NATUR-SAISON Von Sägern, Läufern UND SCHRECKEN Im Herbst kommen viele gefiederte Gäste aus dem hohen Norden. Zuvor tauchten unerwartete Besucher aus dem Süden auf. Von Dieter Schneider 08
NATUR-SAISON Nun ist, zumindest aus meteorologischer Sichtweise, der Herbst schon fast verstrichen und die dunklen, kurzen Wintertage stehen uns wieder ins Haus. Der Kleinvogelzug ist weitgehend abgeschlossen, und die nordischen Wildgänse bevölkern wieder ihre angestammten Überwinterungsgebiete, etwa am Wattenmeer und am Niederrhein. Viele Tiere verändern in diesen Tagen ihr Aussehen. Das Hermelin etwa tauscht jetzt sein braunes Sommerfell gegen sein strahlend weißes Winterkleid aus, und bei unseren Enten sind die Erpel nach langen Wochen der Mauser im frischen Prachtkleid zu bewundern. Nutzen Sie sonnige Wintertage, um den Anblick der frisch gemauserten Erpel zu genießen: Denn es sind verschiedene Entenarten den ganzen Winter über bei uns anzutreffen. HEIMAT DER SÄGER An geeigneten Gewässern kann man oft eine bunte Palette beobachten – von der kleinen Krickente über die mittelgroßen Tafel- oder Reiherenten bis hin zu den großen Stock- Löffel- oder Schnatterenten, um nur einige der häufigsten zu nennen. Besonderes Augenmerk möchte ich auf eine ganz spezielle Entengruppe lenken, die man in den meisten Gegenden fast nur zur Winterzeit sehen kann: die Säger. Diese heißen so, weil die Kanten ihrer schlanken und vorne gekrümmten Schnäbel sägeblattartig gezähnt sind. Das Merkmal wird als Anpassung an den Fischfang interpretiert, denn ein erbeuteter Fisch lässt sich mit einem gesägten Schnabel besser festhalten als mit einem glatten. Eine weitere Besonderheit der Säger ist es, dass sie ihre Brut in Höhlen aufziehen – ein Merkmal, das sie mit der nahe verwandten Schellente teilen. Während der Brutsaison findet man im Binnenland fast ausschließlich den Gänsesäger (Mergus merganser), der im Frühling besonders an den Flüssen und Seen des Voralpengebietes seine Brutreviere besetzt, sporadisch aber auch anderswo Brutversuche unternimmt. In den kommenden Wintermonaten wird man der Art wieder an vielen Flussufern und Seen in ganz Deutschland begegnen können, wo Scharen von aus dem Norden zugewanderten Vögeln überwintern, sofern die Gewässer eisfrei bleiben. Der etwas grazilere Mittelsäger (Mergus serrator) ist dagegen als typischer Meeresvogel fast ausschließlich an unseren Küsten zu finden. Das wichtigste europäische Überwinterungsgebiet des nordeuropäischen Brutbestands ist die Wattenmeerküste, wo sich zwischen Holland und Dänemark alljährlich bis zu 10.000 Vögel versammeln, aber auch an der Ostsee kann man dem Mittelsäger in der kalten Jahreszeit regelmäßig begegnen. Ins Binnenland fliegt er nur sehr vereinzelt ein. Ganz im Gegensatz dazu liegen einige der wichtigsten Überwinterungsgebiete des kleinen Zwergsägers (Mergellus albellus) im Binnenland, wobei auf Deutschland bezogen die Region des Niederrheins von besonderer Bedeutung ist. Dort kann man, etwa im Naturschutzgebiet »Bislicher Insel«, die hübschen Vögel ab Mitte Dezember mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit antreffen. Die Brutgebiete des Zwergsägers liegen im hohen Norden Eurasiens, doch haben erstaunlicherweise in den vergangenen Jahren mehrfach erfolgreiche Bruten eines Zwergsägerpaares an den Krickenberger Seen (Kreis Viersen am Niederrhein) stattgefunden. Es darf zwar als wahrscheinlich gelten, dass es sich bei den Elterntieren um Gefangenschaftsflüchtlinge mit gestörtem Zugverhalten handelte, doch wird es interessant sein, zu beobachten, wie sich die Situation dort weiterentwickelt. GAST AUS AFRIKA Von den bald zu erwartenden Gästen aus dem hohen Norden möchte ich zu einem sehr weit aus dem Süden zu uns gekommenen Gast überleiten und damit den Rückblick auf den vergangenen Spätsommer und Frühherbst beginnen: Kürzlich zeigte mir ein Freund ein bemerkenswertes Foto, das er Anfang September im Naturschutzgebiet Urdenbacher Kämpe im Süden von Düsseldorf aufgenommen hatte. Es zeigte eine Großlibelle im Flug, die eindeutig als weibliche Schabracken-Königslibelle (Anax ephippiger) zu erkennen war. Die in unseren Breiten nur äußerst selten zu beobachtende Art lebt eigentlich in Afrika, wo sie den gesamten Kontinent südlich der Sahara besiedelt und allgemein häufig ist. Sie ist für ihre Wanderfreudigkeit bekannt. Regelmäßig fliegt sie aus ihren Ursprungsgebieten in den Mittelmeerraum ein, und auch auf den Kanarischen Inseln wird sie häufig beobachtet. Einflüge bis nach Mitteleuropa werden jedoch nur selten registriert. Nun habe ich den aktuellen Nachweis aus dem Rheinland zum Anlass genommen, auf <strong>naturgucker</strong>.de einmal nachzuschauen, welche weiteren Beobachtungen der Art aus unseren Breiten dort eingetragen wurden. Eine auf das zentrale Europa nördlich der Alpen gefilterte Liste erwies sich als recht überschaubar, denn sie verzeichnete insgesamt lediglich acht Einträge. Davon stammten bemerkenswerterweise allein sechs Beobachtungen aus dem Jahr 2019, außerdem gab es je eine Beobachtung aus dem Jahr 2013 und eine aus dem Jahr 2015. Fast alle Beobachtungen stammten aus dem Spätsommer und betrafen explizit frische Tiere, die mit hoher Wahrscheinlichkeit hier bei uns geschlüpft sind. Die Daten lassen darauf schließen, dass im vergangenen Frühjahr ein ungewöhnlich starker Einflug stattgefunden haben muss und sich die Tiere dann bei uns an vielen Stellen erfolgreich fortgepflanzt haben. Möglich ist das, weil die Schabracken-Königslibelle eine für Großlibellen ganz ungewöhnlich kurze Entwicklungszeit hat, denn ihre Larven sind bereits wenige 01 Seltener Gast: Ein Terekwasserläufer wurde bei Dangast gesichtet. / Ralph Martin, Agami 02 Die Blauflügelige Sandschrecke verirrt sich manchmal in Gebiete, wo man sie nicht vermutet. / Gaby Schulemann-Maier 03 Die Brutgebiete des Zwergsägers liegen weit oben im Norden Eurasiens. / Fred Visscher, Agami 04 Zwergsäger überwintern auch am Niederrhein. / Aurélien Audevard, Agami 09