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Hinz&Kunzt 320 Oktober 2019

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Das Hamburger<br />

Straßenmagazin<br />

Seit 1993<br />

N O <strong>320</strong><br />

Okt.19<br />

2,20 Euro<br />

Davon 1,10 Euro<br />

für unsere Verkäufer<br />

Wer ist<br />

bloß dieser<br />

Eiffe?<br />

Christian Bau hat einen<br />

Film über Hamburgs ersten<br />

Graffiti-Künstler gedreht.


25 Jahre Hinz&<strong>Kunzt</strong> – 25 Tage unser Restaurant auf Zeit:<br />

Ein kulinarisches Dankeschön an die Hamburger.<br />

Mit 25 Drei-Gänge-Menüs von Sterneköchen, jungen Wilden<br />

und anderen Küchengöttern.<br />

Unser Kochbuch* kostet 25 Euro plus<br />

Versandkosten. Vom Erlös haben wir jedem<br />

Hinz&Künztler 25 Monatsmagazine geschenkt.<br />

Sie können es online bestellen unter<br />

www.hinzundkunzt.de/shop oder<br />

im Buchladen (ISBN 978-3-00-060526-0).<br />

*Das Kochbuch ist für 45 Euro auch als Bundle zusammen<br />

mit der Schürze „<strong>Kunzt</strong>Küche“ erhältlich (siehe Seite 59).


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Inhalt<br />

Abschied und Neubeginn<br />

Tschüss Jens, hallo Jörn:<br />

Nach genau 15 Jahren<br />

als Geschäftsführer von<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> übergibt<br />

Dr. Jens Ade (links) den<br />

Staffelstab an Jörn Sturm.<br />

Was für ein Monat – Gefühlsachterbahnen inbegriffen!<br />

Seit neun Jahren wollen wir ein Haus bauen.<br />

Viele Jahre und viele Gespräche später klappt es<br />

jetzt. Mitte September wurde der Grundstein für<br />

ein Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus in der Minenstraße 9 gelegt<br />

(Seite 40). Bauherren sind die Amalie Sieveking-<br />

Stiftung, die das Grundstück zur Verfügung stellt,<br />

und Holger Cassens, dessen Mara & Holger<br />

Cassens-Stiftung das Haus baut. Wir werden es<br />

dann mieten.<br />

Dieses Haus war das Baby unseres Geschäftsführers<br />

Jens Ade. Und genau im Monat der Grundsteinlegung<br />

hört er als unser Geschäftsführer auf.<br />

Was wir an ihm so mögen, lesen Sie ab Seite 42.<br />

Zum Glück wird er den Hausbau weiter begleiten,<br />

bis wir in zwei Jahren dort einziehen.<br />

Sein Nachfolger als Geschäftsführer wird Jörn<br />

Sturm. Wir sind sicher, dass er gut zu uns passt: Nicht<br />

nur, weil er FC St. Pauli-Fan ist und vorher die kaufmännischen<br />

Geschicke in einem Theater geleitet hat.<br />

Aber das werden Sie im November erfahren.<br />

Ihre Birgit Müller Chefredakteurin<br />

(Schreiben Sie uns doch an info@hinzundkunzt.de)<br />

Inhalt<br />

Stadtteil mit Gefühl: Unser Autor Frank Keil erzählt, wie<br />

sich sein Ottensen verändert hat. (S. 14)<br />

TITELBILD UND FOTO OBEN: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

Stadtgespräch<br />

04 Gut&Schön<br />

06 Eiffe: Hamburgs erster Graffitikünstler<br />

12 Zahlen des Monats: Wissenschaftler<br />

entlarven die AfD<br />

14 Oh, dieses Ottensen-Gefühl!<br />

22 Nachts ist jeder ein Feind:<br />

Wie eine Altenpflegerin eine<br />

Seniorin quält – von Bruno Schrep<br />

26 Hinz&Künztler auf Fotosafari:<br />

Beeindruckende Bilder beim<br />

Fotowettbewerb<br />

Unser<br />

Fotowettbewerb:<br />

Auch Elsa (links) hat<br />

viel von Fotografin<br />

Lena Maja Wöhler<br />

gelernt. (S. 26)<br />

36 Streitgespräch: Wie viel direkte<br />

Demokratie ist sinnvoll?<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> intern<br />

40 Der Grundstein zum Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus<br />

in St. Georg ist gelegt<br />

42 Tschüss, Jens! Wir verabschieden<br />

unseren Geschäftsführer<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

48 Und das Publikum macht auch mit:<br />

Wildes Theater mit Meyer & Kowsky<br />

50 Ein Hinz&Künztler stellt aus:<br />

Erich Heeders Bilder sind im<br />

Bergedorfer Schloss zu sehen<br />

52 Tipps für den <strong>Oktober</strong><br />

56 Wissenswertes über Obdachlose<br />

58 Momentaufnahme<br />

Rubriken<br />

05, 39 Kolumnen<br />

10 Meldungen<br />

46 Leserbriefe<br />

57 Rätsel, Impressum<br />

Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk


Aufforstung per App<br />

Die Waldverbesserer<br />

Aus Ewald wird „e-WALD“: Der Technische Direktor des<br />

FC St. Pauli, Ewald Lienen (links im Bild), unterstützt die<br />

Stiftung Plant-for-the-Planet. Die will mit einer neuen App<br />

fürs Smartphone weltweit ordentlich aufforsten. Über die<br />

App können Unterstützer für neue Bäume spenden, erklärt<br />

Lienen und sagt: „Jeder Baum zählt.“ Mehr als 30.000 stehen<br />

bereits im e-WALD. BELA<br />

•<br />

Zur App: www.huklink.de/e-wald


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Gut&Schön<br />

Ehrung für Hilfsprojekte<br />

Annemarie-Dose-<br />

Preis vergeben<br />

Tafel-Gründerin Annemarie<br />

„Ami“ Dose (1928-2016)<br />

FOTOS: PUBLIC ADDRESS AGENTUR (S. 4), MAURICIO BUSTAMANTE (OBEN), JUGENDRAT HAMBURG (UNTEN LINKS),<br />

PICTURE ALLIANCE/CHRISTIAN CHARISIUS/DPA; KOLUMNE: CORNELIUS M. BRAUN<br />

Umzug nach Ottensen<br />

Neustart für das Sonnenschein Café<br />

Obdachlose und Nachbarn kommen bei Kaffee und<br />

Kuchen ins Gespräch – das ist die Idee hinter dem<br />

Sonnenschein Café. Nachdem es seine alte Heimat<br />

im Schanzenviertel verlassen musste, sind die<br />

ehrenamtlichen Macher auf ihrer Suche nach neuen<br />

Räumlichkeiten in Ottensen fündig geworden. LG<br />

•<br />

Adresse: Mathilde Bar, Kleine Rainstraße 4, sonntags von 13 bis 17 Uhr<br />

Joko unterstützt Obdachlose<br />

Der Jugendrat Hamburg hat seine<br />

Kampagne „Stoppt Jugendobdachlosigkeit!“<br />

gestartet und bekommt<br />

dabei Unterstützung von Moderator<br />

Joko Winterscheidt. Mit Infoplakaten,<br />

Flyern und Veranstaltungen<br />

will die selbstorganisierte und offene<br />

Gruppe über Jugendobdachlosigkeit<br />

aufklären. Jeden ersten Dienstag<br />

und dritten Freitag im Monat trifft<br />

sich der Jugendrat in der Fabrique<br />

im Gängeviertel. LG<br />

•<br />

Mehr Infos unter www.facebook.com/<br />

JugendratHamburg<br />

Pfandbecher gegen Kiezmüll<br />

Einwegbecher sorgen jedes Wochenende<br />

für haufenweise Müll auf<br />

der Reeperbahn – unter anderem<br />

wegen des Glasflaschenverbots. Mit<br />

wiederverwendbaren Pfandbechern<br />

wollen Betriebe gegensteuern: Die<br />

Mehrwegbecher, die etwa mit Bildern<br />

von Hans Albers oder Olivia<br />

Jones bedruckt sind, werden ein<br />

halbes Jahr lang getestet. In sechs<br />

Gas tronomiebetrieben können Kiezgänger<br />

ihre Getränkebecher dann<br />

für einen Euro Pfand mitnehmen<br />

und am Ende wieder abgeben. LG<br />

•<br />

Drei Hilfsprojekte für Obdachlose<br />

und straffällige Jugendliche<br />

sind die ersten<br />

Preisträger des vom Senat<br />

gestifteten Annemarie-Dose-<br />

Preises. Der neue Sozialpreis<br />

erinnert an die Gründerin<br />

der Hamburger Tafel, die im<br />

April 2016 verstarb.<br />

Gewinner des mit 5000<br />

Euro dotierten Gruppenpreises<br />

ist das Projekt „Pädagogisches<br />

Boxen“ des Vereins Gefangene<br />

helfen Jugendlichen.<br />

Der Verein entstand 1996 auf<br />

Initiative von drei Strafgefangenen<br />

der JVA Fuhlsbüttel<br />

und setzt sich für Gewaltprävention<br />

bei Jugendlichen ein.<br />

Geehrt wurden durch die<br />

Sozialbehörde zudem zwei<br />

Projekte mit jeweils 1500 Euro.<br />

Freuen konnte sich Mitra<br />

Kassai. Mit ihrer Agentur<br />

„Oll inklusiv“ präsentiert sie<br />

Tanzveranstaltungen für alte<br />

Menschen. Der zweite Einzelpreis<br />

ging an die freie Journalistin<br />

Susanne Groth. Mit<br />

ihrem Verein „Leben im Abseits“<br />

hilft sie obdachlosen<br />

Menschen auf St. Pauli.<br />

Sozialsenatorin Melanie<br />

Leonhard (SPD) hielt bei der<br />

Preisvergabe die Laudatio.<br />

„Die Preisträger packen an,<br />

wo es etwas zu tun gibt, statt<br />

sich schulterzuckend abzuwenden“,<br />

sagte die Senatorin.<br />

„Hamburg wird besser durch<br />

engagierte Bürgerinnen und<br />

Bürger wie sie – das drückt<br />

dieser Preis aus.“ JOF •<br />

5


Eines der raren Fotos<br />

von Eiffe in Aktion: „Eiffe<br />

will auch Mister Universitas<br />

werden“, schreibt er auf<br />

den Rücken der just gekürten<br />

„Miss Universitas“.


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Stadtgespräch<br />

Eiffe:<br />

Er kam, sah und<br />

schrieb die Stadt voll<br />

Ein Buch und ein neu aufgelegter Dokumentarfilm wollen<br />

Peter-Ernst Eiffe aus der Versenkung holen. Der Hamburger war vermutlich<br />

der erste Graffitikünstler Deutschlands – und auch sonst schwer zu fassen.<br />

TEXT: SIMONE DECKNER<br />

FOTOS: DIE THEDE, DIE THEDE/PRIVAT UND DMITRIJ LELTSCHUK (UNTEN)<br />

Eiffe? Bei dem Namen dürfte<br />

bei vielen Hamburgern etwas<br />

klingeln. Woher kennt<br />

man den Namen noch? Die<br />

Eiffestraße in Hamm, richtig! Viele<br />

Autos, viel Lärm, wenig Heimeligkeit.<br />

Benannt ist die Ausfallstraße nach<br />

Franz Ferdinand Eiffe, der von 1872 bis<br />

1874 Hamburger Bau senator war.<br />

Und: Urgroßvater eines anderen Eiffes,<br />

dessen irre Geschichte nun zurück in<br />

die Kinos kommt: Peter-Ernst Eiffe.<br />

Christian Bau kann man getrost als<br />

„Eiffe-Ultra“ bezeichnen. Seit mehr als<br />

50 Jahren beschäftigt sich der Hamburger<br />

Filmemacher mit dem Mann, dessen<br />

Namen bisher nur Nerds kennen.<br />

Dabei hat er Pionierarbeit geleistet in<br />

Sachen Straßenkunst – allein, nur mit<br />

einem schwarzen Filzstift bewaffnet.<br />

„Eiffe hat für 14 Tage die Welt angehalten“,<br />

sagt Bau.<br />

Das ist schon eine Weile her: Im<br />

Mai 1968 las man plötzlich überall<br />

Sprüche in der Stadt, in denen von einem<br />

gewissen Eiffe die Rede war: „Eiffetime<br />

10. Mai 1968. Neue Zeit – neue<br />

Zeitrechnung.“ Was sollte das? „Alle<br />

Ampeln auf Gelb!“, „Eiffe for Presi-<br />

Ist Eiffe seit Jahrzehnten auf der Spur<br />

und wurde für ihn sogar zum Detektiv:<br />

der Filmemacher Christian Bau.<br />

7<br />

dent“, „Eiffe liebt Dich“, „Eiffe Mao<br />

Rockefeller – das magische Dreieck“,<br />

„New York, Tokio, Wandsbek: Eiffe für<br />

alle“. Die kryptischen Sprüche prangten<br />

auf Verkehrsschildern, auf Toilettenfliesen,<br />

an Werbeplakaten, auf Briefkästen,<br />

ja sogar auf der Schulter einer<br />

just zur Miss Universitas gekürten jungen<br />

Frau hatte sich Eiffe verewigt.<br />

Was heute kaum vorstellbar ist: Es<br />

gab damals keine Graffiti. Christian<br />

Bau: „Anders als heute war Hamburg<br />

damals absolut sauber. Es gab kaum<br />

Müll oder Unordnung – von Graffiti<br />

gar nicht zu sprechen.“ Erst in den<br />

1980er-Jahren schwappte die bunte<br />

Straßenkunst von den USA aus langsam<br />

auch in deutsche Städte.<br />

„Bundeskanzler der Studenten“<br />

mit Wasserpistole<br />

1968 aber war Eiffe sofort in aller Munde.<br />

Dafür sorgte der damals 27-Jährige<br />

schon selbst: Seine Sprüche unterschrieb<br />

er oft mit einer Adresse: Wandsbeker<br />

Chaussee 305, 2000 Hamburg 22 sowie<br />

einer Telefonnummer. „Das hat die<br />

Leute völlig durcheinandergebracht“,<br />

sagt Christian Bau und lacht. „Alle<br />

wunderten sich: Gibt es den wirklich?<br />

Wer ist das?“ Auch die Presse nahm<br />

sich des Phänomens an. Und fand: eine<br />

gescheiterte Existenz. Kurz vor seinen<br />

Streifzügen durch die Stadt war Eiffe<br />

fristlos entlassen worden. Seine Stelle


Stadtgespräch<br />

Eiffe pflasterte mit seinen Sprüchen die Stadt (oben). Für die Doku wurde<br />

sein Krankenzimmer in Ochsenzoll nachgestellt.<br />

jetzt einfach“-Haltung bei vielen 68ern<br />

auf offene Arme: „Da kommt so ein<br />

merkwürdiger Kerl und schreibt alles<br />

voll“, sagt Bau. Für Kunst hielt er das,<br />

was Eiffe machte, zwar nicht, aber für<br />

„eine Möglichkeit, etwas zu bewirken“.<br />

Bau: „Das hat uns elektrisiert.“<br />

Schnell wurde Eiffe jedoch aus dem<br />

Verkehr gezogen: Nach gut 14 Tagen endete<br />

seine persönliche Straßenverschönerungsaktion<br />

am Hauptbahnhof. Er<br />

fuhr mit seinem Fiat 600 in die heutige<br />

Wandelhalle und begann, die Wände mit<br />

„magischen Dreiecken“ zu bekritzeln.<br />

Die Polizei führte ihn in Handschellen<br />

ab, später brachte man ihn in die psychiatrische<br />

Klinik nach Ochsenzoll.<br />

Ob er wirklich psychisch krank oder<br />

einfach nur „von der Rolle“ war, kann<br />

Christian Bau auch 50 Jahre später<br />

nicht sagen. „Er hatte wohl Schübe von<br />

Depressionen“, sagt er. In Ochsenzoll<br />

soll es zu einer Überdosis mit dem Medikament<br />

Lithium gekommen sein, Eiffe<br />

saß danach zeitweilig im Rollstuhl. Später<br />

landete er in einer Klinik im schleswig-holsteinischen<br />

Rickling, aus der er<br />

zwölf Jahre später an Weihnachten floh.<br />

Ein Bauer fand seine Leiche erst Monate<br />

später auf einem Feld – er war erfroren.<br />

Das stille Ende eines Mannes, über<br />

den einst ganz Hamburg sprach.<br />

im Statistischen Landesamt verlor er,<br />

nachdem er Aktfotos und Bismarck-<br />

Porträts aufgehängt hatte, zudem hatte<br />

er die Putzfrau mehrfach beschimpft.<br />

Zuvor hatte er schon ein BWL-Studium<br />

abgebrochen. Nur seine Zeit bei der<br />

Bundeswehr schloss er ab, war Leutnant<br />

der Reserve.<br />

Im Mai 1968 sah man ihn dann<br />

immer wieder an der Uni, im Umfeld<br />

der Außerparlamentarischen Opposition<br />

(APO). Einmal ging er mit einer<br />

Wasserpistole durchs Audimaxx,<br />

„Rattattatatt“ rufend, ein anderes Mal<br />

sprach er über die subversive Kraft<br />

des Spaßes und verkündete, er wolle<br />

„Bundeskanzler der Studenten und<br />

Demonstranten“ werden.<br />

Filmemacher Bau war<br />

„elektrisiert“ von Eiffe<br />

Christian Bau ist nur ein Jahr jünger als<br />

der 1941 geborene Eiffe. Er habe<br />

„selbst Flausen im Kopf gehabt 1968“,<br />

erinnert sich der Filmemacher: „Die<br />

Welt aus den Angeln heben“ wollten er<br />

und seine Freunde. Eiffe traf mit seiner<br />

grenzüberschreitenden „Ich mach das<br />

8<br />

Eiffes Tochter meldete sich<br />

überraschend beim Filmemacher<br />

All das und mehr erzählt Christian<br />

Baus Dokumentarfilm „Eiffe for President<br />

– Alle Ampeln auf Gelb!“. Der<br />

Film, 1995 erstmals veröffentlicht,<br />

kommt nun in digitalisierter Fassung<br />

erneut ins Kino. Bau, der 1979 mit anderen<br />

Dokumentarfilmern den Verein<br />

Die Thede gegründet hatte, erinnert<br />

sich noch gut daran, wie aufwendig<br />

damals die Recherchen waren. Eiffe<br />

war so gut wie vergessen. Außer einem<br />

dünnen Bändchen existierte keine Literatur.<br />

Fotomaterial war ebenfalls rar.


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Stadtgespräch<br />

In ihrer Not riefen Bau und sein Kompagnon<br />

Artur Dieckhoff die Hamburger<br />

auf, ihnen sachdienliche Hinweise<br />

zu ihrem Filmgegenstand zukommen<br />

zu lassen. „Das war mühsam, aber im<br />

Grunde genommen das einzig Wahre“,<br />

sagt Bau. Rund 50 Zeitzeugen meldeten<br />

sich, unter ihnen auch jemand<br />

Unerwartetes: „Die Anruferin war von<br />

der Stimme sehr jung und fragte mich,<br />

„Eiffe hat für<br />

14 Tage die Welt<br />

angehalten.“<br />

CHRISTIAN BAU<br />

ob ich ihr denn etwas zu Eiffe erzählen<br />

könne?“, erinnert sich Bau. Wie sich<br />

herausstellte, war es dessen Tochter.<br />

Die hatte nie eine Beziehung zu ihrem<br />

Vater aufbauen können: Als sie 18<br />

Monate alt war, verließ ihre Mutter<br />

Eiffe. „Ich hatte das Gefühl, dass sie<br />

auch eine große Sehnsucht danach hatte,<br />

mehr über ihren Vater zu erfahren“,<br />

sagt Bau. Im Gegensatz zu ihrer Mutter,<br />

die mit der Vergangenheit abgeschlossen<br />

hat, spricht die Tochter im<br />

Film offen, aber auch kritisch über ihren<br />

Vater. „Sie war mit seiner Haltung<br />

gegenüber Frauen nicht einverstanden“,<br />

sagt Bau. Eiffe habe zwar für die<br />

damalige Zeit „ein normales Verhältnis“<br />

zu Frauen gehabt, doch das war<br />

klar patriarchalisch geprägt. „Eiffe<br />

sucht Frauen, die Chinesisch und Französisch<br />

können, und gesunde Senatoren“<br />

lautete einer seiner Sprüche. Auch<br />

habe Eiffe darauf bestanden, stets als<br />

Erster etwas zu Essen zu bekommen –<br />

egal, ob seine Tochter schrie.<br />

„Eiffe war selbst in einem patriarchalischen<br />

Haushalt groß geworden. Er<br />

war adoptiert. Sein Adoptivvater war<br />

ein hochrangiger Nazi“, so Bau. Nach<br />

dessen frühem Tod sei Eiffe „vollkommen<br />

durcheinander“ gewesen. „Er<br />

wusste nicht, wie er diesem berühmten<br />

Namen gerecht werden sollte. Ich glaube,<br />

er hatte gehofft, dass er durch seine<br />

Aktionen den Namen Eiffe wieder<br />

bekannt macht“, vermutet Bau.<br />

Neues Buch über Eiffe erscheint<br />

50 Jahre später ist es Bau, der den Namen<br />

Eiffe wieder bekannter machen will.<br />

Neben der Neuauflage des Films feiert<br />

im <strong>Oktober</strong> auch ein aufwendig gestalteter<br />

Bildband über Eiffe Premiere. Herausgebracht<br />

von Theo Bruhns vom Verlag<br />

Assoziation A, finanziert durch<br />

Crowdfunding. „Theo war sofort begeistert,<br />

der hat auch schon ein Buch über<br />

OZ herausgebracht“, freut sich Bau. In<br />

dem Buch finden<br />

sich neben vielen<br />

bislang unveröffentlichten<br />

Fotos<br />

aus Eiffes Leben<br />

und Werk auch<br />

neue Texte, die<br />

Eiffe etwa in Verbindung<br />

mit dem<br />

französischen Situationismus<br />

und<br />

anderen Kunstrichtungen<br />

bringen.<br />

Und: „Eiffe<br />

Eiffe sah nicht<br />

unbedingt<br />

so aus, wie<br />

man sich<br />

einen Graffiti-<br />

Künstler vorstellt.<br />

Zeitweilig<br />

arbeitete er<br />

auch beim<br />

Statistikamt.<br />

war einer der Ersten, der die Frage ‚Wem<br />

gehört die Stadt?‘ durch seine Art, den<br />

öffentlichen Raum zu nutzen, aufgeworfen<br />

hat“, sagt Bau. Ein weiterer Text<br />

widmet sich Eiffe-Fans in der DDR. Dass<br />

es Eiffes Sprüche bis in den Osten geschafft<br />

haben, ist Uwe Timms Roman<br />

„Heißer Sommer“ zu verdanken, in dem<br />

Eiffe fleißig zitiert wird. Bau: „Das haben<br />

in der DDR alle gelesen.“<br />

Dass aber auch die Hamburger<br />

mehr über Eiffe erfahren wollen, zeigte<br />

sich bereits im April: Bei der Dokumentarfilmwoche<br />

feierte die Neuauflage des<br />

Films Premiere im Lichtmess Kino. Der<br />

Saal: übervoll. Gäste saßen auf Treppen<br />

oder standen. „Die Reaktionen haben<br />

uns bestärkt und ermuntert. Ein<br />

wundervoller Abend“, so Bau. Neben<br />

alten Wegbegleitern waren auch auffällig<br />

viele jüngere Zuschauer gekommen.<br />

Christian Bau, mittlerweile<br />

77 Jahre alt, lächelt,<br />

als man ihn danach<br />

fragt, ob man sich<br />

denn auch heute noch<br />

etwas von Eiffe abgucken<br />

könne? „Es lohnt<br />

sich immer, die Welt für<br />

einen Moment anzuhalten.“<br />

•<br />

Kontakt:<br />

redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Film-Premiere mit Buchvorstellung:<br />

„Eiffe for President.<br />

Alle Ampeln auf Gelb!“<br />

Metropolis, Kleine Theaterstraße<br />

10, Di, 29.10., 19 Uhr,<br />

7,50 Euro; Abaton, Allende-<br />

Platz 3, So, 10.11., 11 Uhr,<br />

9/8 Euro. Das gleichnamige<br />

Buch (inkl. Film auf DVD)<br />

erscheint diesen Monat,<br />

Verlag: Assoziation A, 20 Euro.


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>320</strong>/OKTOBER <strong>2019</strong><br />

Meldungen<br />

Politik & Soziales<br />

Die Evangelische Kirche will<br />

ab 2020 mit einem eigenen<br />

Schiff Geflüchtete im Mittelmeer<br />

retten. Ihr Vorsitzender<br />

Heinrich Bedford-Strohm<br />

besuchte 2016 Marinesoldaten<br />

während ihrer inzwischen<br />

beendeten Rettungsmission<br />

und bedankte sich<br />

für den „eindrucksvollen<br />

Samariterdienst“.<br />

Protest gegen Leerstand<br />

Scheinbesetzung in Altona<br />

Mitglieder der Kampagne #einfachwohnen haben Mitte September ein seit<br />

Jahren leer stehendes Haus mit etwa zwölf Wohnungen in Altona-Nord symbolisch<br />

besetzt. Damit wollten die Organisatoren von Diakonie, Caritas, Mieter helfen<br />

Mietern und Stattbau auf Wohnungsnotfälle aufmerksam machen. Die Bekämpfung<br />

von Leerstand sei dabei eine wichtige Sofortmaßnahme. Dirk Ahrens,<br />

Diakonie-Chef und Kampagnensprecher: „Im letzten Jahr haben 12.000 Menschen<br />

mit Dringlichkeitsschein keine Wohnung gefunden. Mit dem Wohnraum,<br />

den das leer stehende Haus hier in der Sommerhuder Straße 4 bietet, könnte man<br />

zumindest einigen richtig schnell helfen.“ Trotzdem wird der Bezirk vorerst nicht<br />

einschreiten. Der Eigentümer besitzt eine bis 2020 gültige Baugenehmigung. LG<br />

•<br />

Kampf gegen Leerstand<br />

München ist Spitzenreiter<br />

München ist bekannt für Fußball,<br />

Weißbier und hohe Mieten. Weniger<br />

bekannt ist, dass die bayerische<br />

Landeshauptstadt Spitzenreiter im<br />

Kampf gegen Leerstand ist: 2018<br />

wurden insgesamt 1853 Wohnungen<br />

„gerettet“ – also wieder vermietet.<br />

Hamburg hat die Daten für 2018<br />

noch nicht ausgewertet, kann aber<br />

zuletzt eine Steigerung vorweisen:<br />

2016 wurden noch 476, 2017 immerhin<br />

schon 710 Wohnungen gerettet.<br />

Im Unterschied zu Hamburg setzt<br />

München mit dem Online-Meldeportal<br />

„Raum für München“ auf<br />

die Mitarbeit der Bürger. Die Bilanz:<br />

1769 Meldungen gingen 2018 beim<br />

zuständigen Amt ein. Wäre solch ein<br />

Portal für Hamburg interessant? Dort<br />

gab es von 2015 bis 2017 nur 355<br />

Anzeigen. Die Stadtentwicklungsbehörde<br />

winkt ab. Hamburg habe<br />

bundesweit die geringste Leerstandsquote<br />

und das Personal aufgestockt.<br />

Uneinsichtige Vermieter mussten<br />

2018 bereits insgesamt 22.000 Euro<br />

Bußgelder zahlen. Holt Hamburg<br />

also langsam auf ? Mitnichten. In<br />

München lag die Summe der Bußgeldbescheide<br />

bei 982.000 Euro. JOF<br />

•<br />

Umbau und Spendenaktion<br />

Rathauspassage bekommt Licht<br />

Seit 1998 besteht die Rathauspassage<br />

als Ort der Begegnung mit Antiquariat<br />

und Gastronomie, an dem Langzeitarbeitslose<br />

wieder in den Arbeitsalltag<br />

integriert werden. Um die<br />

ziemlich dunkle Passage attraktiver<br />

zu machen, wird sie jetzt umgebaut.<br />

Unter anderem ist ein Fenster zur<br />

Kleinen Alster geplant. Dafür fehlen<br />

noch etwa 1,2 Millionen Euro, die<br />

durch den Verkauf von Förderaktien<br />

zusammenkommen sollen. LG<br />

•<br />

Weitere Infos: www.rathauspassage.de<br />

Gewalt gegen Frauen<br />

Neuer Zufluchtsort ab 2020<br />

Hamburg bekommt einen weiteren<br />

Zufluchtsort für von Gewalt betroffene<br />

Frauen. Für das sechste Frauenhaus<br />

stellt der Senat 781.000 Euro<br />

bereit. „Das ist sinnvoll investiertes<br />

Geld in den Schutz von Frauen und<br />

ihren Kindern, die ihr Leben frei von<br />

Gewalt neu gestalten wollen“, sagt<br />

Mareike Engels, frauenpolitische<br />

Sprecherin der Grünen. Die Immobilie<br />

wird bereits umgebaut und bietet<br />

ab Frühjahr 2020 schließlich Platz für<br />

bis zu 32 Frauen und Kinder. JOF<br />

•<br />

Langjähriger Trend<br />

Weniger Zwangsräumungen<br />

In Hamburg gibt es immer weniger<br />

Zwangsräumungen: 2018 waren es<br />

1293 Fälle, geht aus einer Senatsantwort<br />

auf eine Anfrage der Linksfraktion<br />

hervor. Ein Jahr zuvor<br />

waren es noch 253 Räumungen<br />

mehr. Dass 300 Zwangsräumungen<br />

im ver gangenen Jahr auf das Konto<br />

der städ tischen Wohnungsgesellschaft<br />

Saga gingen, findet die Linke<br />

„skandalös“ und fordert: Geräumt<br />

werden dürfe nur, wenn Ersatzwohnraum<br />

zur Verfügung stehe. BELA<br />

•<br />

FOTO: EPD-BILD/THOMAS LOHNES<br />

10


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Stadtgespräch<br />

Die<br />

Großuhrwerkstatt<br />

Bent Borwitzky<br />

Uhrmachermeister<br />

Telefon: 040/298 34 274<br />

www.grossuhrwerkstatt.de<br />

Verkauf und Reparatur<br />

von mechanischen Tisch-,<br />

Wand- und Standuhren<br />

Kampf gegen Dumpinglöhne<br />

Gesetz soll Paketboten schützen<br />

Noch vor Weihnachten soll das Paketboten­Schutz­Gesetz<br />

in Kraft treten.<br />

Das hat die Bundesregierung beschlossen.<br />

Künftig sollen Paketdienste haften, wenn<br />

Subunternehmer nur Dumpinglöhne<br />

zahlen. In anderen Branchen habe sich<br />

die Nachunternehmerhaftung bewährt,<br />

so das Arbeitsministerium: In der Bauwirtschaft<br />

zahlten Unternehmen 2018<br />

3,15 Millionen Euro an die Unfallversicherung<br />

nach, in der Fleischwirtschaft<br />

dieses Jahr 61.000 Euro. Hinzu kämen<br />

Zahlungen an die Krankenkassen. UJO<br />

•<br />

Studie zu Langzeitarbeitslosen<br />

Ausgrenzung schafft Nichtwähler<br />

Hartz­IV­Bezieher fühlen sich oft so stark<br />

ausgegrenzt, dass sie nicht wählen gehen.<br />

Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag<br />

des Evangelischen Fachverbandes für<br />

Arbeit und soziale Integration (EFAS e. V.)<br />

und des Diakonischen Werkes Bayern.<br />

Für die Studie hatten Langzeitarbeitslose<br />

70 andere Hartz­IV­Bezieher unter Anleitung<br />

von Wissenschaftlern interviewt.<br />

Ergebnis: Viele gehen nicht wählen, weil<br />

sie das Vertrauen in die Politik verloren<br />

haben, sich ausgeschlossen fühlen. UJO<br />

•<br />

Die Studie: www.huklink.de/langzeitarbeitslos<br />

Freilichtmuseum am Kiekeberg.<br />

www.kiekeberg-museum.de<br />

Altersarmut<br />

Lebensmittelspenden für Senioren<br />

Die Tafeln haben bundesweit einen dramatischen<br />

Anstieg der Nutzerzahlen beklagt:<br />

Insgesamt 150.000 Menschen mehr<br />

als ein Jahr zuvor seien auf Lebensmittelspenden<br />

angewiesen, ein Zuwachs von<br />

10 Prozent. Bei Senioren betrage der Zuwachs<br />

sogar 20 Prozent. Nach Langzeitarbeitslosigkeit<br />

seien niedrige Renten der<br />

zweithäufigste Grund, eine Tafel aufzusuchen.<br />

Auch die Hamburger Tafel beobachtet<br />

einen Anstieg der Nutzerzahlen in<br />

den rund 130 belieferten Einrichtungen,<br />

kann diesen aber nicht beziffern. BELA<br />

•<br />

Klimaschutz<br />

Geld für lokale Initiativen<br />

Mit einem neu angelegten Fonds will die<br />

Hamburger Klimaschutzstiftung Umweltprojekte<br />

lokaler Initiativen mit insgesamt<br />

450.000 Euro unterstützen. Für einzelne<br />

Projekte stehen bis zu 20.000 Euro zur<br />

Verfügung. Bis maximal 5000 Euro<br />

entscheidet die Stiftung sogar kurzfristig<br />

über eine Förderung. „Für solche Projekte<br />

aus der Zivilgesellschaft hat bisher ein<br />

passender Topf gefehlt“, sagt Karin<br />

Gaedicke, Vorsitzende der Stiftung. LG<br />

•<br />

Weitere Infos zur Klimaschutzstiftung:<br />

www.moinzukunft.hamburg/klimafonds<br />

Gewalt gegen Obdachlose<br />

Angriffe in Berlin und Hamburg<br />

Ein Obdachloser ist an der U­Bahn­<br />

Station Lübecker Straße so brutal angegriffen<br />

worden, dass er mehrere Wochen<br />

im Krankenhaus verbringen muss.<br />

Das erzählte der Schwerverletzte, als<br />

ihn Hinz&<strong>Kunzt</strong> Anfang September im<br />

Krankenhaus besuchte. Laut Polizei<br />

wurde der Mann in der Nacht vom 26.<br />

auf den 27. August von mehreren<br />

alkoholisierten Männern mit Schlägen<br />

und Tritten malträtiert. Nach Angaben<br />

der Hamburger Staatsanwaltschaft sitzen<br />

die mutmaßlichen Täter, die die Polizei<br />

ebenfalls der Obdachlosenszene zurechnet,<br />

weiterhin in Untersuchungshaft.<br />

Einen besonders brutalen Übergriff<br />

auf Obdachlose gab es auch in Berlin.<br />

Auf der Warschauer Brücke in Berlin­<br />

Friedrichshain ist am 5. September ein<br />

Mann im Schlaf angegriffen worden.<br />

Er und zwei weitere Obdachlose wurden<br />

durch Schläge, Tritte und den abgebrochenen<br />

Hals einer Bierflasche teilweise<br />

schwer verletzt. Die Täter konnten unerkannt<br />

fliehen. Laut Pressestelle der Polizei<br />

dauern die Ermittlungen weiter an. LG<br />

•<br />

Mehr Infos und Nachrichten unter:<br />

www.hinzundkunzt.de<br />

3. bis 6. <strong>Oktober</strong><br />

täglich 10 bis 18 Uhr<br />

Historischer Jahrmarkt<br />

Rummel wie zu Großvaters Zeiten<br />

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www.tai-chi- lebenskunst.de<br />

11


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Zahlen des Monats<br />

Wissenschaftler entlarven<br />

Rechtspopulisten<br />

AfD schürt<br />

Fremdenfeindlichkeit<br />

und Angst<br />

5,2 Prozent<br />

aller Tatverdächtigen in Deutschland stammen aus Syrien, Afghanistan<br />

und Irak, so die Polizeiliche Kriminalstatistik. Das Zerrbild,<br />

das die Alternative für Deutschland (AfD) entwirft, sieht völlig anders aus:<br />

Glaubt man den Pressemitteilungen der Rechtspopulisten, kommt nahezu<br />

jeder zweite Tatverdächtige (47 Prozent) aus einem dieser drei Länder.<br />

Das zeigt eine wissenschaftliche Studie, die 242 Pressemitteilungen der<br />

AfD aus dem Jahr 2018 unter die Lupe genommen hat.<br />

Insgesamt werden laut den Medienbotschaften der AfD 95 Prozent aller<br />

Straftaten von Nichtdeutschen begangen, so die Analyse der Professoren<br />

Thomas Hestermann (Macromedia Hamburg) und Elisa Hoven (lehrt Strafrecht<br />

an der Universität Leipzig). Tatsächlich haben gemäß der Kriminalstatistik<br />

nur 34,5 Prozent aller Tatverdächtigen einen fremden Pass.<br />

Interessant auch: Während die AfD immer wieder vor angeblich<br />

steigender Kriminalität warnt, hat die Zahl der angezeigten Straftaten im<br />

Verlauf der vergangenen zehn Jahre um 9,1 Prozent abgenommen.<br />

Fazit der Wissenschaftler: „In erster Linie dient die Kriminalpolitik der Partei<br />

ihrer Forderung nach einem härteren Vorgehen gegen Zuwanderer und<br />

in Deutschland lebende Ausländer vor allem muslimischen Glaubens.“ •<br />

TEXT: ULRICH JONAS<br />

ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />

Die Studie zum Nachlesen: www.huklink.de/afd-studie<br />

13


Gut 35.000 Menschen leben<br />

in Ottensen. Und doch ist es<br />

ein Dorf. Abendlicher Blick auf<br />

den Spritzenplatz.<br />

Oh, dieses<br />

Ottensen-Gefühl…<br />

Ottensen gilt als einer der beliebtesten Stadtteile Hamburgs.<br />

Gerne schlendert man dort durch die Straßen, lässt es<br />

sich gut gehen. Und wer Glück hat (oder Geld), der wohnt hier<br />

auch. Ein Spaziergang durch die dortige Bahrenfelder Straße,<br />

mit Blicken links und rechts des Weges.<br />

TEXT: FRANK KEIL<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE


Brigitte Abramowski (oben) staunt: Einst stand<br />

hier eine Fabrik für Fettwaren, heute sind in den<br />

Gebäuden vor allem Büros untergebracht. Selten,<br />

dass im „Aurel“ (links) ein Stuhl unbesetzt ist.<br />

Neulich wollte ich bei uns in<br />

Ottensen ein Brot kaufen.<br />

Ein Brot, weil wir zu Hause<br />

keines mehr hatten. Und<br />

ich ging in eine dieser Ottenser Bäckereien,<br />

hell ausgeleuchtet, der Fußboden<br />

aus schlichten Dielen, die Wände gekonnt<br />

unverputzt. Das Sortiment: vieles<br />

glutenfrei, ansonsten alles supersuper<br />

bio. Ich hatte es ein bisschen eilig.<br />

Vor mir eine Kundin, die sich ein<br />

Brot schneiden ließ, und der Bäcker<br />

schnitt und schnitt. Er nahm jede einzelne<br />

Scheibe ganz sanft in seine großen<br />

Bäckerhände, legte sie auf einen<br />

Bogen schneeweißen Papiers.<br />

Eine Minute verging, fünf Minuten,<br />

sieben Minuten. Das Brot war in<br />

etwa halb aufgeschnitten.<br />

Und da fiel es mir wieder ein: Hey –<br />

das hier ist Ottensen! In Ottensen kann<br />

man nicht einfach ein Brot kaufen wie in<br />

Berne, Wandsbek oder Harburg. In Ottensen<br />

ist ein Brotkauf Ausdruck eines<br />

ganz eigenen Lebensgefühls: Man hat<br />

Zeit ohne Ende, ist über die Banalitäten<br />

des Alltags sehr erhaben. Und wenn<br />

man irgendwann ein geschnittenes Brot<br />

16<br />

in seinen designten Stoffbeutel gleiten<br />

lassen kann, ist das schon okay. Aber es<br />

wäre nicht nötig gewesen.<br />

Brigitte Abramowski lacht, als ich<br />

ihr die Geschichte erzähle. Sie hat über<br />

Jahrzehnte die Geschichtswerkstatt Ottensen<br />

geleitet und kennt sich entsprechend<br />

bestens aus im Viertel. Und außerdem<br />

wohnt sie seit 43 Jahren ums<br />

Eck vom Spritzenplatz, an dem die<br />

Bahrenfelder Straße vorbeiführt, und<br />

die möchte ich erkunden: Sie durchkreuzt<br />

Ottensen einmal der Länge<br />

nach, beginnt an dem schäbigen und<br />

verlassenen Ottenser Marktplatz nahe<br />

dem Altonaer Rathaus, belebt sich<br />

schnell, wird zwischendurch Kopfsteinpflasterstraße,<br />

wird nur so gesäumt von<br />

Läden aller Arten, von Cafés, Restaurants<br />

und Bars und endet schließlich<br />

mit den Hausnummern 331 (links) und<br />

332 (rechts) kurz vor der Eisenbahnbrücke,<br />

über die die S­Bahnen Richtung<br />

Blankenese oder Wedel fahren.<br />

Auf der anderen Seite kommt mit dem<br />

Bahrenfelder Steindamm Bahrenfeld.<br />

Und damit eine andere Welt.


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Stadtgespräch<br />

Wir gehen ein paar Schritte. Und gleich<br />

wird es ernst: „Wenn ich in meinem<br />

Briefkasten einen Brief von der Hausverwaltung<br />

finde, habe ich Angst, ihn<br />

aufzumachen“, erzählt Brigitte Abramowski.<br />

Denn es könnte so weit sein:<br />

Das Haus wird verkauft; ihr wird angeboten,<br />

ihre Wohnung zu kaufen. Sonst:<br />

ausziehen! Und sie sagt es ohne Pathos:<br />

„Ich fühle mich bedroht.“ Eine Wohnung<br />

zu einem vergleichbaren Preis<br />

würde sie in Ottensen nicht mehr finden.<br />

So, wie in ihrem Haus mancher<br />

Nachbar für die gleiche Wohnungsgröße<br />

längst das Doppelte an Miete zahlt.<br />

Aber es ist nicht nur die Angst um den<br />

eigenen Wohnraum, die sie umtreibt:<br />

„Früher war Ottensen das Eldorado<br />

von Freiräumen – und die Idee davon<br />

„Der Stadtteil<br />

hat sich unglaublich<br />

verjüngt.“<br />

BRIGITTE ABRAMOWSKI, STADTTEILEXPERTIN<br />

Ottenser Wir-Gefühl schließt die Leute<br />

mit wenig Geld immer mehr aus.“<br />

Wir schauen über den Alma-Wartenberg-Platz,<br />

um den sich die Bahrenfelder<br />

Straße einmal herumschlängelt.<br />

Überall Bänke und Tische und Stühle<br />

und Kellner, die ihre Tabletts geschickt<br />

balancieren. Sie sagt: „Der Stadtteil hat<br />

sich unglaublich verjüngt. Es gibt viele<br />

junge Leute und es gibt viele Kinder.“<br />

Und dass deren Eltern viel für Miete<br />

oder die abzuzahlenden Kredite ausgeben<br />

müssen, sehe man daran, dass<br />

die Kitas in den Seitenstraßen sehr früh<br />

öffnen und sehr spät schließen: „Weil<br />

beide viel arbeiten müssen.“ Und apropos<br />

junge Leute, was einem auch auffällt:<br />

Man begegnet nicht mehr vielen<br />

älteren oder gar alten Leuten. Und Brigitte<br />

Abramowski lacht: „Früher habe<br />

ich immer nach Zeitzeugen gesucht, die<br />

mir was über das Viertel erzählen –<br />

jetzt bin ich selbst eine.“<br />

Ich hole mir ein wenig Fachverstand:<br />

Und treffe Johannes Gerdelmann,<br />

Baudezernent von Altona, damit<br />

ist immer noch vorhanden. Nur die<br />

Freiräume werden immer weniger und<br />

bald gibt es sie nicht mehr.“<br />

„Es gibt überhaupt kaum noch<br />

Orte, wo man ungestört lange sitzen<br />

kann“, sagt sie. Und sie atmet tief ein,<br />

denn eigentlich will sie ihren Stadtteil<br />

loben: „Es gibt dieses unglaubliche<br />

Ottensen-Gefühl. Man lebt hier gerne,<br />

weil es so ein kribbeliger, verbindender<br />

Stadtteil ist.“<br />

Ein Dorf. In dem man sich ständig<br />

trifft. Und zu diesem Lebensgefühl gehöre<br />

auch, dass man sich einmischt,<br />

wenn irgendwo etwas gebaut werden<br />

soll, was einem nicht passt, weil dafür<br />

etwas weichen soll, das man schätzt.<br />

„Früher wurden dann über Nacht Flugblätter<br />

gedruckt, aber da gab es hier<br />

auch noch Druckereien“, erzählt sie.<br />

Heute poste man bei Facebook. Egal:<br />

„Immer, wenn etwas passiert, gleich<br />

gibt es eine Gruppe von Widersachern.“<br />

Nur würden sich eben heute<br />

vor allem die Leute aus den Eigentumswohnungen<br />

und aus den Lofts engagieren,<br />

die wollten, dass ihr Ottensen<br />

bleibt, wie sie es haben wollen: „Das<br />

Hans von Bülow vor dem „Handwerkerhof“ (oben). In der Raucherkneipe „Mayday“<br />

(unten) sitzt niemand am Laptop oder tut wichtig. Dafür gibt es einen Billardtisch.<br />

17


Altonas Baudezernent Johannes<br />

Gerdelmann (oben) hat keinen<br />

leichten Job: Der Stadtteil soll sich<br />

verändern und bleiben, wie er ist.<br />

auch für Ottensen zuständig. Der gleich<br />

meine Erwartungen zu dämpfen sucht:<br />

Er sei Fachmann, Beamter, und kein<br />

Politiker. Kein Entscheider also, ein<br />

Ausführender. „Wenn der Baudezernent<br />

was sagt, denken alle, morgen wird<br />

gebaut und die Bodenpreise steigen –<br />

aber so ist das nicht, trotzdem muss ich<br />

gut überlegen, was ich sage“, erklärt er<br />

vorab. Und wir gehen los, und gleich<br />

schaut er anerkennend einmal die Straße<br />

hoch und einmal runter: „Allein,<br />

dass es in fast jedem Haus im Erdgeschoss<br />

eine Gastronomie gibt oder<br />

18<br />

ein Geschäft, das belebt einen Stadtteil<br />

und das ist hier extrem gut ausgeprägt.“<br />

Wir bleiben auf Höhe der Hausnummer<br />

64 stehen: links ein Kinderbuchladen,<br />

rechts eine kleine Boutique, dazwischen<br />

der Eingang zum Treppenhaus<br />

für die Wohnungen über den beiden<br />

Geschäften. Wieder nickt er zustimmend.<br />

Und legt seine Stirn in Sorgenfalten.<br />

Denn umgekehrt zeige sich, warum<br />

die Neuplanung von Wohngebieten<br />

so schwierig sei: „In der Regel wird nur<br />

monothematisch gebaut: Wohnen –<br />

Punkt.“ Und das mache so viele Straßen<br />

so langweilig, während in einer<br />

Straße wie der Bahrenfelder jedes Haus<br />

einen Anlass biete, stehen zu bleiben.<br />

„Und warum werden dann nicht<br />

wie hier in der Bahrenfelder öfter Wohnhäuser<br />

im Erdgeschoss mit Ladenflächen<br />

bestückt?“, frage ich. „Die Bewirtschaftung<br />

eines Hauses ist leichter,<br />

wenn ich nur Wohnen habe. Und ich<br />

muss baulich anders agieren, wenn im<br />

Erdgeschoss eine Ladenfläche ist. Ich<br />

habe eine spezielle Eingangssituation,<br />

ich kann nicht die Grundrisse sozusagen<br />

von oben bis unten durchziehen“,<br />

erklärt er. Auch die Förderung eines<br />

Baus sei nicht ganz so geschmeidig, als<br />

wenn man nur Wohnen habe.<br />

Und bald die Gretchenfrage mit<br />

Blick auf die vielen baulichen Veränderungen,<br />

die es in den vergangenen Jahren<br />

in Ottensen gab und die immer<br />

wieder für Streit sorgten: Wie darf<br />

überhaupt gebaut werden? Wir bleiben<br />

am Spritzenplatz stehen, schauen auf<br />

ein Ensemble aus unterschiedlichsten<br />

Häusern: Eines hat zwei Stockwerke,<br />

das nächste drei, dann eines vier und


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Stadtgespräch<br />

eines hat fünf. „Wie hoch jetzt hier gebaut<br />

werden darf, da kommt man ganz<br />

schön ins Schwimmen“, bekennt Johannes<br />

Gerdelmann. Klar – ein Investor,<br />

der ein neues Haus wirtschaftlich maximal<br />

nutzen möchte, wird mit dem fünfgeschossigen<br />

Bau argumentieren. Den<br />

Bewohnern vor Ort reichen vielleicht<br />

drei Stockwerke. Wer hat nun recht?<br />

„Man muss schauen, gilt ein genaues<br />

Planrecht oder ist eine Erkundung erforderlich?<br />

Etwa, ob ein höheres Haus<br />

ein anderes Haus verschattet und damit<br />

das Wohnen dort beeinträchtigt. Und<br />

dann könnte man auch die Leute einbinden,<br />

die da täglich vorbeigehen“,<br />

sagt er. Er atmet tief ein: „Besonders in<br />

heterogenen Quartieren wie Ottensen,<br />

wo man die Verschiedenartigkeit mag,<br />

stößt man auf ein großes Interessengeflecht<br />

und auch Gewohnheitsgeflecht.“<br />

Er sagt: „Wenn alle Gebäude stur fünfgeschossig<br />

sind, ist es einfach.“ In einer<br />

Straße wie der Bahrenfelder seien dagegen<br />

immer Einzelfallentscheidungen<br />

gefragt.<br />

Wir sind weitergegangen, Richtung<br />

Alma-Wartenberg-Platz, stoppen vor<br />

mehreren Flachbauten, in denen Geschäfte<br />

sind. Viel Platz ist nach oben,<br />

da könnte man doch locker in die Höhe<br />

gehen, wenn es auch äußerst angenehm<br />

ist, dass man mal nicht an einer<br />

hoch geschlossenen Häuserfront entlanggeht,<br />

sondern den Himmel spüren<br />

kann. Der Clou hier: Die Bauten sind<br />

in privater Hand, meist gehören sie den<br />

Ladeninhabern.<br />

„Inhabergeführte Läden haben eine<br />

große Bestandskraft. Die Besitzer<br />

fragen sich: ,Warum soll ich hier viergeschossig<br />

bauen und mich mit Krediten<br />

belasten? Mir geht es doch auch so<br />

gut‘“, fühlt sich Gerdelmann in die Seele<br />

dieser Eigentümer ein. Was umgekehrt<br />

erklärt, warum Wohnungs- und<br />

Gewerbebau so rabiat werden, wenn<br />

die Investoren durch keinerlei persönliche<br />

Bindungen an die Geschichte<br />

eines Hauses oder an den Stadtteil<br />

geprägt sind. Paradebeispiel ist der umstrittene<br />

Bürokomplex Zeise 2, eine<br />

Straße weiter in der Friedensallee, ein<br />

blankes Investitionsgeschäft: gebaut für<br />

70 Millionen Euro, weiterverkauft für<br />

79 Millionen, während das Ding noch<br />

im Bau war – ein ganz eigenes Thema,<br />

über das die Ottenser Geschichtswerkstatt<br />

mittlerweile ein Buch publiziert<br />

hat: „Investors first“ (siehe Info unten).<br />

„Ich kenne die Bahrenfelder Straße<br />

schon mein ganzes Leben“, sagt Hauke<br />

Lorenz, Filmemacher von Beruf. Dabei<br />

ist er im fernen Hummelsbüttel aufgewachsen.<br />

Aber seiner Oma gehörte<br />

das Haus mit der Nummer 90. „Unsere<br />

Oma hat freitags oft auf uns Kinder<br />

aufgepasst, hat uns mitgenommen nach<br />

Ottensen, am Altonaer Bahnhof hat ihr<br />

Freund Fritz auf uns gewartet und dann<br />

sind wir weiter zu ihr. Sie wohnte im<br />

ersten Stock“, erzählt er. Im Erdgeschoss<br />

vormals eine Schlachterei, die<br />

wiederum vom Vater seiner Oma väterlicherseits<br />

gegründet wurde, den es aus<br />

Heidelberg nach Ottensen verschlagen<br />

hatte. Und der eines Tages, getragen<br />

von tiefem Heimweh, das Heidelberger<br />

Schloss aus (Vegetarier, festhalten!)<br />

Schweineschmalz nachbaute, das dann<br />

im Schaufenster stand.<br />

Nach Hauke Lorenz’ Urgroßvater<br />

übernahm der Großvater, 1964 schloss<br />

die Schlachterei, eine Wäscherei zog<br />

ein, der später ein Döner-Laden folgte.<br />

„Meine Oma hat da oft zu Mittag gegessen,<br />

sie musste ja nur die Treppe<br />

runtergehen, das Essen war sehr lecker<br />

und die Bedienung war sehr nett, sie<br />

hat das sehr gemocht“, erzählt er.<br />

„Ich gebe den<br />

Punkern gerne<br />

einen Euro.“<br />

HAUKE LORENZ, ANWOHNER<br />

Heute wohnt er selbst hier, im obersten<br />

Stock, zahlt seiner Mutter und deren<br />

Schwestern eine Miete, die völlig okay<br />

sei. Und aus dem Döner-Laden ist ein<br />

Fischrestaurant geworden. Aus der Kinderzeit<br />

erinnert er sich besonders „an<br />

das Hertie-Kaufhaus beim Bahnhof, das<br />

schon geschlossen hatte. Unter dessen<br />

Vordach haben damals viele Leute auf<br />

der Straße gelebt.“ Es sei überhaupt eine<br />

ganz andere Stimmung im Viertel<br />

gewesen: „Wobei – es gibt gewisse Gestalten,<br />

die halten sich, und ich gebe den<br />

Punkern vorne am Spritzenplatz gerne<br />

mal einen Euro. Das ist mein Beitrag<br />

gegen die Gentrifizierung“, erzählt er.<br />

Bevor ich mich verabschiede, frage ich<br />

ihn nach dem verkehrsberuhigten Teil<br />

Eine der letzten ungestylten Ecken im<br />

Viertel. Wird die Fläche verkauft, droht<br />

ein Klotz aus Stahl, Glas und Beton.<br />

19


Filmemacher Hauke Lorenz (oben) vor dem<br />

Haus seines Urgroßvaters, der hier eine<br />

Schlachterei hatte. Reizvoll (links): vier<br />

Geschosshöhen statt einheitliche Bauweise.<br />

der Straße: „Ich finde das Projekt super“,<br />

sagt er: „So wenig Autos gab es<br />

hier in meiner Erinnerung nur bei G20,<br />

damals waren aber auch kaum Menschen<br />

da, und ich war sauer, dass meine<br />

Yuppi­Nachbarn alle das Weite gesucht<br />

hatten, anstatt für eine gerechte Welt zu<br />

demonstrieren.“<br />

Es ist ein Experiment bis Februar.<br />

Einige Dutzend Meter, auf denen Autos<br />

nur in Ausnahmefällen fahren dürfen<br />

und die Fahrradfahrer sich ans<br />

Schritttempo halten sollen – nun ja.<br />

Aber die Sache hat schon einen flotten<br />

Namen: „Flanierquartier“. Dabei ist es<br />

schlicht eine Straße ohne Autos; zwischen<br />

den schmalen Gehsteigen buckliges<br />

Kopfsteinpflaster, auf dem man<br />

schlecht gehen kann. Nicht alle Anwohner<br />

sind wie Hauke Lorenz begeistert.<br />

Es gibt so etwas wie eine Bürgerinitiative<br />

dagegen. Baudezernent Johannes<br />

Gerdelmann, darauf angesprochen,<br />

bleibt ruhig: „Aus meiner Sicht handelt<br />

es sich um eine kleine, aber artikulationsstarke<br />

Gruppe.“ Entstanden sei der<br />

Vorschlag im Rahmen vieler Veranstaltungen<br />

und Workshops zum Thema le­<br />

20<br />

benswertes Wohnen für Fußgänger und<br />

Fahrradfahrer in der Stadt – und als einer<br />

von vielen Vorschlägen umgesetzt<br />

worden. Er sagt: „Wir haben mal nicht<br />

alle gefragt, ob man das machen soll,<br />

und erst, wenn man sich ganz sicher ist,<br />

fängt man damit an.“ Sondern mal machen,<br />

dann schauen, was passiert – und<br />

das parallel auswerten. So gesehen habe<br />

es diesmal eine andere Projektdramaturgie<br />

gegeben, als man das in<br />

Ottensen gewohnt sei. Bewusst sei<br />

nichts aufwendig umgebaut worden,<br />

die Maßnahme könne ruckzuck wieder<br />

rückgängig gemacht werden. Er deutet<br />

an, was nach der Entscheidung über die<br />

Verkehrsberuhigung noch auf dem<br />

Zettel steht: eventuell Weiterführung<br />

des Projekts mit wieder geöffnetem Lessingtunnel<br />

und mögliches Anwohnerparken.<br />

Zwei echte Reizthemen für die<br />

reizbaren Viertelbewohner.<br />

Weiter geht es Richtung Kulturzentrum<br />

Fabrik, ich kreuze die Barnerstraße.<br />

Es wird ruhiger, gemächlicher.<br />

Zweistöckige Häuser aus der Zeit, als<br />

Altona dänisch war, reihen sich anein­


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Stadtgespräch<br />

„Wir gehen hier<br />

jeden Morgen<br />

gern zur Arbeit.“<br />

HANS VON BÜLOW ÜBER DEN HANDWERKERHOF<br />

ander, gespickt mit kleinen Restaurants<br />

und Cafés. Eine Schule folgt mit Pausenhof<br />

und Sportplatz, auf der anderen<br />

Seite ab der Hausnummer 254 der<br />

wuchtige Vivo-Neubau, der Geschäfte<br />

mit Ökoangeboten versammeln sollte,<br />

aber gleich pleiteging. Fast am Ende,<br />

Ecke Gaußstraße, fällt links mit der<br />

Hausnummer 321 ein schmales Gebäude<br />

aus Beton und Holz auf. Hier residiert<br />

der Handwerkerhof Ottensen.<br />

Der auf ein eigenes Thema hinweist:<br />

das des Kleingewerbes, das einst<br />

untrennbar zum Stadtteil Ottensen<br />

gehörte.<br />

„Es gibt auch in der Bahrenfelder<br />

noch kleine Betriebe, so wie früher, aber<br />

es dünnt sich merklich aus“, sagt Hans<br />

von Bülow, der den Handwerkerhof<br />

mitbegründete: auf einer Fläche, die<br />

30 Jahre lang Brachland war, das endlich<br />

bebaut werden sollte. „Es gab damals<br />

eine Menge Interessenten, auch<br />

potente Investoren, aber – Wunder, oh<br />

Wunder – die Stadt hat mal nicht gefragt,<br />

wer das meiste Geld auf den<br />

Tisch legt, sondern welches Projekt<br />

sinnvoll ist.“ Und von Bülow mit seiner<br />

Firma für Bausanierung sowie befreundete<br />

Betriebe bekamen den Zuschlag.<br />

Ihre Idee: auf kleiner Fläche Gewerbe<br />

in die Höhe zu stapeln. Gesamtfläche:<br />

nicht mehr als 1400 Quadratmeter.<br />

An der Seite ein massiver Fahrstuhl,<br />

groß genug, Maschinen, Baustoffe und<br />

Materialien zu transportieren. „2011<br />

hatten wir die Idee, sind rumgelaufen,<br />

haben geguckt, bei wem drückt der<br />

Schuh und wem könnte er bald drücken.<br />

Dann haben wir gebaut, 2015 zogen<br />

alle ein“, erzählt er: zwei Klempnereien<br />

und eine Zimmerei, Harfenbau<br />

und Gitarrenbau; eine Polsterei, eine<br />

Glaserei, dazu Rechts anwälte, eine<br />

Shiatsu-Praxis, ein Büro für Schallschutz<br />

und eines für Innenausstattung.<br />

Er lehnt sich zufrieden zurück: „Das<br />

Geschäft läuft bei allen hervorragend,<br />

so wie wir uns das gewünscht haben.<br />

Aber das in der Realität auch zu erleben,<br />

ist noch mal etwas Besonderes.“<br />

Und er setzt hinzu: „Wir gehen hier jeden<br />

Morgen gern zur Arbeit.“<br />

Noch etwas ist anders: Der Ottenser<br />

Handwerkerhof ist dem bundesweiten<br />

Netzwerk des Mietshäuser Syndikats<br />

beigetreten. Damit bleibt das<br />

Gebäude auf ewig Teil des Syndikats<br />

und somit unverkäuflich: „Selbst wenn<br />

wir uns hier alle einig wären von wegen<br />

,Lasst uns die Hütte verkaufen und ein<br />

paar Millionen einsammeln‘, es wäre<br />

nicht möglich.“ Entsprechend wird nur<br />

eine Kostenmiete erhoben und keine<br />

Rendite erwirtschaftet. „Unser Ziel war<br />

es, das Gelände und das Gebäude dem<br />

Spekulationsmarkt zu entziehen“, sagt<br />

von Bülow. Das ist gelungen. Ausgerechnet<br />

in Ottensen, wo die Mieten, die<br />

Immobilien- und die Grundstückspreise<br />

steigen und steigen. Aber Wohnen und<br />

Arbeiten im Viertel, kurze Wege für<br />

Anlieferer und Kunden, hier am Ende<br />

der Bahrenfelder Staße ist das keine<br />

Utopie, sondern unaufgeregter Alltag.<br />

Noch eine Anekdote zum Schluss?<br />

Also: Neulich im Bus, im 1er, der sich im<br />

Lesetipp:<br />

Investors First – Vom veränderten<br />

Umgang mit unserem industriellen Erbe<br />

in Ottensen und Altona. Stadtteilarchiv<br />

Ottensen – Geschichtswerkstatt<br />

Altona e. V. (Herausgeber), 24 Euro<br />

Schritttempo durch die winkeligen, immer<br />

vollgeparkten Straßen Ottensens<br />

quält. Neben mir ein älteres Paar – ein<br />

altes Paar. Er, den Gehstock zwischen<br />

die Beine geklemmt, saß zusammengesunken<br />

auf einem der Klappsitze. Sie<br />

stand neben ihm, schaute aus dem Fenster,<br />

sprühte vor guter Laune: „Mensch,<br />

guck doch mal, das hat sich hier alles total<br />

verändert!“ Ganz anders als damals,<br />

als sie hier wohnten. Neue Häuser und<br />

Geschäfte, so viele Menschen auf den<br />

Straßen. Er sah nur kurz zur Seite: „Was<br />

soll ich da gucken: Ich erkenne nichts<br />

wieder! Nix!“ Er stampfte mit seinem<br />

Gehstock auf. So fuhren die beiden<br />

durch Ottensen: Er griesgrämig gestimmt<br />

wie nur möglich, sie aufgeregt<br />

und hippelig, wie eine junge Frau.<br />

Ehrlich gesagt: Ich kann beide gut<br />

verstehen. •<br />

Kontakt: frank.keil@hinzundkunzt.de<br />

Aus der Wohnung direkt auf die Straße und<br />

ins Leben – deswegen wohnt man hier.<br />

21


Ähnlich wie in dieser nachgestellten<br />

Szene, wurde Meta Westphal<br />

immer wieder von ihrer Pflegerin<br />

malträtiert. Die behauptete, es seien<br />

Albträume, die die alte Dame am Tag<br />

verfolgen würden. Ganz normal alles.


„Nachts ist jeder<br />

ein Feind“<br />

Der neue Reportageband von Spiegel-Autor Bruno Schrep versammelt wahre Geschichten<br />

von Menschen, deren Leben von anderen zerstört wird – teils von einer Minute zur anderen.<br />

Wir veröffentlichen die gekürzte Fassung von „Nimm mal die Flossen weg!“: die Tragödie um eine<br />

pflegebedürftige, alte Dame im Heim und eine Altenpflegerin, die ihren Schützling quält.<br />

SYMBOLFOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE


Stadtgespräch<br />

„Ich hab Ihnen doch gar<br />

nichts getan“, jammert<br />

Meta Westphal leise.<br />

Antwort: „Du sollst doch<br />

mal die Klappe halten.“<br />

Unser Bild ist zum Glück<br />

nur ein Symbolfoto.<br />

I<br />

ch liebe meinen Beruf“, sagt die<br />

Altenpflegerin Doreen R., „ich<br />

möchte nichts anderes tun.“<br />

Die 42-jährige Frau, groß,<br />

kräftig, kurze Haare, sitzt im T-Shirt<br />

auf einem Sessel in ihrem Wohnzimmer<br />

und erzählt von ihrer Art, mit alten<br />

Menschen umzugehen. Sie sei zwar<br />

manchmal etwas forsch und laut, aber<br />

immer herzlich, nie böse. Ihre Meinung<br />

sage sie stets offen und geradeaus, das<br />

fänden die Senioren prima. „So bin ich<br />

nun mal.“ Dies ist das Bild, das Doreen<br />

R. von sich selbst zeichnet. Doch es gibt<br />

andere Bilder von ihr, heimlich aufgenommen<br />

mit einer Videokamera. Zu<br />

sehen und zu hören ist, dass die Pflegerin<br />

eine hilflose Heimbewohnerin behandelt<br />

wie einen Feind: sie roh anpackt,<br />

sie duzt und beleidigt.<br />

Ein Gruselfilm.<br />

Dass sich solche Exzesse hinter verschlossenen<br />

Heimtüren abspielen, wird<br />

oft vermutet. Aber es ist fast nie zu beweisen,<br />

die Dunkelziffer ist hoch. Nur<br />

wenn Kollegen das Gewissen drückt<br />

und sie sich zur Zeugenaussage entschließen,<br />

werden die Vorfälle offenbar.<br />

Mit Bildern dokumentiert wurden solche<br />

Horrorszenen nie.<br />

Wie konnte es zu den Übergriffen<br />

kommen?<br />

Im Bremer Seniorenzentrum Forum<br />

Ellener Hof, idyllisch gelegen im grünen<br />

Stadtteil Osterholz, ist die Heimleitung<br />

heilfroh, als sich eine gestandene Altenpflegerin<br />

mit Examen bewirbt. Zwar<br />

fehlen ein paar Zeugnisse, auch der<br />

Lebenslauf weist Lücken auf, aber die<br />

Not ist groß. Fachkräfte sind rar, und<br />

die Frau macht einen guten Eindruck.<br />

Doreen R. wird engagiert, zunächst<br />

befristet für ein Jahr.<br />

In Zimmer 212 lebt seit einem Jahr<br />

die pflegebedürftige Meta Westphal.<br />

Die inzwischen 85-Jährige, Mutter<br />

zweier Söhne und zweier Töchter, ist<br />

nach einem Leben mit vielen Hindernissen<br />

und Entbehrungen hinfällig und<br />

schwach. Nach dem Krieg musste sie<br />

aus dem Osten fliehen, zunächst in die<br />

DDR, später in den Westen, ins Münsterland.<br />

Sie zog die vier Kinder auf,<br />

ging trotz einer Knochenkrankheit<br />

nebenbei putzen, stellte eigene Wünsche<br />

immer zurück. „Sie lebte nur für<br />

die Familie“, erinnert sich Sohn Detlef.<br />

Als ihr Mann stirbt, die Ehe dauerte<br />

58 Jahre, ist auch sie mit ihren Kräften<br />

am Ende. Sie kann kaum noch laufen,<br />

das Gedächtnis funktioniert nicht mehr<br />

richtig. Die Söhne finden den Handbesen<br />

im Kühlschrank, der Küchenherd<br />

bleibt schon mal die ganze Nacht eingeschaltet,<br />

und die früher stets blitzsaubere<br />

Wohnung verschmutzt nach und<br />

nach. Der Umzug ins Heim wird unausweichlich.<br />

Im Ellener Hof, versichert die<br />

Heimleitung den Angehörigen, sei die<br />

Mutter bestens aufgehoben.<br />

Anfangs gibt es auch nichts zu reklamieren.<br />

Meta Westphal findet Freundinnen,<br />

traut sich mit dem Rollator aus dem<br />

Zimmer, Pflegerinnen führen sie in den<br />

Speisesaal. Auch als sie nicht mehr aufstehen<br />

mag, stattdessen auch tagsüber im<br />

24<br />

Bett bleibt, lobt die Seniorin die Betreuung.<br />

„Die Schwestern sind so lieb.“<br />

Das ändert sich, als Doreen D.<br />

auftaucht. Gegenüber den Söhnen,<br />

die sie abwechselnd fast jeden Tag besuchen,<br />

klagt die Mutter über Misshandlungen.<br />

„Die haut mich immer“,<br />

beschwert sie sich oft, „auch gegen<br />

den Kopf.“ – „Wer denn, Mutter,<br />

wer?“ – „Schwester Doreen.“<br />

Die Söhne sind skeptisch. Sie wissen,<br />

dass die Mutter Menschen häufig<br />

nicht wiedererkennt, Namen und Ereignisse<br />

verwechselt, mehr und mehr<br />

in der Vergangenheit lebt. Quälen sie<br />

womöglich Erinnerungen an ihre<br />

Kindheit, geprägt vom prügelnden Vater<br />

und dem Überlebenskampf mit<br />

acht Geschwistern? Kommen traumatische<br />

Erlebnisse aus der Kriegszeit<br />

hoch? Die Pflegerin, von den Söhnen<br />

zur Rede gestellt, findet beruhigende<br />

Worte. „Ihre Mutter schläft die meiste<br />

Zeit“, erklärt sie, „dabei träumt sie oft<br />

ganz schlecht.“<br />

Niemand im Heim weiß, dass Doreen<br />

R. schon früher mit ähnlichen Vorwürfen<br />

konfrontiert wurde. Die Neue<br />

aus dem sächsischen Hoyerswerda redet<br />

wenig über ihre Vergangenheit. Dabei<br />

gäbe es viel zu berichten. Die Ausbildung<br />

zur Maschinistin im Gaskombinat<br />

Schwarze Pumpe ist nach 1989 nichts<br />

mehr wert. Das Werk, längst marode<br />

und unrentabel, wird stillgelegt, später<br />

„Die haut mich<br />

immer. Auch<br />

gegen den<br />

Kopf.“ META WESTPHAL<br />

neu gebaut. Doreen R., die im Leitstand<br />

die Instrumente kontrollierte, sieben<br />

Tage Nachtdienst, drei Tage frei, wird<br />

arbeitslos, lebt fortan von Sozialhilfe.<br />

Nach einem sozialen Jahr finanziert<br />

ihr das Arbeitsamt um die Jahrtausendwende<br />

eine Umschulung zur Altenpflegerin.<br />

In der Praxis kommt sie spielend<br />

zurecht, sie ist kräftig, kann richtig zupacken,<br />

Patienten problemlos hochwuchten<br />

und versorgen.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Die mündliche Prüfung, in der viele<br />

Fragen zum psychologischen Umgang<br />

gestellt werden, schafft sie gerade noch<br />

mit der Note „ausreichend“. Einige<br />

Jahre jobbt sie in Hoyerswerda und<br />

Umgebung, wegen einer Bekanntschaft<br />

siedelt sie in den Westen um, hält es<br />

jedoch nirgends lange aus, wechselt<br />

häufig den Arbeitsplatz. Jobbt mal in<br />

Linz am Rhein, mal in Diez an der<br />

Lahn, wechselt nach Limburg, pflegt in<br />

Katzenelnbogen. Überall fällt auf, dass<br />

es ihr nach kurzer, meist geglückter<br />

Anfangsphase schnell an Geduld, an<br />

Einfühlungsvermögen und manchmal<br />

auch an Mitleid mangelt.<br />

Es kommt zu Abmahnungen und<br />

vorzeitigen Entlassungen. Beanstandet<br />

wird meist das Gleiche: lautes, oft respektloses<br />

Auftreten, heftige Beschimpfung<br />

von Bewohnern, vereinzelt auch<br />

Verdacht auf Gewalt. Eine Vorgesetzte<br />

beschreibt Doreen R. als „schwierige<br />

und uneinsichtige Person“, die sich<br />

von der Welt benachteiligt fühle und<br />

Verfehlungen stets zu rechtfertigen versuche.<br />

Eine Heimleiterin urteilt kurz und<br />

bündig: „Für die Pflege nicht geeignet.“<br />

Auch in Bremen häufen sich bald<br />

nach Dienstantritt der Neuen die Beschwerden.<br />

Mehrere Bewohner im Ellener<br />

Hof fühlen sich eingeschüchtert<br />

vom ruppigen Umgangston der Pflegerin,<br />

die Demente grundsätzlich duzt,<br />

manche auf der Station haben sogar<br />

Angst. Die Tochter einer Russlanddeutschen<br />

beschuldigt Doreen R., ihre Mutter<br />

geschlagen und gekniffen zu haben,<br />

sie erstattet Strafanzeige. Die Angehörigen<br />

von Meta Westphal erfahren davon<br />

kein Wort, die Heimleitung sorgt dafür,<br />

dass nichts nach außen dringt.<br />

„Wir waren blind, niemand gab uns<br />

einen Tipp“, empört sich Andreas<br />

Westphal heute. Weil sich die Mutter<br />

weiter über Prügel beschwert, sogar<br />

weinend um Hilfe fleht, entschließen<br />

sich die Söhne nach langem Zögern zu<br />

einem ungewöhnlichen Schritt.<br />

An einem Juniabend, kurz bevor ihre<br />

Mutter bettfertig gemacht wird, installieren<br />

sie in Zimmer 212 eine versteckte<br />

Kamera. Als sie sich am nächsten<br />

Tag die Aufnahmen ansehen, packt sie<br />

der Zorn. Die Kamera hat ein schwer<br />

erträgliches Geschehen festgehalten.<br />

Pflegerin R. betritt grußlos und mit<br />

grimmigem Gesicht den Raum. Dann<br />

zieht sie Meta Westphal mit groben Bewegungen<br />

den Pullover über den Kopf,<br />

streift ihr später ebenso grob das Nachthemd<br />

über, zieht sie an der Unterhose<br />

unsanft übers Bett.<br />

Weil ihr die Patientin mit den Händen<br />

in die Quere kommt, herrscht R. sie<br />

an: „Nimm doch mal die Flossen weg.“<br />

Als die gebrechliche Frau, die noch<br />

45 Kilogramm wiegt, kraftlos nach hinten<br />

sinkt, wird sie von der Pflegerin an<br />

den Haaren gepackt und mit einem heftigen<br />

Ruck nach vorn gerissen. Und als<br />

sie sich beschwert („Sie hauen mich<br />

jedes Mal“), hagelt es Verwünschungen.<br />

„Ich hab Ihnen doch gar nichts getan“,<br />

jammert die Bewohnerin leise.<br />

Antwort: „Du sollst doch mal die Klappe<br />

halten. Ist ja ganz schlimm heute.“<br />

„Wir waren blind.<br />

Niemand gab uns<br />

einen Tipp.“ ANDREAS WESTPHAL<br />

Zum Schluss fasst die Schwester ihrer<br />

Patientin mit der flachen Hand an die<br />

Stirn und befördert sie mit einem Stoß<br />

in die Rückenlage.<br />

Der Film löst vielfältige Reaktionen<br />

aus. Eine Tochter von Meta Westphal<br />

bricht zusammen, nachdem sie sich das<br />

Video angesehen hat, sie kommt mit einem<br />

Schock ins Krankenhaus. Die Söhne<br />

zeigen Doreen R. an, engagieren<br />

einen Anwalt für die Nebenklage. Der<br />

Heimleiter, dem die Familie die Aufnahmen<br />

vorspielt, feuert seine Angestellte<br />

fristlos. Doreen R., die das Video bei der<br />

Polizei sieht, reagiert entsetzt. „Ich dachte,<br />

das bist nicht du selber“, erinnert sie<br />

sich, „das muss jemand anderes sein.“<br />

Jennifer Jakobi, die Bremer Verteidigerin<br />

der Pflegerin, bezweifelte indessen,<br />

dass einmaliges Haareziehen<br />

tatsächlich eine Körperverletzung darstelle.<br />

„Da kann man sehr verschiedener<br />

Meinung sein.“ Die Vorgänge auf<br />

dem Video seien zwar schrecklich, ohne<br />

Wenn und Aber. „Doch sind sie auch<br />

strafbar?“ Und schließlich handle es<br />

sich um einen einmaligen Ausrutscher.<br />

Die Anwältin wollte unbedingt verhin­<br />

25<br />

Bruno Schrep bei Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Bruno Schrep stellt<br />

seinen Reportageband<br />

„Nachts ist jeder ein<br />

Feind – Wahre Geschichten“<br />

(Hirzel, 19,80 Euro) vor:<br />

Montag, 21. <strong>Oktober</strong>,<br />

19.30 Uhr, bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> in der<br />

Altstädter Twiete 1-5, der Eintritt ist frei.<br />

dern, dass der Film bei der Hauptverhandlung<br />

als Beweismittel zugelassen<br />

und vorgeführt wird. Es handle sich um<br />

illegal entstandene Aufnahmen, die<br />

Belange ihrer Mandantin seien grob<br />

missachtet worden. Doch das Gericht<br />

ließ die Vorführung zu.<br />

Beim Prozess drohte Doreen R. auch<br />

die Verhängung eines Berufsverbots –<br />

eine Sanktion, die ihre Verteidigerin unbedingt<br />

abzuwenden versuchte. Was<br />

nicht ganz einfach war: Die Söhne von<br />

Meta Westphal und ihr Anwalt hatten<br />

ein Berufsverbot zum Hauptziel der Nebenklage<br />

erklärt. „Uns interessiert nicht<br />

die Strafhöhe“, sagte Andreas Westphal.<br />

„Wir kämpfen darum, dass diese Frau<br />

nie mehr alte Menschen betreuen darf.“<br />

Dieses Ziel wurde nicht erreicht.<br />

Zwar verurteilte das Bremer Landgericht<br />

Doreen R. rechtskräftig zu einer<br />

sechsmonatigen Freiheitsstrafe, die<br />

zur Bewährung ausgesetzt wurde; von<br />

einem Berufsverbot sah das Gericht<br />

jedoch ab. Begründung: Die Altenpflegerin<br />

sei nicht vorbestraft und erstmals<br />

wegen beruflicher Pflichtverletzung verurteilt<br />

worden.<br />

Doreen R., die nach ihrem Rausschmiss<br />

mehrere Monate am Fließband<br />

einer Tierfutterfabrik gestanden hatte,<br />

zuletzt Nachtdienste an der Kasse einer<br />

Tankstelle schob, will nicht aufgeben.<br />

Erneut hat sie einen Job in einem Pflegeheim.<br />

Diesmal, versichert sie, sei alles<br />

anders: genug Personal, eine nette Chefin,<br />

die Schwestern eine verschworene<br />

Gemeinschaft. Alles werde gut.<br />

„Warum tust du dir das bloß wieder<br />

an, nach all dem Ärger, nach all dem<br />

Stress?“, hat ihr Lebensgefährte kürzlich<br />

von ihr wissen wollen. Ihre Antwort:<br />

„Weil ich Menschen helfen will.“ •<br />

Kontakt: redaktion@hinzundkunzt.de


Hinz&Künztler<br />

auf Fotosafari<br />

Die Teilnehmer unseres Fotowettbewerbs können stolz sein:<br />

Unter Anleitung von Fotografin Lena Maja Wöhler haben sie Hamburg<br />

und Umgebung eindrucksvoll in Szene gesetzt.<br />

TEXT: SYBILLE ARENDT<br />

Die Landungsbrücken<br />

sind ein Lieblingsmotiv<br />

von Vertriebsmitarbeiter<br />

Sergej: „Da kriegt man<br />

fast immer gute Bilder.<br />

Vor allem abends.“


Das Gewinnerbild des<br />

Fotowettbewerbs stammt<br />

von Mario: „Wenn man<br />

das ‚i‘ wegnimmt, hat man ‚<br />

Lebe‘. Liebe und Leben<br />

sind eng verbunden.“


Die Blumen hat Sergej<br />

im Botanischen Garten<br />

aufgenommen. „Da<br />

fahre ich immer zu<br />

Frühlingsbeginn hin.“<br />

Den Poller entdeckte<br />

Lemmy im Alten Land:<br />

„Wie ein Fels in der<br />

Brandung: ,Bloß nicht<br />

aufgeben‘, könnte<br />

dieses Bild heißen.<br />

Ich habe auch nicht<br />

auf gegeben und<br />

so wieder eine<br />

Wohnung gefunden.“


Stadtgespräch<br />

Glückliche<br />

Gewinner:<br />

Andreas, Thomas,<br />

Mario, Norbert,<br />

Sergej, Lemmy,<br />

Jürgen und Karen<br />

(von links).<br />

Den richtigen<br />

Bildausschnitt<br />

sucht Jürgen aus<br />

dem Vertrieb beim<br />

Workshop „Street<br />

Photography“.<br />

„Ich habe nicht<br />

aufgegeben und so<br />

wieder eine Wohnung<br />

gefunden.“<br />

LEMMY<br />

31


Jürgen nennt sein Bild<br />

oben „Kontorschnecke“.<br />

Der Kontrast und<br />

die Farben gefallen<br />

ihm besonders gut.<br />

Das Foto unten links hat<br />

Norbert im Gängeviertel<br />

gemacht. „Ich bin durch<br />

die Stadt gelaufen, habe<br />

es gesehen und dann<br />

einfach abgedrückt.<br />

So etwas findet man<br />

nicht überall.“<br />

Für eine gute Perspektive<br />

tut Mario alles –<br />

auch im Alten Land in<br />

eine Obstkiste klettern.


Stadtgespräch<br />

„Ich renne oft<br />

quer durch die Stadt und<br />

finde so Motive.“<br />

NORBERT<br />

Landschaftsfotografie war das Thema beim Workshop im<br />

Alten Land. Die Gruppe war zu Gast auf dem Obsthof von<br />

Christa Schlesselmann und Maik Stölken (hinten auf der<br />

Leiter). Interessantes über Bildausschnitt, Perspektive und<br />

Äpfel haben Lemmy, Andreas, Alexander, Sybille aus der<br />

Öffentlichkeitsarbeit, Elsa, Vertriebsmitarbeiterin Meike,<br />

Erich und Vertriebsmitarbeiter Sergej gelernt. Vorne im Bild:<br />

Mario (links) und Norbert. Elsa hatte kurzzeitig ihren Rollator<br />

gegen den Trecker von Bauer Stölken getauscht.


Mario nennt das Bild<br />

„Die Straße in den Himmel“:<br />

„Es ist während der Fahrt entstanden.<br />

Die Straße führte wirklich in die<br />

Wolken, und es war keine Stadt im<br />

Hintergrund zu sehen.“<br />

Sergej nutzt meistens alte Objektive zum<br />

Fotografieren. „Die machen spezielle Bilder,<br />

die kriegt man mit den heutigen einfach<br />

nicht hin“, sagt er. Der Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Vertriebsmitarbeiter<br />

hat schon mit Anfang 20 in seiner<br />

litauischen Heimat mit Kameras experimentiert.<br />

34


Stadtgespräch<br />

Lena Maja Wöhler hat als<br />

Fotografin unseren Fotowettbewerb<br />

schon zum dritten Mal<br />

begleitet. Die besten Fotos sind in<br />

den Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Vertriebsräumen<br />

ausgestellt: Altstädter Twiete 1-5,<br />

Mo–Fr, 9.30–13.30 Uhr und<br />

14.30–18 Uhr, Eintritt frei.<br />

Betriebskostenkonfus?<br />

Unser Rat zählt.<br />

Beim Strohhause 20<br />

mieterverein-hamburg.de<br />

im Deutschen Mieterbund<br />

879 79-0<br />

Jetzt<br />

Mitglied<br />

werden<br />

20097 Hamburg<br />

L<br />

emmy strahlt. „Das war ein schöner Tag.<br />

So still! Und die vielen Tiere!“ Der<br />

Hinz&Künztler hat den Ausflug in den<br />

Wildpark Schwarze Berge total genossen.<br />

Auch Norbert ist froh. „Das erinnert mich an meine<br />

slowakische Heimat, da ist es auch so grün.“ Tolle<br />

Fotos für unseren Fotowettbewerb haben die beiden<br />

und ihre Kollegen währenddessen auch gemacht –<br />

und für ungewöhnliche Perspektiven alles gegeben:<br />

Sie sind auf dem Bauch gerobbt, um Babyziegen vor<br />

die Linse zu kriegen, und auf Bäume geklettert.<br />

Den Fotowettbewerb für Verkäufer gibt es regelmäßig,<br />

aber bisher sind alle Teilnehmer auf eigene<br />

Faust losgezogen. Da die meisten keine Kamera und<br />

wenig Erfahrung haben, war die Bildqualität nicht<br />

optimal. Das wollten wir in diesem Jahr besser machen!<br />

Deshalb konnten alle Profikameras nutzen und<br />

in drei Workshops etwas über Tiefenschärfe, Bildausschnitt<br />

und Motivwahl lernen. Ganz nebenbei entpuppten<br />

sich die Touren in die Innenstadt, in den<br />

Wildpark und ins Alte Land als super Gruppenerlebnisse.<br />

Die Stimmung war mal ausgelassen wie beim<br />

Kindergeburtstag, mal konzentriert wie an der Hochschule.<br />

Oft versanken die Hinz&Künztler so in ihre<br />

Bilderjagd, dass sie Zeit und Raum vergaßen.<br />

Mehrere Hundert Fotos sind bei den Exkursionen<br />

zusammengekommen. Keine leichte Wahl für<br />

die Jury aus Fotograf Dmitrij Leltschuk, Chefredakteurin<br />

Birgit Müller, Geschäftsführer Jens Ade, Vertrieblerin<br />

Meike Lehmann, Öffentlichkeitsarbeiterin<br />

Sybille Arendt und Praktikantin Marina Schünemann.<br />

Auch Lena Maja Wöhler ist zufrieden: „Die<br />

Hinz&Künztler haben ein gutes Auge.“ •<br />

abasto<br />

ökologische Energietechnik<br />

Für mehr soziale Wärme<br />

und eine klimaschonende<br />

Strom- und Wärmeversorgung.<br />

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Kontakt: sybille.arendt@hinzundkunzt.de<br />

Der Jahreskalender mit zwölf Motiven ist für<br />

4,80 Euro bei den Verkäufer*innen und in unserem<br />

Shop erhältlich. Dort gibt es auch ein Postkartenset mit<br />

fünf Motiven (10 Euro). Infos: www.hinzundkunzt.de<br />

35<br />

Foto: Sinje Hasheider


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>320</strong>/OKTOBER <strong>2019</strong><br />

„Da hätte<br />

die Politik<br />

ein Korrektiv<br />

nötig gehabt.“<br />

Führt direkte Demokratie zu besseren Entscheidungen? Joachim Lau vom<br />

Verein „Mehr Demokratie“ und Landespastor und Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Herausgeber<br />

Dirk Ahrens im Streitgespräch über jüngste Bürgerbegehren,<br />

umstrittene Volksinitiativen und neue Formen der Beteiligung.<br />

MODERATION: ULRICH JONAS<br />

FOTOS: ANDREAS HORNOFF<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>: In Winterhude hat<br />

eine Initiative kürzlich den Bau von<br />

109 Wohnungen per Bürgerentscheid<br />

verhindert. Was haben Sie gedacht,<br />

als Sie das erfahren haben?<br />

DIRK AHRENS: Da schlagen zwei Herzen in<br />

meiner Brust: Als Diakoniker, der um<br />

den Mangel an bezahlbarem Wohnraum<br />

weiß, finde ich es bedenklich,<br />

wenn vielerorts Bauvorhaben gestoppt<br />

werden. Andererseits kann ich die Gegner<br />

verstehen. Ich wohne 200 Meter<br />

entfernt von der Fläche, um die es ging.<br />

Würde ich noch 100 Meter näher wohnen,<br />

und läge keine Häuserreihe dazwischen,<br />

fände ich das Projekt wahrscheinlich<br />

auch belastend – weil es mich<br />

stören würde, dass direkt vor meiner<br />

Nase gebaut wird.<br />

JOACHIM LAU: Es gab Kompromissverhandlungen.<br />

Dass die nicht zum Erfolg<br />

geführt haben, ist ärgerlich. Eine Einigung<br />

ist auch an der Frage gescheitert,<br />

wie viele Sozialwohnungen gebaut<br />

werden und mit wie vielen Jahren<br />

Mietpreisbindung.<br />

Hätte die Initiative „SOS Mühlenkampkanal“<br />

ihren Widerstand aufgegeben,<br />

wenn der Investor zugesagt hätte:<br />

„Ich baue 109 Sozialwohnungen mit<br />

30 Jahren Bindung“?<br />

LAU: Das weiß ich nicht. Die Angebote<br />

waren jedenfalls nicht gut genug. Eine<br />

Zusage, die Mieten in den ersten fünf<br />

Jahren auf höchstens neun Euro zu begrenzen,<br />

ist nichts Halbes und nichts<br />

Ganzes.<br />

AHRENS: Das Angebot war nicht gut. Ich<br />

unterstelle aber, dass eine Mehrheit<br />

auch dann gegen das Bauprojekt gestimmt<br />

hätte, wenn der Investor zu<br />

besseren Zusagen bereit gewesen wäre.<br />

„Das beste Bürgerbegehren<br />

ist das, das gar nicht erst<br />

starten muss.“<br />

JOACHIM LAU<br />

36


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Bauliche Verdichtung ist immer unangenehm<br />

– aber wahrscheinlich notwendig,<br />

um ausreichend bezahlbaren<br />

Wohnraum zu schaffen.<br />

Der Investor hat angedeutet, dass er sich von<br />

seinen Plänen nicht verabschiedet hat. Können<br />

Sie sich vorstellen, dass der Bürgerentscheid<br />

durch die Hintertür umgangen wird?<br />

LAU: Dann gibt es das nächste Bürger ­<br />

begehren.<br />

Aber wäre das nicht ein fatales Signal an<br />

die Bürger, nach dem Motto: Ihr dürft mal<br />

direkte Demokratie spielen, aber letztlich läuft<br />

es so, wie Politik und Investoren es wollen?<br />

AHRENS: Das würde Politikverdrossenheit<br />

fördern. Wenn es zu einem Bürgerentscheid<br />

kommt, muss man das Ergebnis<br />

akzeptieren. Besser ist, es kommt gar<br />

nicht erst zu einem Entscheid.<br />

LAU: Das sehe ich auch so: Das beste<br />

Bürger­ oder Volksbegehren ist das, das<br />

gar nicht starten muss, weil die Signale<br />

gehört worden sind.<br />

Durch echte und frühzeitig durchgeführte<br />

Bürgerbeteiligung könnte man<br />

dies erreichen, da gibt es Handlungsbedarf.<br />

Auf Landesebene hat die Volksinitiative<br />

„Mehr Hände für Hamburger Kitas“ für<br />

zusätzliches Personal in Kindertagesstätten<br />

gesorgt – Ergebnis eines Kompromisses mit<br />

dem Senat, der einen Volksentscheid verhindern<br />

wollte. Ein Beispiel dafür, wie direkte<br />

Demokratie zu politischen Entscheidungen<br />

führt, die näher am Gemeinwohl liegen?<br />

AHRENS: Schön, wenn alle zufrieden sind.<br />

Die Vorgaben jedenfalls, die die Initiative<br />

gefordert hat, wären aus heutiger<br />

Sicht richtig schädlich gewesen.<br />

„Das Entscheidende ist die<br />

kompetente Beschäftigung mit<br />

einem Thema.“<br />

LAU: Da haben Sie vielleicht recht. Aber<br />

ich finde den Kompromiss nicht<br />

schlecht. Und vielleicht sind durch die<br />

Volksinitiative Prozesse beschleunigt<br />

worden. Und: Auch das Volk hat das<br />

Recht, übers Ziel hinauszuschießen.<br />

Wir haben keine Elbphilharmonie zu<br />

verantworten und keine HSH Nordbank.<br />

Da hätte die Politik ein Korrektiv<br />

nötig gehabt.<br />

Was schlagen Sie vor?<br />

LAU: Aus unserer Sicht sollte die Demokratie<br />

auf drei Säulen stehen: Als eine<br />

Säule steht das Parlament. Als weitere<br />

Säule, häufig zur Korrektur, die Möglichkeit<br />

von Volksinitiativen, die wie<br />

„Unser Hamburg – unser Netz“ etwa<br />

DIRK AHRENS<br />

dafür sorgen, dass die Grundversorgung<br />

in den Händen der Stadt bleibt. Und als<br />

dritte Säule wünschen wir uns das, was<br />

in Irland beim Streit über Homo­Ehe<br />

und Abtreibung großen Erfolg gehabt<br />

hat: die sogenannten Bürgerräte, bei denen<br />

100 nach soziodemografischen<br />

Merkmalen ausgewählte Bürger sich<br />

mehrere Wochenenden zusammensetzen<br />

und mithilfe neutraler Experten<br />

Vorschläge erarbeiten, die durch Parlament<br />

beziehungsweise Volk abgesegnet<br />

werden (siehe auch Kolumne Seite 39, Red.).<br />

AHRENS: Ich finde das irische Verfahren<br />

super. Das Entscheidende ist die<br />

kompetente Beschäftigung mit einem<br />

Thema über einen längeren Zeitraum.<br />

Das ist die beste Form, Ängste zu<br />

Auch im Streitgespräch<br />

in vielen Punkten einer<br />

Meinung: Joachim Lau<br />

(links) und Dirk Ahrens.<br />

Warum?<br />

AHRENS: Bei dem Fachkräftemangel, der<br />

derzeit herrscht, hätten wir letztendlich<br />

möglicherweise Kitas schließen<br />

müssen, weil wir den geforderten<br />

Betreuungsschlüssel nicht überall hätten<br />

erreichen können. Eltern und Kinder<br />

hätten ihre Kitaplätze verloren.<br />

Gerade ärmere Familien sind aber darauf<br />

angewiesen, dass beide Eltern arbeiten<br />

gehen können.<br />

37


Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Autor<br />

Ulrich Jonas (linkes<br />

Bild, Mitte) moderierte<br />

den Austausch zwischen<br />

Joachim Lau<br />

(links) und Dirk Ahrens.<br />

nehmen und populistische Tendenzen<br />

auszuschließen.<br />

LAU: Und es ist gerade für sozial Benachteiligte<br />

gut, weil wirklich alle<br />

mitsprechen.<br />

Knapp 150 Bürgerbegehren in gut<br />

20 Jahren: Sind die Hamburger besonders<br />

engagierte Demokraten?<br />

LAU: Bürgerbegehren sind immer ein<br />

Zeichen, dass etwas schiefläuft, dass<br />

Bürger nicht gehört werden. Ich sehe<br />

die Hamburger Bilanz mit gemischten<br />

Gefühlen: Sehr viele Begehren sind<br />

vom Senat durch die sogenannte Evokation<br />

einkassiert worden – die Behauptung<br />

also, der Inhalt des Bürgerbegehrens<br />

betreffe gesamtstädtische Fragen<br />

und könne daher nicht im Bezirk entschieden<br />

werden.<br />

Das lässt die Bürger ärgerlicher zurück<br />

als zuvor. Deshalb fordern wir,<br />

Bürger- und Volksbegehren in Hamburg<br />

Seit 1996 können Hamburger jenseits von Wahlen mitbestimmen. Mit einer<br />

Volksinitiative können Engagierte auf Landesebene Anliegen vor die Bürgerschaft<br />

bringen. Dafür sind 10.000 Unterschriften nötig, die in sechs Monaten gesammelt<br />

werden müssen. Macht sich das Parlament das Anliegen nicht innerhalb von<br />

vier Monaten zueigen, können die Initiatoren ein Volksbegehren einleiten.<br />

Für dessen Erfolg müssen fünf Prozent der Wahlberechtigten (rund 60.000 Bürger)<br />

in drei Wochen unterschreiben. Übernimmt die Bürgerschaft ein erfolgreiches<br />

Volksbegehren nicht innerhalb weiterer vier Monate, kommt es zum Volksentscheid.<br />

Das Parlament kann einen eigenen Vorschlag zur Abstimmung stellen.<br />

Erfolg hat die Vorlage, die die Mehrheit der Stimmen erhält und der mindestens<br />

20 Prozent aller Wahlberechtigten zustimmen. Volksentscheide sind rechtlich<br />

verbindlich.<br />

Ein Bürgerentscheid ist dagegen nicht rechtlich verbindlich, sondern entspricht<br />

nur dem Beschluss einer Bezirksversammlung. Dem Bürgerentscheid geht das<br />

Bürgerbegehren voraus. Damit es Erfolg hat, müssen mindestens drei Prozent der<br />

Wahlberechtigten des Bezirks innerhalb von sechs Monaten unterschreiben.<br />

Stimmt die Bezirksversammlung dem Anliegen nicht zu, kommt es zum Bürgerentscheid,<br />

bei dem das Bezirksparlament eine eigene Vorlage zur Abstimmung stellen<br />

kann. Die Mehrheit der Stimmen entscheidet. Mehr Infos und aktuelle Initiativen<br />

und Begehren unter www.hh.mehr-demokratie.de<br />

dass Bürgerentscheide für alle verbindlich<br />

sein müssen.<br />

AHRENS: Ich finde das Evokationsrecht<br />

wichtig, weil es deutlich macht, wer für<br />

die Politik in dieser Stadt verantwortlich<br />

ist. Schließlich leben wir in einer repräsentativen<br />

Demokratie! Und nicht jedes<br />

Bürgerbegehren ist von Uneigennützigkeit<br />

getrieben oder davon, dass Politiker<br />

Mist gebaut haben, sondern eben leider<br />

auch von Gruppenegoismen.<br />

Mein Interesse ist, dass wir den indirekten<br />

Verteilungskampf, den es leider<br />

gibt, durch solche Verfahren nicht<br />

verschärfen. Dass die Vermögenderen<br />

mit dem besseren Rechtsbeistand, höherer<br />

Bildung und größerer Mobilisierungskompetenz<br />

nicht noch weiter gestärkt<br />

werden.<br />

LAU: Ein Bürgerbegehren muss vor den<br />

Wählenden bestehen. Das geht schlecht,<br />

wenn es von Egoismus getrieben wird.<br />

Menschen, die Bürgerbegehren anschieben,<br />

sind durchaus meist gemeinwohlorientiert<br />

– entgegen allen anderslautenden<br />

Aussagen.<br />

Es drängt sich aber tatsächlich der Eindruck<br />

auf, dass vor allem die Gutorganisierten<br />

38


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

„Nicht jedes Bürgerbegehren<br />

ist von<br />

Uneigennützigkeit<br />

getrieben.“ DIRK AHRENS<br />

und Gebildeten die Instrumente der<br />

direkten Demokratie nutzen.<br />

LAU: Was heißt gut organisiert? Bei<br />

dem Bürgerbegehren in Langenhorn,<br />

für das ich mich engagiert habe,<br />

waren wir 20 bis 30 Leute aus<br />

der Nachbarschaft.<br />

Aber hätte es die auch in Mümmelmannsberg<br />

oder Steilshoop geben können?<br />

LAU: Das Problem ist dasselbe, wenn<br />

die Wahlbeteiligung in solchen<br />

Stadtteilen geringer ausfällt als anderswo.<br />

Das ist für mich kein Argument<br />

gegen Bürgerbegehren.<br />

Könnte das Verfahren verbessert werden,<br />

um mehr Chancengleichheit zu schaffen?<br />

LAU: Die Unterschriften von drei Prozent<br />

der Wahlberechtigten in sechs<br />

Monaten zu sammeln, ist viel Arbeit.<br />

Das können nur Menschen<br />

leisten, die die Zeit haben, sich ehrenamtlich<br />

zu engagieren.<br />

Das Volksbegehren für mehr Pflegekräfte<br />

darf nicht durchgeführt werden, hat das<br />

Hamburgische Verfassungsgericht im<br />

Mai entschieden. Zuständig für das<br />

Thema sei der Bund, heißt es unter<br />

anderem in der Begründung.<br />

Eine richtige Entscheidung?<br />

LAU: Nein. Der Bund legt nur Mindeststandards<br />

fest, warum sollen die<br />

Hamburger Bürgerinnen und Bürger<br />

nicht über eine bessere Pflege<br />

abstimmen dürfen? Aber ich habe<br />

nichts anderes erwartet, denn das<br />

Verfassungsgericht besteht aus zu<br />

vielen politiknahen Personen.<br />

AHRENS: Formaljuristisch ist die Entscheidung<br />

vermutlich richtig. Wichtiger<br />

ist mir aber auch hier der Inhalt<br />

des Begehrens: So sehr ich mir mehr<br />

Pflegekräfte wünsche, so sehr muss<br />

ich doch zur Kenntnis nehmen, dass<br />

es sie wegen des Fachkräftemangels<br />

zurzeit nicht in ausreichender Zahl<br />

gibt. Eine Stärkung des Berufsstandes<br />

ist unumgänglich, wird aber viele<br />

Jahre dauern. Wenn wir jetzt den<br />

verbindlichen Fachkräfteschlüssel erhöhten,<br />

würde das unweigerlich zur<br />

Schließung von Stationen führen. Eine<br />

Katastrophe für alle Betroffenen.<br />

Gut, dass das vom Tisch ist! •<br />

Kontakt: ulrich.jonas@hinzundkunzt.de<br />

Modellprojekt<br />

Frischekur für<br />

die Demokratie<br />

Jeder dritte Wahlberechtigte in<br />

Deutschland hält die Demokratie<br />

nicht mehr für die beste Staatsform.<br />

In Ostdeutschland sind sogar<br />

nur 42 Prozent mit ihr zufrieden,<br />

so das Ergebnis einer<br />

repräsentativen Umfrage. Höchste<br />

Zeit also, die Menschen stärker<br />

bei politischen Entscheidungs ­<br />

pro zessen einzubeziehen, meint<br />

der „Bürgerrat Demokratie“, ein<br />

Bündnis aus Wissenschaftlern und<br />

der Initiative „Mehr Demokratie“.<br />

Mithilfe eines Modellprojekts wollen<br />

sie auf Bundesebene eine neue<br />

Form der Mitbestimmung testen:<br />

das Bürgergutachten.<br />

Das Verfahren besteht aus drei<br />

Teilen: Im Frühsommer haben je<br />

50 Bürger und je 15 Politiker auf<br />

Regionalkonferenzen Fragestellungen<br />

und Themen gesammelt.<br />

Im September kamen 160 zufällig<br />

ausgewählte Menschen zusammen,<br />

die in ihrer Unterschiedlichkeit<br />

die Bevölkerung repräsentieren.<br />

Sie haben an zwei Wochenenden<br />

– begleitet von Experten –<br />

konkrete Vorschläge erarbeitet,<br />

wie die Demokratie in Deutschland<br />

verbessert werden kann.<br />

Diese sollen im November Bundestag<br />

und Bundesregierung übergeben<br />

werden. Finanziert wird das<br />

Projekt durch Spenden aus der<br />

Bevölkerung.<br />

Vorbild der Initiatoren ist<br />

Irland. Dort werden seit 2012 gesellschaftliche<br />

Konfliktthemen in<br />

Bürgerversammlungen behandelt.<br />

Die Erfahrungen sind gut: Für die<br />

hoch umstrittene Reform des Abtreibungsrechts<br />

etwa erarbeiteten<br />

99 zufällig ausgewählte Bürger mit<br />

Unterstützung von Experten eine<br />

Fristenlösung. Das Parlament übernahm<br />

den Vorschlag für die nötige<br />

Verfassungsänderung, die auch eine<br />

Mehrheit der Bevölkerung bei<br />

einer Volksabstimmung befürwortete.<br />

So fand ein jahrzehntelanger<br />

Streit ein gutes Ende. UJO •<br />

Mehr Infos unter www.buergerrat.de<br />

39


Schwangen die Maurerkelle (von links): Bezirksamtsleiter Falko<br />

Droßmann, Amalie Sieveking-Stiftungsvorstand Bettina Bohne,<br />

Architekt Wolfram Tietz und Polier Nico Wagner.<br />

Der Grundstein fürs<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus ist gelegt<br />

Mitten in St. Georg entsteht unser neues Haus, mit viel Platz für den Verlag und<br />

mit Wohnungen für 24 Hinz&Künztler. Jetzt wurde der Grundstein gelegt – und mit<br />

ihm ein ganz besonderes Fundament für die Zukunft des Projekts.<br />

TEXT: BENJAMIN LAUFER<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Heute hat Johannes Jörn den<br />

Hut auf – oder vielmehr<br />

den Helm. Der Vorstand<br />

der Amalie Sieveking-Stiftung<br />

steht am 11. September in der<br />

Baugrube für das neue Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />

Haus in der Minenstraße und moderiert.<br />

„Ein Grundstein ist ein Sinnbild<br />

für etwas, auf dem Neues entsteht und<br />

sich Geschichten ereignen werden“,<br />

sagt Jörn vor dem zahlreich erschienenen<br />

Publikum. „Er ist auch als Gruß an<br />

die Nachwelt gedacht.“<br />

In den Grundstein wird eine Schatulle<br />

eingelassen, nach alter Tradition.<br />

Ihr Inhalt: Die aktuellen Ausgaben von<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>, taz und Abendblatt, Bauzeichnungen<br />

und 1832 Centstücke –<br />

40<br />

eine Anspielung auf das Gründungsjahr<br />

der Amalie Sieveking-Stiftung.<br />

Außerdem in der Schatulle: der erste<br />

noch auffindbare und der aktuellste<br />

Verkaufsausweis von Hinz&Künztlern.<br />

Dass dieser Grundstein endlich gelegt<br />

werden konnte, hat eine lange Vorgeschichte.<br />

„Es ist genau neun Jahre<br />

her, dass ich den ersten Brief im Hin-


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> intern<br />

„Vor neun Jahren<br />

habe ich den<br />

ersten Brief<br />

für dieses Haus<br />

geschrieben.“ JENS ADE<br />

blick auf dieses Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus geschrieben<br />

habe“, erzählt der scheidende<br />

Geschäftsführer Jens Ade. Und er<br />

schiebt – nicht ohne Augenzwinkern –<br />

hinterher: „Dass schon nach neun Jahren<br />

der Grundstein gelegt wird, das ist<br />

emotional eine ganz großartige Sache.“<br />

Das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus entsteht in<br />

Zusammenarbeit mit zwei Stiftungen:<br />

Die Amalie Sieveking-Stiftung überlässt<br />

das Grundstück per Erbpacht der Mara<br />

& Holger Cassens-Stiftung, die das<br />

Haus finanziert und baut. „Das Besondere<br />

am Projekt ist, dass Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

endlich eigene Wohnungen hat, in denen<br />

sie Hinz&Künztler unterbringen<br />

können, damit sie den ersten Schritt in<br />

eine normale Zukunft machen können“,<br />

sagt Bauherr Holger Cassens.<br />

Denn direkt über den Büros des<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verlages entstehen mitten<br />

in St. Georg Wohngemeinschaften für<br />

24 Verkäufer, die auf dem Hamburger<br />

Wohnungsmarkt sonst keine Bleibe<br />

finden. Das lobt auch Bezirksamtsleiter<br />

Falko Droßmann (SPD) nach der<br />

Grundsteinlegung: „Bezahlbaren<br />

Wohnraum schaffen, auch für Obdachlose,<br />

in einem historisch sehr bedeutsamen<br />

Umfeld mitten in der Stadt: Das<br />

ist eine tolle Leistung, die hier alle vollbracht<br />

haben.“<br />

Jetzt soll alles ganz schnell gehen:<br />

In einem Jahr wird das Richtfest im<br />

Stiftsviertel St. Georg gefeiert – und im<br />

Sommer 2021 dann Hinz&<strong>Kunzt</strong> einziehen.<br />

Samt 24 Hinz&Künztlern, die<br />

dort wohnen bleiben können, so lange<br />

sie mögen. •<br />

Kontakt: benjamin.laufer@hinzundkunzt.de<br />

Ziehen an einem Strang (unten von links): Holger Cassens und<br />

Ingrid Nümann-Seidewinkel (beide Cassens-Stiftung), Bettina Bohne<br />

(Sieveking-Stiftung), Bezirksamtsleiter Falko Droßmann, Christian Putschäw und<br />

Wolfram Tietz (Sieveking-Stiftung), Dirk Ahrens (Diakonie), Johannes Jörn<br />

(Sieveking-Stiftung), Michael Mathe (Bezirksamt), Jens Ade (Hinz&<strong>Kunzt</strong>).<br />

41


Seine Tür<br />

stand uns<br />

allen immer<br />

offen: unser<br />

scheidender<br />

Geschäftsführer<br />

Jens Ade in<br />

seinem Büro.<br />

Ach, diese Lücke, …<br />

Nach 15 Jahren bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> geht<br />

unser Geschäftsführer Jens Ade in den Ruhestand.<br />

Danke für alles.<br />

TEXT: ANNETTE WOYWODE<br />

D<br />

ass Jens Ade – Dr. Jens<br />

Ade – überhaupt zu<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> gekommen<br />

ist, ist eigentlich erstaunlich.<br />

Denn im ersten Bewerbungsdurchlauf<br />

fragten wir uns: „Was will der<br />

hier?“ Ein Werber mit Siegelring und<br />

keinerlei Erfahrung in sozialen Einrichtungen.<br />

Jens wiederum erinnert sich mit<br />

wohligem Grausen an vorurteilsstrotzende<br />

Fragen wie die, was für ein Auto<br />

er denn fahre. „Ich habe damals geantwortet:<br />

,Ach wissen Sie, meine Porschezeit<br />

habe ich hinter mir, ich fahre jetzt<br />

einen alten Mini‘“, erzählt der 67-Jährige<br />

und lacht noch immer über unsere<br />

pikierten Gesichter.<br />

Womit wir gleich bei einer seiner<br />

Eigenschaften wären, die wir an ihm so<br />

lieben: seinen Humor. „Diesen intelligenten<br />

Witz und Sarkasmus“, wie es<br />

Marcel Stein aus dem Vertrieb ausdrückt.<br />

Aber natürlich war das nicht der<br />

Grund dafür, dass wir uns vor genau<br />

15 Jahren für ihn entschieden haben –<br />

und umgekehrt. Uns wurde schnell klar:<br />

Dieser Mann ist ein Team player. Und<br />

darin haben wir uns nicht getäuscht.<br />

Stattdessen durften wir immer neue<br />

Qualitäten an Jens entdecken. Umso<br />

schwerer fällt es uns jetzt, unseren Chef<br />

nach einer so langen, fruchtbaren, intensiven<br />

gemeinsamen Zeit in den Ruhestand<br />

zu verabschieden. „Er war immer<br />

unser Fels in der Brandung“, sagt Chefredakteurin<br />

Birgit Müller. „Wir werden<br />

ihn ganz schön vermissen.“<br />

„Wenn ich bedenke, wie er unseren<br />

Hühnerhaufen zusammengehalten<br />

FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK (OBEN UND S. 43 MITTE), MAURICIO BUSTAMANTE, PRIVAT (UNTEN LINKS)<br />

42


hat“, sagt Susanne Wehde<br />

aus der Buchhaltung. Dazu<br />

muss man wissen, dass<br />

das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Team<br />

aus lauter Alphatierchen<br />

besteht. Alle gesegnet mit<br />

viel Energie, guten Ideen<br />

und starken Meinungen. Sozialarbeiter<br />

Stephan Karrenbauer fasst es so zusammen:<br />

„Er war immer ein Teamplayer,<br />

auch wenn das Team nicht einfach<br />

war.“ Solange der Laden lief, hat Jens<br />

uns in unserer Arbeit maximale Freiheit<br />

gelassen. Unserer Kreativität hat das<br />

gutgetan – egal, ob es sich um irre Aktionen<br />

wie unser Restaurant auf Zeit<br />

zum 25-jährigen Jubiläum handelte<br />

oder darum, Arbeitsprojekten eine<br />

Chance zu geben. Wir durften auch<br />

einfach mal etwas ausprobieren. Immer<br />

Jens’ Motto folgend: „Zahlen haben<br />

Jens war wie<br />

ein Werbebanner<br />

für uns.<br />

mich noch nie interessiert. Es sind die<br />

Inhalte. Und wenn die stimmen, stimmen<br />

auch die Zahlen.“ Das bedeutet<br />

auch, dass Jens immer im Blick hatte,<br />

wenn etwas aus dem Ruder lief. Dann<br />

hat er klare Grenzen gesetzt. Und die<br />

wurden von uns allen anerkannt.<br />

Bei all dem merkten wir schnell,<br />

dass uns dieser Mann aus der Werbung<br />

unglaublich bereichert: „Er war wie<br />

ein Werbebanner für uns, hat uns bis in<br />

den letzten Winkel Hamburgs getragen“,<br />

sagt Gabriele Koch aus dem<br />

Spendenmarketing. Nicht nur sein gesamtes<br />

persönliches Umfeld wurde Teil<br />

der Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Familie, er hat auch<br />

Zum 20. Geburtstag von<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> konnte<br />

Jens Ade unter anderem<br />

Tagesschausprecherin<br />

Judith Rakers als Kampagnenmodel<br />

gewinnen. Fünf Jahre<br />

später führen er und Chefredakteurin<br />

Birgit Müller durch<br />

unseren Jubiläumsabend<br />

in der Markthalle.<br />

immer wieder seine alten Kontakte<br />

in die Werbebranche für<br />

uns fruchtbar gemacht, Ex-Kollegen<br />

für uns begeistert und<br />

eingespannt.<br />

Dadurch entstanden Kampagnen<br />

für uns, von denen andere<br />

soziale Projekte nur träumen.<br />

Legendär sind zum Beispiel<br />

die Plakatmotive zu unserem<br />

20-jährigen Geburtstag, auf denen<br />

uns Prominente zum Jubiläum<br />

gratulierten. Jens wollte<br />

niemand geringeres als Helmut Schmidt<br />

dafür gewinnen – und er hat es geschafft.<br />

Eine nachwirkende Begegnung:<br />

„Wir hatten fürs Foto im Büro eingeleuchtet.<br />

Irgendwann kam Helmut<br />

Schmidt rein und fragte in seiner etwas<br />

ruppigen Art: ,Was machen wir hier eigentlich‘<br />

– obwohl sein Büro ihn natürlich<br />

bestens informiert hatte“, erinnert<br />

sich Jens, der sich sofort vorkam wie ein<br />

Schuljunge vor seinem strengen Lehrer.<br />

„Helmut Schmidt hat dann einige Fragen<br />

zu Hinz&<strong>Kunzt</strong> gestellt, auch, wie<br />

wir uns finanzieren. Ich hab erklärt,<br />

dass wir keine staatlichen Zuschüsse bekommen,<br />

aber viele, viele Kleinspender<br />

haben. Er daraufhin: ,Also, Sie haben<br />

keine Großspender?‘ ,Nein, aber Kleinvieh<br />

macht auch Mist.‘ Daraufhin<br />

schaute mich Helmut Schmidt geradezu<br />

schelmisch an, beugte sich leicht vor<br />

und sagte: ,Ja, aber Großvieh macht<br />

mehr Mist.‘“<br />

Noch immer lacht Jens lich über den Schalk,<br />

herzden<br />

er bei Helmut<br />

Schmidt im Nacken<br />

sitzen sah. Und natürlich<br />

wusste Jens immer, dass<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> viele Ideen<br />

nicht ausschließlich mithilfe<br />

von Kleinspendern<br />

Auch zu angeblich schwierigen Hinz&Künztlern hatte Jens<br />

einen engen Draht, wie hier mit dem „Kommandante“ (Bild<br />

links, von links) und Kasimir ( †). Für Späße war Jens immer zu<br />

haben. Für einen Satirebeitrag (oben) schlüpfte er in die Rolle<br />

des damaligen HSH-Nordbank-Chefs Dirk Nonnenmacher.<br />

43


Gutes Team: Sozialarbeiter<br />

Stephan Karrenbauer<br />

(rechts) und Jens Ade.<br />

verwirklichen kann. Vor allem nicht unseren<br />

Wunsch, Wohnungen für unsere<br />

Verkäufer zu schaffen. Jens ist es zu verdanken,<br />

dass sich mittlerweile Menschen<br />

dazu entschließen, Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

in ihrem Testament zu bedenken. Auch<br />

Wir wussten<br />

immer: Jens<br />

steht hinter uns.<br />

unser Gedenkanker in der Hafencity,<br />

auf dem die Namen der Testamentsspender<br />

auf Wunsch verewigt werden,<br />

war seine Idee. Ihr Geld ist es, das unter<br />

anderem in das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus<br />

fließt, das für uns gebaut wird (siehe Seite<br />

40) und in dem neben unseren Ge-<br />

schäfts- und Redaktionsräumen<br />

auch Wohnungen<br />

für Hinz&Künztler<br />

entstehen.<br />

Apropos unsere<br />

Hinz&Künztler.<br />

Sie sind es natürlich,<br />

für die wir alle<br />

arbeiten. Die Frage,<br />

Als wir im Dezember 2017<br />

für die ganztägige Öffnung<br />

des Winternotprogramms<br />

demonstrierten, hat Jens<br />

bei der Performance in<br />

Bademänteln (links)<br />

selbstverständlich mitgemacht.<br />

wie der Werber ohne Erfahrungen im<br />

sozialen Bereich wohl mit unseren Obdach-<br />

und Wohnungslosen zurechtkommt<br />

– sie erübrigte sich in kürzester<br />

Zeit. „Von Anfang an wollte Jens, dass<br />

sein Büro dort ist, wo das Leben spielt“,<br />

sagt Stephan Karrenbauer: direkt neben<br />

dem Vertriebsraum, in dem unsere Verkäufer<br />

die Magazine kaufen. Seine Tür<br />

stand immer offen. Immerhin 3107<br />

Menschen haben in seiner Zeit als Geschäftsführer<br />

bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> einen<br />

neuen Verkäuferausweis bekommen.<br />

Darunter sind viele Menschen, die<br />

schwere Probleme haben oder sehr<br />

krank sind. „Jens hat<br />

ihnen immer zugehört<br />

– und er hat ein<br />

besonderes Herz für<br />

die, die als schwierig<br />

gelten“, sagt Birgit<br />

Müller. „Was nicht heißt, dass er keine<br />

Grenzen setzt. Aber klar war immer: Er<br />

mag die Leute. Genau das spüren sie.“<br />

Sogar wenn es mal brenzlig wurde,<br />

hat Jens diese Linie nie verlassen. Im Gegenteil:<br />

„In turbulenten Zeiten wird Jens<br />

ganz ruhig“, sagt Stephan Karrenbauer,<br />

„und man wusste immer: Wenn es darauf<br />

ankommt, steht er hinter einem.“<br />

Selbst als uns einmal ein psychisch erkrankter<br />

Verkäufer mit einer angeblich<br />

in der Jacke verborgenen Pistole bedrohte,<br />

hat Jens die Situation entspannt. „Er<br />

hat diesem Verkäufer gegenüber ganz<br />

ruhig ein Hausverbot ausgesprochen<br />

und ist dabei trotz der brenzligen Situation<br />

ihm gegenüber zugewandt geblieben“,<br />

erinnert sich Birgit Müller. „Das<br />

muss man erst mal hinkriegen!“<br />

Egal, welches Teammitglied man<br />

fragt: „Seine Ruhe und Unaufgeregtheit“<br />

sind zwei der Eigenschaften,<br />

Auch den Schauspieler Ulrich<br />

Tukur (linkes Bild) konnte Jens für<br />

uns begeistern. Unten: Wenn er<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> repräsentierte, trug<br />

Jens immer seinen Schal in Pink.<br />

FOTOS: ANNETTE WOYWODE (OBEN), DMITRIJ LELTSCHUK (UNTEN RECHTS),<br />

MAURICIO BUSTAMANTE, PRIVAT (UNTEN LINKS)


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> intern<br />

Sogar im Service spitze: Im<br />

Dezember 2010 servierte Jens in der<br />

Bugenhagenkirche das Weihnachtsessen<br />

für unsere Verkäufer.<br />

JA,<br />

ICH WERDE MITGLIED<br />

IM HINZ&KUNZT-<br />

FREUNDESKREIS.<br />

Damit unterstütze ich die<br />

Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

die uns sicher durch alle Fahrwasser<br />

manövriert haben. Dabei war sich Jens<br />

nie zu schade, überall mit anzupacken,<br />

wenn Unterstützung vonnöten war.<br />

Ihm war es völlig egal, ob er dabei half,<br />

die passende Zeile für ein Titelbild zu<br />

finden, am Ende unseres Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />

Winterprogramms die Wohnungen mit<br />

aufzuräumen oder Möbelspenden für<br />

einen Verkäufer abzuholen.<br />

Um es mal mit dem Schauspieler<br />

und Autor Joachim Meyerhoff auszudrücken:<br />

„Ach, diese Lücke, diese entsetzliche<br />

Lücke!“ – die Jens<br />

auf so vielen Ebenen hinterlässt.<br />

Wir alle spüren sie<br />

schon jetzt ganz genau. Zum<br />

Glück bleibt er uns zumindest<br />

noch für eine Aufgabe<br />

erhalten: Er hat uns in die<br />

Hand versprochen, den Bau<br />

des Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Hauses<br />

noch bis zu dessen Fertigstellung<br />

für uns zu begleiten. Ab<br />

und an bekommen wir ihn<br />

also auch noch in Zukunft zu Gesicht.<br />

Ob das reicht?<br />

Jens, mal ehrlich: „Was wirst du ohne<br />

uns anfangen?“ Auf diese Frage lacht<br />

er bloß. Jens ist ohnehin niemand, der jemals<br />

für irgendetwas groß bedankt oder<br />

in den Vordergrund gestellt werden wollte.<br />

Gott bewahre! Und so sagt er nur<br />

schlicht: „Wenn ich hier weg bin? Das<br />

wird mir nicht leichtfallen.“ Uns auch<br />

nicht. Da kannst du sicher sein. •<br />

Kontakt: annette.woywode@hinzundkunzt.de<br />

Meine Jahresspende beträgt:<br />

60 Euro (Mindestbeitrag für<br />

Schüler/Studenten/Senioren)<br />

100 Euro<br />

Euro<br />

Datum, Unterschrift<br />

Ich möchte eine Bestätigung<br />

für meine Jahresspende erhalten.<br />

(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />

Meine Adresse:<br />

Name, Vorname<br />

Straße, Nr.<br />

PLZ, Ort<br />

Telefon<br />

E-Mail<br />

Einzugsermächtigung:<br />

Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />

Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />

Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />

Dankeschön<br />

IBAN<br />

Wir danken allen, die im September an<br />

uns gespendet haben, sowie allen Mitgliedern<br />

im Freundeskreis von Hinz&<strong>Kunzt</strong> für die<br />

Unterstützung unserer Arbeit!<br />

DANKESCHÖN EBENFALLS AN:<br />

• wk it services<br />

• Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />

• Hamburger Tafel • Axel Ruepp Rätselservice<br />

• Hamburger Kunsthalle<br />

• bildarchiv-hamburg.de<br />

• Jutta Bauer • Spielbudenplatz GmbH<br />

• Kampf der Künste gGmbH<br />

• Michael Vogler für die Abschiedsspende<br />

seiner Kollegen<br />

• Der Klasse SPE18_8C<br />

der Anna-Warburg-Schule für eine Spende<br />

durch Kuchen- und Getränkeverkauf<br />

• Annegret Wolf und ihren<br />

Gästen zum 70. Geburtstag<br />

• Günter und Rotraud Massenberg und ihren<br />

Gästen zur Diamantenen Hochzeit<br />

• Rotary Club Hamburg Elbe e. V.<br />

• Susanne und Heinz-Hermann Rickers und<br />

den Gästen ihrer 145-Jahr-Feier<br />

NEUE FREUNDE:<br />

• Andreas R. Barth • Michel Beck<br />

• Ingrid Brix • Hilke Frerking<br />

• Christopher Heinemann • Philip Jordan<br />

• Friedrich Laugwitz • Hannes Pagel<br />

• Synje Petersen • Evelyn Schnoor<br />

• Sven Stark • Andrea Wolf<br />

BIC<br />

Bankinstitut<br />

Ich bin damit einverstanden, dass mein Name in<br />

der Rubrik „Dankeschön“ in einer Ausgabe des<br />

Hamburger Straßenmagazins veröffentlicht wird:<br />

Ja<br />

Nein<br />

Wir garantieren einen absolut vertraulichen<br />

Umgang mit den von Ihnen gemachten Angaben.<br />

Die übermittelten Daten werden nur zu internen<br />

Zwecken im Rahmen der Spendenverwaltung<br />

genutzt. Die Mitgliedschaft im Freundeskreis ist<br />

jederzeit kündbar. Wenn Sie keine Informationen<br />

mehr von uns bekommen möchten, können Sie<br />

jederzeit bei uns der Verwendung Ihrer personenbezogenen<br />

Daten widersprechen.<br />

Unsere Datenschutzerklärung können Sie<br />

einsehen unter www.huklink.de/datenschutz<br />

Bitte Coupon ausschneiden und senden an:<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Freundeskreis<br />

Altstädter Twiete 1-5, 20095 Hamburg<br />

Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />

45<br />

HK <strong>320</strong>


Buh&Beifall<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>320</strong>/OKTOBER <strong>2019</strong><br />

Was unsere Leser meinen<br />

„Geschlechtergerechte Sprache ist wichtig“<br />

Diskriminierende Sprechweisen<br />

H&K 319, Moderne Sklaverei<br />

Es ist sehr problematisch, dass im Projekt<br />

von „Zimmermädchen“ gesprochen<br />

wird – das reproduziert leider<br />

diskriminierende und abwertende<br />

Sprechweisen. Geschlechtergerechte<br />

Sprache ist wichtig. Außerdem scheint<br />

auf dem durchweg weißen Podium nur<br />

eine Frau zum Thema anwesend zu<br />

sein.<br />

TRUSTTHEGIRLS_ORG VIA INSTAGRAM<br />

Anmerkung der Redaktion: Wir sind mit dem<br />

Begriff Zimmermädchen auch nicht glücklich,<br />

verwenden zunehmend auch „Putzkräfte“<br />

und „Reinigungskräfte“. Was das Podium<br />

betrifft: Wir hatten die Geschäftsführerin des<br />

Dehoga eingeladen, auch eine Wissenschaftlerin,<br />

beide haben leider abgesagt. So saß mit<br />

der Beraterin von der Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />

zwar eine „weiße“ Frau auf<br />

dem Podium – als gebürtige Polin kann sie die<br />

Erfahrungen vieler (Süd­)Osteuropäer/innen<br />

in diesem Gewerbe sehr gut nachvollziehen<br />

und darstellen.<br />

Respekt!<br />

H&K Meldung Grundsteinlegung<br />

Auf dass dieses Haus gelingen möge!<br />

ANDREAS DÜLLICK VIA FACEBOOK<br />

Leserbriefe geben die Meinung des Verfassers<br />

wieder, nicht die der Redaktion. Wir behalten<br />

uns vor, Leserbriefe zu kürzen.<br />

Wir trauern um<br />

Uwe Hinzmann<br />

19. September 1965 – 14. August <strong>2019</strong><br />

Uwe war zuletzt kein aktiver Verkäufer mehr.<br />

Er verstarb im UKE.<br />

Die Verkäufer und das Team von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Wir trauern um<br />

Wilfried Senf<br />

20. Dezember 1958 – 29. August <strong>2019</strong><br />

Wilfried war seit Winter 2016 bei Hinz&<strong>Kunzt</strong>,<br />

er starb im Krankenhaus St. Georg.<br />

Die Verkäufer und das Team von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Wir trauern um<br />

Uta Sternsdorff<br />

10. Januar 1938 – 8. September <strong>2019</strong><br />

Uta hat fast von Anfang an unsere Magazine<br />

Korrektur gelesen. Wir vermissen sie sehr.<br />

Die Verkäufer und das Team von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE<br />

DER ETWAS<br />

ANDERE<br />

STADTRUNDGANG<br />

Ambulanter Pflegedienst<br />

Wir stellen ein:<br />

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Tel.: 040 – 38 68 66 -0<br />

Email: info@solihilfe.de<br />

www.solihilfe.de<br />

Wollen Sie Hamburgs City einmal mit anderen Augen sehen?<br />

Abseits der teuren Fassaden zeigt Hinz&<strong>Kunzt</strong> Orte, die in<br />

keinem Reiseführer stehen: Bahnhofs mission statt Rathausmarkt,<br />

Drogenberatungsstelle statt Alsterpavillon, Tages aufent halts stätte<br />

statt Einkaufspassage.<br />

Anmeldung: bequem online buchen unter<br />

www.hinzundkunzt.de oder Telefon 040/32 10 83 11<br />

Kostenbeitrag: 10/5 Euro<br />

Nächste Termine: 13.10. + 27.10.<strong>2019</strong>, 15 Uhr<br />

Osterstraße 149, Eimsbüttel • HH 43 27 44 11


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Risiko erwünscht: Das Theater-Duo Meyer & Kowsky spielt mit seinem Publikum (S. 48).<br />

Kurz gefragt: Wo waschen Obdachlose ihre Wäsche (S. 56)?<br />

Weit gereist: Hinz&Künztler Viktor kommt ursprünglich aus Sibirien (S. 58).<br />

Draufgehalten, abgedrückt:<br />

Der gelungene Schnappschuss ist<br />

die Königsdisziplin der Amateurfotografie.<br />

Eine Ausstellung im<br />

Museum für Kunst und Gewerbe<br />

verschafft den Werken knipsender<br />

Laien große Auftritte (Seite 53).<br />

FOTO: DANIEL HERRMANN


Blind Date mit<br />

Meyer & Kowski<br />

Der Members’ Club lädt ein zu einem theatralischen Abend<br />

über Liebe und Triebe. Wer dabei sein will, braucht ein<br />

bisschen Mut. Denn fast niemand weiß, was hier gespielt wird.<br />

TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />

FOTOS: ANDREAS HORNOFF<br />

Es fängt an mit einer Mail: „Liebe<br />

neue Freunde des Members’<br />

Club! Wir freuen uns, dass ihr<br />

Lust habt, bei uns teilzunehmen.“<br />

Moment. Teilnehmen? Wobei?<br />

„Wir wollen nicht zu viel verraten …“,<br />

heißt es in der Mail. Aber kurz gesagt: Es<br />

geht um Liebe. Und um Sex. Und zwar<br />

um den Sex, den wir alle gerne hätten. Wer<br />

Lust hat, der Sache einmal spielerisch<br />

nachzugehen, ist eingeladen. Treffpunkt<br />

auf dem Wilhelmsburger Stübenplatz.<br />

Alles andere wird sich dann zeigen. „In<br />

freudiger Erwartung, Meyer & Kowski.“<br />

Bitte was? Bitte wer? Die zweite Frage lässt<br />

sich beantworten: Meyer & Kowski sind<br />

ein Künstlerpaar, das sich auf Theater jenseits<br />

des Theaters spezialisiert hat. Im<br />

wahren Leben heißen sie Susanne Reifenrath<br />

und Marc von Henning, beide sind<br />

Profis und haben lange so gespielt, wie es<br />

die Regeln des klassischen Theaterbetriebs<br />

vorsehen: Das Publikum zahlt Eintritt,<br />

bekommt dafür Werke großer Autoren geboten,<br />

gewürzt mit einer Prise künstlerischen<br />

Eigensinns vonseiten der Regie und<br />

des Ensembles, und nach dem letzten Vorhang<br />

geht’s zurück ins normale Leben.<br />

48<br />

So läuft das nicht bei Meyer & Kowski.<br />

Statt auf der Bühne eine fiktive Wirklichkeit<br />

zu inszenieren, wollen sie tiefer<br />

ins echte Leben eintauchen. „Dazu<br />

brauchen wir das Publikum“, erklärt<br />

Susanne Reifenrath. Es soll ein Raum<br />

entstehen, in dem sich alle so wohlfühlen,<br />

dass sie sich ganz auf das Spiel einlassen.<br />

Auch wenn sich die meisten gar<br />

nicht kennen. Selbst wenn es keine<br />

Karten zu kaufen gibt, auf denen steht,<br />

was gespielt wird. Obwohl es hier um<br />

Themen geht, die das Leben komplett<br />

auf den Kopf stellen können.


Wie abenteuerlustig sind wir in der Liebe? Marc von<br />

Henning und Susanne Reifenrath (links) laden zum<br />

Test ein – fachkundig betreut von Ruth Marie Kröger<br />

(oben, von links), Susanne Pollmeier und Jörg Petzold.<br />

Also hingehen zum Blind Date mit<br />

Meyer & Kowski? Ganz überraschend<br />

kommt die Mail nicht. Alle Adressaten<br />

haben vorher schon vom Members’<br />

Club gehört, von Freunden, Verwandten<br />

oder Kollegen, die schon mal dabei<br />

waren. „Ich melde dich da mal an,<br />

dann wirst du beim nächsten Mal eingeladen“<br />

– so in der Art läuft das. Und<br />

auch, dass es um Liebe geht, um Sex,<br />

Treue, Trennung und Leidenschaft.<br />

Wen, bitteschön, interessiert das nicht?<br />

Na also.<br />

Es geht um<br />

das Dilemma<br />

zwischen Liebe und<br />

Begehren.<br />

So finden sich am Ende etwa 20 Menschen<br />

vor einer Haustür in einem Wilhelmsburger<br />

Hinterhof wieder, ein paar<br />

Gehminuten vom Stübenplatz entfernt.<br />

Marc von Henning grinst verschmitzt.<br />

„Ich klingel mal.“ Die Tür geht auf,<br />

eine Frau im roten Kleid macht auf.<br />

„Hallo! Schön, dass ihr da seid! Ich bin<br />

Susanne.“ Ihr Mann kommt auch dazu,<br />

er heißt Jörg und begrüßt alle mit<br />

Handschlag, während Susanne die Gäste<br />

in die Wohnküche bittet. Schön ist es<br />

hier, ganz hell und stilvoll eingerichtet.<br />

Das Ledersofa ist unheimlich gemütlich.<br />

Gehört es wirklich Susanne und<br />

Jörg? Heißen die überhaupt so? Und<br />

dann ist auch noch eine Paartherapeutin<br />

eingeladen, Dr. Kröger. „Aber bitte<br />

nennt mich einfach Ruth.“<br />

Wer auch immer Dr. Ruth Kröger<br />

ist – was sie zu sagen hat, ist niemandem<br />

in der Wohnküche fremd. Es geht um<br />

das Dilemma zwischen Liebe und Begehren,<br />

das so oft in langjährigen Beziehungen<br />

aufkommt. Jörg und Susanne<br />

stecken zum Beispiel gerade mittendrin.<br />

Wieso ist das so? Was macht uns eigentlich<br />

glücklich? Es dauert nicht lange, bis<br />

diese Fragen wichtiger werden als<br />

die nach Spiel oder Wirklichkeit. Auch<br />

das Fremdsein verfliegt. Alle im Raum<br />

vereint ein Gefühl: ja, kennen wir.<br />

„Es gibt auch Leute, die gehen, weil<br />

sie diese Intimität nicht mögen“, sagt<br />

Susanne Reifenrath. Die meisten aber<br />

kommen auch zum zweiten und dritten<br />

Abend, zu dem der Members’ Club<br />

einlädt. Das mulmige Gefühl, nicht zu<br />

wissen was kommt, weicht der Neugier.<br />

So steigen die „Members“ bereitwillig<br />

49<br />

in Taxis, von denen sie nicht einmal<br />

ahnen, wo sie hinfahren. Sie blicken<br />

sich gespannt um, wenn sie im Gewerbegebiet<br />

ankommen, durch eine unscheinbare<br />

Haustür treten und sich in<br />

einer fremden Welt aus Lack und rotem<br />

Kunstleder wiederfinden. Sie nehmen<br />

mit Meyer & Kowski die U-Bahn ins<br />

Ungewisse, um irgendwo in den Weiten<br />

der Stadt auf einem Dachboden mit<br />

fremden Menschen zu tanzen. Und<br />

weil es so schön war, erzählen sie es<br />

weiter. Neue Mails werden in neuen<br />

Post fächern landen. Der Club wächst. •<br />

Kontakt: annabel.trautwein@hinzundkunzt.de<br />

Die nächsten Termine<br />

Neue Aufführungen des „Members’<br />

Club“ gibt es am 24. und 25.10. (Teil 1),<br />

3.11. (Teil 2) und 6. und 7.11. (Teil 3)<br />

jeweils um 18.30 Uhr. Erstmals gibt es<br />

einen vierten Teil am 21., 22. und 23.11.<br />

Treffpunkte werden per Mail bekannt<br />

gegeben, Eintritt nach eigenem Ermessen.<br />

Für 2020 planen Meyer & Kowski<br />

eine neue, vierteilige Produktion: „Das<br />

Missverständnis von der Welt“. Alle Infos<br />

auf www.meyerundkowski.de, Mails an<br />

kontakt@meyerundkowski.de


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

„Das<br />

ist tief<br />

in mir!“<br />

Erich Heeder verkauft<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> – ist aber auch seit<br />

Jahrzehnten als Künstler aktiv.<br />

Im Bergedorfer Schloss beginnt<br />

ab <strong>Oktober</strong> eine Ausstellung<br />

mit seinen Bildern.<br />

TEXT: LUKAS GILBERT<br />

FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

KUNSTWERKE: ERICH HEEDER<br />

So eine hatte ich noch nie“, meint<br />

Erich Heeder stolz und man<br />

merkt, dass mit der Ausstellung<br />

für ihn ein persönlicher Traum in Erfüllung<br />

geht. Seit Jahren wartet der<br />

66-Jährige darauf, seine Kunst in Bergedorf<br />

ausstellen zu dürfen – dem Bezirk,<br />

in dem er schon lange Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

verkauft und zu dem er deshalb eine<br />

ganz besondere Beziehung hat. Einer<br />

seiner Verkaufsplätze ist der Wochenmarkt<br />

in der Chrysanderstraße. Der<br />

liegt direkt am Bergedorfer Schloss, in<br />

dem seine Werkschau am 10. <strong>Oktober</strong><br />

mit einer Vernissage beginnt.<br />

Erichs Kunstwerke entstehen einige<br />

Kilometer weiter, im Verein „Offenes<br />

Atelier in Mümmelmannsberg“. Dort<br />

Erich begann<br />

aus Verzweiflung<br />

zu malen.<br />

50


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Oft sind es<br />

Collagen wie<br />

„Kommunikation<br />

im Netz“ (von<br />

links), „Dialog mit<br />

der Zeit“ oder<br />

„Der Baum“, in<br />

denen Erich<br />

Heeder gesellschaftliche<br />

und<br />

politische<br />

Entwicklungen<br />

aufgreift.<br />

ist er seit 1986 aktiv. In seinen oft collagenhaften<br />

Bildern setzt er sich kritisch<br />

mit gesellschaftlichen und politischen<br />

Entwicklungen auseinander. Er versuche<br />

aber auch immer wieder, Perspektiven<br />

aufzuzeigen, Hoffnung zu machen,<br />

erzählt er.<br />

Ursprünglich kommt Erich aus<br />

dem niedersächsischen Hänigsen, wo er<br />

seine Schulzeit verbringt und eine Lehre<br />

als Zentralheizungsbauer absolviert.<br />

Parallel entwickelt er dort aber schon<br />

früh eine Leidenschaft für das Malen.<br />

Seine Themen sind etwa Obdachlosigkeit,<br />

Sucht oder Umweltzerstörung.<br />

Alles Dinge, die ihn auch persönlich<br />

betreffen. Obdachlos, erzählt Erich,<br />

war er nach einer Scheidung selbst einmal<br />

für mehrere Monate. Die Sucht<br />

von Freunden ist von Beginn an Motiv<br />

seiner Kunst, war eine Art Initialzündung:<br />

„Als meine Freunde angefangen<br />

haben zu kiffen und zu saufen, da habe<br />

ich aus lauter Verzweiflung richtig angefangen<br />

zu malen und habe ihre Sucht<br />

in meinen Bildern verarbeitet.“ Und<br />

Umweltzerstörung: „Die betrifft uns<br />

doch alle. Das ist nicht einfach ein Thema<br />

für mich, das ist tief in mir!“ Und so<br />

passt auch der Titel der Ausstellung<br />

wunderbar auf Erichs Art zu malen:<br />

„Aus sich heraus.“<br />

Momentan, gibt Erich zu, kommt<br />

er aber kaum dazu, neue Kunst zu machen.<br />

Wobei das nicht an mangelnden<br />

Ideen liegt. Im Gegenteil. „Eine Idee<br />

jagt die nächste!“ Einzig der Platz fehle<br />

ihm. „Ich kann nichts machen, weil<br />

mein Lager voll ist“, sagt er lachend.<br />

Das ist nicht übertrieben. Seine Lagerräume<br />

quellen beinahe über vor lauter<br />

Bildern, die sich in Regalen bis unter<br />

die Decke stapeln. Ab <strong>Oktober</strong> ist das<br />

zumindest für die Dauer der fast fünfmonatigen<br />

Ausstellung anders, in der<br />

viele seiner Werke dann im Bergedorfer<br />

Schloss zu sehen sind.<br />

Vor allem verbindet Erich mit der<br />

Ausstellung aber auch die Hoffnung,<br />

dass seine Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Stammkunden<br />

vorbeikommen und mal sehen, „was<br />

der sonst noch so macht.“ •<br />

Kontakt: lukas.gilbert@hinzundkunzt.de<br />

Die Ausstellung „Aus sich heraus“<br />

beginnt am 10. <strong>Oktober</strong>, 19 Uhr, mit einer<br />

Vernissage und ist bis zum 1. März 2020<br />

in der Museumslandschaft im Bergedorfer<br />

Schloss zu sehen. Geöffnet:<br />

Di–So von 11–17 Uhr. Jeweils am ersten<br />

Samstag im Monat ist Erich Heeder<br />

zwischen 15 und 17 Uhr anwesend.<br />

07.10.19 – Laeiszhalle<br />

ALEXANDER KNAPPE<br />

& ORCHESTER<br />

08.10.19 – Laeiszhalle, kleiner Saal<br />

KEVIN HAYS & LIONEL LOUEKE<br />

09.10.19 – Stage Club<br />

DURAND JONES<br />

& THE INDICATIONS<br />

11.10.19 – Waagenbau<br />

HÆLOS<br />

13.10.19 – Barclaycard Arena<br />

CHER<br />

14.10.19 – Nochtwache<br />

JONNY & JAKOB<br />

15.10.19 – Kulturkirche Altona<br />

TONY CAREY<br />

15.10.19 – Häkken<br />

FRANC MOODY<br />

17.10.19 – Gruenspan<br />

LUCKY CHOPS<br />

17.10.19 – Häkken<br />

NAAZ<br />

19.10.19 – Fabrik<br />

HEATHER NOVA<br />

21.10.19 – Docks<br />

RÜFÜS DU SOL<br />

28.10.19 – Große Freiheit 36<br />

DANIEL CAESAR<br />

29.10.19 – Fabrik<br />

YOUN SUN NAH<br />

30.10.19 – Mojo Club<br />

DOMINIC FIKE<br />

30.10. + 01. + 02.11 – Kampnagel<br />

ÜBERJAZZ<br />

05.11.19 – Knust<br />

HALF•ALIVE<br />

06.11.19 – Mojo Club<br />

LAUREN DAIGLE<br />

08.11.19 – Mojo Club<br />

SHURA<br />

10.11.19 – Mojo Club<br />

SCARLXRD<br />

10.11.19 – Fabrik<br />

CHARLI XCX<br />

12.11.19 – Große Freiheit 36<br />

WELSHLY ARMS<br />

14.11.19 – Mojo Club<br />

LAMB<br />

17.11.19 – Große Freiheit 36<br />

ZEDD<br />

19.11.19 – Sporthalle<br />

ALTER BRIDGE<br />

24.11.19 – Markthalle<br />

BEAR'S DEN<br />

30.11.19 – Mojo Club<br />

ELDER ISLAND<br />

03.12.19 – Docks<br />

MAX MUTZKE & MONOPUNK<br />

05.12.19 – Sporthalle<br />

ALLE FARBEN<br />

10.12.19 – Knust<br />

SONGS FROM ABOVE<br />

13.12.19 – Fabrik<br />

WLADIMIR KAMINER<br />

23.01.20 – Barclaycard Arena<br />

ADEL TAWIL<br />

51<br />

TICKETS: →(0 40) 4 13 22 60 → KJ.DE


Kult<br />

Tipps für den<br />

Monat <strong>Oktober</strong>:<br />

subjektiv und<br />

einladend<br />

Konzert<br />

Der Sound der Seidenstraße<br />

Seit mehr als 2000 Jahren verbindet die<br />

Seidenstraße Kulturen von der Mittelmeerküste<br />

bis nach Ostasien. Nicht alles<br />

war Kommerz, was auf der alten Karawanenroute<br />

gehandelt wurde: In den<br />

Biwaks und Oasen trafen sich die Handelsreisenden<br />

auch zum gemeinsamen<br />

52<br />

Die Komponistin Jelena Dabi bringt Musiker aus unterschiedlichen<br />

Ländern entlang der alten Karawanenroute zusammen.<br />

Feiern. So gingen Instrumente von<br />

Hand zu Hand und Lieder von Ohr<br />

zu Ohr. Das „Silkroad Festival“ folgt<br />

diesen Spuren: Im <strong>Oktober</strong> treffen sich<br />

Musiker aus China, Indonesien, Indien,<br />

Iran und dem Balkan zum Konzert und<br />

zum Kochen im Bunker an der Feldstraße.<br />

Zu Musik und Tanz gibt es eine<br />

begehbare Installation, die die Reise<br />

entlang der Seidenstraße in Bildern<br />

und Klängen erlebbar macht. •<br />

resonanzraum, Feldstraße 66,<br />

Sa, 5.10., 20 Uhr, Eintritt 22/17 Euro,<br />

www.silkroad-festival. com


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Film<br />

Schnitzeljagd durch die Dimensionen<br />

Die Erkenntnis<br />

ist nur einen<br />

Geistesblitz<br />

entfernt: In der<br />

3-D-Show<br />

folgt das Publikum<br />

einem<br />

Forscher team<br />

auf der rasanten<br />

Suche nach<br />

der Weltformel.<br />

Wie funktioniert das Universum und wie ist es entstanden? Auf der Suche nach<br />

der Antwort auf die grundlegenden Fragen unseres Daseins jagen Forscher ein<br />

Mysterium: die „Theorie von allem“, personifiziert in der geheimnisvollen Figur<br />

TOE. Gelänge es ihnen, TOE dingfest zu machen, würden sie die Weltformel in<br />

Händen halten. Doch kaum haben sie den Gesuchten lokalisiert, entschwindet er.<br />

„Die Jagd durch die Dimensionen“ ist ein Wissenschaftsthriller in 3D, bei dem<br />

das Publikum mitten im Geschehen ist und des Rätsels Lösung scheinbar mit<br />

Händen greifen kann. Nebenbei werden Elementarteilchen und die Stringtheorie<br />

erklärt. Matrix kann einpacken. •<br />

Planetarium Hamburg, Linnéring 1 (Stadtpark), ab Di, 1.10., diverse Uhrzeiten,<br />

Eintritt 12,50/8,50 Euro, www.planetarium-hamburg.de<br />

Ausstellung<br />

Die Macht der Schnappschüsse<br />

„Ich knipse, also bin ich“, lautet das<br />

unterschwellige Credo der Generation<br />

Selfie. Zum Massenhobby wurde<br />

das Fotografieren jedoch schon lange<br />

vor der Erfindung der Handykamera.<br />

Die Ausstellung „Amateurfotografie.<br />

Vom Bauhaus zu Instagram“ zeigt,<br />

worin Reiz und Macht des Fotografierens<br />

liegen. •<br />

Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz,<br />

ab Do, 3.10., Di–So, 10–18 Uhr,<br />

Do, 10–21 Uhr, Eintritt 12/8 Euro, unter<br />

18 Jahre frei, www.mkg-hamburg.de<br />

Draußen<br />

Nachbarn feiern ihre Parks<br />

Entlang von Alster, Elbe und Bille<br />

sprießt neues Grün: Zwei Monate<br />

lang haben Nachbarinnen und<br />

Nachbarn Ideen für zukünftige Parks<br />

erprobt. Nun steigt das Saisonabschlussfest<br />

in Hammerbrook mit<br />

gemeinsamem Kochen im Freien,<br />

Musik und offenen Türen am Südpol<br />

und im Atelier Bullerhaus. •<br />

Alter Recyclinghof, Bullerdeich 6,<br />

Sa, 5.10., 15 Uhr, Eintritt frei,<br />

www.alster-bille-elbe-parks.hamburg<br />

FOTOS: GERHARD KÜHNE (S. 52), MIRAIKAN (OBEN), JANTO DJASSI (UNTEN)<br />

Draußen<br />

Hamburgs Kolonialgeschichte erleben<br />

Hamburger Pfeffersäcke – das sagt sich leicht. Aber wem gehörte der Pfeffer<br />

ursprünglich und wie landete er hier? Einiges ist faul am Reichtum der stolzen<br />

Hansestadt, denn bis heute profitiert Hamburg vom Kolonialhandel. Wo und<br />

wie das geschieht, erkundet die Hamburger Choreografin Yolanda Gutiérrez<br />

gemeinsam mit Performance­<br />

Künstlern aus Daressalam auf<br />

einem Rundgang durch die Hafencity.<br />

An mehreren Stationen<br />

zwischen Shanghaiallee und<br />

Vasco­da­Gama­Platz machen sie<br />

auf Zeugnisse der Kolonialgeschichte<br />

aufmerksam, ein Hörstück<br />

schlägt die Brücke zu persönlichen<br />

Erfahrungen der Künstler. Wer<br />

nach dem Rundgang die Kopfhörer<br />

abnimmt, sieht Hamburg mit<br />

anderen Augen. •<br />

Decolonycities, Treffpunkt Chilehaus,<br />

Fischertwiete 2, Sa+So, 5.+6.10.,<br />

jeweils 14 und 17 Uhr, Teilnahme<br />

12 Euro, www.kampnagel.de<br />

Der Audio-Spaziergang „Decolonycities“ führt zu<br />

Schauplätzen des unfairen Handels in Hamburg.<br />

Ausstellung<br />

Essgestört und männlich<br />

Magersucht oder Bulimie trifft nicht<br />

nur Frauen. Das zeigt die Ausstellung<br />

„A Story to Tell“ von Mafalda<br />

Rakoš und Ruben de Theije, bei<br />

der Männer von ihren Essstörungen<br />

erzählen und Hilfe einfordern. •<br />

Kulturetage Altona, Große Bergstraße<br />

160, Eröffnung Do, 10.10., 19 Uhr, bis So,<br />

13.10., täglich 10–18 Uhr, Eintritt frei,<br />

www.smutje-hh.de<br />

Draußen<br />

Umkämpfte Denkmäler<br />

In Hamburg wird immer wieder um<br />

Orte gestritten. Das St. Pauli­Archiv<br />

führt zu Bauten, die unter Schutz<br />

stehen und doch bedroht sind. •<br />

Operettenhaus (Treffpunkt), Spielbudenplatz<br />

1, So, 13.10., 14 Uhr, Teilnahme<br />

9/5 Euro, www.st-pauli-archiv.de<br />

53


Frauen in einer Männergesellschaft<br />

sind das<br />

Thema in Maram Avas<br />

Ausstellung „Terrestrials“.<br />

Ausstellung<br />

Armenische Fotografin zeigt neue Frauenbilder<br />

Starke Charakterporträts sind die<br />

Spezialität der armenischen Fotografin<br />

Maram Ava – ihre Bilder sollen nicht<br />

nur Menschen zeigen, sondern auch<br />

erzählen, wer sie sind und wie sie sich<br />

zur Welt verhalten. Für ihre Ausstellung<br />

„Terrestrials“ hat die Künstlerin armenische<br />

Frauen vor die Kamera gebeten<br />

und ihnen viel Zeit und Raum gelassen,<br />

eine Haltung zu finden, die ihre Persönlichkeit<br />

widerspiegelt. Die so entstandenen<br />

Porträts entfalten eine Sogwirkung:<br />

Auch das Publikum wird angehalten,<br />

länger hinzusehen und mehr zu erkennen<br />

als nur Gesicht und Körper. Mit<br />

der Wahl besonderer Schauplätze und<br />

bisweilen surreal wirkender Details<br />

lenkt Maram Ava das Augenmerk<br />

auch auf die armenische Gesellschaft,<br />

die ihre Protagonistinnen umgibt: eine<br />

54<br />

Gesellschaft, die weiterhin stark von<br />

Männern dominiert wird. Nun stellt<br />

Maram Ava in Hamburg aus. Noch<br />

bis in den November hinein ist ihre<br />

Fotoausstellung „Terrestrials“ im<br />

Gängeviertel zu sehen. •<br />

Galerie Speckstraße, Speckstraße 84/85,<br />

Eröffnung Do, 31.10., 19 Uhr, Do+Fr<br />

jeweils 17–19 Uhr, Eintritt frei,<br />

www.das-gaengeviertel.info


FOTOS: FLORIAN PELKA (S. 54), TOBIAS HOOPS (OBEN), PRIVAT<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Festival<br />

Eigenartig, aber schön<br />

Theater<br />

Fremd in der eigenen Familie<br />

Nicolas steht kurz vor dem Abitur, eine<br />

aufregende Zukunft wartet auf ihn.<br />

Aber es reicht ihm jetzt schon. Die<br />

Schule, die Trennung seiner Eltern –<br />

es wird ihm alles zu viel. Als er den<br />

Unterricht zu schwänzen beginnt, soll<br />

ausgerechnet der Umzug zu seinem<br />

Vater und dessen neuer Familie die<br />

Dinge wieder ins Lot bringen. Doch<br />

was hat der Alte ihm schon zu sagen,<br />

wo er sich doch die Jahre zuvor auch<br />

kaum gekümmert hat? In hohem<br />

Tempo geht das Stück „Der Sohn“<br />

von Florian Zeller über die Bühne. •<br />

St. Pauli Theater, Spielbudenplatz 29–30,<br />

ab Mo, 21.10., jeweils 19.30 Uhr,<br />

Eintritt 19,90–49,90 Euro (VVK),<br />

www.st-pauli-theater.de<br />

Wir verlosen dreimal zwei Karten für die<br />

Vorstellung am Montag, 21.10., 19.30 Uhr,<br />

unter allen, die bis zum 16.10. eine Mail<br />

schicken an info@hinzundkunzt.de<br />

(Stichwort „Der Sohn“).<br />

55<br />

Im Chaos liegt die<br />

Kraft der Tänzerinnen<br />

vom „Rising<br />

Dance Collectiv“.<br />

Die Welt ist in Bewegung: Menschen ziehen von Kontinent zu Kontinent, überholt<br />

von neuen Trendprodukten, Rollenbilder wandeln sich und der Meeresspiegel<br />

steigt an. Was die Erde im Großen verändert, zeigt das Eigenarten Festival<br />

zum 20-jährigen Jubiläum im Kleinen. In Musik und Theater, Bildern und Tanz<br />

präsentieren Kunstschaffende ihre Utopien. •<br />

Eigenarten Festival, diverse Spielstätten, ab Do, 24.10., Eintritt 0–16,50 Euro,<br />

das ganze Programm: www.festival-eigenarten.de<br />

Aktion für Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Chili für den guten Zweck<br />

Egal ob mit oder ohne scharf, con<br />

carne oder sin: Dieses Chili hilft!<br />

Beim Cook-Off in der Rindermarkthalle<br />

treten sechs ambitionierte<br />

Teams an, um das beste Chili der<br />

Stadt aus dem Topf zu zaubern. Wer<br />

sich „Chili-Champion“ nennen darf,<br />

ermitteln zwei Jurys: Fernsehkoch<br />

Ole Plogstedt und ein Team ausgesuchter<br />

Kenner urteilen nach fachlichen<br />

Kriterien, während die Gäste<br />

beim „People’s Choice“ nach Gusto<br />

und Mehrheit entscheiden. Aufgetischt<br />

wird gegen Spende, die Erlöse<br />

kommen Hinz&<strong>Kunzt</strong> zugute. •<br />

Rindermarkthalle, Neuer Kamp 31,<br />

Sa, 26.10., 10 Uhr, Verkostung ab<br />

15 Uhr, Teilnahme auf Spendenbasis<br />

Über Tipps für November freut sich<br />

Annabel Trautwein. Bitte bis zum 9.10.<br />

schicken: redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Kinofilm des Monats<br />

Auf der Mauer,<br />

auf der Lauer<br />

Wo die Liebe hinfällt, da<br />

muss sie sich bewähren. Um<br />

es mit den Worten meiner<br />

Klarinettenlehrerin zu sagen:<br />

Niemand hat gesagt, dass es<br />

einfach ist. Aber es ist möglich.<br />

Und weil der Herbst<br />

es einem einerseits nicht einfach<br />

macht und uns andererseits<br />

in diese wundervoll<br />

melancholische Stimmung<br />

bringt, ist jetzt die richtige<br />

Zeit für Leinwandromanzen.<br />

„Zwischen uns die Mauer“<br />

ist so ein Film. Erzählt<br />

wird die Geschichte von Anna<br />

und Philipp, die sich in Ostberlin<br />

bei einem Begegnungstreffen<br />

– das hieß damals so –<br />

verlieben. Mit der Liebe ist es<br />

allerdings nicht einfach. Nach<br />

wenigen Tagen muss Anna<br />

zurück in die Bundesrepublik.<br />

Die Sehnsucht bleibt. Es folgen<br />

heimliche Reisen in die<br />

DDR. Das bringt nicht nur<br />

Annas Eltern auf den Plan,<br />

sondern auch die Stasi. Dann<br />

fällt die Mauer und die Gefühle<br />

müssen sich der neuen<br />

Freiheit stellen.<br />

Authentisch, sensibel, bewegend<br />

– mit der Verfilmung<br />

des gleichnamigen Romans<br />

von Katja Hildebrand gelingt<br />

Regisseur Norbert Lechner<br />

eine packende Zeitreise ins<br />

geteilte Deutschland. 30 Jahre<br />

nach der Wiedervereinigung<br />

wirkt sie alles andere als<br />

von gestern. Und wer es bei<br />

Schmuddelwetter nicht ins<br />

Kino schafft, kann aufatmen:<br />

„Zwischen uns die Mauer“<br />

ist eine ZDF-Koproduktion,<br />

also wohl bald auch im Fernsehen<br />

zu sehen. •<br />

André Schmidt<br />

geht seit<br />

Jahren für uns<br />

ins Kino.<br />

Er arbeitet in der<br />

PR-Branche.


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>320</strong>/OKTOBER <strong>2019</strong><br />

N o 10<br />

Was Sie schon<br />

immer über<br />

Obdachlosigkeit<br />

wissen wollten!<br />

Waschen im<br />

Waschsalon<br />

konnte sich<br />

Achim als<br />

Obdachloser<br />

nur im Notfall<br />

leisten. Meistens<br />

steuerte<br />

er eine Hilfseinrichtung<br />

an.<br />

Wo waschen Obdachlose<br />

ihre Kleider?<br />

Saubere Kleidung ist enorm wichtig, auch für Obdachlose. Doch wer keine Waschmaschine<br />

hat, muss viel Aufwand betreiben – denn Waschsalons sind teuer, wenn jeder Euro zählt.<br />

TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Was dreckig ist, kommt in die Wäsche.<br />

„Ich achte ja auf mich selber“, erklärt<br />

Achim (51). „Wenn ich mit dreckigen<br />

Klamotten rumlaufen würde, würde ich<br />

mich nicht wohlfühlen.“ Doch so alltäglich<br />

das Waschen ist, so kompliziert<br />

wird es für Menschen, die keine Wohnung<br />

haben. Achim musste lange Zeit<br />

besonders erfinderisch sein: Als reisender<br />

Obdachloser musste er die nächste<br />

Waschmaschine immer erst suchen.<br />

Dafür lernte er, sich schnell zu orientieren.<br />

„Ich habe mehr als 30 Jahre auf<br />

der Straße gelebt. Da weiß man irgendwann,<br />

wo man hingeht“, sagt er.<br />

Schwand der Vorrat an sauberer<br />

Wäsche in seinem Wanderrucksack,<br />

plante Achim einen Stopp bei einer der<br />

Hilfseinrichtungen ein, die eine Waschgelegenheit<br />

anbieten. „Auch auf dem<br />

Land gibt es das“, sagt Achim. „Natürlich<br />

nicht in kleinen Dörfern, aber in<br />

Kreisstädten habe ich oft was gefunden.“<br />

In solchen Anlaufstellen kostete ihn<br />

das Waschen zwar auch Geld, aber viel<br />

weniger als im Waschsalon. „Da zahlst<br />

du oft vier Euro für eine Maschine“,<br />

sagt der Hinz&Künztler. „Und dann<br />

kommen noch ein oder zwei Euro für<br />

den Trockner dazu.“ Insgesamt etwa<br />

die Hälfte des Betrags, den Achim zur<br />

Verfügung hatte, um seinen Tagesbedarf<br />

inklusive Fahrtkosten zu decken.<br />

Mit anderen Worten: viel zu teuer.<br />

In Hamburg organisierte sich<br />

Achim deshalb immer beim Herz As einen<br />

Termin zum Waschen. Einfach<br />

hingehen und die Trommel beladen<br />

geht nicht – es gibt Listen. Und der Bedarf<br />

ist groß: Für die geschätzten 2000<br />

56<br />

Obdachlosen gibt es lediglich 18<br />

Waschmaschinen in den Hamburger<br />

Hilfseinrichtungen.<br />

Inzwischen hat der Hinz&Künztler<br />

es leichter: In einer Kirchenkate hat er<br />

vorerst eine Bleibe gefunden, mit eigener<br />

Waschmaschine. „So einen Toplader,<br />

den man oben aufmachen kann“,<br />

erklärt er. Eine platzsparende Lösung.<br />

Trocknen kann er seine Kleider nun<br />

entspannt auf dem Wäscheständer. •<br />

Kontakt: annabel.trautwein@hinzundkunzt.de<br />

Aufruf<br />

Haben auch Sie eine Frage an unsere<br />

Hinz&Künztler? Dann schreiben Sie uns<br />

eine Mail an redaktion@hinzundkunzt.de


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Rätsel<br />

ILLUSTRATION (BLEISTIFT IM IMPRESSUM): BERND MÖLCK-TASSEL<br />

deutscher<br />

Astronom<br />

(Nikolaus)<br />

†<br />

in der<br />

Höhe<br />

Ruheständler,<br />

Rentner<br />

Geflügel<br />

schweiz.<br />

Westalpenmassiv<br />

9<br />

Elan,<br />

Schwung<br />

(amerik.)<br />

übertriebene<br />

Gefühlserregung<br />

norddeutsch:<br />

Drillich<br />

zukünftig<br />

(latein.)<br />

Stoff mit<br />

klein<br />

kariertem<br />

Muster<br />

Strom<br />

in Westafrika<br />

Autoabgasreiniger<br />

(Kurzwort)<br />

umgangssprachl.:<br />

foppen,<br />

hänseln<br />

Rettungsdienstmitarbeiter<br />

Hauptstadt<br />

von<br />

Garnelenart<br />

Saudi-<br />

Arabien<br />

japanischer<br />

Reisgott<br />

altröm.<br />

Bronze-,<br />

Kupfergeld<br />

umgangssprachl.:<br />

Unrat,<br />

Schmutz<br />

6<br />

8<br />

1<br />

3<br />

1<br />

7<br />

2<br />

4<br />

3<br />

9<br />

7<br />

6<br />

von Wasser<br />

umgebenes<br />

Land<br />

Teil der<br />

Dinarischen<br />

Alpen<br />

italienisch:<br />

gut<br />

Beiname<br />

Jesu<br />

3<br />

1<br />

2<br />

einen<br />

Verdacht<br />

abwenden<br />

poetisch:<br />

Erquickung<br />

Ziergefäß<br />

4<br />

7<br />

8<br />

9<br />

5<br />

6<br />

4<br />

3<br />

griechischer<br />

Buchstabe<br />

4<br />

Göttin<br />

des<br />

Schachspiels<br />

5<br />

6<br />

4<br />

2<br />

9<br />

Spleen,<br />

Marotte,<br />

Schrulle<br />

1<br />

AR0909-0619_2sudoku<br />

australischer<br />

Beutelbär<br />

Gefährtin<br />

Adams im<br />

Paradies<br />

Geflügel<br />

Schulstadt<br />

an der<br />

Themse<br />

englisch:<br />

und<br />

Bauart,<br />

Modell<br />

wehmütiges<br />

Gedicht<br />

Branderscheinung,<br />

Qualm<br />

Teil<br />

eines<br />

Baumes<br />

vulkanisches<br />

Tuffgestein<br />

französisch:<br />

Salz<br />

unzeitgemäß,<br />

veraltet<br />

(engl.)<br />

in der<br />

gleichen<br />

Weise<br />

Flächenmaß<br />

in<br />

England<br />

und USA<br />

Weichsel-<br />

Zufluss<br />

in Polen<br />

Lösungen an: Hinz&<strong>Kunzt</strong>, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />

per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />

Einsendeschluss: 28. <strong>Oktober</strong> <strong>2019</strong>. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel einsendet,<br />

kann zwei Karten für die Hamburger Kunsthalle oder einen von<br />

zwei Romanen „Der Salzpfad“ von Raynor Winn (Dumont Verlag)<br />

gewinnen.<br />

Das September-Lösungswort beim Kreuzworträtsel lautete: Reiseroute.<br />

Die Sudoku-Zahlenreihe war: 432 657 918.<br />

6<br />

6<br />

8<br />

5<br />

4<br />

1<br />

7<br />

5<br />

8<br />

9<br />

7<br />

8<br />

1<br />

10<br />

10<br />

AR1115-0619_2 – raetselservice.de<br />

Füllen Sie das Gitter so<br />

aus, dass die Zahlen von<br />

1 bis 9 nur je einmal in<br />

jeder Reihe, in jeder<br />

Spalte und in jedem<br />

Neun-Kästchen-Block<br />

vorkommen.<br />

Als Lösung schicken<br />

Sie uns bitte die farbig<br />

gerahmte, unterste<br />

Zahlenreihe.<br />

Impressum<br />

Redaktion und Verlag<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />

Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg<br />

Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />

Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />

E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />

Herausgeber<br />

Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />

Externer Beirat<br />

Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />

Mathias Bach (Kaufmann), Dr. Marius Hoßbach (Korten Rechtsanwälte AG),<br />

Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />

Thomas Magold (BMW-Niederlassungsleiter i.R.),<br />

Beate Behn (Lawaetz-Service GmbH), Karin Schmalriede (Lawaetz-Stiftung),<br />

Dr. Bernd-Georg Spies (Russell Reynolds),<br />

Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />

Geschäftsführung Jörn Sturm<br />

Redaktion Birgit Müller (bim; Chefredakteurin, V.i.S.d.P.),<br />

Annette Woywode (abi; Stellv., CvD), Simone Deckner (sim),<br />

Jonas Füllner (jof), Lukas Gilbert (lg), Ulrich Jonas (ujo),<br />

Frank Keil (fk), Benjamin Laufer (bela), Annabel Trautwein (atw)<br />

Korrektorat Julia Rindsfus und Kerstin Weber<br />

Redaktionsassistenz Sonja Conrad, Cedric Horbach<br />

Online-Redaktion Jonas Füllner, Benjamin Laufer<br />

Artdirektion grafikdeerns.de<br />

Öffentlichkeitsarbeit Sybille Arendt, Friederike Steiffert,<br />

Marina Schünemann (Praktikantin)<br />

Anzeigenleitung Sybille Arendt<br />

Anzeigenvertretung Caroline Lange,<br />

Wahring & Company, Tel. 040 284 09 418, c.lange@wahring.de<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 23 vom 1. Januar 2018<br />

Vertrieb Christian Hagen (Leitung), Marcus Chomse,<br />

Sigi Pachan, Jürgen Jobsen, Meike Lehmann, Sergej Machov,<br />

Frank Nawatzki, Elena Pacuraru, Reiner Rümke, Cristina Stanculescu,<br />

Marcel Stein, Cornelia Tanase, Silvia Zahn<br />

Rechnungswesen/Systemadministration Frank Belchhaus<br />

Spendenmarketing Gabriele Koch<br />

Spendenverwaltung/Rechnungswesen Susanne Wehde<br />

Sozialarbeit Stephan Karrenbauer (Leitung), Isabel Kohler, Irina Mortoiu<br />

Das Stadtrundgang-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />

Chris Schlapp, Harald Buchinger<br />

Das BrotRetter-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />

Stefan Calin, Gheorghe-R zvan Marior<br />

Das Team von Spende Dein Pfand am Airport Hamburg<br />

Stephan Karrenbauer (Leitung), Uwe Tröger, Jonas Gengnagel,<br />

Klaus Peterstorfer, Herbert Kosecki<br />

Litho PX2 Hamburg GmbH & Co. KG<br />

Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />

Druck A. Beig Druckerei und Verlag,<br />

Damm 9–15, 25421 Pinneberg<br />

Umschlag-Druck Neef+Stumme premium printing GmbH & Co. KG<br />

Verarbeitung Hartung Druck + Medien GmbH<br />

Spendenkonto Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

IBAN: DE56 2005 0550 1280 1678 73<br />

BIC: HASPDEHHXXX<br />

Die Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />

Freistellungsbescheid bzw. nach der Anlage zum Körperschaftssteuerbescheid<br />

des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer 17/414/00797, vom<br />

21.1.<strong>2019</strong>, für den letzten Veranlagungszeitraum 2017 nach § 5 Abs.1 Nr. 9<br />

des Körperschaftssteuergesetzes von der Körperschaftssteuer und nach<br />

§ 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />

Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist als<br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister beim<br />

Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen.<br />

Wir bestätigen, dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

einsetzen. Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte<br />

weitergegeben. Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf<br />

www.hinzundkunzt.de. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein unabhängiges soziales Projekt, das<br />

obdachlosen und ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />

Das Magazin wird von Journalisten geschrieben, Wohnungslose und<br />

ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter<br />

unterstützen die Verkäufer.<br />

Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />

Gesellschafter<br />

Durchschnittliche monatliche<br />

Druckauflage 3. Quartal <strong>2019</strong>:<br />

59.666 Exemplare<br />

57


Momentaufnahme<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>320</strong>/OKTOBER <strong>2019</strong><br />

Viktor spricht mindestens<br />

fünf Sprachen. Erlernt auf<br />

seinem langen Weg von<br />

Sibirien bis nach Deutschland.<br />

Viktors Traum<br />

Viktor, 43, verkauft Hinz&<strong>Kunzt</strong> vor Media Markt im Poppenbütteler Weg.<br />

TEXT: LUKAS GILBERT<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Viktor sieht gepflegt aus. Er ist frisch rasiert,<br />

trägt ein blaues Kurzarmhemd<br />

und seine kurzen, grauen Haare gescheitelt:<br />

„Ich bin obdachlos, aber ich<br />

kann wie normale Menschen aussehen.<br />

Armut ist keine Krankheit“, sagt er<br />

selbstbewusst mit seinem markanten<br />

russischen Akzent.<br />

1976 wird Viktor in einem kleinen<br />

Dorf in der sibirischen Taiga geboren<br />

und wächst behütet bei seinen Eltern<br />

gemeinsam mit seiner Zwillingsschwester<br />

auf. Noch als Kind sieht er im sowjetischen<br />

Fernsehen einen Bericht über<br />

Frankfurt am Main und fasst schon damals<br />

den Entschluss, einmal in einer<br />

der Banken dort zu arbeiten: „Das sah<br />

aus wie Amerika, mit diesen hohen<br />

Häusern. In Frankfurt wollte ich meinen<br />

amerikanischen Traum leben.“<br />

In Tomsk, etwa 300 Kilometer von<br />

seiner Heimat entfernt, schließt er ein<br />

Managementstudium ab und macht<br />

sich mit 22 Jahren auf den Weg Richtung<br />

Deutschland. In den Umbruchjahren<br />

nach dem Ende der Sowjetunion<br />

sieht er in seiner Heimat keine Perspektive,<br />

erzählt er. Zunächst führt ihn sein<br />

Weg nach Prag. Dort macht er sich, eigentlich<br />

als Übergang, mit Abbrucharbeiten<br />

selbstständig, hat Mitarbeiter.<br />

Seine Firma geht aber pleite, seine<br />

tschechische Frau verlässt ihn. Trotzdem<br />

schlägt sich Viktor mit Jobs auf<br />

Baustellen und in Lagern durch – und<br />

schafft es sogar nach Frankfurt.<br />

Dort hat er gut bezahlte Jobs auf<br />

dem Bau, fängt an zu sparen, knüpft<br />

Kontakte. Dann aber bricht Viktors<br />

„amerikanischer Traum“ endgültig zusammen.<br />

Um noch schneller Geld zu<br />

verdienen, geht er ins Casino. Er beginnt<br />

sein Geld zu verspielen, entwickelt<br />

eine Spielsucht und macht Schulden bei<br />

Freunden und auch bei seinem Arbeitgeber.<br />

Viktor verliert erst seinen Job,<br />

dann seine Wohnung. Vor sieben Jahren<br />

landet er auf der Straße. Dort lebt der<br />

43-Jährige bis heute.<br />

Platte, erzählt Viktor, hat er mittlerweile<br />

schon in fast ganz Deutschland<br />

gemacht. Auf seinen Stationen hat er<br />

immer wieder ehrenamtlich als Dolmetscher<br />

gearbeitet: „Ich spreche Russisch,<br />

Polnisch, Tschechisch, Deutsch, die jugoslawischen<br />

Sprachen und ein bisschen<br />

Englisch. Und wenn ich helfen kann,<br />

helfe ich gerne. Helfen tut gut.“ All die<br />

Sprachen, erzählt er, habe er bei seinen<br />

unterschiedlichen Jobs im Kontakt mit<br />

seinen Arbeitskollegen gelernt.<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> verkauft Viktor seit<br />

2013. Sein Verkaufsplatz liegt im Poppenbütteler<br />

Weg, direkt vor dem Media<br />

Markt: „Ich bin zufrieden mit meinem<br />

Platz. Die Leute sind nett, manche bringen<br />

auch mal einen Kaffee vorbei.“ Am<br />

besten läuft der Verkauf, wenn Monti<br />

dabei ist. Ein schwarzer Labrador, der<br />

einem Freund gehört, um den sich<br />

Viktor aber oft kümmert: „Meine<br />

Kunden mögen ihn.“ Und Viktor mag<br />

ihn auch. Zu Montis viertem Geburtstag<br />

habe er ihm gerade erst einen Kuchen<br />

aus Hackfleisch geschenkt, erzählt<br />

Viktor und schmunzelt.<br />

Träume hat Viktor heute vor allem<br />

zwei. Einen festen Job, am liebsten als<br />

Dolmetscher. Und ein Zuhause mit<br />

eigenem Schlüssel: „Muss nicht schick<br />

sein. Ein Container oder ein Zimmer<br />

reicht. Aber ich denke, jeder sollte eine<br />

Wohnung haben.“ •<br />

Viktor und alle anderen Hinz&Künztler<br />

erkennt man am Verkaufsausweis.<br />

5654<br />

58


KUNZT-<br />

KOLLEKTION<br />

BESTELLEN SIE DIESE UND WEITERE PRODUKTE BEI: Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH,<br />

www.hinzundkunzt.de/shop, shop@hinzundkunzt.de, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />

Tel. 32 10 83 11. Preise zzgl. Versandkostenpauschale 4 Euro, Ausland auf Anfrage.<br />

Schürze „<strong>Kunzt</strong>Küche“<br />

100% GOTS-zertifi zierte Bio-Baumwolle.<br />

Farbe: Norddeutsch-Grau,<br />

Schürze: ca. 80 cm breit, ca. 86 cm lang,<br />

von Kaya & Kato GmbH, Firma für fair produzierte<br />

Arbeitskleidung aus Köln. Preis: 25 Euro<br />

„Willkommen in der <strong>Kunzt</strong>Küche!“<br />

Das Kochbuch zum 25-jährigen<br />

Geburtstag von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Ein kulinarisches Dankeschön an die<br />

Hamburger mit 25 Drei-Gänge-Menüs<br />

von Sterneköchen und jungen Wilden.<br />

Gebundenes Kochbuch, 194 Seiten,<br />

farbige Fotos und rund 180 inspirierende<br />

Rezepte. Preis: 25 Euro<br />

„Chillax“<br />

Bio-Kräutertee aus Griechenland:<br />

Bergtee vom Olymp* (40 %), Zitronenverbene* (40 %),<br />

Johanniskraut* (20 %) von Aroma Olymp<br />

(www.aroma-olymp.com).<br />

Von Hand geerntet in Griechenland, von den<br />

Elbe-Werkstätten in Hamburg verpackt. 25 g,<br />

Preis: 4,90 Euro<br />

*aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft<br />

Niemand kennt<br />

Hamburgs<br />

Straßen besser<br />

„Ein mittelschönes Leben“<br />

Eine Geschichte über Obdachlosigkeit<br />

für Kinder zwischen 7 und 10 Jahren<br />

von Kirsten Boie, illustriert<br />

von Jutta Bauer. 7. Aufl age 2017.<br />

Preis: 4,80 Euro<br />

„Auf Fotosafari in Hamburg #3“<br />

Fotografi n Lena Maja Wöhler war mit<br />

Hinz&Künztlern in Hamburg unterwegs.<br />

Kartenset mit fünf interessanten Motiven,<br />

gedruckt bei alsterpaper in Hamburg.<br />

Preis: 10 Euro<br />

Tasse „Fischkopp“<br />

Sonderedition für Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

von der Hamburger Firma<br />

AHOI MARIE.<br />

Qualitätsporzellan von Kahla<br />

aus Thüringen.<br />

Design: Jan-Hendrik Holst,<br />

keramischer Siebdruck.<br />

Durchmesser: 9 cm,<br />

Höhe: 9 cm,<br />

mikrowellen- und<br />

spülmaschinentauglich.<br />

Preis: 13,90 Euro


<strong>Oktober</strong> <strong>2019</strong><br />

Flugverbote und<br />

Orientteppiche<br />

und andere Themen, die Hamburger bewegen<br />

Di 08.10. | 18.30 Uhr | Diskussion<br />

Hamburg 2030: Klima nach Plan? Die einen fordern Flugverbote, die anderen sorgen sich um<br />

Arbeitsplätze. Was bedeutet der Klimaplan für Politik, Wirtschaft und Bürger unserer Stadt?<br />

Es diskutieren Bürgermeister Peter Tschentscher, Norman Zurke, Unternehmensverband Hafen<br />

Hamburg, und Luisa Neubauer, Fridays for Future Hamburg. In Kooperation mit NDR 90,3.<br />

Mo 21.10. | 19.00 Uhr | Gespräch<br />

Gute Pflege durch mehr Technik? Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland steigt. Schon<br />

heute fehlen für ihre Betreuung Fachkräfte. Können neue Technologien zur Entlastung beitragen?<br />

Ob und wie man mit Robotern Pflegende unterstützen kann, diskutieren der Pflegewissenschaftler<br />

Hartmut Remmers, der Kliniker Patrick Jahn und die Soziologin Sibylle Meyer.<br />

Di 22.10. | 19.00 Uhr | Gespräch und Musik<br />

Teppichgespräch Der »Steinerne Orientteppich« von Frank Raendchen liegt am Tor zur Hafen-<br />

City auf der Wilhelminenbrücke. Was bedeutet ein Teppich mitten in der Stadt? Der Künstler<br />

berichtet über sein Werk und spricht mit Anna Beselin, Museum für Islamische Kunst Berlin,<br />

über die Vielfalt des Orients. Danach: orientalische Musik mit DJ Booty Carrell.<br />

Di 29.10. | 19.00 Uhr | Buchvorstellung<br />

Philosophie des Abschieds Wir Menschen und alle unsere Werke vergehen. Wir wissen das und<br />

stehen doch Abschieden, Veränderungen, dem Alter und schließlich dem Tod hilflos gegenüber.<br />

Wie wir lernen können, Vergänglichkeit in unser Leben einzubinden und bewusst Abschied zu<br />

nehmen, zeigt die Philosophin Ina Schmidt in ihrem aktuellen Buch »Über die Vergänglichkeit«.<br />

Stand: <strong>Oktober</strong> <strong>2019</strong>, Änderungen vorbehalten. groothuis.de Fotos: © Jörg Farys, Michael Muench, dpa, Claudia Höhne<br />

Eintritt frei, Anmeldung erforderlich: koerberforum.de<br />

KörberForum | Kehrwieder 12 | 20457 Hamburg | U Baumwall<br />

Telefon 040 · 80 81 92 - 0 | E-Mail info@koerberforum.de<br />

Veranstalter ist die gemeinnützige Körber-Stiftung.

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