ZAP-2019-21
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Straßenverkehrsrecht Fach 9 R, Seite 535<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Eine Aufhebung der Sperrfrist nach § 69a Abs. 7 StGB kommt nur in Betracht, wenn hinreichende<br />
Gründe vorliegen, dass der Verurteilte nicht länger als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet<br />
anzusehen ist. Erforderlich ist, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Verurteilte<br />
sich im Straßenverkehr nicht mehr als gefährlich erweist (AG Rheinberg BA 55, 445 = VRR 5/<strong>2019</strong>, 19<br />
[BURHOFF]). Dies ist dann der Fall, wenn der Betroffene an einer verkehrspsychologischen Therapie<br />
teilgenommen hat, so dass aufgrund dieser neuen Tatsachen davon ausgegangen werden kann, dass<br />
der Betroffene entgegen der Prognose des erkennenden Gerichts das für einen Kraftfahrer unerlässliche<br />
Verantwortungsbewusstsein nunmehr wieder besitzt (LG Görlitz BA 55, 309 = NZV <strong>2019</strong>, 268 [RINIO]).<br />
5. Strafrechtliches Fahrverbot (§ 44 StGB)<br />
Die seit 24.8.2017 geltende Neuregelung des strafrechtlichen Fahrverbots, das nunmehr auch bei<br />
allgemeiner Kriminalität und bis zu sechs Monate angeordnet werden kann, hat mehrfach die Gerichte<br />
beschäftigt. Als erstes Obergericht hat sich das OLG Düsseldorf (BA 56, 202 = VRR 7/<strong>2019</strong>, 18 = StRR 5/<br />
<strong>2019</strong>, 22 [jew. DEUTSCHER]) zur Neufassung geäußert: Die Neufassung des § 44 Abs. 1 StGB, wonach ein<br />
Fahrverbot auch bei nicht verkehrsbezogenen Straftaten angeordnet werden kann, ist ein milderes<br />
Gesetz i.S.d. § 2 Abs. 3 StGB, soweit durch die Anordnung eines Fahrverbots die Verhängung einer<br />
Freiheitsstrafe oder deren Vollstreckung vermieden werden kann. Die Frage der Anordnung eines<br />
Fahrverbots bedarf in dem Urteil dann der Erörterung, wenn die Umstände des Falls eine solche<br />
Rechtsfolge nahelegen. Dies ist bei einem zur Anwendung körperlicher Gewalt neigenden Straftäter, der<br />
bereits mehrfach einschlägig vorbestraft ist, nicht der Fall. Eine Fahrverbotsanordnung kann nach<br />
allgemeiner Kriminalität (hier: BtM-Delikte) dazu genutzt werden, ein nicht mehr bewährungsfähiges<br />
Strafmaß knapp über zwei Jahren Freiheitsstrafe zu vermeiden (so AG Dortmund VRR 9/<strong>2019</strong>, 18 =<br />
StRR 8/<strong>2019</strong>, 27 [jew. BURHOFF]). Zum Verhältnis zur kurzen Freiheitsstrafe meint das OLG Stuttgart<br />
(VRR 7/<strong>2019</strong>,16 = StRR 8/<strong>2019</strong>, 24 [jew. DEUTSCHER]): Die Frage der Anordnung eines Fahrverbots nach<br />
§ 44 Abs. 1 StGB bedarf bei der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen nach § 47 Abs. 1 StGB jedenfalls<br />
dann der Erörterung, wenn die Umstände des Falls die Anordnung eines Fahrverbots aufgrund einer<br />
Fallkonstellation nach § 44 Abs. 1 S. 2 StGB nahelegen, weil die zu behandelnde Straftat der mittleren<br />
Kriminalität zuzuordnen ist, der Angeklagte über eine Fahrerlaubnis verfügt und die Kombination<br />
einer Geldstrafe mit der Anordnung eines Fahrverbots die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe<br />
entbehrlich macht.<br />
6. Urkundenfälschung (§ 267 StGB)<br />
Das Überkleben des Europakennzeichens eines amtlichen Kfz-Kennzeichens mit einem Preußenadler<br />
erfüllt weder den Tatbestand der Urkundenfälschung noch denjenigen des Kennzeichenmissbrauchs,<br />
sofern der Täter keine Täuschung bezweckt, sondern lediglich seine Missbilligung über die Europäische<br />
Union zum Ausdruck bringen will. Allerdings liegt eine Ordnungswidrigkeit gem. §§ 48 Nr. 1 lit. b, 10<br />
Abs. 2 S. 1 FZV i.V.m. Nr. 3 Anlage 4 FZV vor (OLG München DAR <strong>2019</strong>, 401). Die Eigenschaft von an<br />
Fahrzeugen angebrachten Kennzeichen als zusammengesetzte Urkunde i.S.d. § 267 StGB, zumal bei<br />
ausländischen Kennzeichen, versteht sich nicht von selbst, vielmehr bedarf es näherer Feststellungen<br />
hierzu im Urteil (BGH NStZ-RR <strong>2019</strong>, 125).<br />
Hinweise:<br />
Die aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung in Verkehrsstrafsachen und Bußgeldsachen stellt KÖNIG<br />
DAR <strong>2019</strong>, 362 vor. Strafrechtliche Fragen des automatisierten Fahrens behandelt STAUB NZV <strong>2019</strong>, 392.<br />
Zur Rechtsfigur des hypothetischen Ersatzzugriffs bei einer Durchsuchungsmaßnahme OLG Zweibrücken<br />
NStZ <strong>2019</strong>, 301. Die Vollstreckung der in einem anderen EU-Mitgliedstaat wegen eines dort begangenen<br />
Verkehrsverstoßes gegen eine juristische Person als Fahrzeughalter verhängten Geldbuße<br />
in Deutschland ist nach §§ 86 ff. IRG zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass der Grundsatz der Halterhaftung<br />
in Deutschland nicht anerkannt ist (OLG Celle DAR <strong>2019</strong>, 280 = zfs <strong>2019</strong>, 469; aktuell zur<br />
Anerkennung und Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen in der EU JOHNSON/HÄUSSERMANN DAR<br />
<strong>2019</strong>, 251).<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>21</strong> 7.11.<strong>2019</strong> 1123