ZAP-2019-21
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Anwaltsmagazin<br />
<strong>ZAP</strong><br />
Anwaltsmagazin<br />
Scharfe Kritik an Novelle zum<br />
Strafverfahrensrecht<br />
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat in seiner<br />
offiziellen Stellungnahme zum – inzwischen auch<br />
vom Bundeskabinett beschlossenen – Gesetzentwurf<br />
zur Modernisierung des Strafverfahrens (vgl.<br />
dazu zuletzt <strong>ZAP</strong>-Anwaltsmagazin 18/<strong>2019</strong>, S. 940)<br />
kaum ein gutes Haar an dem Vorhaben gelassen.<br />
Erst vor gerade einmal zwei Jahren sei, so der<br />
Verein, das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren<br />
Ausgestaltung des Strafverfahrens in<br />
Kraft getreten. Statt erst einmal zu untersuchen,<br />
ob dieses Gesetz seinen Zweck erfülle, werde jetzt<br />
stattdessen erneut versucht, die Beschuldigtenund<br />
Verteidigerrechte weiter zu verkürzen.<br />
Der jetzt vorliegende Entwurf zeuge von einem<br />
„reaktionären Prozessverständnis“. Die noch offenen<br />
Empfehlungen der Expertenkommission (z.B. zur<br />
überfälligen Schaffung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage<br />
für den Einsatz von V-Personen)<br />
ignoriere er und greife stattdessen Ideen des<br />
2. Strafkammertags auf, die einseitig auf eine Beschneidung<br />
von Verteidigungsrechten ausgerichtet<br />
seien und nicht die Balance der Kräfte im<br />
Strafverfahren im Auge hätten. Folgende vorgesehenen<br />
Regelungen lehnt der DAV kategorisch ab<br />
oder verlangt zumindest Änderungen:<br />
• Die geplanten Eingriffe in das Befangenheitsrecht<br />
und das Beweisantragsrecht hätten<br />
keinen Mehrwert für die Praxis und schafften<br />
eher zusätzlichen Konfliktstoff für die Hauptverhandlung.<br />
• Die Einführung eines isolierten Beschwerdeverfahrens<br />
im (praktisch bedeutungslosen)<br />
Recht der Besetzungsrüge sei im Grundsatz<br />
akzeptabel, bedürfe aber einiger Änderungen<br />
im Verfahrensablauf.<br />
• Die geplante Ausweitung der Unterbrechungsdauer<br />
durch neue Hemmungsfristen und neue<br />
Hemmungstatbestände greife unverhältnismäßig<br />
in die Konzentrationsmaxime ein und sei abzulehnen.<br />
• Eine Erweiterung der DNA-Analysemethoden<br />
komme nur für die Altersbestimmung in Betracht,<br />
nicht aber für sonstige Merkmale wie<br />
Haut-, Haar- und Augenfarbe.<br />
• Für eine Ausweitung von Bild-Ton-Aufzeichnungen<br />
von Zeugenvernehmungen im Ermittlungsverfahren<br />
und deren Transfer in die<br />
Hauptverhandlung bestehe kein Anlass.<br />
• Unverhältnismäßig sei die Aufnahme des Wohnungseinbruchsdiebstahls<br />
in den Katalog des<br />
§ 100a Abs. 2 StPO.<br />
• Das Verbot der Gesichtsverhüllung sei überflüssig.<br />
• Der vorgesehenen Bündelung der Nebenklage<br />
könne nur zugestimmt werden, wenn sie auf<br />
Ausnahmefälle beschränkt werde und wenn<br />
möglichen Interessenkonflikten hinreichend<br />
Rechnung getragen werde.<br />
Alles in allem, so der DAV, gehe es bei der geplanten<br />
Neuregelung nicht um „Modernisierung“,<br />
wie der Titel suggeriere. Der Verein fordert<br />
deshalb den Gesetzgeber zu einer wirklichen<br />
Modernisierung des Strafverfahrens auf, die<br />
diesen Namen verdiene, die das Strafverfahren<br />
von seinen – in der Rolle des Vorsitzenden<br />
kulminierenden – „autoritären Strukturen befreie“<br />
und mehr Kommunikation und Transparenz<br />
zwischen den Verfahrensbeteiligten ermögliche.<br />
Auch solle er sich auf empirischer Basis auf<br />
verlässliche Rechtstatsachen stützen und sich<br />
nicht von einem „gefühlten Klima der Prozesssabotage“<br />
leiten lassen.<br />
[Quelle: DAV]<br />
1092 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>21</strong> 7.11.<strong>2019</strong>