicht bestimmt. Hinweis: Auch wenn in dem Beschluss<br />

auf das gewerbliche Mietrecht verwiesen wird, dürfte für das Wohnraummietrecht nichts<br />

anderes gelten. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 651/<strong>2019</strong><br />

Mietsicherheit: Keine Befugnis einer vermieterseitigen Verwertung<br />

(LG Berlin, Beschl. v. 1.10.<strong>2019</strong> – 67 T 107/19) • Wird der Mieter nicht im Rahmen einer Individualvereinbarung,<br />

sondern durch eine vom Vermieter gestellte Formularklausel zur Erbringung einer „Mietsicherheit“<br />

verpflichtet, ohne dass die Klausel die Befugnis einer vermieterseitigen Verwertung während<br />

oder nach Beendigung des Mietverhältnisses näher regelt, ist der Kaution in Anwendung der Unklarheitenregel<br />

des § 305c Abs. 2 BGB lediglich eine auf den Wortlaut der Sicherungsabrede beschränkte<br />

Funktion einer bloßen Sicherung des Vermieters vor einer möglichen Insolvenz des Mieters beizumessen,<br />

die ihm auch nach Beendigung des Mietverhältnisses ausschließlich für unstreitige oder rechtskräftig<br />

festgestellte Ansprüche das Recht zur Verwertung eröffnet. Hinweis: Abgrenzung zu BGH, Urt. v.<br />

24.7.<strong>2019</strong> – VIII ZR 141/17, WuM <strong>2019</strong>, 542 = <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 482/<strong>2019</strong> (LS). Bei der Mietvertragsgestaltung<br />

sollte die Verwertungsmöglichkeit eingehend ausformuliert werden, um die in diesem Beschluss ausgesprochene<br />

Beschränkung zu vermeiden. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 652/<strong>2019</strong><br />

Immobiliarsachenrecht/WEG-Recht<br />

Vertretung in einer Eigentümerversammlung: Juristische Person<br />

(BGH, Urt. v. 28.6.<strong>2019</strong> – V ZR 250/18) • Eine Bestimmung in der Teilungserklärung, nach der Wohnungseigentümer<br />

sich in der Eigentümerversammlung nur durch den Ehegatten, einen Wohnungseigentümer<br />

oder den Verwalter vertreten lassen können, ist regelmäßig dahin ergänzend auszulegen, dass<br />

sie auch für juristische Personen gilt und dass diese sich nicht nur durch ihre organschaftlichen Vertreter,<br />

sondern auch durch einen ihrer Mitarbeiter vertreten lassen können. Eine solche Vertretungsklausel ist<br />

ferner regelmäßig ergänzend dahin auszulegen, dass sich eine juristische Person in der Eigentümerversammlung<br />

jedenfalls auch von einem Mitarbeiter einer zu demselben Konzern gehörenden (weiteren)<br />

Tochtergesellschaft vertreten lassen darf, wenn diese für die Verwaltung der Sondereigentumseinheiten<br />

zuständig ist. Hinweis: Gerade bei zerstrittenen Wohnungseigentümergemeinschaften ist die Frage der<br />

Vertretungsbefugnis häufig ein Thema. Die BGH-Entscheidung bringt nunmehr Klarheit in Bezug auf die<br />

Vertretung durch juristische Personen. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 653/<strong>2019</strong><br />

Nichtrückgabe von überlassenen Schlüsseln: Schadenersatzanspruch<br />

(OLG Dresden, Urt. v. 20.8.<strong>2019</strong> – 4 U 665/19) • Beim Schlüsselverlust einer Wohnungsanlage kann der<br />

Geschädigte sowohl Kosten für den Austausch der Schlüsselanlage als auch für provisorische Sicherungsmaßnahmen<br />

verlangen, sofern die konkrete Gefahr eines Missbrauchs des verlorenen Schlüssels<br />

durch Dritte besteht. Hinweis: Schließanlagen unterliegen einer mechanischen Abnutzung und deshalb<br />

ist stets ein Abzug „Neu für Alt“ bei den Anschaffungskosten vorzunehmen; dieser kann gem. § 287 ZPO<br />

geschätzt werden. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 654/<strong>2019</strong><br />

1164 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 20.11.<strong>2019</strong>

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