04.11.2019 Aufrufe

RA 11/2019 - Entscheidung des Monats

Selbstbedienungskassen werden immer alltäglicher und das OLG Rostock befasst sich vorliegend mit der Strafbarkeit der Zahlung an einer solchen Kasse, wenn das zu der verwendeten EC/Maestro-Karte gehörende Girokonto keine ausreichende Deckung aufweist.

Selbstbedienungskassen werden immer alltäglicher und das OLG Rostock befasst sich vorliegend mit der Strafbarkeit der Zahlung an einer solchen Kasse, wenn das zu der verwendeten EC/Maestro-Karte gehörende Girokonto keine ausreichende Deckung aufweist.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>11</strong>/<strong>2019</strong><br />

ENTSCHEIDUNGDESMONATS<br />

ST<strong>RA</strong>FRECHT<br />

KeinComputerbetruganSB-Kasse


608 Strafrecht <strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2019</strong><br />

Problem: Kein Computerbetrug an SB-Kasse<br />

Einordnung: Strafrecht BT I/Betrug<br />

OLG Rostock, Beschluss vom 06.02.<strong>2019</strong><br />

20 RR 90/18<br />

LEITSÄTZE DER REDAKTION<br />

1. Eine Täuschung i.S.v. § 263 I StGB<br />

setzt die intellektuelle Einwirkung<br />

auf das Vorstellungsbild eines<br />

anderen voraus; folglich ist eine<br />

solche Handlung nur gegenüber<br />

einem Menschen denkbar.<br />

2. Die Bedienung einer SB-Kasse löst<br />

lediglich einen automatisierten<br />

Vorgang aus; da kein Personal<br />

vorhanden ist, welches etwas<br />

bemerken kann, kann auch nicht<br />

über die Ordnungsgemäßheit<br />

<strong>des</strong> Kassier- und Bezahlvorgangs<br />

getäuscht werden.<br />

3. Die Verwendung einer EC/<br />

Maestro-Karte an einer SB-Kasse<br />

stellt auch dann keine taugliche<br />

Tathandlung im Sinne <strong>des</strong> Computerbetrugs,<br />

§ 263a I StGB, dar,<br />

wenn das dazu gehörige Girokonto<br />

nicht gedeckt ist.<br />

EINLEITUNG<br />

Selbstbedienungskassen werden immer alltäglicher und das OLG Rostock<br />

befasst sich vorliegend mit der Strafbarkeit der Zahlung an einer solchen<br />

Kasse, wenn das zu der verwendeten EC/Maestro-Karte gehörende Girokonto<br />

keine ausreichende Deckung aufweist.<br />

SACHVERHALT<br />

Der Angeklagte A erwarb in Rostock am 08.01.2016 bei der IKEA Deutschland<br />

GmbH & Co.KG („IKEA“) Waren im Wert von 56,85 €.<br />

A war schon vor Beginn <strong>des</strong> Bezahlvorgangs an dem im Kassenbereich aufgestellten<br />

Selbstbedienungskassenautomaten („SB-Kassen“) durch Einscannen<br />

der Ware und ihres Kaufpreises mittels Strichcode bekannt, dass<br />

ihm dort von der SB-Kasse sodann im zweiten Schritt zur Bestimmung<br />

der Zahlungsart („Bezahlmenü“) auf einem der dort zu findenden und<br />

vom Kunden auswählbaren Buttons die Bezahlung mittels „EC/Maestro“<br />

angeboten wurde, was – wie A wusste – bei Auswahl dieses Buttons zur<br />

Folge hatte, dass er zunächst vom Automaten immer aufgefordert wurde,<br />

seine EC/Maestro-Card in den dafür am Automaten vorgesehenen Kartenschlitz<br />

einzuschieben. In Fällen, in denen über 100,- € liegende Kaufpreise zu<br />

entrichten gewesen wären, wäre der Kunde allerdings von der SB-Kasse nach<br />

Drücken <strong>des</strong> Buttons „EC/Maestro“ zwecks Begleichung der jeweiligen Kaufpreisforderung<br />

im Bildschirmmenü aufgefordert worden, seine Geheimzahl<br />

(PIN) einzugeben und so eine garantierte Banküberweisung zu veranlassen,<br />

was, wie A wusste, bei fehlender Kontodeckung jeweils zum Scheitern <strong>des</strong><br />

Bezahlvorgangs vor Herausgabe der Ware geführt hätte.<br />

Ohne Wahlmöglichkeit für den Kunden erschien jedoch bei Gesamtkaufpreisen<br />

bis 100,- € auf dem Bildschirm der SB-Kasse der Text <strong>des</strong> nachfolgenden<br />

SEPA-Lastschriftmandats mit der Aufforderung an den Kunden, dieses<br />

zwecks Begleichung der jeweiligen Kaufpreisforderung auf dem dafür<br />

seitlich vorgesehenen „Schreibpad“ zu unterschreiben, sofern er mit dieser<br />

Zahlungsart einverstanden sei:<br />

„SEPA Lastschriftmandat: Ich ermächtige oben genanntes Unternehmen, einmalig<br />

eine Zahlung von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. […]<br />

Zugleich weise ich mein Kreditinstitut an, die auf mein Konto gezogene Lastschrift<br />

einzulösen.“<br />

A scannte die Waren ein, steckte die Bankkarte für sein Girokonto bei<br />

der Ostseesparkasse Rostock (OSPA) ein und unterzeichnete diese Erklärung<br />

auf dem elektronischen Pad der SB-Kasse, obwohl er wusste, dass<br />

sein OSPA-Konto keine ausreichende Deckung aufwies. Nach Betätigung<br />

<strong>des</strong> „OK“-Buttons druckte die SB-Kasse für A zum Nachweis seiner Berechtigung<br />

an der mitgeführten Ware einen Papierbeleg betreffend die erfolgte<br />

Kartenzahlung mit dem jeweiligen Kaufpreis und dem - von einer späteren<br />

Einlösung der Lastschrift unabhängigen - Vermerk: „Zahlung erfolgt.<br />

BITTE BELEG AUFBEWAHREN […]“. Daraufhin verließ A mit den Waren<br />

die IKEA-Filiale.<br />

© Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG


<strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2019</strong><br />

Strafrecht<br />

609<br />

Strafbarkeit <strong>des</strong> A?<br />

[Anm.: § 246 StGB ist nicht zu prüfen.]<br />

PRÜFUNGSSCHEMA: COMPUTERBETRUG, § 263a I StGB<br />

A. Tatbestand<br />

I. Tathandlung<br />

1. Unrichtige Gestaltung <strong>des</strong> Programms, § 263a I 1. Fall StGB<br />

2. Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten,<br />

§ 263a I 2. Fall StGB<br />

3. Unbefugte Verwendung von Daten, § 263a I 3. Fall StGB<br />

4. Sonstige unbefugte Einwirkung auf den Ablauf,<br />

§ 263a I 4. Fall StGB<br />

II. Beeinflussung <strong>des</strong> Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs<br />

III. Vermögensschaden<br />

IV. Kausalität I. – II. und II. – III.<br />

V. Vorsatz bzgl. I. bis IV.<br />

VI. Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung<br />

B. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

LÖSUNG<br />

A. Strafbarkeit gem. § 263 I StGB<br />

Durch die Bedienung der SB-Kasse könnte A sich wegen Betrugs gem.<br />

§ 263 I StGB gegenüber der IKEA-Geschäftsleitung und zum Nachteil von<br />

IKEA strafbar gemacht haben.<br />

I. Tatbestand<br />

Der Tatbestand <strong>des</strong> Betrugs setzt zunächst eine Täuschung über Tatsachen<br />

voraus.<br />

„[23] Die Täuschung setzt jedoch die intellektuelle Einwirkung auf<br />

das Vorstellungsbild eines anderen voraus; folglich ist eine solche<br />

Handlung nur gegenüber einem Menschen denkbar.<br />

[24] In der Regel wird beim Kauf von Waren im Laden der Täter<br />

durch Hingabe der EC/Maestro-Karte und Unterschreiben der<br />

Einzugsermächtigung den bei dem Unternehmen angestellten<br />

Kassierer darüber täuschen, dass eine nicht vorhandene Kontodeckung<br />

vorliegt. Da der Kassierer bei Annahme der Lastschriftermächtigung<br />

min<strong>des</strong>tens sachgedankliches Mitbewusstsein bezüglich<br />

der Deckung hat, unterliegt dieser einem Irrtum, der durch die<br />

Täuschung <strong>des</strong> Karteninhabers hervorgerufen wird und verfügt<br />

mit Aushändigung <strong>des</strong> Kaufgegenstan<strong>des</strong> über das Vermögen<br />

<strong>des</strong> Händlers/Unternehmens (sog. Dreiecksbetrug). Der Händler<br />

erlangt keine liquide Forderung gegen die Bank, so dass ein Vermögensschaden<br />

eintritt. Vermögensvorteil <strong>des</strong> Karteninhabers<br />

und der Nachteil <strong>des</strong> Händlers beruhen auf derselben Verfügung<br />

(Stoffgleichheit).<br />

[25] So liegt der Fall vorliegend jedoch nicht.<br />

[26] Bei einer Selbstbedienungskasse ist gerade keine Person<br />

zugegen. Vielmehr scannt der Kunde den an der Ware angebrachten<br />

Strichcode. Anhand <strong>des</strong> Strichco<strong>des</strong> wird über eine Datenbank der Preis<br />

ermittelt und in der Kasse addiert. Im nächsten Schritt wählt der Kunde<br />

BGH, Beschluss vom 31.03.2004,<br />

1 StR 482/03, NStZ 2005, 213<br />

© Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG


610 Strafrecht <strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2019</strong><br />

im Bildschirmmenü die Zahlungsart, führt entsprechend der Menü-<br />

Aufforderung seine zu belastende Geldkarte - vorliegend die ‚EC/Maestro-<br />

Karte‘ – in den dafür vorgesehenen Karteneinschub <strong>des</strong> Selbstbedienungskassenterminals<br />

ein und unterzeichnet - da bei Gesamtkaufpreisen<br />

bis 100,00 € die Begleichung der Kaufpreisforderung ausschließlich<br />

im SEPA-Lastschriftverfahren erfolgt - auf dem seitlich vorgesehenen<br />

‚Schreibpad‘ die Lastschrifteinzugserklärung. Anschließend löst er durch<br />

Betätigung <strong>des</strong> Buttons ‚OK‘ rechts neben der auf der Unterschriftszeile<br />

geleisteten Unterschrift das von ihm unterzeichnete SEPA-Lastschriftmandat,<br />

welches im Kassensystem gespeichert wird, wirksam aus.<br />

Mithin löst der Kunde regelmäßig nur einen technischen Vorgang<br />

aus […].<br />

[27] Eine […] Täuschung […] liegt darin jedoch nicht. Es wird lediglich auf<br />

die Selbstbedienungskasse - eine Maschine - eingewirkt, die - anders als<br />

ein Mensch - keine subjektive Fehlvorstellung entwickeln kann.<br />

[28] Die Annahme <strong>des</strong> Landgerichts, dass der Angeklagte die IKEA-<br />

Geschäftsleitung bzw. das IKEA-Unternehmen […] getäuscht hätte,<br />

geht fehl. Es ist bereits unklar, […] ob und wie die Geschäftsleitung<br />

bzw. welche anderen Personen <strong>des</strong> Unternehmens den Vorgang überhaupt<br />

bemerkt haben. Wenn jedoch wegen <strong>des</strong> automatisierten<br />

Vorgangs kein Personal vorhanden ist, welches etwas bemerken<br />

kann, kann auch nicht über die Ordnungsgemäßheit <strong>des</strong> Kassierund<br />

Bezahlvorgangs getäuscht werden. Das Bearbeitungsergebnis<br />

der Selbstbedienungskasse ist dann folglich auch ohne Beteiligung der<br />

Geschäftsführer zustande gekommen, da der Angeklagte durch Verwendung<br />

der EC-Karte auf deren Vorstellungsbilder gerade nicht einwirken<br />

konnte.“<br />

A hat mangels Täuschung den Tatbestand <strong>des</strong> § 263 I StGB nicht verwirklicht.<br />

II. Ergebnis<br />

A ist nicht strafbar gem. § 263 I StGB.<br />

B. Strafbarkeit gem. § 263a I StGB<br />

Durch das Bedienen der SB-Kasse könnte A sich jedoch wegen Computerbetrugs<br />

gem. § 263a I StGB zum Nachteil von IKEA strafbar gemacht haben.<br />

I. Tatbestand<br />

A müsste zunächst eine der Tathandlungen <strong>des</strong> § 263a I StGB vorgenommen<br />

haben.<br />

1. Unrichtige Gestaltung <strong>des</strong> Programms, § 263a I 1. Fall StGB<br />

Fischer, StGB, § 263a Rn 6<br />

„[30] Das unrichtige Gestalten eines Programms […] setzt das Neuschreiben,<br />

Verändern oder Löschen ganzer Programme oder jedenfalls<br />

von Programmteilen voraus. Nichts davon geht mit der Verwendung<br />

der EC/Maestro-Karte einher, da sich der Angeklagte als Karteninhaber<br />

auf der Anwender- und nicht auf der Programmierebene bewegt.“<br />

© Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG


<strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2019</strong><br />

Strafrecht<br />

6<strong>11</strong><br />

2. Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, § 263a I 2. Fall<br />

StGB<br />

„[31] Computerbetrug in Form einer Verwendung unrichtiger oder<br />

unvollständiger Daten […] umfasst Fälle, in denen eingegebene<br />

Daten in einen anderen Zusammenhang gebracht oder unterdrückt<br />

werden (sog. Input-Manipulationen), wobei eine Programmgestaltung<br />

unrichtig bzw. unvollständig ist, wenn sie bewirkt, dass<br />

die Daten zu einem Ergebnis verarbeitet werden, das inhaltlich entweder<br />

falsch ist oder den bezeichneten Sachverhalt nicht ausreichend<br />

erkennen lässt, den Computer also gleichsam ‚täuscht‘. Es fehlt<br />

an der Verwendung unrichtiger Daten, da der Angeklagte die originale<br />

EC/Maestro-Karte eingesetzt und das SEPA-Lastschriftmandat unterzeichnet<br />

hat. Bei der Verwendung von EC/Maestro-Karten im ELV-System<br />

wird von der kartenausgebenden Bank keine Einlösungsgarantie übernommen,<br />

die durch das Einschieben der Karte in das Kartenlesegerät<br />

zustande käme, sondern die auf der Karte codierten Daten dienen nur<br />

der vereinfachten Herstellung einer persönlich zu unterschreibenden<br />

Bankeinzugsermächtigung. Eine Verwendung unrichtiger oder unvollständiger<br />

Daten scheidet daher aus.“<br />

BGH, Beschluss vom 22.01.2013,<br />

1 StR 416/12, NJW 2013, 2608; OLG<br />

Hamm, Beschluss vom 08.08.2013,<br />

III-5 RVs 56/13, NStZ 2014, 275<br />

3. Unbefugte Verwendung von Daten, § 263a I 3. Fall StGB<br />

„[32] Es kann unerörtert bleiben, ob in Fällen der vorliegenden Art eine<br />

‚Verwendung von Daten‘ im Sinne <strong>des</strong> § 263a StGB gegeben ist, da die<br />

Nutzung der Daten durch den Angeklagten nicht unbefugt erfolgte.<br />

[33] Streitig ist, wann eine unbefugte Verwendung vorliegt. Nach<br />

einer weiten Auslegung <strong>des</strong> Merkmals ‚unbefugt‘ ist jede Datenverwendung<br />

unbefugt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen<br />

<strong>des</strong> über die Daten Verfügungsberechtigten widerspricht. Vorliegend<br />

war der Angeklagte jedoch hinsichtlich seiner auf der EC/Maestro-Karte<br />

gespeicherten Daten verfügungsberechtigt, so dass nach dieser Auffassung<br />

keine unbefugte Nutzung von Daten vorliegt.<br />

[34] Nach anderer Ansicht ist die Nutzung computerspezifisch<br />

auszulegen. Es wird eine Einwirkung auf den Datenverarbeitungsprozess<br />

verlangt. Der Vertragsabschluss erfolgte durch das<br />

Anklicken <strong>des</strong> entsprechenden Menüpunkts – ‚OK-Buttons‘ -, mit dem<br />

das SEPA-Lastschriftmandat bestätigt wird; dieser Vorgang stellt als<br />

solcher jedoch keine Einwirkung auf das Computerprogramm dar. Als<br />

berechtigter Karteninhaber verwendet der Angeklagte die Daten auch<br />

nicht unbefugt.<br />

[35] Das Merkmal der unbefugten Verwendung von Daten ist nach<br />

herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur betrugsäquivalent<br />

auszulegen. Nach der gesetzgeberischen Intention ist der Anwendungsbereich<br />

dieser Tatbestandsalternative durch die Struktur- und Wertgleichheit<br />

mit dem Betrugstatbestand bestimmt. Mit § 263a StGB sollte<br />

die Strafbarkeitslücke geschlossen werden, die dadurch entstanden war,<br />

dass der Tatbestand <strong>des</strong> Betrugs menschliche <strong>Entscheidung</strong>sprozesse<br />

voraussetzt, die bei dem Einsatz von EDV-Anlagen fehlen. Eine Ausdehnung<br />

der Strafbarkeit darüber hinaus war nicht beabsichtigt.<br />

Zur Auslegung von §263a I 3. Fall<br />

StGB s. auch Schumacher/Schweinberger,<br />

JU<strong>RA</strong> INTENSIV, Strafrecht BT I,<br />

Rn 600 ff.<br />

Subjektivierende Auslegung: BGH,<br />

Beschluss vom 10.<strong>11</strong>.1994, 1 StR 157/94,<br />

NJW 1995, 669; BayObLG, Urteil vom<br />

18.08.1990, RReg 4 St 250/89, NJW<br />

1991, 438<br />

Computerspezifische Auslegung:<br />

OLG Celle, Urteil vom <strong>11</strong>.04.1989,<br />

1 Ss 287/88, NStZ 1989, 367; Neumann,<br />

StV 1996, 375<br />

Die computerspezifische Auslegung<br />

ist eine kleine Mindermeinung,<br />

die in einer Klausur weggelassen<br />

werden kann.<br />

Betrugsspezifische Auslegung: BGH,<br />

Beschluss vom 29.<strong>11</strong>.2013, 4 StR<br />

292/13, NJW 2014, 7<strong>11</strong>; Beschluss<br />

vom 28.05.2013, 3 StR 80/13, NStZ<br />

2013, 586<br />

© Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG


612 Strafrecht <strong>RA</strong> <strong>11</strong>/<strong>2019</strong><br />

So auch BGH, Beschluss vom<br />

21.<strong>11</strong>.2001, 2 StR 260/01, NJW 2002,<br />

905; Schönke/Schröder, StGB, § 263a<br />

Rn <strong>11</strong>.<br />

In der Literatur wird dies teilweise<br />

anders gesehen, da das Bestehen<br />

einer Kontodeckung zu den Grundbedingungen<br />

<strong>des</strong> entsprechenden<br />

Geschäftstypus‘ gehöre und <strong>des</strong>halb<br />

gegenüber einem Menschen konkludent<br />

miterklärt würde (vgl.<br />

Lackner/Kühl, StGB, § 263a Rn 14;<br />

Mitsch, Strafrecht BT II, Rn 399;<br />

Haft, NStZ 1987, 6). Deshalb sei bei<br />

Verwendung einer Karte für ein<br />

nicht gedecktes Konto doch ein<br />

täuschungsäquivalentes Verhalten<br />

und somit eine unbefugte Datenverwendung<br />

i.S.v. § 263a I 3. Fall StGB<br />

gegeben.<br />

OLG Koblenz, Urteil vom 24.02.2014,<br />

2 Ss 160/12<br />

Maßgebend ist <strong>des</strong>halb, ob die Handlung <strong>des</strong> Täters einer Täuschung<br />

im Sinne <strong>des</strong> § 263 Abs. 1 StGB entspricht. Der Karteninhaber<br />

müsste seine Befugnis zur Inanspruchnahme der Leistung konkludent<br />

vorspiegeln, wenn er dieselbe Handlung einem Menschen gegenüber<br />

vornehmen würde. Der Karteninhaber würde einen Menschen anstelle<br />

der Selbstbedienungskasse nicht hinsichtlich seiner Identität und der<br />

Echtheit der EC/Maestro-Karte täuschen. Er erklärt bei Verwendung seiner<br />

EC/Maestro-Karte auch nicht schlüssig mit, dass sein Konto gedeckt oder<br />

ihm ein (Dispo-)Kreditrahmen eingeräumt sei. Denn zur Begründung<br />

der Täuschungsäquivalenz darf […] nicht auf einen fiktiven Kassierer<br />

abgestellt werden, demgegenüber eine entsprechende schlüssige<br />

Erklärung erfolgen oder eine Aufklärung über die tatsächlich nicht<br />

vorhandene Zahlungsfähigkeit unterlassen werden könnte. Vielmehr<br />

ist auf eine fiktive Person abzustellen, die sich mit den Fragen befasst,<br />

die auch der Computer - hier die Selbstbedienungskasse - prüft. Der<br />

Computer prüft aber bei [dem] hier gegenständlichen Zahlungssystem<br />

(elektronisches Lastschriftverfahren - sog. ELV-System) nicht die Bonität<br />

<strong>des</strong> berechtigten Karteninhabers oder ob dieser sich im Rahmen <strong>des</strong><br />

Verfügungsrahmens bewegt. Es wird nur die Echtheit der EC/Maestro-<br />

Karte überprüft, die Sperrdatei abgefragt und ein vom Kunden zu unterschreibender<br />

Lastschriftbeleg auf dem Bildschirm angezeigt. Anders als<br />

im POS-System bzw. electronic cash […] mit Eingabe einer PIN, Onlinebzw.<br />

Chip-offline-Überprüfung der Karte und Einlösungsgarantie der<br />

kartenemittierenden Bank übernimmt die Bank im ELV-System <strong>des</strong><br />

Handels, bei dem am Kassenterminal ein als Einzugsermächtigung geltender<br />

Bezahlbeleg generiert und vom Karteninhaber unterzeichnet<br />

wird, keine Zahlungsgarantie.“<br />

4. Sonstige unbefugte Einwirkung auf den Ablauf, § 263a I 4. Fall StGB<br />

„[36] Auch die sonstige Variante der unbefugten Einwirkung auf [den]<br />

Ablauf […] liegt ersichtlich nicht vor, da eine Einwirkung auf den Ablauf,<br />

d.h. auf das Programm oder den Datenfluss durch das Verwenden der EC/<br />

Maestro-Karte nicht gegeben ist.“<br />

II. Ergebnis<br />

A ist nicht strafbar gem. § 263a I StGB.<br />

C. Strafbarkeit gem. § 242 I StGB<br />

BGH, Beschluss vom 16.<strong>11</strong>.2017,<br />

2 StR 154/17, <strong>RA</strong> 2018, 48<br />

OLG Hamm, Beschluss vom<br />

08.08.2013, III-5 RVs 56/13, NStZ<br />

2014, 275<br />

„[37] Eine Strafbarkeit wegen Diebstahls scheidet ebenfalls aus. Die<br />

Mitnahme der Ware erfüllt nach den Feststellungen mangels Wegnahme<br />

den Tatbestand <strong>des</strong> § 242 Abs. 1 StGB nicht. Wegnahme ist der<br />

Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams. Ein Bruch<br />

fremden Gewahrsam liegt aber nur dann vor, wenn der Gewahrsam<br />

gegen oder ohne den Willen <strong>des</strong> Inhabers aufgehoben wird. Wird<br />

- wie vorliegend - die Selbstbedienungskasse technisch ordnungsgemäß<br />

bedient, erfolgt die Gewahrsamsaufgabe und die Eigentumsübertragung<br />

bezüglich der vom Bezahlvorgang ordnungsgemäß betroffenen Waren<br />

mit dem Willen <strong>des</strong> Unternehmens. Mit dem Aufstellen von Selbstbedienungskassen<br />

wird ein generelles Einverständnis in einen Gewahrsamsübergang<br />

erklärt, wenn auch unter der Bedingung, dass die Selbstbedienungskasse<br />

äußerlich ordnungsgemäß bedient wird.“<br />

© Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG


Ab<br />

dem 3. Semester<br />

bis zum Referendariat<br />

<strong>11</strong>,90 €<br />

© Minerva Studio – stock.adobe.com<br />

Direkt online<br />

im Shop bestellen!<br />

verlag.jura-intensiv.de<br />

Der Begleiter für<br />

Studierende & Referendare<br />

KOMPAKT Lan<strong>des</strong>recht Sachsen<br />

Inkl. <strong>des</strong> neuen Polizeirechts (SächsPBG und SächsPVDG)<br />

<br />

Klausurrelevante Probleme im Überblick<br />

Prüfungsschemata mit Definitionen<br />

Prüfungsschemata mit Problemen<br />

Streitstände komprimiert dargestellt


Jetzt zur<br />

VOLLVERSION<br />

WISEN...,<br />

9'91Vft\Oinl •• 'a<br />

udierende & Refere ndare<br />

1 T<br />

m<br />

JU<strong>RA</strong><br />

<strong>11</strong> INTENSIV<br />

<strong>RA</strong><br />

<strong>11</strong>/<strong>2019</strong><br />

'.]• JU<strong>RA</strong><br />

rf INTENSIV<br />

verlag.jura-intensiv.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!