05.11.2019 Aufrufe

Klara & Karlchen ohne Mama

Sigrid Deppe / Verena Klassen Klara & Karlchen ohne Mama

Sigrid Deppe / Verena Klassen
Klara & Karlchen ohne Mama

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Es war ein wunderschöner Tag im Frühling.<br />

Während draußen die Nachmittagssonne schien und die<br />

Vögel sangen, begann sich tief unter der Erde etwas zu regen.<br />

<strong>Karlchen</strong> und <strong>Klara</strong>, zwei winzig kleine Kaninchen, öffneten<br />

ihre Augen vom Nachmittagsschlaf.<br />

<strong>Klara</strong>, die immer zuerst redete, stupste ihren Bruder an.<br />

„Hey <strong>Karlchen</strong>, weißt du, wo <strong>Mama</strong> ist? Ich habe einen Riesenhunger.<br />

Ich könnte glatt drei Kohlköpfe auf einmal essen.<br />

<strong>Karlchen</strong> murmelte etwas verschlafen:<br />

„Mir knurrt auch schon richtig der Magen. Bestimmt kommt <strong>Mama</strong><br />

gleich.“ Mit diesen Worten legte er sich auf seine<br />

Vorderpfoten und begann wieder zu schnarchen.<br />

<strong>Klara</strong> war ein wenig ärgerlich auf <strong>Karlchen</strong>.<br />

Immer wollte ihr Bruder schlafen.<br />

Dabei gab es doch so viele Abenteuer zu erleben.


„Hey du alte Schnarchnase, jetzt wach doch mal richtig auf!“,<br />

sagte <strong>Klara</strong> ärgerlich und stupste ihren Bruder erneut<br />

mit der Nase in die Seite.<br />

„Los, komm schon, wir suchen uns selbst was zu essen!“<br />

Immer noch verschlafen murmelte <strong>Karlchen</strong>:<br />

„Wir dürfen doch nicht <strong>ohne</strong> <strong>Mama</strong> aus dem Bau gehen.<br />

Du weißt doch, wie ängstlich sie ist und befürchtet, dass uns<br />

der Fuchs fangen könnte.“<br />

Schon oft hatte <strong>Mama</strong> ihnen von dem gefährlichen Fuchs<br />

erzählt, der im Wald hinter ihrem Feld lebte.<br />

Groß und rot sei er und habe sehr scharfe Zähne.<br />

<strong>Karlchen</strong> hatte sich vor lauter Angst jedes Mal ganz dicht<br />

an seine <strong>Mama</strong> gekuschelt.<br />

<strong>Klara</strong> hatte nicht so viel Angst. Sie hatte den Fuchs noch nie<br />

gesehen und glaubte auch nicht so recht daran, dass es ihn<br />

wirklich gab.<br />

„Jetzt stell dich nicht so an. Wenn wir uns beeilen,<br />

merkt <strong>Mama</strong> bestimmt gar nicht, dass wir weg waren“,<br />

sagte sie zu ihrem Bruder.


<strong>Karlchen</strong> war nicht wirklich überzeugt, doch als <strong>Klara</strong> noch<br />

weiter drängelte, gab er schließlich nach und folgte seiner Schwester<br />

durch die verzweigten unterirdischen Gänge<br />

bis ans Tageslicht.<br />

Die helle Nachmittagssonne ließ sie ein bisschen blinzeln,<br />

aber dann gab es kein Halten mehr.<br />

Fröhlich sprangen sie hierhin und dorthin und tanzten auf<br />

dem riesigen Feld aufgeregt hin und her. Sie hörten die<br />

Vögel zwitschern und sahen kleine weiße Wolken am Himmel<br />

vorbeiziehen.<br />

Beinahe hätten sie vor lauter Freude über diesen schönen Tag<br />

völlig vergessen, dass sie auf der Suche nach etwas<br />

Essbarem waren.


Doch da knurrte <strong>Klara</strong>s Magen.<br />

„Jetzt komm endlich, wir laufen schnell rüber zum Bauernhof<br />

und gucken, ob wir etwas Heu finden. Vielleicht gibt es auch schon<br />

leckere Tulpen- oder Krokusspitzen zu essen.“<br />

Der Bauernhof lag ein gutes Stück vom Kaninchenbau entfernt.<br />

Einmal waren <strong>Klara</strong> und <strong>Karlchen</strong> mit ihrer Mutter dort<br />

gewesen, aber das war schon eine Weile her.<br />

Als <strong>Karlchen</strong> an den Bauernhof dachte, wurde ihm<br />

ganz ängstlich zumute.<br />

„Da müssen wir uns aber vor der Bäuerin<br />

in Acht nehmen. Du weißt, als wir das<br />

letzte Mal mit <strong>Mama</strong> dort waren, hat die<br />

Bäuerin fürchterlich geschimpft und etwas<br />

von Kaninchenbraten gerufen.<br />

Am Ende steckt sie uns noch<br />

in ihren Ofen.“


<strong>Klara</strong> war jetzt richtig sauer auf ihren Bruder.<br />

Immer hatte er etwas zu meckern und immer hatte er Angst<br />

vor allem. Das konnte ganz schön nerven.<br />

„Ach was, musst du immer Angst vor allem haben?<br />

Jetzt komm endlich, bevor die Sonne untergeht<br />

und <strong>Mama</strong> zurückkommt.“


Gemeinsam machten sie sich schließlich<br />

auf den Weg. Sie hoppelten über das große von der<br />

Sonne überflutete Feld, bis sie an den Waldrand kamen.<br />

Hier machte <strong>Klara</strong>, die etwas voraus gehoppelt war, halt.<br />

„Wir müssen einmal quer durch diesen Wald. Auf der anderen Seite<br />

liegt dann der Bauernhof“, meinte sie.<br />

Obwohl <strong>Karlchen</strong>s Bauch immer lauter zu knurren begann,<br />

wollte er seiner Schwester auf keinen Fall in den Wald folgen.<br />

„Oh nein, da traue ich mich nie rein. Bestimmt findet der Fuchs uns<br />

und dann nimmt er uns mit! Wahrscheinlich hat er gerade<br />

genauso viel Hunger wie wir.“<br />

Furchtsam blickte er nach allen Seiten, ob vielleicht irgendwo die<br />

rote Schwanzspitze des Fuchses zu sehen war. Doch so sehr er<br />

auch spähte, nirgendwo war etwas Gefährliches zu sehen.


„Du bist wirklich der größte Angsthase,<br />

den ich kenne“, brummte <strong>Klara</strong>.<br />

„Der Fuchs ist bestimmt gar nicht<br />

zu Hause und außerdem sind wir einfach<br />

so leise, dass er uns überhaupt nicht<br />

hören kann.“<br />

Ohne ein weiteres Wort machte sie sich<br />

auf den Weg. <strong>Karlchen</strong> blieb nichts<br />

anderes übrig, als ihr so leise<br />

wie möglich zu folgen.


Je weiter sie in den Wald<br />

kamen, umso dunkler wurde es<br />

um sie her. Die Bäume standen<br />

immer dichter und dichter.<br />

Die Sonne ging allmählich unter<br />

und <strong>Klara</strong> lief mal in diese und<br />

mal in jene Richtung.<br />

<strong>Karlchen</strong>s Herz begann immer<br />

heftiger zu schlagen. Er spürte,<br />

<strong>Klara</strong> hatte sich verlaufen.<br />

Jeder Ast, auf den sie traten,<br />

gab ein Geräusch von sich.<br />

Er konnte vor lauter Angst gar nicht<br />

mehr auf den Weg vor sich achten.<br />

Wie leicht könnte der Fuchs sie jetzt<br />

finden!<br />

„<strong>Klara</strong>, weißt du eigentlich noch den<br />

Weg? Wie weit ist es denn noch bis<br />

zum Bauernhof?“<br />

<strong>Karlchen</strong> war ganz aufgeregt.<br />

Ganz plötzlich blieb <strong>Klara</strong> stehen.<br />

Sie schnupperte nach allen Seiten:<br />

„Ich bin mir nicht ganz sicher.<br />

Ich glaube, hier müssen wir nach links<br />

und dann geradeaus und dann müssten wir<br />

schon da sein.“


Ohne weiter auf <strong>Karlchen</strong>s ängstliches<br />

Schnaufen zu hören, sprang sie davon.<br />

<strong>Karlchen</strong> beeilte sich, hinter ihr<br />

her zu laufen. Er hatte plötzlich Angst,<br />

auch noch <strong>Klara</strong> zu verlieren.<br />

Dann wäre er ganz alleine in dem<br />

unheimlichen Wald.<br />

Aber tatsächlich: Nach ein paar Wegbiegungen<br />

tauchte der Bauernhof vor ihnen auf.<br />

Es war noch nicht vollständig dunkel und im<br />

Dämmerlicht waren der Garten und der Stall gut zu erkennen.<br />

„Wenn uns nun die Bäuerin sieht“, jammerte <strong>Karlchen</strong>,<br />

„dann holt sie bestimmte den Bauern mit der Schrotflinte<br />

und dann sehen wir <strong>Mama</strong> nie wieder.“<br />

<strong>Klara</strong> wollte von dem Gejammere nichts hören.<br />

„Siehst du nicht, dass im Haus alles dunkel ist?<br />

Es ist bestimmt niemand zu Hause.<br />

Wir haben Glück!“


Doch plötzlich hörten sie ein Rascheln hinter sich im Gebüsch.<br />

<strong>Klara</strong> und <strong>Karlchen</strong> erstarrten.<br />

Selbst <strong>Klara</strong> rutschte das Herz in die Hose.<br />

War das schon der Bauer mit der Flinte?<br />

Gerade wollten sie ein paar Haken schlagen und sich<br />

in Sicherheit bringen, da hörten sie eine bekannte Stimme.


„Was um alles in der Welt macht ihr denn hier?“<br />

<strong>Karlchen</strong> und <strong>Klara</strong> stoppten. Diese Stimme kannten sie sehr gut!<br />

Erleichtert sprangen sie auf ihre <strong>Mama</strong> zu.<br />

<strong>Karlchen</strong>s Stimme überschlug sich fast:<br />

„Wir hatten so einen Hunger und dann sind wir einfach los<br />

gelaufen, um uns etwas zu Essen zu besorgen. Beinahe hätten wir uns<br />

verlaufen und ich hatte solche Angst vor dem Fuchs!<br />

Jetzt bin ich so froh, dass du uns gesucht und gefunden hast.“<br />

<strong>Mama</strong> sah ihre Kinder etwas traurig an und sagte leise:<br />

„Wisst ihr denn nicht, dass ich jeden Tag den leckersten<br />

Löwenzahn und die besten wilden Möhren für euch besorge<br />

und dass ich euch verboten hatte, alleine so weit vom<br />

Kaninchenbau weg zu hoppeln?“<br />

<strong>Klara</strong> und <strong>Karlchen</strong> nickten etwas verlegen.<br />

Natürlich hatten sie das gewusst.<br />

„Gut, dass ich euch gerade noch rechtzeitig gefunden habe.<br />

Der Bauernhof ist viel zu gefährlich.“


In diesem Moment bemerkten sie, dass sich die Stalltür<br />

öffnete. Der Bauer trat heraus und schaute sich suchend<br />

im dunklen Garten um.<br />

In seinen Händen hielt er eine große Flinte.<br />

<strong>Mama</strong> rief erschrocken:<br />

„Schnell, er darf uns nicht erwischen!“, und schon<br />

sprangen <strong>Mama</strong>, <strong>Karlchen</strong> und <strong>Klara</strong> davon.<br />

Der Rückweg zum Kaninchenbau ging viel schneller<br />

als der Hinweg, denn <strong>Mama</strong> wusste den Weg<br />

und führte ihre Kinder sicher nach Hause.


Als sie zu Hause angekommen waren, konnten sie sich erst<br />

einmal satt essen. Der Kaninchenbau erschien <strong>Karlchen</strong> und <strong>Klara</strong><br />

richtig gemütlich und kuschelig. Hier waren sie in Sicherheit.<br />

Und <strong>Mama</strong>? Sie sagte nichts mehr zu ihren Kindern über den<br />

Ausflug, doch <strong>Karlchen</strong> und <strong>Klara</strong> merkten, dass sie traurig war. Eine<br />

Weile sagte niemand etwas. Selbst die vorlaute <strong>Klara</strong><br />

wurde ganz still.<br />

Wie konnten sie das nur wieder in Ordnung bringen?<br />

Diesmal war es <strong>Karlchen</strong>, der zuerst eine Idee hatte. Ganz<br />

leise erzählte er <strong>Klara</strong> davon.<br />

Die nickte nur und dann schlichen sie sich<br />

zu ihrer <strong>Mama</strong> und flüsterten:<br />

„Danke, <strong>Mama</strong>, dass du uns gesucht hast,<br />

obwohl wir nicht auf dich gehört haben.“<br />

<strong>Mama</strong> sah ihre Kinder liebevoll an,<br />

drückte sie ganz fest an sich<br />

und sagte nur:<br />

„Das tun <strong>Mama</strong>s nun mal.“


Die Geschichte von <strong>Klara</strong> und <strong>Karlchen</strong><br />

erinnert an ein Gleichnis, das der Herr Jesus<br />

in der Bibel erzählt:<br />

Da erzählte ihnen Jesus folgendes Gleichnis:<br />

»Angenommen, einer von euch hat hundert<br />

Schafe, und eins davon geht ihm verloren.<br />

Lässt er da nicht die neunundneunzig in der<br />

Steppe zurück und geht dem verlorenen nach,<br />

bis er es findet?<br />

Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es<br />

voller Freude auf seine Schultern und trägt es<br />

nach Hause.<br />

Dann ruft er seine Freunde und Nachbarn<br />

zusammen und sagt zu ihnen:<br />

›Freut euch mit mir! Ich habe das Schaf<br />

wiedergefunden, das mir verloren<br />

gegangen war.‹<br />

Ich sage euch: Genauso wird im Himmel<br />

mehr Freude sein über einen einzigen Sünder,<br />

der umkehrt, als über neunundneunzig<br />

Gerechte, die es nicht nötig haben<br />

umzukehren.«<br />

Lukas 15,4-7


So ist es<br />

nicht der Wille eures<br />

Vaters im Himmel,<br />

dass eines dieser Kleinen<br />

verloren geht.<br />

Matthäus 18, 14<br />

Impressum<br />

1. Auflage 2019<br />

© Sigrid Deppe (Text)<br />

und Verena Klassen (Illustrationen und Gestaltung)<br />

Herausgeber: Betanien Verlag<br />

Imkerweg 38 • 32832 Augustdorf<br />

betanien.de • info@betanien.de<br />

Shop: cbuch.de<br />

Druck: drusala.cz, auf 150g Artic Volume Ivory Papier<br />

ISBN 978-3-945716-52-6

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!