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Das Hamburger<br />
Straßenmagazin<br />
Seit 1993<br />
N O <strong>320</strong><br />
Okt.19<br />
2,20 Euro<br />
Davon 1,10 Euro<br />
für unsere Verkäufer<br />
Wer ist<br />
bloß dieser<br />
Eiffe?<br />
Christian Bau hat einen<br />
Film über Hamburgs ersten<br />
Graffiti-Künstler gedreht.
25 Jahre Hinz&<strong>Kunzt</strong> – 25 Tage unser Restaurant auf Zeit:<br />
Ein kulinarisches Dankeschön an die Hamburger.<br />
Mit 25 Drei-Gänge-Menüs von Sterneköchen, jungen Wilden<br />
und anderen Küchengöttern.<br />
Unser Kochbuch* kostet 25 Euro plus<br />
Versandkosten. Vom Erlös haben wir jedem<br />
Hinz&Künztler 25 Monatsmagazine geschenkt.<br />
Sie können es online bestellen unter<br />
www.hinzundkunzt.de/shop oder<br />
im Buchladen (ISBN 978-3-00-060526-0).<br />
*Das Kochbuch ist für 45 Euro auch als Bundle zusammen<br />
mit der Schürze „<strong>Kunzt</strong>Küche“ erhältlich (siehe Seite 59).
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Inhalt<br />
Abschied und Neubeginn<br />
Tschüss Jens, hallo Jörn:<br />
Nach genau 15 Jahren<br />
als Geschäftsführer von<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> übergibt<br />
Dr. Jens Ade (links) den<br />
Staffelstab an Jörn Sturm.<br />
Was für ein Monat – Gefühlsachterbahnen inbegriffen!<br />
Seit neun Jahren wollen wir ein Haus bauen.<br />
Viele Jahre und viele Gespräche später klappt es<br />
jetzt. Mitte September wurde der Grundstein für<br />
ein Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus in der Minenstraße 9 gelegt<br />
(Seite 40). Bauherren sind die Amalie Sieveking-<br />
Stiftung, die das Grundstück zur Verfügung stellt,<br />
und Holger Cassens, dessen Mara & Holger<br />
Cassens-Stiftung das Haus baut. Wir werden es<br />
dann mieten.<br />
Dieses Haus war das Baby unseres Geschäftsführers<br />
Jens Ade. Und genau im Monat der Grundsteinlegung<br />
hört er als unser Geschäftsführer auf.<br />
Was wir an ihm so mögen, lesen Sie ab Seite 42.<br />
Zum Glück wird er den Hausbau weiter begleiten,<br />
bis wir in zwei Jahren dort einziehen.<br />
Sein Nachfolger als Geschäftsführer wird Jörn<br />
Sturm. Wir sind sicher, dass er gut zu uns passt: Nicht<br />
nur, weil er FC St. Pauli-Fan ist und vorher die kaufmännischen<br />
Geschicke in einem Theater geleitet hat.<br />
Aber das werden Sie im November erfahren.<br />
Ihre Birgit Müller Chefredakteurin<br />
(Schreiben Sie uns doch an info@hinzundkunzt.de)<br />
Inhalt<br />
Stadtteil mit Gefühl: Unser Autor Frank Keil erzählt, wie<br />
sich sein Ottensen verändert hat. (S. 14)<br />
TITELBILD UND FOTO OBEN: DMITRIJ LELTSCHUK<br />
Stadtgespräch<br />
04 Gut&Schön<br />
06 Eiffe: Hamburgs erster Graffitikünstler<br />
12 Zahlen des Monats: Wissenschaftler<br />
entlarven die AfD<br />
14 Oh, dieses Ottensen-Gefühl!<br />
22 Nachts ist jeder ein Feind:<br />
Wie eine Altenpflegerin eine<br />
Seniorin quält – von Bruno Schrep<br />
26 Hinz&Künztler auf Fotosafari:<br />
Beeindruckende Bilder beim<br />
Fotowettbewerb<br />
Unser<br />
Fotowettbewerb:<br />
Auch Elsa (links) hat<br />
viel von Fotografin<br />
Lena Maja Wöhler<br />
gelernt. (S. 26)<br />
36 Streitgespräch: Wie viel direkte<br />
Demokratie ist sinnvoll?<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> intern<br />
40 Der Grundstein zum Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus<br />
in St. Georg ist gelegt<br />
42 Tschüss, Jens! Wir verabschieden<br />
unseren Geschäftsführer<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
48 Und das Publikum macht auch mit:<br />
Wildes Theater mit Meyer & Kowsky<br />
50 Ein Hinz&Künztler stellt aus:<br />
Erich Heeders Bilder sind im<br />
Bergedorfer Schloss zu sehen<br />
52 Tipps für den <strong>Oktober</strong><br />
56 Wissenswertes über Obdachlose<br />
58 Momentaufnahme<br />
Rubriken<br />
05, 39 Kolumnen<br />
10 Meldungen<br />
46 Leserbriefe<br />
57 Rätsel, Impressum<br />
Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk
Aufforstung per App<br />
Die Waldverbesserer<br />
Aus Ewald wird „e-WALD“: Der Technische Direktor des<br />
FC St. Pauli, Ewald Lienen (links im Bild), unterstützt die<br />
Stiftung Plant-for-the-Planet. Die will mit einer neuen App<br />
fürs Smartphone weltweit ordentlich aufforsten. Über die<br />
App können Unterstützer für neue Bäume spenden, erklärt<br />
Lienen und sagt: „Jeder Baum zählt.“ Mehr als 30.000 stehen<br />
bereits im e-WALD. BELA<br />
•<br />
Zur App: www.huklink.de/e-wald
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Gut&Schön<br />
Ehrung für Hilfsprojekte<br />
Annemarie-Dose-<br />
Preis vergeben<br />
Tafel-Gründerin Annemarie<br />
„Ami“ Dose (1928-2016)<br />
FOTOS: PUBLIC ADDRESS AGENTUR (S. 4), MAURICIO BUSTAMANTE (OBEN), JUGENDRAT HAMBURG (UNTEN LINKS),<br />
PICTURE ALLIANCE/CHRISTIAN CHARISIUS/DPA; KOLUMNE: CORNELIUS M. BRAUN<br />
Umzug nach Ottensen<br />
Neustart für das Sonnenschein Café<br />
Obdachlose und Nachbarn kommen bei Kaffee und<br />
Kuchen ins Gespräch – das ist die Idee hinter dem<br />
Sonnenschein Café. Nachdem es seine alte Heimat<br />
im Schanzenviertel verlassen musste, sind die<br />
ehrenamtlichen Macher auf ihrer Suche nach neuen<br />
Räumlichkeiten in Ottensen fündig geworden. LG<br />
•<br />
Adresse: Mathilde Bar, Kleine Rainstraße 4, sonntags von 13 bis 17 Uhr<br />
Joko unterstützt Obdachlose<br />
Der Jugendrat Hamburg hat seine<br />
Kampagne „Stoppt Jugendobdachlosigkeit!“<br />
gestartet und bekommt<br />
dabei Unterstützung von Moderator<br />
Joko Winterscheidt. Mit Infoplakaten,<br />
Flyern und Veranstaltungen<br />
will die selbstorganisierte und offene<br />
Gruppe über Jugendobdachlosigkeit<br />
aufklären. Jeden ersten Dienstag<br />
und dritten Freitag im Monat trifft<br />
sich der Jugendrat in der Fabrique<br />
im Gängeviertel. LG<br />
•<br />
Mehr Infos unter www.facebook.com/<br />
JugendratHamburg<br />
Pfandbecher gegen Kiezmüll<br />
Einwegbecher sorgen jedes Wochenende<br />
für haufenweise Müll auf<br />
der Reeperbahn – unter anderem<br />
wegen des Glasflaschenverbots. Mit<br />
wiederverwendbaren Pfandbechern<br />
wollen Betriebe gegensteuern: Die<br />
Mehrwegbecher, die etwa mit Bildern<br />
von Hans Albers oder Olivia<br />
Jones bedruckt sind, werden ein<br />
halbes Jahr lang getestet. In sechs<br />
Gas tronomiebetrieben können Kiezgänger<br />
ihre Getränkebecher dann<br />
für einen Euro Pfand mitnehmen<br />
und am Ende wieder abgeben. LG<br />
•<br />
Drei Hilfsprojekte für Obdachlose<br />
und straffällige Jugendliche<br />
sind die ersten<br />
Preisträger des vom Senat<br />
gestifteten Annemarie-Dose-<br />
Preises. Der neue Sozialpreis<br />
erinnert an die Gründerin<br />
der Hamburger Tafel, die im<br />
April 2016 verstarb.<br />
Gewinner des mit 5000<br />
Euro dotierten Gruppenpreises<br />
ist das Projekt „Pädagogisches<br />
Boxen“ des Vereins Gefangene<br />
helfen Jugendlichen.<br />
Der Verein entstand 1996 auf<br />
Initiative von drei Strafgefangenen<br />
der JVA Fuhlsbüttel<br />
und setzt sich für Gewaltprävention<br />
bei Jugendlichen ein.<br />
Geehrt wurden durch die<br />
Sozialbehörde zudem zwei<br />
Projekte mit jeweils 1500 Euro.<br />
Freuen konnte sich Mitra<br />
Kassai. Mit ihrer Agentur<br />
„Oll inklusiv“ präsentiert sie<br />
Tanzveranstaltungen für alte<br />
Menschen. Der zweite Einzelpreis<br />
ging an die freie Journalistin<br />
Susanne Groth. Mit<br />
ihrem Verein „Leben im Abseits“<br />
hilft sie obdachlosen<br />
Menschen auf St. Pauli.<br />
Sozialsenatorin Melanie<br />
Leonhard (SPD) hielt bei der<br />
Preisvergabe die Laudatio.<br />
„Die Preisträger packen an,<br />
wo es etwas zu tun gibt, statt<br />
sich schulterzuckend abzuwenden“,<br />
sagte die Senatorin.<br />
„Hamburg wird besser durch<br />
engagierte Bürgerinnen und<br />
Bürger wie sie – das drückt<br />
dieser Preis aus.“ JOF •<br />
5
Eines der raren Fotos<br />
von Eiffe in Aktion: „Eiffe<br />
will auch Mister Universitas<br />
werden“, schreibt er auf<br />
den Rücken der just gekürten<br />
„Miss Universitas“.
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Stadtgespräch<br />
Eiffe:<br />
Er kam, sah und<br />
schrieb die Stadt voll<br />
Ein Buch und ein neu aufgelegter Dokumentarfilm wollen<br />
Peter-Ernst Eiffe aus der Versenkung holen. Der Hamburger war vermutlich<br />
der erste Graffitikünstler Deutschlands – und auch sonst schwer zu fassen.<br />
TEXT: SIMONE DECKNER<br />
FOTOS: DIE THEDE, DIE THEDE/PRIVAT UND DMITRIJ LELTSCHUK (UNTEN)<br />
Eiffe? Bei dem Namen dürfte<br />
bei vielen Hamburgern etwas<br />
klingeln. Woher kennt<br />
man den Namen noch? Die<br />
Eiffestraße in Hamm, richtig! Viele<br />
Autos, viel Lärm, wenig Heimeligkeit.<br />
Benannt ist die Ausfallstraße nach<br />
Franz Ferdinand Eiffe, der von 1872 bis<br />
1874 Hamburger Bau senator war.<br />
Und: Urgroßvater eines anderen Eiffes,<br />
dessen irre Geschichte nun zurück in<br />
die Kinos kommt: Peter-Ernst Eiffe.<br />
Christian Bau kann man getrost als<br />
„Eiffe-Ultra“ bezeichnen. Seit mehr als<br />
50 Jahren beschäftigt sich der Hamburger<br />
Filmemacher mit dem Mann, dessen<br />
Namen bisher nur Nerds kennen.<br />
Dabei hat er Pionierarbeit geleistet in<br />
Sachen Straßenkunst – allein, nur mit<br />
einem schwarzen Filzstift bewaffnet.<br />
„Eiffe hat für 14 Tage die Welt angehalten“,<br />
sagt Bau.<br />
Das ist schon eine Weile her: Im<br />
Mai 1968 las man plötzlich überall<br />
Sprüche in der Stadt, in denen von einem<br />
gewissen Eiffe die Rede war: „Eiffetime<br />
10. Mai 1968. Neue Zeit – neue<br />
Zeitrechnung.“ Was sollte das? „Alle<br />
Ampeln auf Gelb!“, „Eiffe for Presi-<br />
Ist Eiffe seit Jahrzehnten auf der Spur<br />
und wurde für ihn sogar zum Detektiv:<br />
der Filmemacher Christian Bau.<br />
7<br />
dent“, „Eiffe liebt Dich“, „Eiffe Mao<br />
Rockefeller – das magische Dreieck“,<br />
„New York, Tokio, Wandsbek: Eiffe für<br />
alle“. Die kryptischen Sprüche prangten<br />
auf Verkehrsschildern, auf Toilettenfliesen,<br />
an Werbeplakaten, auf Briefkästen,<br />
ja sogar auf der Schulter einer<br />
just zur Miss Universitas gekürten jungen<br />
Frau hatte sich Eiffe verewigt.<br />
Was heute kaum vorstellbar ist: Es<br />
gab damals keine Graffiti. Christian<br />
Bau: „Anders als heute war Hamburg<br />
damals absolut sauber. Es gab kaum<br />
Müll oder Unordnung – von Graffiti<br />
gar nicht zu sprechen.“ Erst in den<br />
1980er-Jahren schwappte die bunte<br />
Straßenkunst von den USA aus langsam<br />
auch in deutsche Städte.<br />
„Bundeskanzler der Studenten“<br />
mit Wasserpistole<br />
1968 aber war Eiffe sofort in aller Munde.<br />
Dafür sorgte der damals 27-Jährige<br />
schon selbst: Seine Sprüche unterschrieb<br />
er oft mit einer Adresse: Wandsbeker<br />
Chaussee 305, 2000 Hamburg 22 sowie<br />
einer Telefonnummer. „Das hat die<br />
Leute völlig durcheinandergebracht“,<br />
sagt Christian Bau und lacht. „Alle<br />
wunderten sich: Gibt es den wirklich?<br />
Wer ist das?“ Auch die Presse nahm<br />
sich des Phänomens an. Und fand: eine<br />
gescheiterte Existenz. Kurz vor seinen<br />
Streifzügen durch die Stadt war Eiffe<br />
fristlos entlassen worden. Seine Stelle
Stadtgespräch<br />
Eiffe pflasterte mit seinen Sprüchen die Stadt (oben). Für die Doku wurde<br />
sein Krankenzimmer in Ochsenzoll nachgestellt.<br />
jetzt einfach“-Haltung bei vielen 68ern<br />
auf offene Arme: „Da kommt so ein<br />
merkwürdiger Kerl und schreibt alles<br />
voll“, sagt Bau. Für Kunst hielt er das,<br />
was Eiffe machte, zwar nicht, aber für<br />
„eine Möglichkeit, etwas zu bewirken“.<br />
Bau: „Das hat uns elektrisiert.“<br />
Schnell wurde Eiffe jedoch aus dem<br />
Verkehr gezogen: Nach gut 14 Tagen endete<br />
seine persönliche Straßenverschönerungsaktion<br />
am Hauptbahnhof. Er<br />
fuhr mit seinem Fiat 600 in die heutige<br />
Wandelhalle und begann, die Wände mit<br />
„magischen Dreiecken“ zu bekritzeln.<br />
Die Polizei führte ihn in Handschellen<br />
ab, später brachte man ihn in die psychiatrische<br />
Klinik nach Ochsenzoll.<br />
Ob er wirklich psychisch krank oder<br />
einfach nur „von der Rolle“ war, kann<br />
Christian Bau auch 50 Jahre später<br />
nicht sagen. „Er hatte wohl Schübe von<br />
Depressionen“, sagt er. In Ochsenzoll<br />
soll es zu einer Überdosis mit dem Medikament<br />
Lithium gekommen sein, Eiffe<br />
saß danach zeitweilig im Rollstuhl. Später<br />
landete er in einer Klinik im schleswig-holsteinischen<br />
Rickling, aus der er<br />
zwölf Jahre später an Weihnachten floh.<br />
Ein Bauer fand seine Leiche erst Monate<br />
später auf einem Feld – er war erfroren.<br />
Das stille Ende eines Mannes, über<br />
den einst ganz Hamburg sprach.<br />
im Statistischen Landesamt verlor er,<br />
nachdem er Aktfotos und Bismarck-<br />
Porträts aufgehängt hatte, zudem hatte<br />
er die Putzfrau mehrfach beschimpft.<br />
Zuvor hatte er schon ein BWL-Studium<br />
abgebrochen. Nur seine Zeit bei der<br />
Bundeswehr schloss er ab, war Leutnant<br />
der Reserve.<br />
Im Mai 1968 sah man ihn dann<br />
immer wieder an der Uni, im Umfeld<br />
der Außerparlamentarischen Opposition<br />
(APO). Einmal ging er mit einer<br />
Wasserpistole durchs Audimaxx,<br />
„Rattattatatt“ rufend, ein anderes Mal<br />
sprach er über die subversive Kraft<br />
des Spaßes und verkündete, er wolle<br />
„Bundeskanzler der Studenten und<br />
Demonstranten“ werden.<br />
Filmemacher Bau war<br />
„elektrisiert“ von Eiffe<br />
Christian Bau ist nur ein Jahr jünger als<br />
der 1941 geborene Eiffe. Er habe<br />
„selbst Flausen im Kopf gehabt 1968“,<br />
erinnert sich der Filmemacher: „Die<br />
Welt aus den Angeln heben“ wollten er<br />
und seine Freunde. Eiffe traf mit seiner<br />
grenzüberschreitenden „Ich mach das<br />
8<br />
Eiffes Tochter meldete sich<br />
überraschend beim Filmemacher<br />
All das und mehr erzählt Christian<br />
Baus Dokumentarfilm „Eiffe for President<br />
– Alle Ampeln auf Gelb!“. Der<br />
Film, 1995 erstmals veröffentlicht,<br />
kommt nun in digitalisierter Fassung<br />
erneut ins Kino. Bau, der 1979 mit anderen<br />
Dokumentarfilmern den Verein<br />
Die Thede gegründet hatte, erinnert<br />
sich noch gut daran, wie aufwendig<br />
damals die Recherchen waren. Eiffe<br />
war so gut wie vergessen. Außer einem<br />
dünnen Bändchen existierte keine Literatur.<br />
Fotomaterial war ebenfalls rar.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
In ihrer Not riefen Bau und sein Kompagnon<br />
Artur Dieckhoff die Hamburger<br />
auf, ihnen sachdienliche Hinweise<br />
zu ihrem Filmgegenstand zukommen<br />
zu lassen. „Das war mühsam, aber im<br />
Grunde genommen das einzig Wahre“,<br />
sagt Bau. Rund 50 Zeitzeugen meldeten<br />
sich, unter ihnen auch jemand<br />
Unerwartetes: „Die Anruferin war von<br />
der Stimme sehr jung und fragte mich,<br />
„Eiffe hat für<br />
14 Tage die Welt<br />
angehalten.“<br />
CHRISTIAN BAU<br />
ob ich ihr denn etwas zu Eiffe erzählen<br />
könne?“, erinnert sich Bau. Wie sich<br />
herausstellte, war es dessen Tochter.<br />
Die hatte nie eine Beziehung zu ihrem<br />
Vater aufbauen können: Als sie 18<br />
Monate alt war, verließ ihre Mutter<br />
Eiffe. „Ich hatte das Gefühl, dass sie<br />
auch eine große Sehnsucht danach hatte,<br />
mehr über ihren Vater zu erfahren“,<br />
sagt Bau. Im Gegensatz zu ihrer Mutter,<br />
die mit der Vergangenheit abgeschlossen<br />
hat, spricht die Tochter im<br />
Film offen, aber auch kritisch über ihren<br />
Vater. „Sie war mit seiner Haltung<br />
gegenüber Frauen nicht einverstanden“,<br />
sagt Bau. Eiffe habe zwar für die<br />
damalige Zeit „ein normales Verhältnis“<br />
zu Frauen gehabt, doch das war<br />
klar patriarchalisch geprägt. „Eiffe<br />
sucht Frauen, die Chinesisch und Französisch<br />
können, und gesunde Senatoren“<br />
lautete einer seiner Sprüche. Auch<br />
habe Eiffe darauf bestanden, stets als<br />
Erster etwas zu Essen zu bekommen –<br />
egal, ob seine Tochter schrie.<br />
„Eiffe war selbst in einem patriarchalischen<br />
Haushalt groß geworden. Er<br />
war adoptiert. Sein Adoptivvater war<br />
ein hochrangiger Nazi“, so Bau. Nach<br />
dessen frühem Tod sei Eiffe „vollkommen<br />
durcheinander“ gewesen. „Er<br />
wusste nicht, wie er diesem berühmten<br />
Namen gerecht werden sollte. Ich glaube,<br />
er hatte gehofft, dass er durch seine<br />
Aktionen den Namen Eiffe wieder<br />
bekannt macht“, vermutet Bau.<br />
Neues Buch über Eiffe erscheint<br />
50 Jahre später ist es Bau, der den Namen<br />
Eiffe wieder bekannter machen will.<br />
Neben der Neuauflage des Films feiert<br />
im <strong>Oktober</strong> auch ein aufwendig gestalteter<br />
Bildband über Eiffe Premiere. Herausgebracht<br />
von Theo Bruhns vom Verlag<br />
Assoziation A, finanziert durch<br />
Crowdfunding. „Theo war sofort begeistert,<br />
der hat auch schon ein Buch über<br />
OZ herausgebracht“, freut sich Bau. In<br />
dem Buch finden<br />
sich neben vielen<br />
bislang unveröffentlichten<br />
Fotos<br />
aus Eiffes Leben<br />
und Werk auch<br />
neue Texte, die<br />
Eiffe etwa in Verbindung<br />
mit dem<br />
französischen Situationismus<br />
und<br />
anderen Kunstrichtungen<br />
bringen.<br />
Und: „Eiffe<br />
Eiffe sah nicht<br />
unbedingt<br />
so aus, wie<br />
man sich<br />
einen Graffiti-<br />
Künstler vorstellt.<br />
Zeitweilig<br />
arbeitete er<br />
auch beim<br />
Statistikamt.<br />
war einer der Ersten, der die Frage ‚Wem<br />
gehört die Stadt?‘ durch seine Art, den<br />
öffentlichen Raum zu nutzen, aufgeworfen<br />
hat“, sagt Bau. Ein weiterer Text<br />
widmet sich Eiffe-Fans in der DDR. Dass<br />
es Eiffes Sprüche bis in den Osten geschafft<br />
haben, ist Uwe Timms Roman<br />
„Heißer Sommer“ zu verdanken, in dem<br />
Eiffe fleißig zitiert wird. Bau: „Das haben<br />
in der DDR alle gelesen.“<br />
Dass aber auch die Hamburger<br />
mehr über Eiffe erfahren wollen, zeigte<br />
sich bereits im April: Bei der Dokumentarfilmwoche<br />
feierte die Neuauflage des<br />
Films Premiere im Lichtmess Kino. Der<br />
Saal: übervoll. Gäste saßen auf Treppen<br />
oder standen. „Die Reaktionen haben<br />
uns bestärkt und ermuntert. Ein<br />
wundervoller Abend“, so Bau. Neben<br />
alten Wegbegleitern waren auch auffällig<br />
viele jüngere Zuschauer gekommen.<br />
Christian Bau, mittlerweile<br />
77 Jahre alt, lächelt,<br />
als man ihn danach<br />
fragt, ob man sich<br />
denn auch heute noch<br />
etwas von Eiffe abgucken<br />
könne? „Es lohnt<br />
sich immer, die Welt für<br />
einen Moment anzuhalten.“<br />
•<br />
Kontakt:<br />
redaktion@hinzundkunzt.de<br />
Film-Premiere mit Buchvorstellung:<br />
„Eiffe for President.<br />
Alle Ampeln auf Gelb!“<br />
Metropolis, Kleine Theaterstraße<br />
10, Di, 29.10., 19 Uhr,<br />
7,50 Euro; Abaton, Allende-<br />
Platz 3, So, 10.11., 11 Uhr,<br />
9/8 Euro. Das gleichnamige<br />
Buch (inkl. Film auf DVD)<br />
erscheint diesen Monat,<br />
Verlag: Assoziation A, 20 Euro.
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>320</strong>/OKTOBER <strong>2019</strong><br />
Meldungen<br />
Politik & Soziales<br />
Die Evangelische Kirche will<br />
ab 2020 mit einem eigenen<br />
Schiff Geflüchtete im Mittelmeer<br />
retten. Ihr Vorsitzender<br />
Heinrich Bedford-Strohm<br />
besuchte 2016 Marinesoldaten<br />
während ihrer inzwischen<br />
beendeten Rettungsmission<br />
und bedankte sich<br />
für den „eindrucksvollen<br />
Samariterdienst“.<br />
Protest gegen Leerstand<br />
Scheinbesetzung in Altona<br />
Mitglieder der Kampagne #einfachwohnen haben Mitte September ein seit<br />
Jahren leer stehendes Haus mit etwa zwölf Wohnungen in Altona-Nord symbolisch<br />
besetzt. Damit wollten die Organisatoren von Diakonie, Caritas, Mieter helfen<br />
Mietern und Stattbau auf Wohnungsnotfälle aufmerksam machen. Die Bekämpfung<br />
von Leerstand sei dabei eine wichtige Sofortmaßnahme. Dirk Ahrens,<br />
Diakonie-Chef und Kampagnensprecher: „Im letzten Jahr haben 12.000 Menschen<br />
mit Dringlichkeitsschein keine Wohnung gefunden. Mit dem Wohnraum,<br />
den das leer stehende Haus hier in der Sommerhuder Straße 4 bietet, könnte man<br />
zumindest einigen richtig schnell helfen.“ Trotzdem wird der Bezirk vorerst nicht<br />
einschreiten. Der Eigentümer besitzt eine bis 2020 gültige Baugenehmigung. LG<br />
•<br />
Kampf gegen Leerstand<br />
München ist Spitzenreiter<br />
München ist bekannt für Fußball,<br />
Weißbier und hohe Mieten. Weniger<br />
bekannt ist, dass die bayerische<br />
Landeshauptstadt Spitzenreiter im<br />
Kampf gegen Leerstand ist: 2018<br />
wurden insgesamt 1853 Wohnungen<br />
„gerettet“ – also wieder vermietet.<br />
Hamburg hat die Daten für 2018<br />
noch nicht ausgewertet, kann aber<br />
zuletzt eine Steigerung vorweisen:<br />
2016 wurden noch 476, 2017 immerhin<br />
schon 710 Wohnungen gerettet.<br />
Im Unterschied zu Hamburg setzt<br />
München mit dem Online-Meldeportal<br />
„Raum für München“ auf<br />
die Mitarbeit der Bürger. Die Bilanz:<br />
1769 Meldungen gingen 2018 beim<br />
zuständigen Amt ein. Wäre solch ein<br />
Portal für Hamburg interessant? Dort<br />
gab es von 2015 bis 2017 nur 355<br />
Anzeigen. Die Stadtentwicklungsbehörde<br />
winkt ab. Hamburg habe<br />
bundesweit die geringste Leerstandsquote<br />
und das Personal aufgestockt.<br />
Uneinsichtige Vermieter mussten<br />
2018 bereits insgesamt 22.000 Euro<br />
Bußgelder zahlen. Holt Hamburg<br />
also langsam auf ? Mitnichten. In<br />
München lag die Summe der Bußgeldbescheide<br />
bei 982.000 Euro. JOF<br />
•<br />
Umbau und Spendenaktion<br />
Rathauspassage bekommt Licht<br />
Seit 1998 besteht die Rathauspassage<br />
als Ort der Begegnung mit Antiquariat<br />
und Gastronomie, an dem Langzeitarbeitslose<br />
wieder in den Arbeitsalltag<br />
integriert werden. Um die<br />
ziemlich dunkle Passage attraktiver<br />
zu machen, wird sie jetzt umgebaut.<br />
Unter anderem ist ein Fenster zur<br />
Kleinen Alster geplant. Dafür fehlen<br />
noch etwa 1,2 Millionen Euro, die<br />
durch den Verkauf von Förderaktien<br />
zusammenkommen sollen. LG<br />
•<br />
Weitere Infos: www.rathauspassage.de<br />
Gewalt gegen Frauen<br />
Neuer Zufluchtsort ab 2020<br />
Hamburg bekommt einen weiteren<br />
Zufluchtsort für von Gewalt betroffene<br />
Frauen. Für das sechste Frauenhaus<br />
stellt der Senat 781.000 Euro<br />
bereit. „Das ist sinnvoll investiertes<br />
Geld in den Schutz von Frauen und<br />
ihren Kindern, die ihr Leben frei von<br />
Gewalt neu gestalten wollen“, sagt<br />
Mareike Engels, frauenpolitische<br />
Sprecherin der Grünen. Die Immobilie<br />
wird bereits umgebaut und bietet<br />
ab Frühjahr 2020 schließlich Platz für<br />
bis zu 32 Frauen und Kinder. JOF<br />
•<br />
Langjähriger Trend<br />
Weniger Zwangsräumungen<br />
In Hamburg gibt es immer weniger<br />
Zwangsräumungen: 2018 waren es<br />
1293 Fälle, geht aus einer Senatsantwort<br />
auf eine Anfrage der Linksfraktion<br />
hervor. Ein Jahr zuvor<br />
waren es noch 253 Räumungen<br />
mehr. Dass 300 Zwangsräumungen<br />
im ver gangenen Jahr auf das Konto<br />
der städ tischen Wohnungsgesellschaft<br />
Saga gingen, findet die Linke<br />
„skandalös“ und fordert: Geräumt<br />
werden dürfe nur, wenn Ersatzwohnraum<br />
zur Verfügung stehe. BELA<br />
•<br />
FOTO: EPD-BILD/THOMAS LOHNES<br />
10
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
Die<br />
Großuhrwerkstatt<br />
Bent Borwitzky<br />
Uhrmachermeister<br />
Telefon: 040/298 34 274<br />
www.grossuhrwerkstatt.de<br />
Verkauf und Reparatur<br />
von mechanischen Tisch-,<br />
Wand- und Standuhren<br />
Kampf gegen Dumpinglöhne<br />
Gesetz soll Paketboten schützen<br />
Noch vor Weihnachten soll das PaketbotenSchutzGesetz<br />
in Kraft treten.<br />
Das hat die Bundesregierung beschlossen.<br />
Künftig sollen Paketdienste haften, wenn<br />
Subunternehmer nur Dumpinglöhne<br />
zahlen. In anderen Branchen habe sich<br />
die Nachunternehmerhaftung bewährt,<br />
so das Arbeitsministerium: In der Bauwirtschaft<br />
zahlten Unternehmen 2018<br />
3,15 Millionen Euro an die Unfallversicherung<br />
nach, in der Fleischwirtschaft<br />
dieses Jahr 61.000 Euro. Hinzu kämen<br />
Zahlungen an die Krankenkassen. UJO<br />
•<br />
Studie zu Langzeitarbeitslosen<br />
Ausgrenzung schafft Nichtwähler<br />
HartzIVBezieher fühlen sich oft so stark<br />
ausgegrenzt, dass sie nicht wählen gehen.<br />
Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag<br />
des Evangelischen Fachverbandes für<br />
Arbeit und soziale Integration (EFAS e. V.)<br />
und des Diakonischen Werkes Bayern.<br />
Für die Studie hatten Langzeitarbeitslose<br />
70 andere HartzIVBezieher unter Anleitung<br />
von Wissenschaftlern interviewt.<br />
Ergebnis: Viele gehen nicht wählen, weil<br />
sie das Vertrauen in die Politik verloren<br />
haben, sich ausgeschlossen fühlen. UJO<br />
•<br />
Die Studie: www.huklink.de/langzeitarbeitslos<br />
Freilichtmuseum am Kiekeberg.<br />
www.kiekeberg-museum.de<br />
Altersarmut<br />
Lebensmittelspenden für Senioren<br />
Die Tafeln haben bundesweit einen dramatischen<br />
Anstieg der Nutzerzahlen beklagt:<br />
Insgesamt 150.000 Menschen mehr<br />
als ein Jahr zuvor seien auf Lebensmittelspenden<br />
angewiesen, ein Zuwachs von<br />
10 Prozent. Bei Senioren betrage der Zuwachs<br />
sogar 20 Prozent. Nach Langzeitarbeitslosigkeit<br />
seien niedrige Renten der<br />
zweithäufigste Grund, eine Tafel aufzusuchen.<br />
Auch die Hamburger Tafel beobachtet<br />
einen Anstieg der Nutzerzahlen in<br />
den rund 130 belieferten Einrichtungen,<br />
kann diesen aber nicht beziffern. BELA<br />
•<br />
Klimaschutz<br />
Geld für lokale Initiativen<br />
Mit einem neu angelegten Fonds will die<br />
Hamburger Klimaschutzstiftung Umweltprojekte<br />
lokaler Initiativen mit insgesamt<br />
450.000 Euro unterstützen. Für einzelne<br />
Projekte stehen bis zu 20.000 Euro zur<br />
Verfügung. Bis maximal 5000 Euro<br />
entscheidet die Stiftung sogar kurzfristig<br />
über eine Förderung. „Für solche Projekte<br />
aus der Zivilgesellschaft hat bisher ein<br />
passender Topf gefehlt“, sagt Karin<br />
Gaedicke, Vorsitzende der Stiftung. LG<br />
•<br />
Weitere Infos zur Klimaschutzstiftung:<br />
www.moinzukunft.hamburg/klimafonds<br />
Gewalt gegen Obdachlose<br />
Angriffe in Berlin und Hamburg<br />
Ein Obdachloser ist an der UBahn<br />
Station Lübecker Straße so brutal angegriffen<br />
worden, dass er mehrere Wochen<br />
im Krankenhaus verbringen muss.<br />
Das erzählte der Schwerverletzte, als<br />
ihn Hinz&<strong>Kunzt</strong> Anfang September im<br />
Krankenhaus besuchte. Laut Polizei<br />
wurde der Mann in der Nacht vom 26.<br />
auf den 27. August von mehreren<br />
alkoholisierten Männern mit Schlägen<br />
und Tritten malträtiert. Nach Angaben<br />
der Hamburger Staatsanwaltschaft sitzen<br />
die mutmaßlichen Täter, die die Polizei<br />
ebenfalls der Obdachlosenszene zurechnet,<br />
weiterhin in Untersuchungshaft.<br />
Einen besonders brutalen Übergriff<br />
auf Obdachlose gab es auch in Berlin.<br />
Auf der Warschauer Brücke in Berlin<br />
Friedrichshain ist am 5. September ein<br />
Mann im Schlaf angegriffen worden.<br />
Er und zwei weitere Obdachlose wurden<br />
durch Schläge, Tritte und den abgebrochenen<br />
Hals einer Bierflasche teilweise<br />
schwer verletzt. Die Täter konnten unerkannt<br />
fliehen. Laut Pressestelle der Polizei<br />
dauern die Ermittlungen weiter an. LG<br />
•<br />
Mehr Infos und Nachrichten unter:<br />
www.hinzundkunzt.de<br />
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Historischer Jahrmarkt<br />
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www.tai-chi- lebenskunst.de<br />
11
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Zahlen des Monats<br />
Wissenschaftler entlarven<br />
Rechtspopulisten<br />
AfD schürt<br />
Fremdenfeindlichkeit<br />
und Angst<br />
5,2 Prozent<br />
aller Tatverdächtigen in Deutschland stammen aus Syrien, Afghanistan<br />
und Irak, so die Polizeiliche Kriminalstatistik. Das Zerrbild,<br />
das die Alternative für Deutschland (AfD) entwirft, sieht völlig anders aus:<br />
Glaubt man den Pressemitteilungen der Rechtspopulisten, kommt nahezu<br />
jeder zweite Tatverdächtige (47 Prozent) aus einem dieser drei Länder.<br />
Das zeigt eine wissenschaftliche Studie, die 242 Pressemitteilungen der<br />
AfD aus dem Jahr 2018 unter die Lupe genommen hat.<br />
Insgesamt werden laut den Medienbotschaften der AfD 95 Prozent aller<br />
Straftaten von Nichtdeutschen begangen, so die Analyse der Professoren<br />
Thomas Hestermann (Macromedia Hamburg) und Elisa Hoven (lehrt Strafrecht<br />
an der Universität Leipzig). Tatsächlich haben gemäß der Kriminalstatistik<br />
nur 34,5 Prozent aller Tatverdächtigen einen fremden Pass.<br />
Interessant auch: Während die AfD immer wieder vor angeblich<br />
steigender Kriminalität warnt, hat die Zahl der angezeigten Straftaten im<br />
Verlauf der vergangenen zehn Jahre um 9,1 Prozent abgenommen.<br />
Fazit der Wissenschaftler: „In erster Linie dient die Kriminalpolitik der Partei<br />
ihrer Forderung nach einem härteren Vorgehen gegen Zuwanderer und<br />
in Deutschland lebende Ausländer vor allem muslimischen Glaubens.“ •<br />
TEXT: ULRICH JONAS<br />
ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />
Die Studie zum Nachlesen: www.huklink.de/afd-studie<br />
13
Gut 35.000 Menschen leben<br />
in Ottensen. Und doch ist es<br />
ein Dorf. Abendlicher Blick auf<br />
den Spritzenplatz.<br />
Oh, dieses<br />
Ottensen-Gefühl…<br />
Ottensen gilt als einer der beliebtesten Stadtteile Hamburgs.<br />
Gerne schlendert man dort durch die Straßen, lässt es<br />
sich gut gehen. Und wer Glück hat (oder Geld), der wohnt hier<br />
auch. Ein Spaziergang durch die dortige Bahrenfelder Straße,<br />
mit Blicken links und rechts des Weges.<br />
TEXT: FRANK KEIL<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE
Brigitte Abramowski (oben) staunt: Einst stand<br />
hier eine Fabrik für Fettwaren, heute sind in den<br />
Gebäuden vor allem Büros untergebracht. Selten,<br />
dass im „Aurel“ (links) ein Stuhl unbesetzt ist.<br />
Neulich wollte ich bei uns in<br />
Ottensen ein Brot kaufen.<br />
Ein Brot, weil wir zu Hause<br />
keines mehr hatten. Und<br />
ich ging in eine dieser Ottenser Bäckereien,<br />
hell ausgeleuchtet, der Fußboden<br />
aus schlichten Dielen, die Wände gekonnt<br />
unverputzt. Das Sortiment: vieles<br />
glutenfrei, ansonsten alles supersuper<br />
bio. Ich hatte es ein bisschen eilig.<br />
Vor mir eine Kundin, die sich ein<br />
Brot schneiden ließ, und der Bäcker<br />
schnitt und schnitt. Er nahm jede einzelne<br />
Scheibe ganz sanft in seine großen<br />
Bäckerhände, legte sie auf einen<br />
Bogen schneeweißen Papiers.<br />
Eine Minute verging, fünf Minuten,<br />
sieben Minuten. Das Brot war in<br />
etwa halb aufgeschnitten.<br />
Und da fiel es mir wieder ein: Hey –<br />
das hier ist Ottensen! In Ottensen kann<br />
man nicht einfach ein Brot kaufen wie in<br />
Berne, Wandsbek oder Harburg. In Ottensen<br />
ist ein Brotkauf Ausdruck eines<br />
ganz eigenen Lebensgefühls: Man hat<br />
Zeit ohne Ende, ist über die Banalitäten<br />
des Alltags sehr erhaben. Und wenn<br />
man irgendwann ein geschnittenes Brot<br />
16<br />
in seinen designten Stoffbeutel gleiten<br />
lassen kann, ist das schon okay. Aber es<br />
wäre nicht nötig gewesen.<br />
Brigitte Abramowski lacht, als ich<br />
ihr die Geschichte erzähle. Sie hat über<br />
Jahrzehnte die Geschichtswerkstatt Ottensen<br />
geleitet und kennt sich entsprechend<br />
bestens aus im Viertel. Und außerdem<br />
wohnt sie seit 43 Jahren ums<br />
Eck vom Spritzenplatz, an dem die<br />
Bahrenfelder Straße vorbeiführt, und<br />
die möchte ich erkunden: Sie durchkreuzt<br />
Ottensen einmal der Länge<br />
nach, beginnt an dem schäbigen und<br />
verlassenen Ottenser Marktplatz nahe<br />
dem Altonaer Rathaus, belebt sich<br />
schnell, wird zwischendurch Kopfsteinpflasterstraße,<br />
wird nur so gesäumt von<br />
Läden aller Arten, von Cafés, Restaurants<br />
und Bars und endet schließlich<br />
mit den Hausnummern 331 (links) und<br />
332 (rechts) kurz vor der Eisenbahnbrücke,<br />
über die die SBahnen Richtung<br />
Blankenese oder Wedel fahren.<br />
Auf der anderen Seite kommt mit dem<br />
Bahrenfelder Steindamm Bahrenfeld.<br />
Und damit eine andere Welt.
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Stadtgespräch<br />
Wir gehen ein paar Schritte. Und gleich<br />
wird es ernst: „Wenn ich in meinem<br />
Briefkasten einen Brief von der Hausverwaltung<br />
finde, habe ich Angst, ihn<br />
aufzumachen“, erzählt Brigitte Abramowski.<br />
Denn es könnte so weit sein:<br />
Das Haus wird verkauft; ihr wird angeboten,<br />
ihre Wohnung zu kaufen. Sonst:<br />
ausziehen! Und sie sagt es ohne Pathos:<br />
„Ich fühle mich bedroht.“ Eine Wohnung<br />
zu einem vergleichbaren Preis<br />
würde sie in Ottensen nicht mehr finden.<br />
So, wie in ihrem Haus mancher<br />
Nachbar für die gleiche Wohnungsgröße<br />
längst das Doppelte an Miete zahlt.<br />
Aber es ist nicht nur die Angst um den<br />
eigenen Wohnraum, die sie umtreibt:<br />
„Früher war Ottensen das Eldorado<br />
von Freiräumen – und die Idee davon<br />
„Der Stadtteil<br />
hat sich unglaublich<br />
verjüngt.“<br />
BRIGITTE ABRAMOWSKI, STADTTEILEXPERTIN<br />
Ottenser Wir-Gefühl schließt die Leute<br />
mit wenig Geld immer mehr aus.“<br />
Wir schauen über den Alma-Wartenberg-Platz,<br />
um den sich die Bahrenfelder<br />
Straße einmal herumschlängelt.<br />
Überall Bänke und Tische und Stühle<br />
und Kellner, die ihre Tabletts geschickt<br />
balancieren. Sie sagt: „Der Stadtteil hat<br />
sich unglaublich verjüngt. Es gibt viele<br />
junge Leute und es gibt viele Kinder.“<br />
Und dass deren Eltern viel für Miete<br />
oder die abzuzahlenden Kredite ausgeben<br />
müssen, sehe man daran, dass<br />
die Kitas in den Seitenstraßen sehr früh<br />
öffnen und sehr spät schließen: „Weil<br />
beide viel arbeiten müssen.“ Und apropos<br />
junge Leute, was einem auch auffällt:<br />
Man begegnet nicht mehr vielen<br />
älteren oder gar alten Leuten. Und Brigitte<br />
Abramowski lacht: „Früher habe<br />
ich immer nach Zeitzeugen gesucht, die<br />
mir was über das Viertel erzählen –<br />
jetzt bin ich selbst eine.“<br />
Ich hole mir ein wenig Fachverstand:<br />
Und treffe Johannes Gerdelmann,<br />
Baudezernent von Altona, damit<br />
ist immer noch vorhanden. Nur die<br />
Freiräume werden immer weniger und<br />
bald gibt es sie nicht mehr.“<br />
„Es gibt überhaupt kaum noch<br />
Orte, wo man ungestört lange sitzen<br />
kann“, sagt sie. Und sie atmet tief ein,<br />
denn eigentlich will sie ihren Stadtteil<br />
loben: „Es gibt dieses unglaubliche<br />
Ottensen-Gefühl. Man lebt hier gerne,<br />
weil es so ein kribbeliger, verbindender<br />
Stadtteil ist.“<br />
Ein Dorf. In dem man sich ständig<br />
trifft. Und zu diesem Lebensgefühl gehöre<br />
auch, dass man sich einmischt,<br />
wenn irgendwo etwas gebaut werden<br />
soll, was einem nicht passt, weil dafür<br />
etwas weichen soll, das man schätzt.<br />
„Früher wurden dann über Nacht Flugblätter<br />
gedruckt, aber da gab es hier<br />
auch noch Druckereien“, erzählt sie.<br />
Heute poste man bei Facebook. Egal:<br />
„Immer, wenn etwas passiert, gleich<br />
gibt es eine Gruppe von Widersachern.“<br />
Nur würden sich eben heute<br />
vor allem die Leute aus den Eigentumswohnungen<br />
und aus den Lofts engagieren,<br />
die wollten, dass ihr Ottensen<br />
bleibt, wie sie es haben wollen: „Das<br />
Hans von Bülow vor dem „Handwerkerhof“ (oben). In der Raucherkneipe „Mayday“<br />
(unten) sitzt niemand am Laptop oder tut wichtig. Dafür gibt es einen Billardtisch.<br />
17
Altonas Baudezernent Johannes<br />
Gerdelmann (oben) hat keinen<br />
leichten Job: Der Stadtteil soll sich<br />
verändern und bleiben, wie er ist.<br />
auch für Ottensen zuständig. Der gleich<br />
meine Erwartungen zu dämpfen sucht:<br />
Er sei Fachmann, Beamter, und kein<br />
Politiker. Kein Entscheider also, ein<br />
Ausführender. „Wenn der Baudezernent<br />
was sagt, denken alle, morgen wird<br />
gebaut und die Bodenpreise steigen –<br />
aber so ist das nicht, trotzdem muss ich<br />
gut überlegen, was ich sage“, erklärt er<br />
vorab. Und wir gehen los, und gleich<br />
schaut er anerkennend einmal die Straße<br />
hoch und einmal runter: „Allein,<br />
dass es in fast jedem Haus im Erdgeschoss<br />
eine Gastronomie gibt oder<br />
18<br />
ein Geschäft, das belebt einen Stadtteil<br />
und das ist hier extrem gut ausgeprägt.“<br />
Wir bleiben auf Höhe der Hausnummer<br />
64 stehen: links ein Kinderbuchladen,<br />
rechts eine kleine Boutique, dazwischen<br />
der Eingang zum Treppenhaus<br />
für die Wohnungen über den beiden<br />
Geschäften. Wieder nickt er zustimmend.<br />
Und legt seine Stirn in Sorgenfalten.<br />
Denn umgekehrt zeige sich, warum<br />
die Neuplanung von Wohngebieten<br />
so schwierig sei: „In der Regel wird nur<br />
monothematisch gebaut: Wohnen –<br />
Punkt.“ Und das mache so viele Straßen<br />
so langweilig, während in einer<br />
Straße wie der Bahrenfelder jedes Haus<br />
einen Anlass biete, stehen zu bleiben.<br />
„Und warum werden dann nicht<br />
wie hier in der Bahrenfelder öfter Wohnhäuser<br />
im Erdgeschoss mit Ladenflächen<br />
bestückt?“, frage ich. „Die Bewirtschaftung<br />
eines Hauses ist leichter,<br />
wenn ich nur Wohnen habe. Und ich<br />
muss baulich anders agieren, wenn im<br />
Erdgeschoss eine Ladenfläche ist. Ich<br />
habe eine spezielle Eingangssituation,<br />
ich kann nicht die Grundrisse sozusagen<br />
von oben bis unten durchziehen“,<br />
erklärt er. Auch die Förderung eines<br />
Baus sei nicht ganz so geschmeidig, als<br />
wenn man nur Wohnen habe.<br />
Und bald die Gretchenfrage mit<br />
Blick auf die vielen baulichen Veränderungen,<br />
die es in den vergangenen Jahren<br />
in Ottensen gab und die immer<br />
wieder für Streit sorgten: Wie darf<br />
überhaupt gebaut werden? Wir bleiben<br />
am Spritzenplatz stehen, schauen auf<br />
ein Ensemble aus unterschiedlichsten<br />
Häusern: Eines hat zwei Stockwerke,<br />
das nächste drei, dann eines vier und
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Stadtgespräch<br />
eines hat fünf. „Wie hoch jetzt hier gebaut<br />
werden darf, da kommt man ganz<br />
schön ins Schwimmen“, bekennt Johannes<br />
Gerdelmann. Klar – ein Investor,<br />
der ein neues Haus wirtschaftlich maximal<br />
nutzen möchte, wird mit dem fünfgeschossigen<br />
Bau argumentieren. Den<br />
Bewohnern vor Ort reichen vielleicht<br />
drei Stockwerke. Wer hat nun recht?<br />
„Man muss schauen, gilt ein genaues<br />
Planrecht oder ist eine Erkundung erforderlich?<br />
Etwa, ob ein höheres Haus<br />
ein anderes Haus verschattet und damit<br />
das Wohnen dort beeinträchtigt. Und<br />
dann könnte man auch die Leute einbinden,<br />
die da täglich vorbeigehen“,<br />
sagt er. Er atmet tief ein: „Besonders in<br />
heterogenen Quartieren wie Ottensen,<br />
wo man die Verschiedenartigkeit mag,<br />
stößt man auf ein großes Interessengeflecht<br />
und auch Gewohnheitsgeflecht.“<br />
Er sagt: „Wenn alle Gebäude stur fünfgeschossig<br />
sind, ist es einfach.“ In einer<br />
Straße wie der Bahrenfelder seien dagegen<br />
immer Einzelfallentscheidungen<br />
gefragt.<br />
Wir sind weitergegangen, Richtung<br />
Alma-Wartenberg-Platz, stoppen vor<br />
mehreren Flachbauten, in denen Geschäfte<br />
sind. Viel Platz ist nach oben,<br />
da könnte man doch locker in die Höhe<br />
gehen, wenn es auch äußerst angenehm<br />
ist, dass man mal nicht an einer<br />
hoch geschlossenen Häuserfront entlanggeht,<br />
sondern den Himmel spüren<br />
kann. Der Clou hier: Die Bauten sind<br />
in privater Hand, meist gehören sie den<br />
Ladeninhabern.<br />
„Inhabergeführte Läden haben eine<br />
große Bestandskraft. Die Besitzer<br />
fragen sich: ,Warum soll ich hier viergeschossig<br />
bauen und mich mit Krediten<br />
belasten? Mir geht es doch auch so<br />
gut‘“, fühlt sich Gerdelmann in die Seele<br />
dieser Eigentümer ein. Was umgekehrt<br />
erklärt, warum Wohnungs- und<br />
Gewerbebau so rabiat werden, wenn<br />
die Investoren durch keinerlei persönliche<br />
Bindungen an die Geschichte<br />
eines Hauses oder an den Stadtteil<br />
geprägt sind. Paradebeispiel ist der umstrittene<br />
Bürokomplex Zeise 2, eine<br />
Straße weiter in der Friedensallee, ein<br />
blankes Investitionsgeschäft: gebaut für<br />
70 Millionen Euro, weiterverkauft für<br />
79 Millionen, während das Ding noch<br />
im Bau war – ein ganz eigenes Thema,<br />
über das die Ottenser Geschichtswerkstatt<br />
mittlerweile ein Buch publiziert<br />
hat: „Investors first“ (siehe Info unten).<br />
„Ich kenne die Bahrenfelder Straße<br />
schon mein ganzes Leben“, sagt Hauke<br />
Lorenz, Filmemacher von Beruf. Dabei<br />
ist er im fernen Hummelsbüttel aufgewachsen.<br />
Aber seiner Oma gehörte<br />
das Haus mit der Nummer 90. „Unsere<br />
Oma hat freitags oft auf uns Kinder<br />
aufgepasst, hat uns mitgenommen nach<br />
Ottensen, am Altonaer Bahnhof hat ihr<br />
Freund Fritz auf uns gewartet und dann<br />
sind wir weiter zu ihr. Sie wohnte im<br />
ersten Stock“, erzählt er. Im Erdgeschoss<br />
vormals eine Schlachterei, die<br />
wiederum vom Vater seiner Oma väterlicherseits<br />
gegründet wurde, den es aus<br />
Heidelberg nach Ottensen verschlagen<br />
hatte. Und der eines Tages, getragen<br />
von tiefem Heimweh, das Heidelberger<br />
Schloss aus (Vegetarier, festhalten!)<br />
Schweineschmalz nachbaute, das dann<br />
im Schaufenster stand.<br />
Nach Hauke Lorenz’ Urgroßvater<br />
übernahm der Großvater, 1964 schloss<br />
die Schlachterei, eine Wäscherei zog<br />
ein, der später ein Döner-Laden folgte.<br />
„Meine Oma hat da oft zu Mittag gegessen,<br />
sie musste ja nur die Treppe<br />
runtergehen, das Essen war sehr lecker<br />
und die Bedienung war sehr nett, sie<br />
hat das sehr gemocht“, erzählt er.<br />
„Ich gebe den<br />
Punkern gerne<br />
einen Euro.“<br />
HAUKE LORENZ, ANWOHNER<br />
Heute wohnt er selbst hier, im obersten<br />
Stock, zahlt seiner Mutter und deren<br />
Schwestern eine Miete, die völlig okay<br />
sei. Und aus dem Döner-Laden ist ein<br />
Fischrestaurant geworden. Aus der Kinderzeit<br />
erinnert er sich besonders „an<br />
das Hertie-Kaufhaus beim Bahnhof, das<br />
schon geschlossen hatte. Unter dessen<br />
Vordach haben damals viele Leute auf<br />
der Straße gelebt.“ Es sei überhaupt eine<br />
ganz andere Stimmung im Viertel<br />
gewesen: „Wobei – es gibt gewisse Gestalten,<br />
die halten sich, und ich gebe den<br />
Punkern vorne am Spritzenplatz gerne<br />
mal einen Euro. Das ist mein Beitrag<br />
gegen die Gentrifizierung“, erzählt er.<br />
Bevor ich mich verabschiede, frage ich<br />
ihn nach dem verkehrsberuhigten Teil<br />
Eine der letzten ungestylten Ecken im<br />
Viertel. Wird die Fläche verkauft, droht<br />
ein Klotz aus Stahl, Glas und Beton.<br />
19
Filmemacher Hauke Lorenz (oben) vor dem<br />
Haus seines Urgroßvaters, der hier eine<br />
Schlachterei hatte. Reizvoll (links): vier<br />
Geschosshöhen statt einheitliche Bauweise.<br />
der Straße: „Ich finde das Projekt super“,<br />
sagt er: „So wenig Autos gab es<br />
hier in meiner Erinnerung nur bei G20,<br />
damals waren aber auch kaum Menschen<br />
da, und ich war sauer, dass meine<br />
YuppiNachbarn alle das Weite gesucht<br />
hatten, anstatt für eine gerechte Welt zu<br />
demonstrieren.“<br />
Es ist ein Experiment bis Februar.<br />
Einige Dutzend Meter, auf denen Autos<br />
nur in Ausnahmefällen fahren dürfen<br />
und die Fahrradfahrer sich ans<br />
Schritttempo halten sollen – nun ja.<br />
Aber die Sache hat schon einen flotten<br />
Namen: „Flanierquartier“. Dabei ist es<br />
schlicht eine Straße ohne Autos; zwischen<br />
den schmalen Gehsteigen buckliges<br />
Kopfsteinpflaster, auf dem man<br />
schlecht gehen kann. Nicht alle Anwohner<br />
sind wie Hauke Lorenz begeistert.<br />
Es gibt so etwas wie eine Bürgerinitiative<br />
dagegen. Baudezernent Johannes<br />
Gerdelmann, darauf angesprochen,<br />
bleibt ruhig: „Aus meiner Sicht handelt<br />
es sich um eine kleine, aber artikulationsstarke<br />
Gruppe.“ Entstanden sei der<br />
Vorschlag im Rahmen vieler Veranstaltungen<br />
und Workshops zum Thema le<br />
20<br />
benswertes Wohnen für Fußgänger und<br />
Fahrradfahrer in der Stadt – und als einer<br />
von vielen Vorschlägen umgesetzt<br />
worden. Er sagt: „Wir haben mal nicht<br />
alle gefragt, ob man das machen soll,<br />
und erst, wenn man sich ganz sicher ist,<br />
fängt man damit an.“ Sondern mal machen,<br />
dann schauen, was passiert – und<br />
das parallel auswerten. So gesehen habe<br />
es diesmal eine andere Projektdramaturgie<br />
gegeben, als man das in<br />
Ottensen gewohnt sei. Bewusst sei<br />
nichts aufwendig umgebaut worden,<br />
die Maßnahme könne ruckzuck wieder<br />
rückgängig gemacht werden. Er deutet<br />
an, was nach der Entscheidung über die<br />
Verkehrsberuhigung noch auf dem<br />
Zettel steht: eventuell Weiterführung<br />
des Projekts mit wieder geöffnetem Lessingtunnel<br />
und mögliches Anwohnerparken.<br />
Zwei echte Reizthemen für die<br />
reizbaren Viertelbewohner.<br />
Weiter geht es Richtung Kulturzentrum<br />
Fabrik, ich kreuze die Barnerstraße.<br />
Es wird ruhiger, gemächlicher.<br />
Zweistöckige Häuser aus der Zeit, als<br />
Altona dänisch war, reihen sich anein
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Stadtgespräch<br />
„Wir gehen hier<br />
jeden Morgen<br />
gern zur Arbeit.“<br />
HANS VON BÜLOW ÜBER DEN HANDWERKERHOF<br />
ander, gespickt mit kleinen Restaurants<br />
und Cafés. Eine Schule folgt mit Pausenhof<br />
und Sportplatz, auf der anderen<br />
Seite ab der Hausnummer 254 der<br />
wuchtige Vivo-Neubau, der Geschäfte<br />
mit Ökoangeboten versammeln sollte,<br />
aber gleich pleiteging. Fast am Ende,<br />
Ecke Gaußstraße, fällt links mit der<br />
Hausnummer 321 ein schmales Gebäude<br />
aus Beton und Holz auf. Hier residiert<br />
der Handwerkerhof Ottensen.<br />
Der auf ein eigenes Thema hinweist:<br />
das des Kleingewerbes, das einst<br />
untrennbar zum Stadtteil Ottensen<br />
gehörte.<br />
„Es gibt auch in der Bahrenfelder<br />
noch kleine Betriebe, so wie früher, aber<br />
es dünnt sich merklich aus“, sagt Hans<br />
von Bülow, der den Handwerkerhof<br />
mitbegründete: auf einer Fläche, die<br />
30 Jahre lang Brachland war, das endlich<br />
bebaut werden sollte. „Es gab damals<br />
eine Menge Interessenten, auch<br />
potente Investoren, aber – Wunder, oh<br />
Wunder – die Stadt hat mal nicht gefragt,<br />
wer das meiste Geld auf den<br />
Tisch legt, sondern welches Projekt<br />
sinnvoll ist.“ Und von Bülow mit seiner<br />
Firma für Bausanierung sowie befreundete<br />
Betriebe bekamen den Zuschlag.<br />
Ihre Idee: auf kleiner Fläche Gewerbe<br />
in die Höhe zu stapeln. Gesamtfläche:<br />
nicht mehr als 1400 Quadratmeter.<br />
An der Seite ein massiver Fahrstuhl,<br />
groß genug, Maschinen, Baustoffe und<br />
Materialien zu transportieren. „2011<br />
hatten wir die Idee, sind rumgelaufen,<br />
haben geguckt, bei wem drückt der<br />
Schuh und wem könnte er bald drücken.<br />
Dann haben wir gebaut, 2015 zogen<br />
alle ein“, erzählt er: zwei Klempnereien<br />
und eine Zimmerei, Harfenbau<br />
und Gitarrenbau; eine Polsterei, eine<br />
Glaserei, dazu Rechts anwälte, eine<br />
Shiatsu-Praxis, ein Büro für Schallschutz<br />
und eines für Innenausstattung.<br />
Er lehnt sich zufrieden zurück: „Das<br />
Geschäft läuft bei allen hervorragend,<br />
so wie wir uns das gewünscht haben.<br />
Aber das in der Realität auch zu erleben,<br />
ist noch mal etwas Besonderes.“<br />
Und er setzt hinzu: „Wir gehen hier jeden<br />
Morgen gern zur Arbeit.“<br />
Noch etwas ist anders: Der Ottenser<br />
Handwerkerhof ist dem bundesweiten<br />
Netzwerk des Mietshäuser Syndikats<br />
beigetreten. Damit bleibt das<br />
Gebäude auf ewig Teil des Syndikats<br />
und somit unverkäuflich: „Selbst wenn<br />
wir uns hier alle einig wären von wegen<br />
,Lasst uns die Hütte verkaufen und ein<br />
paar Millionen einsammeln‘, es wäre<br />
nicht möglich.“ Entsprechend wird nur<br />
eine Kostenmiete erhoben und keine<br />
Rendite erwirtschaftet. „Unser Ziel war<br />
es, das Gelände und das Gebäude dem<br />
Spekulationsmarkt zu entziehen“, sagt<br />
von Bülow. Das ist gelungen. Ausgerechnet<br />
in Ottensen, wo die Mieten, die<br />
Immobilien- und die Grundstückspreise<br />
steigen und steigen. Aber Wohnen und<br />
Arbeiten im Viertel, kurze Wege für<br />
Anlieferer und Kunden, hier am Ende<br />
der Bahrenfelder Staße ist das keine<br />
Utopie, sondern unaufgeregter Alltag.<br />
Noch eine Anekdote zum Schluss?<br />
Also: Neulich im Bus, im 1er, der sich im<br />
Lesetipp:<br />
Investors First – Vom veränderten<br />
Umgang mit unserem industriellen Erbe<br />
in Ottensen und Altona. Stadtteilarchiv<br />
Ottensen – Geschichtswerkstatt<br />
Altona e. V. (Herausgeber), 24 Euro<br />
Schritttempo durch die winkeligen, immer<br />
vollgeparkten Straßen Ottensens<br />
quält. Neben mir ein älteres Paar – ein<br />
altes Paar. Er, den Gehstock zwischen<br />
die Beine geklemmt, saß zusammengesunken<br />
auf einem der Klappsitze. Sie<br />
stand neben ihm, schaute aus dem Fenster,<br />
sprühte vor guter Laune: „Mensch,<br />
guck doch mal, das hat sich hier alles total<br />
verändert!“ Ganz anders als damals,<br />
als sie hier wohnten. Neue Häuser und<br />
Geschäfte, so viele Menschen auf den<br />
Straßen. Er sah nur kurz zur Seite: „Was<br />
soll ich da gucken: Ich erkenne nichts<br />
wieder! Nix!“ Er stampfte mit seinem<br />
Gehstock auf. So fuhren die beiden<br />
durch Ottensen: Er griesgrämig gestimmt<br />
wie nur möglich, sie aufgeregt<br />
und hippelig, wie eine junge Frau.<br />
Ehrlich gesagt: Ich kann beide gut<br />
verstehen. •<br />
Kontakt: frank.keil@hinzundkunzt.de<br />
Aus der Wohnung direkt auf die Straße und<br />
ins Leben – deswegen wohnt man hier.<br />
21
Ähnlich wie in dieser nachgestellten<br />
Szene, wurde Meta Westphal<br />
immer wieder von ihrer Pflegerin<br />
malträtiert. Die behauptete, es seien<br />
Albträume, die die alte Dame am Tag<br />
verfolgen würden. Ganz normal alles.
„Nachts ist jeder<br />
ein Feind“<br />
Der neue Reportageband von Spiegel-Autor Bruno Schrep versammelt wahre Geschichten<br />
von Menschen, deren Leben von anderen zerstört wird – teils von einer Minute zur anderen.<br />
Wir veröffentlichen die gekürzte Fassung von „Nimm mal die Flossen weg!“: die Tragödie um eine<br />
pflegebedürftige, alte Dame im Heim und eine Altenpflegerin, die ihren Schützling quält.<br />
SYMBOLFOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE
Stadtgespräch<br />
„Ich hab Ihnen doch gar<br />
nichts getan“, jammert<br />
Meta Westphal leise.<br />
Antwort: „Du sollst doch<br />
mal die Klappe halten.“<br />
Unser Bild ist zum Glück<br />
nur ein Symbolfoto.<br />
I<br />
ch liebe meinen Beruf“, sagt die<br />
Altenpflegerin Doreen R., „ich<br />
möchte nichts anderes tun.“<br />
Die 42-jährige Frau, groß,<br />
kräftig, kurze Haare, sitzt im T-Shirt<br />
auf einem Sessel in ihrem Wohnzimmer<br />
und erzählt von ihrer Art, mit alten<br />
Menschen umzugehen. Sie sei zwar<br />
manchmal etwas forsch und laut, aber<br />
immer herzlich, nie böse. Ihre Meinung<br />
sage sie stets offen und geradeaus, das<br />
fänden die Senioren prima. „So bin ich<br />
nun mal.“ Dies ist das Bild, das Doreen<br />
R. von sich selbst zeichnet. Doch es gibt<br />
andere Bilder von ihr, heimlich aufgenommen<br />
mit einer Videokamera. Zu<br />
sehen und zu hören ist, dass die Pflegerin<br />
eine hilflose Heimbewohnerin behandelt<br />
wie einen Feind: sie roh anpackt,<br />
sie duzt und beleidigt.<br />
Ein Gruselfilm.<br />
Dass sich solche Exzesse hinter verschlossenen<br />
Heimtüren abspielen, wird<br />
oft vermutet. Aber es ist fast nie zu beweisen,<br />
die Dunkelziffer ist hoch. Nur<br />
wenn Kollegen das Gewissen drückt<br />
und sie sich zur Zeugenaussage entschließen,<br />
werden die Vorfälle offenbar.<br />
Mit Bildern dokumentiert wurden solche<br />
Horrorszenen nie.<br />
Wie konnte es zu den Übergriffen<br />
kommen?<br />
Im Bremer Seniorenzentrum Forum<br />
Ellener Hof, idyllisch gelegen im grünen<br />
Stadtteil Osterholz, ist die Heimleitung<br />
heilfroh, als sich eine gestandene Altenpflegerin<br />
mit Examen bewirbt. Zwar<br />
fehlen ein paar Zeugnisse, auch der<br />
Lebenslauf weist Lücken auf, aber die<br />
Not ist groß. Fachkräfte sind rar, und<br />
die Frau macht einen guten Eindruck.<br />
Doreen R. wird engagiert, zunächst<br />
befristet für ein Jahr.<br />
In Zimmer 212 lebt seit einem Jahr<br />
die pflegebedürftige Meta Westphal.<br />
Die inzwischen 85-Jährige, Mutter<br />
zweier Söhne und zweier Töchter, ist<br />
nach einem Leben mit vielen Hindernissen<br />
und Entbehrungen hinfällig und<br />
schwach. Nach dem Krieg musste sie<br />
aus dem Osten fliehen, zunächst in die<br />
DDR, später in den Westen, ins Münsterland.<br />
Sie zog die vier Kinder auf,<br />
ging trotz einer Knochenkrankheit<br />
nebenbei putzen, stellte eigene Wünsche<br />
immer zurück. „Sie lebte nur für<br />
die Familie“, erinnert sich Sohn Detlef.<br />
Als ihr Mann stirbt, die Ehe dauerte<br />
58 Jahre, ist auch sie mit ihren Kräften<br />
am Ende. Sie kann kaum noch laufen,<br />
das Gedächtnis funktioniert nicht mehr<br />
richtig. Die Söhne finden den Handbesen<br />
im Kühlschrank, der Küchenherd<br />
bleibt schon mal die ganze Nacht eingeschaltet,<br />
und die früher stets blitzsaubere<br />
Wohnung verschmutzt nach und<br />
nach. Der Umzug ins Heim wird unausweichlich.<br />
Im Ellener Hof, versichert die<br />
Heimleitung den Angehörigen, sei die<br />
Mutter bestens aufgehoben.<br />
Anfangs gibt es auch nichts zu reklamieren.<br />
Meta Westphal findet Freundinnen,<br />
traut sich mit dem Rollator aus dem<br />
Zimmer, Pflegerinnen führen sie in den<br />
Speisesaal. Auch als sie nicht mehr aufstehen<br />
mag, stattdessen auch tagsüber im<br />
24<br />
Bett bleibt, lobt die Seniorin die Betreuung.<br />
„Die Schwestern sind so lieb.“<br />
Das ändert sich, als Doreen D.<br />
auftaucht. Gegenüber den Söhnen,<br />
die sie abwechselnd fast jeden Tag besuchen,<br />
klagt die Mutter über Misshandlungen.<br />
„Die haut mich immer“,<br />
beschwert sie sich oft, „auch gegen<br />
den Kopf.“ – „Wer denn, Mutter,<br />
wer?“ – „Schwester Doreen.“<br />
Die Söhne sind skeptisch. Sie wissen,<br />
dass die Mutter Menschen häufig<br />
nicht wiedererkennt, Namen und Ereignisse<br />
verwechselt, mehr und mehr<br />
in der Vergangenheit lebt. Quälen sie<br />
womöglich Erinnerungen an ihre<br />
Kindheit, geprägt vom prügelnden Vater<br />
und dem Überlebenskampf mit<br />
acht Geschwistern? Kommen traumatische<br />
Erlebnisse aus der Kriegszeit<br />
hoch? Die Pflegerin, von den Söhnen<br />
zur Rede gestellt, findet beruhigende<br />
Worte. „Ihre Mutter schläft die meiste<br />
Zeit“, erklärt sie, „dabei träumt sie oft<br />
ganz schlecht.“<br />
Niemand im Heim weiß, dass Doreen<br />
R. schon früher mit ähnlichen Vorwürfen<br />
konfrontiert wurde. Die Neue<br />
aus dem sächsischen Hoyerswerda redet<br />
wenig über ihre Vergangenheit. Dabei<br />
gäbe es viel zu berichten. Die Ausbildung<br />
zur Maschinistin im Gaskombinat<br />
Schwarze Pumpe ist nach 1989 nichts<br />
mehr wert. Das Werk, längst marode<br />
und unrentabel, wird stillgelegt, später<br />
„Die haut mich<br />
immer. Auch<br />
gegen den<br />
Kopf.“ META WESTPHAL<br />
neu gebaut. Doreen R., die im Leitstand<br />
die Instrumente kontrollierte, sieben<br />
Tage Nachtdienst, drei Tage frei, wird<br />
arbeitslos, lebt fortan von Sozialhilfe.<br />
Nach einem sozialen Jahr finanziert<br />
ihr das Arbeitsamt um die Jahrtausendwende<br />
eine Umschulung zur Altenpflegerin.<br />
In der Praxis kommt sie spielend<br />
zurecht, sie ist kräftig, kann richtig zupacken,<br />
Patienten problemlos hochwuchten<br />
und versorgen.
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
Die mündliche Prüfung, in der viele<br />
Fragen zum psychologischen Umgang<br />
gestellt werden, schafft sie gerade noch<br />
mit der Note „ausreichend“. Einige<br />
Jahre jobbt sie in Hoyerswerda und<br />
Umgebung, wegen einer Bekanntschaft<br />
siedelt sie in den Westen um, hält es<br />
jedoch nirgends lange aus, wechselt<br />
häufig den Arbeitsplatz. Jobbt mal in<br />
Linz am Rhein, mal in Diez an der<br />
Lahn, wechselt nach Limburg, pflegt in<br />
Katzenelnbogen. Überall fällt auf, dass<br />
es ihr nach kurzer, meist geglückter<br />
Anfangsphase schnell an Geduld, an<br />
Einfühlungsvermögen und manchmal<br />
auch an Mitleid mangelt.<br />
Es kommt zu Abmahnungen und<br />
vorzeitigen Entlassungen. Beanstandet<br />
wird meist das Gleiche: lautes, oft respektloses<br />
Auftreten, heftige Beschimpfung<br />
von Bewohnern, vereinzelt auch<br />
Verdacht auf Gewalt. Eine Vorgesetzte<br />
beschreibt Doreen R. als „schwierige<br />
und uneinsichtige Person“, die sich<br />
von der Welt benachteiligt fühle und<br />
Verfehlungen stets zu rechtfertigen versuche.<br />
Eine Heimleiterin urteilt kurz und<br />
bündig: „Für die Pflege nicht geeignet.“<br />
Auch in Bremen häufen sich bald<br />
nach Dienstantritt der Neuen die Beschwerden.<br />
Mehrere Bewohner im Ellener<br />
Hof fühlen sich eingeschüchtert<br />
vom ruppigen Umgangston der Pflegerin,<br />
die Demente grundsätzlich duzt,<br />
manche auf der Station haben sogar<br />
Angst. Die Tochter einer Russlanddeutschen<br />
beschuldigt Doreen R., ihre Mutter<br />
geschlagen und gekniffen zu haben,<br />
sie erstattet Strafanzeige. Die Angehörigen<br />
von Meta Westphal erfahren davon<br />
kein Wort, die Heimleitung sorgt dafür,<br />
dass nichts nach außen dringt.<br />
„Wir waren blind, niemand gab uns<br />
einen Tipp“, empört sich Andreas<br />
Westphal heute. Weil sich die Mutter<br />
weiter über Prügel beschwert, sogar<br />
weinend um Hilfe fleht, entschließen<br />
sich die Söhne nach langem Zögern zu<br />
einem ungewöhnlichen Schritt.<br />
An einem Juniabend, kurz bevor ihre<br />
Mutter bettfertig gemacht wird, installieren<br />
sie in Zimmer 212 eine versteckte<br />
Kamera. Als sie sich am nächsten<br />
Tag die Aufnahmen ansehen, packt sie<br />
der Zorn. Die Kamera hat ein schwer<br />
erträgliches Geschehen festgehalten.<br />
Pflegerin R. betritt grußlos und mit<br />
grimmigem Gesicht den Raum. Dann<br />
zieht sie Meta Westphal mit groben Bewegungen<br />
den Pullover über den Kopf,<br />
streift ihr später ebenso grob das Nachthemd<br />
über, zieht sie an der Unterhose<br />
unsanft übers Bett.<br />
Weil ihr die Patientin mit den Händen<br />
in die Quere kommt, herrscht R. sie<br />
an: „Nimm doch mal die Flossen weg.“<br />
Als die gebrechliche Frau, die noch<br />
45 Kilogramm wiegt, kraftlos nach hinten<br />
sinkt, wird sie von der Pflegerin an<br />
den Haaren gepackt und mit einem heftigen<br />
Ruck nach vorn gerissen. Und als<br />
sie sich beschwert („Sie hauen mich<br />
jedes Mal“), hagelt es Verwünschungen.<br />
„Ich hab Ihnen doch gar nichts getan“,<br />
jammert die Bewohnerin leise.<br />
Antwort: „Du sollst doch mal die Klappe<br />
halten. Ist ja ganz schlimm heute.“<br />
„Wir waren blind.<br />
Niemand gab uns<br />
einen Tipp.“ ANDREAS WESTPHAL<br />
Zum Schluss fasst die Schwester ihrer<br />
Patientin mit der flachen Hand an die<br />
Stirn und befördert sie mit einem Stoß<br />
in die Rückenlage.<br />
Der Film löst vielfältige Reaktionen<br />
aus. Eine Tochter von Meta Westphal<br />
bricht zusammen, nachdem sie sich das<br />
Video angesehen hat, sie kommt mit einem<br />
Schock ins Krankenhaus. Die Söhne<br />
zeigen Doreen R. an, engagieren<br />
einen Anwalt für die Nebenklage. Der<br />
Heimleiter, dem die Familie die Aufnahmen<br />
vorspielt, feuert seine Angestellte<br />
fristlos. Doreen R., die das Video bei der<br />
Polizei sieht, reagiert entsetzt. „Ich dachte,<br />
das bist nicht du selber“, erinnert sie<br />
sich, „das muss jemand anderes sein.“<br />
Jennifer Jakobi, die Bremer Verteidigerin<br />
der Pflegerin, bezweifelte indessen,<br />
dass einmaliges Haareziehen<br />
tatsächlich eine Körperverletzung darstelle.<br />
„Da kann man sehr verschiedener<br />
Meinung sein.“ Die Vorgänge auf<br />
dem Video seien zwar schrecklich, ohne<br />
Wenn und Aber. „Doch sind sie auch<br />
strafbar?“ Und schließlich handle es<br />
sich um einen einmaligen Ausrutscher.<br />
Die Anwältin wollte unbedingt verhin<br />
25<br />
Bruno Schrep bei Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
Bruno Schrep stellt<br />
seinen Reportageband<br />
„Nachts ist jeder ein<br />
Feind – Wahre Geschichten“<br />
(Hirzel, 19,80 Euro) vor:<br />
Montag, 21. <strong>Oktober</strong>,<br />
19.30 Uhr, bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> in der<br />
Altstädter Twiete 1-5, der Eintritt ist frei.<br />
dern, dass der Film bei der Hauptverhandlung<br />
als Beweismittel zugelassen<br />
und vorgeführt wird. Es handle sich um<br />
illegal entstandene Aufnahmen, die<br />
Belange ihrer Mandantin seien grob<br />
missachtet worden. Doch das Gericht<br />
ließ die Vorführung zu.<br />
Beim Prozess drohte Doreen R. auch<br />
die Verhängung eines Berufsverbots –<br />
eine Sanktion, die ihre Verteidigerin unbedingt<br />
abzuwenden versuchte. Was<br />
nicht ganz einfach war: Die Söhne von<br />
Meta Westphal und ihr Anwalt hatten<br />
ein Berufsverbot zum Hauptziel der Nebenklage<br />
erklärt. „Uns interessiert nicht<br />
die Strafhöhe“, sagte Andreas Westphal.<br />
„Wir kämpfen darum, dass diese Frau<br />
nie mehr alte Menschen betreuen darf.“<br />
Dieses Ziel wurde nicht erreicht.<br />
Zwar verurteilte das Bremer Landgericht<br />
Doreen R. rechtskräftig zu einer<br />
sechsmonatigen Freiheitsstrafe, die<br />
zur Bewährung ausgesetzt wurde; von<br />
einem Berufsverbot sah das Gericht<br />
jedoch ab. Begründung: Die Altenpflegerin<br />
sei nicht vorbestraft und erstmals<br />
wegen beruflicher Pflichtverletzung verurteilt<br />
worden.<br />
Doreen R., die nach ihrem Rausschmiss<br />
mehrere Monate am Fließband<br />
einer Tierfutterfabrik gestanden hatte,<br />
zuletzt Nachtdienste an der Kasse einer<br />
Tankstelle schob, will nicht aufgeben.<br />
Erneut hat sie einen Job in einem Pflegeheim.<br />
Diesmal, versichert sie, sei alles<br />
anders: genug Personal, eine nette Chefin,<br />
die Schwestern eine verschworene<br />
Gemeinschaft. Alles werde gut.<br />
„Warum tust du dir das bloß wieder<br />
an, nach all dem Ärger, nach all dem<br />
Stress?“, hat ihr Lebensgefährte kürzlich<br />
von ihr wissen wollen. Ihre Antwort:<br />
„Weil ich Menschen helfen will.“ •<br />
Kontakt: redaktion@hinzundkunzt.de
Hinz&Künztler<br />
auf Fotosafari<br />
Die Teilnehmer unseres Fotowettbewerbs können stolz sein:<br />
Unter Anleitung von Fotografin Lena Maja Wöhler haben sie Hamburg<br />
und Umgebung eindrucksvoll in Szene gesetzt.<br />
TEXT: SYBILLE ARENDT<br />
Die Landungsbrücken<br />
sind ein Lieblingsmotiv<br />
von Vertriebsmitarbeiter<br />
Sergej: „Da kriegt man<br />
fast immer gute Bilder.<br />
Vor allem abends.“
Das Gewinnerbild des<br />
Fotowettbewerbs stammt<br />
von Mario: „Wenn man<br />
das ‚i‘ wegnimmt, hat man ‚<br />
Lebe‘. Liebe und Leben<br />
sind eng verbunden.“
Die Blumen hat Sergej<br />
im Botanischen Garten<br />
aufgenommen. „Da<br />
fahre ich immer zu<br />
Frühlingsbeginn hin.“<br />
Den Poller entdeckte<br />
Lemmy im Alten Land:<br />
„Wie ein Fels in der<br />
Brandung: ,Bloß nicht<br />
aufgeben‘, könnte<br />
dieses Bild heißen.<br />
Ich habe auch nicht<br />
auf gegeben und<br />
so wieder eine<br />
Wohnung gefunden.“
Stadtgespräch<br />
Glückliche<br />
Gewinner:<br />
Andreas, Thomas,<br />
Mario, Norbert,<br />
Sergej, Lemmy,<br />
Jürgen und Karen<br />
(von links).<br />
Den richtigen<br />
Bildausschnitt<br />
sucht Jürgen aus<br />
dem Vertrieb beim<br />
Workshop „Street<br />
Photography“.<br />
„Ich habe nicht<br />
aufgegeben und so<br />
wieder eine Wohnung<br />
gefunden.“<br />
LEMMY<br />
31
Jürgen nennt sein Bild<br />
oben „Kontorschnecke“.<br />
Der Kontrast und<br />
die Farben gefallen<br />
ihm besonders gut.<br />
Das Foto unten links hat<br />
Norbert im Gängeviertel<br />
gemacht. „Ich bin durch<br />
die Stadt gelaufen, habe<br />
es gesehen und dann<br />
einfach abgedrückt.<br />
So etwas findet man<br />
nicht überall.“<br />
Für eine gute Perspektive<br />
tut Mario alles –<br />
auch im Alten Land in<br />
eine Obstkiste klettern.
Stadtgespräch<br />
„Ich renne oft<br />
quer durch die Stadt und<br />
finde so Motive.“<br />
NORBERT<br />
Landschaftsfotografie war das Thema beim Workshop im<br />
Alten Land. Die Gruppe war zu Gast auf dem Obsthof von<br />
Christa Schlesselmann und Maik Stölken (hinten auf der<br />
Leiter). Interessantes über Bildausschnitt, Perspektive und<br />
Äpfel haben Lemmy, Andreas, Alexander, Sybille aus der<br />
Öffentlichkeitsarbeit, Elsa, Vertriebsmitarbeiterin Meike,<br />
Erich und Vertriebsmitarbeiter Sergej gelernt. Vorne im Bild:<br />
Mario (links) und Norbert. Elsa hatte kurzzeitig ihren Rollator<br />
gegen den Trecker von Bauer Stölken getauscht.
Mario nennt das Bild<br />
„Die Straße in den Himmel“:<br />
„Es ist während der Fahrt entstanden.<br />
Die Straße führte wirklich in die<br />
Wolken, und es war keine Stadt im<br />
Hintergrund zu sehen.“<br />
Sergej nutzt meistens alte Objektive zum<br />
Fotografieren. „Die machen spezielle Bilder,<br />
die kriegt man mit den heutigen einfach<br />
nicht hin“, sagt er. Der Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Vertriebsmitarbeiter<br />
hat schon mit Anfang 20 in seiner<br />
litauischen Heimat mit Kameras experimentiert.<br />
34
Stadtgespräch<br />
Lena Maja Wöhler hat als<br />
Fotografin unseren Fotowettbewerb<br />
schon zum dritten Mal<br />
begleitet. Die besten Fotos sind in<br />
den Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Vertriebsräumen<br />
ausgestellt: Altstädter Twiete 1-5,<br />
Mo–Fr, 9.30–13.30 Uhr und<br />
14.30–18 Uhr, Eintritt frei.<br />
Betriebskostenkonfus?<br />
Unser Rat zählt.<br />
Beim Strohhause 20<br />
mieterverein-hamburg.de<br />
im Deutschen Mieterbund<br />
879 79-0<br />
Jetzt<br />
Mitglied<br />
werden<br />
20097 Hamburg<br />
L<br />
emmy strahlt. „Das war ein schöner Tag.<br />
So still! Und die vielen Tiere!“ Der<br />
Hinz&Künztler hat den Ausflug in den<br />
Wildpark Schwarze Berge total genossen.<br />
Auch Norbert ist froh. „Das erinnert mich an meine<br />
slowakische Heimat, da ist es auch so grün.“ Tolle<br />
Fotos für unseren Fotowettbewerb haben die beiden<br />
und ihre Kollegen währenddessen auch gemacht –<br />
und für ungewöhnliche Perspektiven alles gegeben:<br />
Sie sind auf dem Bauch gerobbt, um Babyziegen vor<br />
die Linse zu kriegen, und auf Bäume geklettert.<br />
Den Fotowettbewerb für Verkäufer gibt es regelmäßig,<br />
aber bisher sind alle Teilnehmer auf eigene<br />
Faust losgezogen. Da die meisten keine Kamera und<br />
wenig Erfahrung haben, war die Bildqualität nicht<br />
optimal. Das wollten wir in diesem Jahr besser machen!<br />
Deshalb konnten alle Profikameras nutzen und<br />
in drei Workshops etwas über Tiefenschärfe, Bildausschnitt<br />
und Motivwahl lernen. Ganz nebenbei entpuppten<br />
sich die Touren in die Innenstadt, in den<br />
Wildpark und ins Alte Land als super Gruppenerlebnisse.<br />
Die Stimmung war mal ausgelassen wie beim<br />
Kindergeburtstag, mal konzentriert wie an der Hochschule.<br />
Oft versanken die Hinz&Künztler so in ihre<br />
Bilderjagd, dass sie Zeit und Raum vergaßen.<br />
Mehrere Hundert Fotos sind bei den Exkursionen<br />
zusammengekommen. Keine leichte Wahl für<br />
die Jury aus Fotograf Dmitrij Leltschuk, Chefredakteurin<br />
Birgit Müller, Geschäftsführer Jens Ade, Vertrieblerin<br />
Meike Lehmann, Öffentlichkeitsarbeiterin<br />
Sybille Arendt und Praktikantin Marina Schünemann.<br />
Auch Lena Maja Wöhler ist zufrieden: „Die<br />
Hinz&Künztler haben ein gutes Auge.“ •<br />
abasto<br />
ökologische Energietechnik<br />
Für mehr soziale Wärme<br />
und eine klimaschonende<br />
Strom- und Wärmeversorgung.<br />
EXTRAWURST<br />
KOMÖDIE VON DIETMAR JACOBS & MORITZ<br />
NETENJAKOB // URAUFFÜHRUNG<br />
AUF PLATT- & HOCHDEUTSCH // 6.10. – 15.11.<strong>2019</strong><br />
www.abasto.de<br />
Kontakt: sybille.arendt@hinzundkunzt.de<br />
Der Jahreskalender mit zwölf Motiven ist für<br />
4,80 Euro bei den Verkäufer*innen und in unserem<br />
Shop erhältlich. Dort gibt es auch ein Postkartenset mit<br />
fünf Motiven (10 Euro). Infos: www.hinzundkunzt.de<br />
35<br />
Foto: Sinje Hasheider
Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>320</strong>/OKTOBER <strong>2019</strong><br />
„Da hätte<br />
die Politik<br />
ein Korrektiv<br />
nötig gehabt.“<br />
Führt direkte Demokratie zu besseren Entscheidungen? Joachim Lau vom<br />
Verein „Mehr Demokratie“ und Landespastor und Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Herausgeber<br />
Dirk Ahrens im Streitgespräch über jüngste Bürgerbegehren,<br />
umstrittene Volksinitiativen und neue Formen der Beteiligung.<br />
MODERATION: ULRICH JONAS<br />
FOTOS: ANDREAS HORNOFF<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>: In Winterhude hat<br />
eine Initiative kürzlich den Bau von<br />
109 Wohnungen per Bürgerentscheid<br />
verhindert. Was haben Sie gedacht,<br />
als Sie das erfahren haben?<br />
DIRK AHRENS: Da schlagen zwei Herzen in<br />
meiner Brust: Als Diakoniker, der um<br />
den Mangel an bezahlbarem Wohnraum<br />
weiß, finde ich es bedenklich,<br />
wenn vielerorts Bauvorhaben gestoppt<br />
werden. Andererseits kann ich die Gegner<br />
verstehen. Ich wohne 200 Meter<br />
entfernt von der Fläche, um die es ging.<br />
Würde ich noch 100 Meter näher wohnen,<br />
und läge keine Häuserreihe dazwischen,<br />
fände ich das Projekt wahrscheinlich<br />
auch belastend – weil es mich<br />
stören würde, dass direkt vor meiner<br />
Nase gebaut wird.<br />
JOACHIM LAU: Es gab Kompromissverhandlungen.<br />
Dass die nicht zum Erfolg<br />
geführt haben, ist ärgerlich. Eine Einigung<br />
ist auch an der Frage gescheitert,<br />
wie viele Sozialwohnungen gebaut<br />
werden und mit wie vielen Jahren<br />
Mietpreisbindung.<br />
Hätte die Initiative „SOS Mühlenkampkanal“<br />
ihren Widerstand aufgegeben,<br />
wenn der Investor zugesagt hätte:<br />
„Ich baue 109 Sozialwohnungen mit<br />
30 Jahren Bindung“?<br />
LAU: Das weiß ich nicht. Die Angebote<br />
waren jedenfalls nicht gut genug. Eine<br />
Zusage, die Mieten in den ersten fünf<br />
Jahren auf höchstens neun Euro zu begrenzen,<br />
ist nichts Halbes und nichts<br />
Ganzes.<br />
AHRENS: Das Angebot war nicht gut. Ich<br />
unterstelle aber, dass eine Mehrheit<br />
auch dann gegen das Bauprojekt gestimmt<br />
hätte, wenn der Investor zu<br />
besseren Zusagen bereit gewesen wäre.<br />
„Das beste Bürgerbegehren<br />
ist das, das gar nicht erst<br />
starten muss.“<br />
JOACHIM LAU<br />
36
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
Bauliche Verdichtung ist immer unangenehm<br />
– aber wahrscheinlich notwendig,<br />
um ausreichend bezahlbaren<br />
Wohnraum zu schaffen.<br />
Der Investor hat angedeutet, dass er sich von<br />
seinen Plänen nicht verabschiedet hat. Können<br />
Sie sich vorstellen, dass der Bürgerentscheid<br />
durch die Hintertür umgangen wird?<br />
LAU: Dann gibt es das nächste Bürger <br />
begehren.<br />
Aber wäre das nicht ein fatales Signal an<br />
die Bürger, nach dem Motto: Ihr dürft mal<br />
direkte Demokratie spielen, aber letztlich läuft<br />
es so, wie Politik und Investoren es wollen?<br />
AHRENS: Das würde Politikverdrossenheit<br />
fördern. Wenn es zu einem Bürgerentscheid<br />
kommt, muss man das Ergebnis<br />
akzeptieren. Besser ist, es kommt gar<br />
nicht erst zu einem Entscheid.<br />
LAU: Das sehe ich auch so: Das beste<br />
Bürger oder Volksbegehren ist das, das<br />
gar nicht starten muss, weil die Signale<br />
gehört worden sind.<br />
Durch echte und frühzeitig durchgeführte<br />
Bürgerbeteiligung könnte man<br />
dies erreichen, da gibt es Handlungsbedarf.<br />
Auf Landesebene hat die Volksinitiative<br />
„Mehr Hände für Hamburger Kitas“ für<br />
zusätzliches Personal in Kindertagesstätten<br />
gesorgt – Ergebnis eines Kompromisses mit<br />
dem Senat, der einen Volksentscheid verhindern<br />
wollte. Ein Beispiel dafür, wie direkte<br />
Demokratie zu politischen Entscheidungen<br />
führt, die näher am Gemeinwohl liegen?<br />
AHRENS: Schön, wenn alle zufrieden sind.<br />
Die Vorgaben jedenfalls, die die Initiative<br />
gefordert hat, wären aus heutiger<br />
Sicht richtig schädlich gewesen.<br />
„Das Entscheidende ist die<br />
kompetente Beschäftigung mit<br />
einem Thema.“<br />
LAU: Da haben Sie vielleicht recht. Aber<br />
ich finde den Kompromiss nicht<br />
schlecht. Und vielleicht sind durch die<br />
Volksinitiative Prozesse beschleunigt<br />
worden. Und: Auch das Volk hat das<br />
Recht, übers Ziel hinauszuschießen.<br />
Wir haben keine Elbphilharmonie zu<br />
verantworten und keine HSH Nordbank.<br />
Da hätte die Politik ein Korrektiv<br />
nötig gehabt.<br />
Was schlagen Sie vor?<br />
LAU: Aus unserer Sicht sollte die Demokratie<br />
auf drei Säulen stehen: Als eine<br />
Säule steht das Parlament. Als weitere<br />
Säule, häufig zur Korrektur, die Möglichkeit<br />
von Volksinitiativen, die wie<br />
„Unser Hamburg – unser Netz“ etwa<br />
DIRK AHRENS<br />
dafür sorgen, dass die Grundversorgung<br />
in den Händen der Stadt bleibt. Und als<br />
dritte Säule wünschen wir uns das, was<br />
in Irland beim Streit über HomoEhe<br />
und Abtreibung großen Erfolg gehabt<br />
hat: die sogenannten Bürgerräte, bei denen<br />
100 nach soziodemografischen<br />
Merkmalen ausgewählte Bürger sich<br />
mehrere Wochenenden zusammensetzen<br />
und mithilfe neutraler Experten<br />
Vorschläge erarbeiten, die durch Parlament<br />
beziehungsweise Volk abgesegnet<br />
werden (siehe auch Kolumne Seite 39, Red.).<br />
AHRENS: Ich finde das irische Verfahren<br />
super. Das Entscheidende ist die<br />
kompetente Beschäftigung mit einem<br />
Thema über einen längeren Zeitraum.<br />
Das ist die beste Form, Ängste zu<br />
Auch im Streitgespräch<br />
in vielen Punkten einer<br />
Meinung: Joachim Lau<br />
(links) und Dirk Ahrens.<br />
Warum?<br />
AHRENS: Bei dem Fachkräftemangel, der<br />
derzeit herrscht, hätten wir letztendlich<br />
möglicherweise Kitas schließen<br />
müssen, weil wir den geforderten<br />
Betreuungsschlüssel nicht überall hätten<br />
erreichen können. Eltern und Kinder<br />
hätten ihre Kitaplätze verloren.<br />
Gerade ärmere Familien sind aber darauf<br />
angewiesen, dass beide Eltern arbeiten<br />
gehen können.<br />
37
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Autor<br />
Ulrich Jonas (linkes<br />
Bild, Mitte) moderierte<br />
den Austausch zwischen<br />
Joachim Lau<br />
(links) und Dirk Ahrens.<br />
nehmen und populistische Tendenzen<br />
auszuschließen.<br />
LAU: Und es ist gerade für sozial Benachteiligte<br />
gut, weil wirklich alle<br />
mitsprechen.<br />
Knapp 150 Bürgerbegehren in gut<br />
20 Jahren: Sind die Hamburger besonders<br />
engagierte Demokraten?<br />
LAU: Bürgerbegehren sind immer ein<br />
Zeichen, dass etwas schiefläuft, dass<br />
Bürger nicht gehört werden. Ich sehe<br />
die Hamburger Bilanz mit gemischten<br />
Gefühlen: Sehr viele Begehren sind<br />
vom Senat durch die sogenannte Evokation<br />
einkassiert worden – die Behauptung<br />
also, der Inhalt des Bürgerbegehrens<br />
betreffe gesamtstädtische Fragen<br />
und könne daher nicht im Bezirk entschieden<br />
werden.<br />
Das lässt die Bürger ärgerlicher zurück<br />
als zuvor. Deshalb fordern wir,<br />
Bürger- und Volksbegehren in Hamburg<br />
Seit 1996 können Hamburger jenseits von Wahlen mitbestimmen. Mit einer<br />
Volksinitiative können Engagierte auf Landesebene Anliegen vor die Bürgerschaft<br />
bringen. Dafür sind 10.000 Unterschriften nötig, die in sechs Monaten gesammelt<br />
werden müssen. Macht sich das Parlament das Anliegen nicht innerhalb von<br />
vier Monaten zueigen, können die Initiatoren ein Volksbegehren einleiten.<br />
Für dessen Erfolg müssen fünf Prozent der Wahlberechtigten (rund 60.000 Bürger)<br />
in drei Wochen unterschreiben. Übernimmt die Bürgerschaft ein erfolgreiches<br />
Volksbegehren nicht innerhalb weiterer vier Monate, kommt es zum Volksentscheid.<br />
Das Parlament kann einen eigenen Vorschlag zur Abstimmung stellen.<br />
Erfolg hat die Vorlage, die die Mehrheit der Stimmen erhält und der mindestens<br />
20 Prozent aller Wahlberechtigten zustimmen. Volksentscheide sind rechtlich<br />
verbindlich.<br />
Ein Bürgerentscheid ist dagegen nicht rechtlich verbindlich, sondern entspricht<br />
nur dem Beschluss einer Bezirksversammlung. Dem Bürgerentscheid geht das<br />
Bürgerbegehren voraus. Damit es Erfolg hat, müssen mindestens drei Prozent der<br />
Wahlberechtigten des Bezirks innerhalb von sechs Monaten unterschreiben.<br />
Stimmt die Bezirksversammlung dem Anliegen nicht zu, kommt es zum Bürgerentscheid,<br />
bei dem das Bezirksparlament eine eigene Vorlage zur Abstimmung stellen<br />
kann. Die Mehrheit der Stimmen entscheidet. Mehr Infos und aktuelle Initiativen<br />
und Begehren unter www.hh.mehr-demokratie.de<br />
dass Bürgerentscheide für alle verbindlich<br />
sein müssen.<br />
AHRENS: Ich finde das Evokationsrecht<br />
wichtig, weil es deutlich macht, wer für<br />
die Politik in dieser Stadt verantwortlich<br />
ist. Schließlich leben wir in einer repräsentativen<br />
Demokratie! Und nicht jedes<br />
Bürgerbegehren ist von Uneigennützigkeit<br />
getrieben oder davon, dass Politiker<br />
Mist gebaut haben, sondern eben leider<br />
auch von Gruppenegoismen.<br />
Mein Interesse ist, dass wir den indirekten<br />
Verteilungskampf, den es leider<br />
gibt, durch solche Verfahren nicht<br />
verschärfen. Dass die Vermögenderen<br />
mit dem besseren Rechtsbeistand, höherer<br />
Bildung und größerer Mobilisierungskompetenz<br />
nicht noch weiter gestärkt<br />
werden.<br />
LAU: Ein Bürgerbegehren muss vor den<br />
Wählenden bestehen. Das geht schlecht,<br />
wenn es von Egoismus getrieben wird.<br />
Menschen, die Bürgerbegehren anschieben,<br />
sind durchaus meist gemeinwohlorientiert<br />
– entgegen allen anderslautenden<br />
Aussagen.<br />
Es drängt sich aber tatsächlich der Eindruck<br />
auf, dass vor allem die Gutorganisierten<br />
38
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Stadtgespräch<br />
„Nicht jedes Bürgerbegehren<br />
ist von<br />
Uneigennützigkeit<br />
getrieben.“ DIRK AHRENS<br />
und Gebildeten die Instrumente der<br />
direkten Demokratie nutzen.<br />
LAU: Was heißt gut organisiert? Bei<br />
dem Bürgerbegehren in Langenhorn,<br />
für das ich mich engagiert habe,<br />
waren wir 20 bis 30 Leute aus<br />
der Nachbarschaft.<br />
Aber hätte es die auch in Mümmelmannsberg<br />
oder Steilshoop geben können?<br />
LAU: Das Problem ist dasselbe, wenn<br />
die Wahlbeteiligung in solchen<br />
Stadtteilen geringer ausfällt als anderswo.<br />
Das ist für mich kein Argument<br />
gegen Bürgerbegehren.<br />
Könnte das Verfahren verbessert werden,<br />
um mehr Chancengleichheit zu schaffen?<br />
LAU: Die Unterschriften von drei Prozent<br />
der Wahlberechtigten in sechs<br />
Monaten zu sammeln, ist viel Arbeit.<br />
Das können nur Menschen<br />
leisten, die die Zeit haben, sich ehrenamtlich<br />
zu engagieren.<br />
Das Volksbegehren für mehr Pflegekräfte<br />
darf nicht durchgeführt werden, hat das<br />
Hamburgische Verfassungsgericht im<br />
Mai entschieden. Zuständig für das<br />
Thema sei der Bund, heißt es unter<br />
anderem in der Begründung.<br />
Eine richtige Entscheidung?<br />
LAU: Nein. Der Bund legt nur Mindeststandards<br />
fest, warum sollen die<br />
Hamburger Bürgerinnen und Bürger<br />
nicht über eine bessere Pflege<br />
abstimmen dürfen? Aber ich habe<br />
nichts anderes erwartet, denn das<br />
Verfassungsgericht besteht aus zu<br />
vielen politiknahen Personen.<br />
AHRENS: Formaljuristisch ist die Entscheidung<br />
vermutlich richtig. Wichtiger<br />
ist mir aber auch hier der Inhalt<br />
des Begehrens: So sehr ich mir mehr<br />
Pflegekräfte wünsche, so sehr muss<br />
ich doch zur Kenntnis nehmen, dass<br />
es sie wegen des Fachkräftemangels<br />
zurzeit nicht in ausreichender Zahl<br />
gibt. Eine Stärkung des Berufsstandes<br />
ist unumgänglich, wird aber viele<br />
Jahre dauern. Wenn wir jetzt den<br />
verbindlichen Fachkräfteschlüssel erhöhten,<br />
würde das unweigerlich zur<br />
Schließung von Stationen führen. Eine<br />
Katastrophe für alle Betroffenen.<br />
Gut, dass das vom Tisch ist! •<br />
Kontakt: ulrich.jonas@hinzundkunzt.de<br />
Modellprojekt<br />
Frischekur für<br />
die Demokratie<br />
Jeder dritte Wahlberechtigte in<br />
Deutschland hält die Demokratie<br />
nicht mehr für die beste Staatsform.<br />
In Ostdeutschland sind sogar<br />
nur 42 Prozent mit ihr zufrieden,<br />
so das Ergebnis einer<br />
repräsentativen Umfrage. Höchste<br />
Zeit also, die Menschen stärker<br />
bei politischen Entscheidungs <br />
pro zessen einzubeziehen, meint<br />
der „Bürgerrat Demokratie“, ein<br />
Bündnis aus Wissenschaftlern und<br />
der Initiative „Mehr Demokratie“.<br />
Mithilfe eines Modellprojekts wollen<br />
sie auf Bundesebene eine neue<br />
Form der Mitbestimmung testen:<br />
das Bürgergutachten.<br />
Das Verfahren besteht aus drei<br />
Teilen: Im Frühsommer haben je<br />
50 Bürger und je 15 Politiker auf<br />
Regionalkonferenzen Fragestellungen<br />
und Themen gesammelt.<br />
Im September kamen 160 zufällig<br />
ausgewählte Menschen zusammen,<br />
die in ihrer Unterschiedlichkeit<br />
die Bevölkerung repräsentieren.<br />
Sie haben an zwei Wochenenden<br />
– begleitet von Experten –<br />
konkrete Vorschläge erarbeitet,<br />
wie die Demokratie in Deutschland<br />
verbessert werden kann.<br />
Diese sollen im November Bundestag<br />
und Bundesregierung übergeben<br />
werden. Finanziert wird das<br />
Projekt durch Spenden aus der<br />
Bevölkerung.<br />
Vorbild der Initiatoren ist<br />
Irland. Dort werden seit 2012 gesellschaftliche<br />
Konfliktthemen in<br />
Bürgerversammlungen behandelt.<br />
Die Erfahrungen sind gut: Für die<br />
hoch umstrittene Reform des Abtreibungsrechts<br />
etwa erarbeiteten<br />
99 zufällig ausgewählte Bürger mit<br />
Unterstützung von Experten eine<br />
Fristenlösung. Das Parlament übernahm<br />
den Vorschlag für die nötige<br />
Verfassungsänderung, die auch eine<br />
Mehrheit der Bevölkerung bei<br />
einer Volksabstimmung befürwortete.<br />
So fand ein jahrzehntelanger<br />
Streit ein gutes Ende. UJO •<br />
Mehr Infos unter www.buergerrat.de<br />
39
Schwangen die Maurerkelle (von links): Bezirksamtsleiter Falko<br />
Droßmann, Amalie Sieveking-Stiftungsvorstand Bettina Bohne,<br />
Architekt Wolfram Tietz und Polier Nico Wagner.<br />
Der Grundstein fürs<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus ist gelegt<br />
Mitten in St. Georg entsteht unser neues Haus, mit viel Platz für den Verlag und<br />
mit Wohnungen für 24 Hinz&Künztler. Jetzt wurde der Grundstein gelegt – und mit<br />
ihm ein ganz besonderes Fundament für die Zukunft des Projekts.<br />
TEXT: BENJAMIN LAUFER<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Heute hat Johannes Jörn den<br />
Hut auf – oder vielmehr<br />
den Helm. Der Vorstand<br />
der Amalie Sieveking-Stiftung<br />
steht am 11. September in der<br />
Baugrube für das neue Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />
Haus in der Minenstraße und moderiert.<br />
„Ein Grundstein ist ein Sinnbild<br />
für etwas, auf dem Neues entsteht und<br />
sich Geschichten ereignen werden“,<br />
sagt Jörn vor dem zahlreich erschienenen<br />
Publikum. „Er ist auch als Gruß an<br />
die Nachwelt gedacht.“<br />
In den Grundstein wird eine Schatulle<br />
eingelassen, nach alter Tradition.<br />
Ihr Inhalt: Die aktuellen Ausgaben von<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>, taz und Abendblatt, Bauzeichnungen<br />
und 1832 Centstücke –<br />
40<br />
eine Anspielung auf das Gründungsjahr<br />
der Amalie Sieveking-Stiftung.<br />
Außerdem in der Schatulle: der erste<br />
noch auffindbare und der aktuellste<br />
Verkaufsausweis von Hinz&Künztlern.<br />
Dass dieser Grundstein endlich gelegt<br />
werden konnte, hat eine lange Vorgeschichte.<br />
„Es ist genau neun Jahre<br />
her, dass ich den ersten Brief im Hin-
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> intern<br />
„Vor neun Jahren<br />
habe ich den<br />
ersten Brief<br />
für dieses Haus<br />
geschrieben.“ JENS ADE<br />
blick auf dieses Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus geschrieben<br />
habe“, erzählt der scheidende<br />
Geschäftsführer Jens Ade. Und er<br />
schiebt – nicht ohne Augenzwinkern –<br />
hinterher: „Dass schon nach neun Jahren<br />
der Grundstein gelegt wird, das ist<br />
emotional eine ganz großartige Sache.“<br />
Das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus entsteht in<br />
Zusammenarbeit mit zwei Stiftungen:<br />
Die Amalie Sieveking-Stiftung überlässt<br />
das Grundstück per Erbpacht der Mara<br />
& Holger Cassens-Stiftung, die das<br />
Haus finanziert und baut. „Das Besondere<br />
am Projekt ist, dass Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
endlich eigene Wohnungen hat, in denen<br />
sie Hinz&Künztler unterbringen<br />
können, damit sie den ersten Schritt in<br />
eine normale Zukunft machen können“,<br />
sagt Bauherr Holger Cassens.<br />
Denn direkt über den Büros des<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verlages entstehen mitten<br />
in St. Georg Wohngemeinschaften für<br />
24 Verkäufer, die auf dem Hamburger<br />
Wohnungsmarkt sonst keine Bleibe<br />
finden. Das lobt auch Bezirksamtsleiter<br />
Falko Droßmann (SPD) nach der<br />
Grundsteinlegung: „Bezahlbaren<br />
Wohnraum schaffen, auch für Obdachlose,<br />
in einem historisch sehr bedeutsamen<br />
Umfeld mitten in der Stadt: Das<br />
ist eine tolle Leistung, die hier alle vollbracht<br />
haben.“<br />
Jetzt soll alles ganz schnell gehen:<br />
In einem Jahr wird das Richtfest im<br />
Stiftsviertel St. Georg gefeiert – und im<br />
Sommer 2021 dann Hinz&<strong>Kunzt</strong> einziehen.<br />
Samt 24 Hinz&Künztlern, die<br />
dort wohnen bleiben können, so lange<br />
sie mögen. •<br />
Kontakt: benjamin.laufer@hinzundkunzt.de<br />
Ziehen an einem Strang (unten von links): Holger Cassens und<br />
Ingrid Nümann-Seidewinkel (beide Cassens-Stiftung), Bettina Bohne<br />
(Sieveking-Stiftung), Bezirksamtsleiter Falko Droßmann, Christian Putschäw und<br />
Wolfram Tietz (Sieveking-Stiftung), Dirk Ahrens (Diakonie), Johannes Jörn<br />
(Sieveking-Stiftung), Michael Mathe (Bezirksamt), Jens Ade (Hinz&<strong>Kunzt</strong>).<br />
41
Seine Tür<br />
stand uns<br />
allen immer<br />
offen: unser<br />
scheidender<br />
Geschäftsführer<br />
Jens Ade in<br />
seinem Büro.<br />
Ach, diese Lücke, …<br />
Nach 15 Jahren bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> geht<br />
unser Geschäftsführer Jens Ade in den Ruhestand.<br />
Danke für alles.<br />
TEXT: ANNETTE WOYWODE<br />
D<br />
ass Jens Ade – Dr. Jens<br />
Ade – überhaupt zu<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> gekommen<br />
ist, ist eigentlich erstaunlich.<br />
Denn im ersten Bewerbungsdurchlauf<br />
fragten wir uns: „Was will der<br />
hier?“ Ein Werber mit Siegelring und<br />
keinerlei Erfahrung in sozialen Einrichtungen.<br />
Jens wiederum erinnert sich mit<br />
wohligem Grausen an vorurteilsstrotzende<br />
Fragen wie die, was für ein Auto<br />
er denn fahre. „Ich habe damals geantwortet:<br />
,Ach wissen Sie, meine Porschezeit<br />
habe ich hinter mir, ich fahre jetzt<br />
einen alten Mini‘“, erzählt der 67-Jährige<br />
und lacht noch immer über unsere<br />
pikierten Gesichter.<br />
Womit wir gleich bei einer seiner<br />
Eigenschaften wären, die wir an ihm so<br />
lieben: seinen Humor. „Diesen intelligenten<br />
Witz und Sarkasmus“, wie es<br />
Marcel Stein aus dem Vertrieb ausdrückt.<br />
Aber natürlich war das nicht der<br />
Grund dafür, dass wir uns vor genau<br />
15 Jahren für ihn entschieden haben –<br />
und umgekehrt. Uns wurde schnell klar:<br />
Dieser Mann ist ein Team player. Und<br />
darin haben wir uns nicht getäuscht.<br />
Stattdessen durften wir immer neue<br />
Qualitäten an Jens entdecken. Umso<br />
schwerer fällt es uns jetzt, unseren Chef<br />
nach einer so langen, fruchtbaren, intensiven<br />
gemeinsamen Zeit in den Ruhestand<br />
zu verabschieden. „Er war immer<br />
unser Fels in der Brandung“, sagt Chefredakteurin<br />
Birgit Müller. „Wir werden<br />
ihn ganz schön vermissen.“<br />
„Wenn ich bedenke, wie er unseren<br />
Hühnerhaufen zusammengehalten<br />
FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK (OBEN UND S. 43 MITTE), MAURICIO BUSTAMANTE, PRIVAT (UNTEN LINKS)<br />
42
hat“, sagt Susanne Wehde<br />
aus der Buchhaltung. Dazu<br />
muss man wissen, dass<br />
das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Team<br />
aus lauter Alphatierchen<br />
besteht. Alle gesegnet mit<br />
viel Energie, guten Ideen<br />
und starken Meinungen. Sozialarbeiter<br />
Stephan Karrenbauer fasst es so zusammen:<br />
„Er war immer ein Teamplayer,<br />
auch wenn das Team nicht einfach<br />
war.“ Solange der Laden lief, hat Jens<br />
uns in unserer Arbeit maximale Freiheit<br />
gelassen. Unserer Kreativität hat das<br />
gutgetan – egal, ob es sich um irre Aktionen<br />
wie unser Restaurant auf Zeit<br />
zum 25-jährigen Jubiläum handelte<br />
oder darum, Arbeitsprojekten eine<br />
Chance zu geben. Wir durften auch<br />
einfach mal etwas ausprobieren. Immer<br />
Jens’ Motto folgend: „Zahlen haben<br />
Jens war wie<br />
ein Werbebanner<br />
für uns.<br />
mich noch nie interessiert. Es sind die<br />
Inhalte. Und wenn die stimmen, stimmen<br />
auch die Zahlen.“ Das bedeutet<br />
auch, dass Jens immer im Blick hatte,<br />
wenn etwas aus dem Ruder lief. Dann<br />
hat er klare Grenzen gesetzt. Und die<br />
wurden von uns allen anerkannt.<br />
Bei all dem merkten wir schnell,<br />
dass uns dieser Mann aus der Werbung<br />
unglaublich bereichert: „Er war wie<br />
ein Werbebanner für uns, hat uns bis in<br />
den letzten Winkel Hamburgs getragen“,<br />
sagt Gabriele Koch aus dem<br />
Spendenmarketing. Nicht nur sein gesamtes<br />
persönliches Umfeld wurde Teil<br />
der Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Familie, er hat auch<br />
Zum 20. Geburtstag von<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> konnte<br />
Jens Ade unter anderem<br />
Tagesschausprecherin<br />
Judith Rakers als Kampagnenmodel<br />
gewinnen. Fünf Jahre<br />
später führen er und Chefredakteurin<br />
Birgit Müller durch<br />
unseren Jubiläumsabend<br />
in der Markthalle.<br />
immer wieder seine alten Kontakte<br />
in die Werbebranche für<br />
uns fruchtbar gemacht, Ex-Kollegen<br />
für uns begeistert und<br />
eingespannt.<br />
Dadurch entstanden Kampagnen<br />
für uns, von denen andere<br />
soziale Projekte nur träumen.<br />
Legendär sind zum Beispiel<br />
die Plakatmotive zu unserem<br />
20-jährigen Geburtstag, auf denen<br />
uns Prominente zum Jubiläum<br />
gratulierten. Jens wollte<br />
niemand geringeres als Helmut Schmidt<br />
dafür gewinnen – und er hat es geschafft.<br />
Eine nachwirkende Begegnung:<br />
„Wir hatten fürs Foto im Büro eingeleuchtet.<br />
Irgendwann kam Helmut<br />
Schmidt rein und fragte in seiner etwas<br />
ruppigen Art: ,Was machen wir hier eigentlich‘<br />
– obwohl sein Büro ihn natürlich<br />
bestens informiert hatte“, erinnert<br />
sich Jens, der sich sofort vorkam wie ein<br />
Schuljunge vor seinem strengen Lehrer.<br />
„Helmut Schmidt hat dann einige Fragen<br />
zu Hinz&<strong>Kunzt</strong> gestellt, auch, wie<br />
wir uns finanzieren. Ich hab erklärt,<br />
dass wir keine staatlichen Zuschüsse bekommen,<br />
aber viele, viele Kleinspender<br />
haben. Er daraufhin: ,Also, Sie haben<br />
keine Großspender?‘ ,Nein, aber Kleinvieh<br />
macht auch Mist.‘ Daraufhin<br />
schaute mich Helmut Schmidt geradezu<br />
schelmisch an, beugte sich leicht vor<br />
und sagte: ,Ja, aber Großvieh macht<br />
mehr Mist.‘“<br />
Noch immer lacht Jens lich über den Schalk,<br />
herzden<br />
er bei Helmut<br />
Schmidt im Nacken<br />
sitzen sah. Und natürlich<br />
wusste Jens immer, dass<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> viele Ideen<br />
nicht ausschließlich mithilfe<br />
von Kleinspendern<br />
Auch zu angeblich schwierigen Hinz&Künztlern hatte Jens<br />
einen engen Draht, wie hier mit dem „Kommandante“ (Bild<br />
links, von links) und Kasimir ( †). Für Späße war Jens immer zu<br />
haben. Für einen Satirebeitrag (oben) schlüpfte er in die Rolle<br />
des damaligen HSH-Nordbank-Chefs Dirk Nonnenmacher.<br />
43
Gutes Team: Sozialarbeiter<br />
Stephan Karrenbauer<br />
(rechts) und Jens Ade.<br />
verwirklichen kann. Vor allem nicht unseren<br />
Wunsch, Wohnungen für unsere<br />
Verkäufer zu schaffen. Jens ist es zu verdanken,<br />
dass sich mittlerweile Menschen<br />
dazu entschließen, Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
in ihrem Testament zu bedenken. Auch<br />
Wir wussten<br />
immer: Jens<br />
steht hinter uns.<br />
unser Gedenkanker in der Hafencity,<br />
auf dem die Namen der Testamentsspender<br />
auf Wunsch verewigt werden,<br />
war seine Idee. Ihr Geld ist es, das unter<br />
anderem in das Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Haus<br />
fließt, das für uns gebaut wird (siehe Seite<br />
40) und in dem neben unseren Ge-<br />
schäfts- und Redaktionsräumen<br />
auch Wohnungen<br />
für Hinz&Künztler<br />
entstehen.<br />
Apropos unsere<br />
Hinz&Künztler.<br />
Sie sind es natürlich,<br />
für die wir alle<br />
arbeiten. Die Frage,<br />
Als wir im Dezember 2017<br />
für die ganztägige Öffnung<br />
des Winternotprogramms<br />
demonstrierten, hat Jens<br />
bei der Performance in<br />
Bademänteln (links)<br />
selbstverständlich mitgemacht.<br />
wie der Werber ohne Erfahrungen im<br />
sozialen Bereich wohl mit unseren Obdach-<br />
und Wohnungslosen zurechtkommt<br />
– sie erübrigte sich in kürzester<br />
Zeit. „Von Anfang an wollte Jens, dass<br />
sein Büro dort ist, wo das Leben spielt“,<br />
sagt Stephan Karrenbauer: direkt neben<br />
dem Vertriebsraum, in dem unsere Verkäufer<br />
die Magazine kaufen. Seine Tür<br />
stand immer offen. Immerhin 3107<br />
Menschen haben in seiner Zeit als Geschäftsführer<br />
bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> einen<br />
neuen Verkäuferausweis bekommen.<br />
Darunter sind viele Menschen, die<br />
schwere Probleme haben oder sehr<br />
krank sind. „Jens hat<br />
ihnen immer zugehört<br />
– und er hat ein<br />
besonderes Herz für<br />
die, die als schwierig<br />
gelten“, sagt Birgit<br />
Müller. „Was nicht heißt, dass er keine<br />
Grenzen setzt. Aber klar war immer: Er<br />
mag die Leute. Genau das spüren sie.“<br />
Sogar wenn es mal brenzlig wurde,<br />
hat Jens diese Linie nie verlassen. Im Gegenteil:<br />
„In turbulenten Zeiten wird Jens<br />
ganz ruhig“, sagt Stephan Karrenbauer,<br />
„und man wusste immer: Wenn es darauf<br />
ankommt, steht er hinter einem.“<br />
Selbst als uns einmal ein psychisch erkrankter<br />
Verkäufer mit einer angeblich<br />
in der Jacke verborgenen Pistole bedrohte,<br />
hat Jens die Situation entspannt. „Er<br />
hat diesem Verkäufer gegenüber ganz<br />
ruhig ein Hausverbot ausgesprochen<br />
und ist dabei trotz der brenzligen Situation<br />
ihm gegenüber zugewandt geblieben“,<br />
erinnert sich Birgit Müller. „Das<br />
muss man erst mal hinkriegen!“<br />
Egal, welches Teammitglied man<br />
fragt: „Seine Ruhe und Unaufgeregtheit“<br />
sind zwei der Eigenschaften,<br />
Auch den Schauspieler Ulrich<br />
Tukur (linkes Bild) konnte Jens für<br />
uns begeistern. Unten: Wenn er<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> repräsentierte, trug<br />
Jens immer seinen Schal in Pink.<br />
FOTOS: ANNETTE WOYWODE (OBEN), DMITRIJ LELTSCHUK (UNTEN RECHTS),<br />
MAURICIO BUSTAMANTE, PRIVAT (UNTEN LINKS)
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> intern<br />
Sogar im Service spitze: Im<br />
Dezember 2010 servierte Jens in der<br />
Bugenhagenkirche das Weihnachtsessen<br />
für unsere Verkäufer.<br />
JA,<br />
ICH WERDE MITGLIED<br />
IM HINZ&KUNZT-<br />
FREUNDESKREIS.<br />
Damit unterstütze ich die<br />
Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />
die uns sicher durch alle Fahrwasser<br />
manövriert haben. Dabei war sich Jens<br />
nie zu schade, überall mit anzupacken,<br />
wenn Unterstützung vonnöten war.<br />
Ihm war es völlig egal, ob er dabei half,<br />
die passende Zeile für ein Titelbild zu<br />
finden, am Ende unseres Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />
Winterprogramms die Wohnungen mit<br />
aufzuräumen oder Möbelspenden für<br />
einen Verkäufer abzuholen.<br />
Um es mal mit dem Schauspieler<br />
und Autor Joachim Meyerhoff auszudrücken:<br />
„Ach, diese Lücke, diese entsetzliche<br />
Lücke!“ – die Jens<br />
auf so vielen Ebenen hinterlässt.<br />
Wir alle spüren sie<br />
schon jetzt ganz genau. Zum<br />
Glück bleibt er uns zumindest<br />
noch für eine Aufgabe<br />
erhalten: Er hat uns in die<br />
Hand versprochen, den Bau<br />
des Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Hauses<br />
noch bis zu dessen Fertigstellung<br />
für uns zu begleiten. Ab<br />
und an bekommen wir ihn<br />
also auch noch in Zukunft zu Gesicht.<br />
Ob das reicht?<br />
Jens, mal ehrlich: „Was wirst du ohne<br />
uns anfangen?“ Auf diese Frage lacht<br />
er bloß. Jens ist ohnehin niemand, der jemals<br />
für irgendetwas groß bedankt oder<br />
in den Vordergrund gestellt werden wollte.<br />
Gott bewahre! Und so sagt er nur<br />
schlicht: „Wenn ich hier weg bin? Das<br />
wird mir nicht leichtfallen.“ Uns auch<br />
nicht. Da kannst du sicher sein. •<br />
Kontakt: annette.woywode@hinzundkunzt.de<br />
Meine Jahresspende beträgt:<br />
60 Euro (Mindestbeitrag für<br />
Schüler/Studenten/Senioren)<br />
100 Euro<br />
Euro<br />
Datum, Unterschrift<br />
Ich möchte eine Bestätigung<br />
für meine Jahresspende erhalten.<br />
(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />
Meine Adresse:<br />
Name, Vorname<br />
Straße, Nr.<br />
PLZ, Ort<br />
Telefon<br />
E-Mail<br />
Einzugsermächtigung:<br />
Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />
Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />
Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />
Dankeschön<br />
IBAN<br />
Wir danken allen, die im September an<br />
uns gespendet haben, sowie allen Mitgliedern<br />
im Freundeskreis von Hinz&<strong>Kunzt</strong> für die<br />
Unterstützung unserer Arbeit!<br />
DANKESCHÖN EBENFALLS AN:<br />
• wk it services<br />
• Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />
• Hamburger Tafel • Axel Ruepp Rätselservice<br />
• Hamburger Kunsthalle<br />
• bildarchiv-hamburg.de<br />
• Jutta Bauer • Spielbudenplatz GmbH<br />
• Kampf der Künste gGmbH<br />
• Michael Vogler für die Abschiedsspende<br />
seiner Kollegen<br />
• Der Klasse SPE18_8C<br />
der Anna-Warburg-Schule für eine Spende<br />
durch Kuchen- und Getränkeverkauf<br />
• Annegret Wolf und ihren<br />
Gästen zum 70. Geburtstag<br />
• Günter und Rotraud Massenberg und ihren<br />
Gästen zur Diamantenen Hochzeit<br />
• Rotary Club Hamburg Elbe e. V.<br />
• Susanne und Heinz-Hermann Rickers und<br />
den Gästen ihrer 145-Jahr-Feier<br />
NEUE FREUNDE:<br />
• Andreas R. Barth • Michel Beck<br />
• Ingrid Brix • Hilke Frerking<br />
• Christopher Heinemann • Philip Jordan<br />
• Friedrich Laugwitz • Hannes Pagel<br />
• Synje Petersen • Evelyn Schnoor<br />
• Sven Stark • Andrea Wolf<br />
BIC<br />
Bankinstitut<br />
Ich bin damit einverstanden, dass mein Name in<br />
der Rubrik „Dankeschön“ in einer Ausgabe des<br />
Hamburger Straßenmagazins veröffentlicht wird:<br />
Ja<br />
Nein<br />
Wir garantieren einen absolut vertraulichen<br />
Umgang mit den von Ihnen gemachten Angaben.<br />
Die übermittelten Daten werden nur zu internen<br />
Zwecken im Rahmen der Spendenverwaltung<br />
genutzt. Die Mitgliedschaft im Freundeskreis ist<br />
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Unsere Datenschutzerklärung können Sie<br />
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Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Freundeskreis<br />
Altstädter Twiete 1-5, 20095 Hamburg<br />
Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />
45<br />
HK <strong>320</strong>
Buh&Beifall<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>320</strong>/OKTOBER <strong>2019</strong><br />
Was unsere Leser meinen<br />
„Geschlechtergerechte Sprache ist wichtig“<br />
Diskriminierende Sprechweisen<br />
H&K 319, Moderne Sklaverei<br />
Es ist sehr problematisch, dass im Projekt<br />
von „Zimmermädchen“ gesprochen<br />
wird – das reproduziert leider<br />
diskriminierende und abwertende<br />
Sprechweisen. Geschlechtergerechte<br />
Sprache ist wichtig. Außerdem scheint<br />
auf dem durchweg weißen Podium nur<br />
eine Frau zum Thema anwesend zu<br />
sein.<br />
TRUSTTHEGIRLS_ORG VIA INSTAGRAM<br />
Anmerkung der Redaktion: Wir sind mit dem<br />
Begriff Zimmermädchen auch nicht glücklich,<br />
verwenden zunehmend auch „Putzkräfte“<br />
und „Reinigungskräfte“. Was das Podium<br />
betrifft: Wir hatten die Geschäftsführerin des<br />
Dehoga eingeladen, auch eine Wissenschaftlerin,<br />
beide haben leider abgesagt. So saß mit<br />
der Beraterin von der Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />
zwar eine „weiße“ Frau auf<br />
dem Podium – als gebürtige Polin kann sie die<br />
Erfahrungen vieler (Süd)Osteuropäer/innen<br />
in diesem Gewerbe sehr gut nachvollziehen<br />
und darstellen.<br />
Respekt!<br />
H&K Meldung Grundsteinlegung<br />
Auf dass dieses Haus gelingen möge!<br />
ANDREAS DÜLLICK VIA FACEBOOK<br />
Leserbriefe geben die Meinung des Verfassers<br />
wieder, nicht die der Redaktion. Wir behalten<br />
uns vor, Leserbriefe zu kürzen.<br />
Wir trauern um<br />
Uwe Hinzmann<br />
19. September 1965 – 14. August <strong>2019</strong><br />
Uwe war zuletzt kein aktiver Verkäufer mehr.<br />
Er verstarb im UKE.<br />
Die Verkäufer und das Team von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
Wir trauern um<br />
Wilfried Senf<br />
20. Dezember 1958 – 29. August <strong>2019</strong><br />
Wilfried war seit Winter 2016 bei Hinz&<strong>Kunzt</strong>,<br />
er starb im Krankenhaus St. Georg.<br />
Die Verkäufer und das Team von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
Wir trauern um<br />
Uta Sternsdorff<br />
10. Januar 1938 – 8. September <strong>2019</strong><br />
Uta hat fast von Anfang an unsere Magazine<br />
Korrektur gelesen. Wir vermissen sie sehr.<br />
Die Verkäufer und das Team von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE<br />
DER ETWAS<br />
ANDERE<br />
STADTRUNDGANG<br />
Ambulanter Pflegedienst<br />
Wir stellen ein:<br />
Haushaltskräfte in Teilzeit mit Pkw-FS<br />
Lagerstr. 30-32, 20357 Hamburg<br />
Tel.: 040 – 38 68 66 -0<br />
Email: info@solihilfe.de<br />
www.solihilfe.de<br />
Wollen Sie Hamburgs City einmal mit anderen Augen sehen?<br />
Abseits der teuren Fassaden zeigt Hinz&<strong>Kunzt</strong> Orte, die in<br />
keinem Reiseführer stehen: Bahnhofs mission statt Rathausmarkt,<br />
Drogenberatungsstelle statt Alsterpavillon, Tages aufent halts stätte<br />
statt Einkaufspassage.<br />
Anmeldung: bequem online buchen unter<br />
www.hinzundkunzt.de oder Telefon 040/32 10 83 11<br />
Kostenbeitrag: 10/5 Euro<br />
Nächste Termine: 13.10. + 27.10.<strong>2019</strong>, 15 Uhr<br />
Osterstraße 149, Eimsbüttel • HH 43 27 44 11
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Risiko erwünscht: Das Theater-Duo Meyer & Kowsky spielt mit seinem Publikum (S. 48).<br />
Kurz gefragt: Wo waschen Obdachlose ihre Wäsche (S. 56)?<br />
Weit gereist: Hinz&Künztler Viktor kommt ursprünglich aus Sibirien (S. 58).<br />
Draufgehalten, abgedrückt:<br />
Der gelungene Schnappschuss ist<br />
die Königsdisziplin der Amateurfotografie.<br />
Eine Ausstellung im<br />
Museum für Kunst und Gewerbe<br />
verschafft den Werken knipsender<br />
Laien große Auftritte (Seite 53).<br />
FOTO: DANIEL HERRMANN
Blind Date mit<br />
Meyer & Kowski<br />
Der Members’ Club lädt ein zu einem theatralischen Abend<br />
über Liebe und Triebe. Wer dabei sein will, braucht ein<br />
bisschen Mut. Denn fast niemand weiß, was hier gespielt wird.<br />
TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />
FOTOS: ANDREAS HORNOFF<br />
Es fängt an mit einer Mail: „Liebe<br />
neue Freunde des Members’<br />
Club! Wir freuen uns, dass ihr<br />
Lust habt, bei uns teilzunehmen.“<br />
Moment. Teilnehmen? Wobei?<br />
„Wir wollen nicht zu viel verraten …“,<br />
heißt es in der Mail. Aber kurz gesagt: Es<br />
geht um Liebe. Und um Sex. Und zwar<br />
um den Sex, den wir alle gerne hätten. Wer<br />
Lust hat, der Sache einmal spielerisch<br />
nachzugehen, ist eingeladen. Treffpunkt<br />
auf dem Wilhelmsburger Stübenplatz.<br />
Alles andere wird sich dann zeigen. „In<br />
freudiger Erwartung, Meyer & Kowski.“<br />
Bitte was? Bitte wer? Die zweite Frage lässt<br />
sich beantworten: Meyer & Kowski sind<br />
ein Künstlerpaar, das sich auf Theater jenseits<br />
des Theaters spezialisiert hat. Im<br />
wahren Leben heißen sie Susanne Reifenrath<br />
und Marc von Henning, beide sind<br />
Profis und haben lange so gespielt, wie es<br />
die Regeln des klassischen Theaterbetriebs<br />
vorsehen: Das Publikum zahlt Eintritt,<br />
bekommt dafür Werke großer Autoren geboten,<br />
gewürzt mit einer Prise künstlerischen<br />
Eigensinns vonseiten der Regie und<br />
des Ensembles, und nach dem letzten Vorhang<br />
geht’s zurück ins normale Leben.<br />
48<br />
So läuft das nicht bei Meyer & Kowski.<br />
Statt auf der Bühne eine fiktive Wirklichkeit<br />
zu inszenieren, wollen sie tiefer<br />
ins echte Leben eintauchen. „Dazu<br />
brauchen wir das Publikum“, erklärt<br />
Susanne Reifenrath. Es soll ein Raum<br />
entstehen, in dem sich alle so wohlfühlen,<br />
dass sie sich ganz auf das Spiel einlassen.<br />
Auch wenn sich die meisten gar<br />
nicht kennen. Selbst wenn es keine<br />
Karten zu kaufen gibt, auf denen steht,<br />
was gespielt wird. Obwohl es hier um<br />
Themen geht, die das Leben komplett<br />
auf den Kopf stellen können.
Wie abenteuerlustig sind wir in der Liebe? Marc von<br />
Henning und Susanne Reifenrath (links) laden zum<br />
Test ein – fachkundig betreut von Ruth Marie Kröger<br />
(oben, von links), Susanne Pollmeier und Jörg Petzold.<br />
Also hingehen zum Blind Date mit<br />
Meyer & Kowski? Ganz überraschend<br />
kommt die Mail nicht. Alle Adressaten<br />
haben vorher schon vom Members’<br />
Club gehört, von Freunden, Verwandten<br />
oder Kollegen, die schon mal dabei<br />
waren. „Ich melde dich da mal an,<br />
dann wirst du beim nächsten Mal eingeladen“<br />
– so in der Art läuft das. Und<br />
auch, dass es um Liebe geht, um Sex,<br />
Treue, Trennung und Leidenschaft.<br />
Wen, bitteschön, interessiert das nicht?<br />
Na also.<br />
Es geht um<br />
das Dilemma<br />
zwischen Liebe und<br />
Begehren.<br />
So finden sich am Ende etwa 20 Menschen<br />
vor einer Haustür in einem Wilhelmsburger<br />
Hinterhof wieder, ein paar<br />
Gehminuten vom Stübenplatz entfernt.<br />
Marc von Henning grinst verschmitzt.<br />
„Ich klingel mal.“ Die Tür geht auf,<br />
eine Frau im roten Kleid macht auf.<br />
„Hallo! Schön, dass ihr da seid! Ich bin<br />
Susanne.“ Ihr Mann kommt auch dazu,<br />
er heißt Jörg und begrüßt alle mit<br />
Handschlag, während Susanne die Gäste<br />
in die Wohnküche bittet. Schön ist es<br />
hier, ganz hell und stilvoll eingerichtet.<br />
Das Ledersofa ist unheimlich gemütlich.<br />
Gehört es wirklich Susanne und<br />
Jörg? Heißen die überhaupt so? Und<br />
dann ist auch noch eine Paartherapeutin<br />
eingeladen, Dr. Kröger. „Aber bitte<br />
nennt mich einfach Ruth.“<br />
Wer auch immer Dr. Ruth Kröger<br />
ist – was sie zu sagen hat, ist niemandem<br />
in der Wohnküche fremd. Es geht um<br />
das Dilemma zwischen Liebe und Begehren,<br />
das so oft in langjährigen Beziehungen<br />
aufkommt. Jörg und Susanne<br />
stecken zum Beispiel gerade mittendrin.<br />
Wieso ist das so? Was macht uns eigentlich<br />
glücklich? Es dauert nicht lange, bis<br />
diese Fragen wichtiger werden als<br />
die nach Spiel oder Wirklichkeit. Auch<br />
das Fremdsein verfliegt. Alle im Raum<br />
vereint ein Gefühl: ja, kennen wir.<br />
„Es gibt auch Leute, die gehen, weil<br />
sie diese Intimität nicht mögen“, sagt<br />
Susanne Reifenrath. Die meisten aber<br />
kommen auch zum zweiten und dritten<br />
Abend, zu dem der Members’ Club<br />
einlädt. Das mulmige Gefühl, nicht zu<br />
wissen was kommt, weicht der Neugier.<br />
So steigen die „Members“ bereitwillig<br />
49<br />
in Taxis, von denen sie nicht einmal<br />
ahnen, wo sie hinfahren. Sie blicken<br />
sich gespannt um, wenn sie im Gewerbegebiet<br />
ankommen, durch eine unscheinbare<br />
Haustür treten und sich in<br />
einer fremden Welt aus Lack und rotem<br />
Kunstleder wiederfinden. Sie nehmen<br />
mit Meyer & Kowski die U-Bahn ins<br />
Ungewisse, um irgendwo in den Weiten<br />
der Stadt auf einem Dachboden mit<br />
fremden Menschen zu tanzen. Und<br />
weil es so schön war, erzählen sie es<br />
weiter. Neue Mails werden in neuen<br />
Post fächern landen. Der Club wächst. •<br />
Kontakt: annabel.trautwein@hinzundkunzt.de<br />
Die nächsten Termine<br />
Neue Aufführungen des „Members’<br />
Club“ gibt es am 24. und 25.10. (Teil 1),<br />
3.11. (Teil 2) und 6. und 7.11. (Teil 3)<br />
jeweils um 18.30 Uhr. Erstmals gibt es<br />
einen vierten Teil am 21., 22. und 23.11.<br />
Treffpunkte werden per Mail bekannt<br />
gegeben, Eintritt nach eigenem Ermessen.<br />
Für 2020 planen Meyer & Kowski<br />
eine neue, vierteilige Produktion: „Das<br />
Missverständnis von der Welt“. Alle Infos<br />
auf www.meyerundkowski.de, Mails an<br />
kontakt@meyerundkowski.de
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
„Das<br />
ist tief<br />
in mir!“<br />
Erich Heeder verkauft<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> – ist aber auch seit<br />
Jahrzehnten als Künstler aktiv.<br />
Im Bergedorfer Schloss beginnt<br />
ab <strong>Oktober</strong> eine Ausstellung<br />
mit seinen Bildern.<br />
TEXT: LUKAS GILBERT<br />
FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK<br />
KUNSTWERKE: ERICH HEEDER<br />
So eine hatte ich noch nie“, meint<br />
Erich Heeder stolz und man<br />
merkt, dass mit der Ausstellung<br />
für ihn ein persönlicher Traum in Erfüllung<br />
geht. Seit Jahren wartet der<br />
66-Jährige darauf, seine Kunst in Bergedorf<br />
ausstellen zu dürfen – dem Bezirk,<br />
in dem er schon lange Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
verkauft und zu dem er deshalb eine<br />
ganz besondere Beziehung hat. Einer<br />
seiner Verkaufsplätze ist der Wochenmarkt<br />
in der Chrysanderstraße. Der<br />
liegt direkt am Bergedorfer Schloss, in<br />
dem seine Werkschau am 10. <strong>Oktober</strong><br />
mit einer Vernissage beginnt.<br />
Erichs Kunstwerke entstehen einige<br />
Kilometer weiter, im Verein „Offenes<br />
Atelier in Mümmelmannsberg“. Dort<br />
Erich begann<br />
aus Verzweiflung<br />
zu malen.<br />
50
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Oft sind es<br />
Collagen wie<br />
„Kommunikation<br />
im Netz“ (von<br />
links), „Dialog mit<br />
der Zeit“ oder<br />
„Der Baum“, in<br />
denen Erich<br />
Heeder gesellschaftliche<br />
und<br />
politische<br />
Entwicklungen<br />
aufgreift.<br />
ist er seit 1986 aktiv. In seinen oft collagenhaften<br />
Bildern setzt er sich kritisch<br />
mit gesellschaftlichen und politischen<br />
Entwicklungen auseinander. Er versuche<br />
aber auch immer wieder, Perspektiven<br />
aufzuzeigen, Hoffnung zu machen,<br />
erzählt er.<br />
Ursprünglich kommt Erich aus<br />
dem niedersächsischen Hänigsen, wo er<br />
seine Schulzeit verbringt und eine Lehre<br />
als Zentralheizungsbauer absolviert.<br />
Parallel entwickelt er dort aber schon<br />
früh eine Leidenschaft für das Malen.<br />
Seine Themen sind etwa Obdachlosigkeit,<br />
Sucht oder Umweltzerstörung.<br />
Alles Dinge, die ihn auch persönlich<br />
betreffen. Obdachlos, erzählt Erich,<br />
war er nach einer Scheidung selbst einmal<br />
für mehrere Monate. Die Sucht<br />
von Freunden ist von Beginn an Motiv<br />
seiner Kunst, war eine Art Initialzündung:<br />
„Als meine Freunde angefangen<br />
haben zu kiffen und zu saufen, da habe<br />
ich aus lauter Verzweiflung richtig angefangen<br />
zu malen und habe ihre Sucht<br />
in meinen Bildern verarbeitet.“ Und<br />
Umweltzerstörung: „Die betrifft uns<br />
doch alle. Das ist nicht einfach ein Thema<br />
für mich, das ist tief in mir!“ Und so<br />
passt auch der Titel der Ausstellung<br />
wunderbar auf Erichs Art zu malen:<br />
„Aus sich heraus.“<br />
Momentan, gibt Erich zu, kommt<br />
er aber kaum dazu, neue Kunst zu machen.<br />
Wobei das nicht an mangelnden<br />
Ideen liegt. Im Gegenteil. „Eine Idee<br />
jagt die nächste!“ Einzig der Platz fehle<br />
ihm. „Ich kann nichts machen, weil<br />
mein Lager voll ist“, sagt er lachend.<br />
Das ist nicht übertrieben. Seine Lagerräume<br />
quellen beinahe über vor lauter<br />
Bildern, die sich in Regalen bis unter<br />
die Decke stapeln. Ab <strong>Oktober</strong> ist das<br />
zumindest für die Dauer der fast fünfmonatigen<br />
Ausstellung anders, in der<br />
viele seiner Werke dann im Bergedorfer<br />
Schloss zu sehen sind.<br />
Vor allem verbindet Erich mit der<br />
Ausstellung aber auch die Hoffnung,<br />
dass seine Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Stammkunden<br />
vorbeikommen und mal sehen, „was<br />
der sonst noch so macht.“ •<br />
Kontakt: lukas.gilbert@hinzundkunzt.de<br />
Die Ausstellung „Aus sich heraus“<br />
beginnt am 10. <strong>Oktober</strong>, 19 Uhr, mit einer<br />
Vernissage und ist bis zum 1. März 2020<br />
in der Museumslandschaft im Bergedorfer<br />
Schloss zu sehen. Geöffnet:<br />
Di–So von 11–17 Uhr. Jeweils am ersten<br />
Samstag im Monat ist Erich Heeder<br />
zwischen 15 und 17 Uhr anwesend.<br />
07.10.19 – Laeiszhalle<br />
ALEXANDER KNAPPE<br />
& ORCHESTER<br />
08.10.19 – Laeiszhalle, kleiner Saal<br />
KEVIN HAYS & LIONEL LOUEKE<br />
09.10.19 – Stage Club<br />
DURAND JONES<br />
& THE INDICATIONS<br />
11.10.19 – Waagenbau<br />
HÆLOS<br />
13.10.19 – Barclaycard Arena<br />
CHER<br />
14.10.19 – Nochtwache<br />
JONNY & JAKOB<br />
15.10.19 – Kulturkirche Altona<br />
TONY CAREY<br />
15.10.19 – Häkken<br />
FRANC MOODY<br />
17.10.19 – Gruenspan<br />
LUCKY CHOPS<br />
17.10.19 – Häkken<br />
NAAZ<br />
19.10.19 – Fabrik<br />
HEATHER NOVA<br />
21.10.19 – Docks<br />
RÜFÜS DU SOL<br />
28.10.19 – Große Freiheit 36<br />
DANIEL CAESAR<br />
29.10.19 – Fabrik<br />
YOUN SUN NAH<br />
30.10.19 – Mojo Club<br />
DOMINIC FIKE<br />
30.10. + 01. + 02.11 – Kampnagel<br />
ÜBERJAZZ<br />
05.11.19 – Knust<br />
HALF•ALIVE<br />
06.11.19 – Mojo Club<br />
LAUREN DAIGLE<br />
08.11.19 – Mojo Club<br />
SHURA<br />
10.11.19 – Mojo Club<br />
SCARLXRD<br />
10.11.19 – Fabrik<br />
CHARLI XCX<br />
12.11.19 – Große Freiheit 36<br />
WELSHLY ARMS<br />
14.11.19 – Mojo Club<br />
LAMB<br />
17.11.19 – Große Freiheit 36<br />
ZEDD<br />
19.11.19 – Sporthalle<br />
ALTER BRIDGE<br />
24.11.19 – Markthalle<br />
BEAR'S DEN<br />
30.11.19 – Mojo Club<br />
ELDER ISLAND<br />
03.12.19 – Docks<br />
MAX MUTZKE & MONOPUNK<br />
05.12.19 – Sporthalle<br />
ALLE FARBEN<br />
10.12.19 – Knust<br />
SONGS FROM ABOVE<br />
13.12.19 – Fabrik<br />
WLADIMIR KAMINER<br />
23.01.20 – Barclaycard Arena<br />
ADEL TAWIL<br />
51<br />
TICKETS: →(0 40) 4 13 22 60 → KJ.DE
Kult<br />
Tipps für den<br />
Monat <strong>Oktober</strong>:<br />
subjektiv und<br />
einladend<br />
Konzert<br />
Der Sound der Seidenstraße<br />
Seit mehr als 2000 Jahren verbindet die<br />
Seidenstraße Kulturen von der Mittelmeerküste<br />
bis nach Ostasien. Nicht alles<br />
war Kommerz, was auf der alten Karawanenroute<br />
gehandelt wurde: In den<br />
Biwaks und Oasen trafen sich die Handelsreisenden<br />
auch zum gemeinsamen<br />
52<br />
Die Komponistin Jelena Dabi bringt Musiker aus unterschiedlichen<br />
Ländern entlang der alten Karawanenroute zusammen.<br />
Feiern. So gingen Instrumente von<br />
Hand zu Hand und Lieder von Ohr<br />
zu Ohr. Das „Silkroad Festival“ folgt<br />
diesen Spuren: Im <strong>Oktober</strong> treffen sich<br />
Musiker aus China, Indonesien, Indien,<br />
Iran und dem Balkan zum Konzert und<br />
zum Kochen im Bunker an der Feldstraße.<br />
Zu Musik und Tanz gibt es eine<br />
begehbare Installation, die die Reise<br />
entlang der Seidenstraße in Bildern<br />
und Klängen erlebbar macht. •<br />
resonanzraum, Feldstraße 66,<br />
Sa, 5.10., 20 Uhr, Eintritt 22/17 Euro,<br />
www.silkroad-festival. com
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Film<br />
Schnitzeljagd durch die Dimensionen<br />
Die Erkenntnis<br />
ist nur einen<br />
Geistesblitz<br />
entfernt: In der<br />
3-D-Show<br />
folgt das Publikum<br />
einem<br />
Forscher team<br />
auf der rasanten<br />
Suche nach<br />
der Weltformel.<br />
Wie funktioniert das Universum und wie ist es entstanden? Auf der Suche nach<br />
der Antwort auf die grundlegenden Fragen unseres Daseins jagen Forscher ein<br />
Mysterium: die „Theorie von allem“, personifiziert in der geheimnisvollen Figur<br />
TOE. Gelänge es ihnen, TOE dingfest zu machen, würden sie die Weltformel in<br />
Händen halten. Doch kaum haben sie den Gesuchten lokalisiert, entschwindet er.<br />
„Die Jagd durch die Dimensionen“ ist ein Wissenschaftsthriller in 3D, bei dem<br />
das Publikum mitten im Geschehen ist und des Rätsels Lösung scheinbar mit<br />
Händen greifen kann. Nebenbei werden Elementarteilchen und die Stringtheorie<br />
erklärt. Matrix kann einpacken. •<br />
Planetarium Hamburg, Linnéring 1 (Stadtpark), ab Di, 1.10., diverse Uhrzeiten,<br />
Eintritt 12,50/8,50 Euro, www.planetarium-hamburg.de<br />
Ausstellung<br />
Die Macht der Schnappschüsse<br />
„Ich knipse, also bin ich“, lautet das<br />
unterschwellige Credo der Generation<br />
Selfie. Zum Massenhobby wurde<br />
das Fotografieren jedoch schon lange<br />
vor der Erfindung der Handykamera.<br />
Die Ausstellung „Amateurfotografie.<br />
Vom Bauhaus zu Instagram“ zeigt,<br />
worin Reiz und Macht des Fotografierens<br />
liegen. •<br />
Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz,<br />
ab Do, 3.10., Di–So, 10–18 Uhr,<br />
Do, 10–21 Uhr, Eintritt 12/8 Euro, unter<br />
18 Jahre frei, www.mkg-hamburg.de<br />
Draußen<br />
Nachbarn feiern ihre Parks<br />
Entlang von Alster, Elbe und Bille<br />
sprießt neues Grün: Zwei Monate<br />
lang haben Nachbarinnen und<br />
Nachbarn Ideen für zukünftige Parks<br />
erprobt. Nun steigt das Saisonabschlussfest<br />
in Hammerbrook mit<br />
gemeinsamem Kochen im Freien,<br />
Musik und offenen Türen am Südpol<br />
und im Atelier Bullerhaus. •<br />
Alter Recyclinghof, Bullerdeich 6,<br />
Sa, 5.10., 15 Uhr, Eintritt frei,<br />
www.alster-bille-elbe-parks.hamburg<br />
FOTOS: GERHARD KÜHNE (S. 52), MIRAIKAN (OBEN), JANTO DJASSI (UNTEN)<br />
Draußen<br />
Hamburgs Kolonialgeschichte erleben<br />
Hamburger Pfeffersäcke – das sagt sich leicht. Aber wem gehörte der Pfeffer<br />
ursprünglich und wie landete er hier? Einiges ist faul am Reichtum der stolzen<br />
Hansestadt, denn bis heute profitiert Hamburg vom Kolonialhandel. Wo und<br />
wie das geschieht, erkundet die Hamburger Choreografin Yolanda Gutiérrez<br />
gemeinsam mit Performance<br />
Künstlern aus Daressalam auf<br />
einem Rundgang durch die Hafencity.<br />
An mehreren Stationen<br />
zwischen Shanghaiallee und<br />
VascodaGamaPlatz machen sie<br />
auf Zeugnisse der Kolonialgeschichte<br />
aufmerksam, ein Hörstück<br />
schlägt die Brücke zu persönlichen<br />
Erfahrungen der Künstler. Wer<br />
nach dem Rundgang die Kopfhörer<br />
abnimmt, sieht Hamburg mit<br />
anderen Augen. •<br />
Decolonycities, Treffpunkt Chilehaus,<br />
Fischertwiete 2, Sa+So, 5.+6.10.,<br />
jeweils 14 und 17 Uhr, Teilnahme<br />
12 Euro, www.kampnagel.de<br />
Der Audio-Spaziergang „Decolonycities“ führt zu<br />
Schauplätzen des unfairen Handels in Hamburg.<br />
Ausstellung<br />
Essgestört und männlich<br />
Magersucht oder Bulimie trifft nicht<br />
nur Frauen. Das zeigt die Ausstellung<br />
„A Story to Tell“ von Mafalda<br />
Rakoš und Ruben de Theije, bei<br />
der Männer von ihren Essstörungen<br />
erzählen und Hilfe einfordern. •<br />
Kulturetage Altona, Große Bergstraße<br />
160, Eröffnung Do, 10.10., 19 Uhr, bis So,<br />
13.10., täglich 10–18 Uhr, Eintritt frei,<br />
www.smutje-hh.de<br />
Draußen<br />
Umkämpfte Denkmäler<br />
In Hamburg wird immer wieder um<br />
Orte gestritten. Das St. PauliArchiv<br />
führt zu Bauten, die unter Schutz<br />
stehen und doch bedroht sind. •<br />
Operettenhaus (Treffpunkt), Spielbudenplatz<br />
1, So, 13.10., 14 Uhr, Teilnahme<br />
9/5 Euro, www.st-pauli-archiv.de<br />
53
Frauen in einer Männergesellschaft<br />
sind das<br />
Thema in Maram Avas<br />
Ausstellung „Terrestrials“.<br />
Ausstellung<br />
Armenische Fotografin zeigt neue Frauenbilder<br />
Starke Charakterporträts sind die<br />
Spezialität der armenischen Fotografin<br />
Maram Ava – ihre Bilder sollen nicht<br />
nur Menschen zeigen, sondern auch<br />
erzählen, wer sie sind und wie sie sich<br />
zur Welt verhalten. Für ihre Ausstellung<br />
„Terrestrials“ hat die Künstlerin armenische<br />
Frauen vor die Kamera gebeten<br />
und ihnen viel Zeit und Raum gelassen,<br />
eine Haltung zu finden, die ihre Persönlichkeit<br />
widerspiegelt. Die so entstandenen<br />
Porträts entfalten eine Sogwirkung:<br />
Auch das Publikum wird angehalten,<br />
länger hinzusehen und mehr zu erkennen<br />
als nur Gesicht und Körper. Mit<br />
der Wahl besonderer Schauplätze und<br />
bisweilen surreal wirkender Details<br />
lenkt Maram Ava das Augenmerk<br />
auch auf die armenische Gesellschaft,<br />
die ihre Protagonistinnen umgibt: eine<br />
54<br />
Gesellschaft, die weiterhin stark von<br />
Männern dominiert wird. Nun stellt<br />
Maram Ava in Hamburg aus. Noch<br />
bis in den November hinein ist ihre<br />
Fotoausstellung „Terrestrials“ im<br />
Gängeviertel zu sehen. •<br />
Galerie Speckstraße, Speckstraße 84/85,<br />
Eröffnung Do, 31.10., 19 Uhr, Do+Fr<br />
jeweils 17–19 Uhr, Eintritt frei,<br />
www.das-gaengeviertel.info
FOTOS: FLORIAN PELKA (S. 54), TOBIAS HOOPS (OBEN), PRIVAT<br />
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Festival<br />
Eigenartig, aber schön<br />
Theater<br />
Fremd in der eigenen Familie<br />
Nicolas steht kurz vor dem Abitur, eine<br />
aufregende Zukunft wartet auf ihn.<br />
Aber es reicht ihm jetzt schon. Die<br />
Schule, die Trennung seiner Eltern –<br />
es wird ihm alles zu viel. Als er den<br />
Unterricht zu schwänzen beginnt, soll<br />
ausgerechnet der Umzug zu seinem<br />
Vater und dessen neuer Familie die<br />
Dinge wieder ins Lot bringen. Doch<br />
was hat der Alte ihm schon zu sagen,<br />
wo er sich doch die Jahre zuvor auch<br />
kaum gekümmert hat? In hohem<br />
Tempo geht das Stück „Der Sohn“<br />
von Florian Zeller über die Bühne. •<br />
St. Pauli Theater, Spielbudenplatz 29–30,<br />
ab Mo, 21.10., jeweils 19.30 Uhr,<br />
Eintritt 19,90–49,90 Euro (VVK),<br />
www.st-pauli-theater.de<br />
Wir verlosen dreimal zwei Karten für die<br />
Vorstellung am Montag, 21.10., 19.30 Uhr,<br />
unter allen, die bis zum 16.10. eine Mail<br />
schicken an info@hinzundkunzt.de<br />
(Stichwort „Der Sohn“).<br />
55<br />
Im Chaos liegt die<br />
Kraft der Tänzerinnen<br />
vom „Rising<br />
Dance Collectiv“.<br />
Die Welt ist in Bewegung: Menschen ziehen von Kontinent zu Kontinent, überholt<br />
von neuen Trendprodukten, Rollenbilder wandeln sich und der Meeresspiegel<br />
steigt an. Was die Erde im Großen verändert, zeigt das Eigenarten Festival<br />
zum 20-jährigen Jubiläum im Kleinen. In Musik und Theater, Bildern und Tanz<br />
präsentieren Kunstschaffende ihre Utopien. •<br />
Eigenarten Festival, diverse Spielstätten, ab Do, 24.10., Eintritt 0–16,50 Euro,<br />
das ganze Programm: www.festival-eigenarten.de<br />
Aktion für Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
Chili für den guten Zweck<br />
Egal ob mit oder ohne scharf, con<br />
carne oder sin: Dieses Chili hilft!<br />
Beim Cook-Off in der Rindermarkthalle<br />
treten sechs ambitionierte<br />
Teams an, um das beste Chili der<br />
Stadt aus dem Topf zu zaubern. Wer<br />
sich „Chili-Champion“ nennen darf,<br />
ermitteln zwei Jurys: Fernsehkoch<br />
Ole Plogstedt und ein Team ausgesuchter<br />
Kenner urteilen nach fachlichen<br />
Kriterien, während die Gäste<br />
beim „People’s Choice“ nach Gusto<br />
und Mehrheit entscheiden. Aufgetischt<br />
wird gegen Spende, die Erlöse<br />
kommen Hinz&<strong>Kunzt</strong> zugute. •<br />
Rindermarkthalle, Neuer Kamp 31,<br />
Sa, 26.10., 10 Uhr, Verkostung ab<br />
15 Uhr, Teilnahme auf Spendenbasis<br />
Über Tipps für November freut sich<br />
Annabel Trautwein. Bitte bis zum 9.10.<br />
schicken: redaktion@hinzundkunzt.de<br />
Kinofilm des Monats<br />
Auf der Mauer,<br />
auf der Lauer<br />
Wo die Liebe hinfällt, da<br />
muss sie sich bewähren. Um<br />
es mit den Worten meiner<br />
Klarinettenlehrerin zu sagen:<br />
Niemand hat gesagt, dass es<br />
einfach ist. Aber es ist möglich.<br />
Und weil der Herbst<br />
es einem einerseits nicht einfach<br />
macht und uns andererseits<br />
in diese wundervoll<br />
melancholische Stimmung<br />
bringt, ist jetzt die richtige<br />
Zeit für Leinwandromanzen.<br />
„Zwischen uns die Mauer“<br />
ist so ein Film. Erzählt<br />
wird die Geschichte von Anna<br />
und Philipp, die sich in Ostberlin<br />
bei einem Begegnungstreffen<br />
– das hieß damals so –<br />
verlieben. Mit der Liebe ist es<br />
allerdings nicht einfach. Nach<br />
wenigen Tagen muss Anna<br />
zurück in die Bundesrepublik.<br />
Die Sehnsucht bleibt. Es folgen<br />
heimliche Reisen in die<br />
DDR. Das bringt nicht nur<br />
Annas Eltern auf den Plan,<br />
sondern auch die Stasi. Dann<br />
fällt die Mauer und die Gefühle<br />
müssen sich der neuen<br />
Freiheit stellen.<br />
Authentisch, sensibel, bewegend<br />
– mit der Verfilmung<br />
des gleichnamigen Romans<br />
von Katja Hildebrand gelingt<br />
Regisseur Norbert Lechner<br />
eine packende Zeitreise ins<br />
geteilte Deutschland. 30 Jahre<br />
nach der Wiedervereinigung<br />
wirkt sie alles andere als<br />
von gestern. Und wer es bei<br />
Schmuddelwetter nicht ins<br />
Kino schafft, kann aufatmen:<br />
„Zwischen uns die Mauer“<br />
ist eine ZDF-Koproduktion,<br />
also wohl bald auch im Fernsehen<br />
zu sehen. •<br />
André Schmidt<br />
geht seit<br />
Jahren für uns<br />
ins Kino.<br />
Er arbeitet in der<br />
PR-Branche.
<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>320</strong>/OKTOBER <strong>2019</strong><br />
N o 10<br />
Was Sie schon<br />
immer über<br />
Obdachlosigkeit<br />
wissen wollten!<br />
Waschen im<br />
Waschsalon<br />
konnte sich<br />
Achim als<br />
Obdachloser<br />
nur im Notfall<br />
leisten. Meistens<br />
steuerte<br />
er eine Hilfseinrichtung<br />
an.<br />
Wo waschen Obdachlose<br />
ihre Kleider?<br />
Saubere Kleidung ist enorm wichtig, auch für Obdachlose. Doch wer keine Waschmaschine<br />
hat, muss viel Aufwand betreiben – denn Waschsalons sind teuer, wenn jeder Euro zählt.<br />
TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Was dreckig ist, kommt in die Wäsche.<br />
„Ich achte ja auf mich selber“, erklärt<br />
Achim (51). „Wenn ich mit dreckigen<br />
Klamotten rumlaufen würde, würde ich<br />
mich nicht wohlfühlen.“ Doch so alltäglich<br />
das Waschen ist, so kompliziert<br />
wird es für Menschen, die keine Wohnung<br />
haben. Achim musste lange Zeit<br />
besonders erfinderisch sein: Als reisender<br />
Obdachloser musste er die nächste<br />
Waschmaschine immer erst suchen.<br />
Dafür lernte er, sich schnell zu orientieren.<br />
„Ich habe mehr als 30 Jahre auf<br />
der Straße gelebt. Da weiß man irgendwann,<br />
wo man hingeht“, sagt er.<br />
Schwand der Vorrat an sauberer<br />
Wäsche in seinem Wanderrucksack,<br />
plante Achim einen Stopp bei einer der<br />
Hilfseinrichtungen ein, die eine Waschgelegenheit<br />
anbieten. „Auch auf dem<br />
Land gibt es das“, sagt Achim. „Natürlich<br />
nicht in kleinen Dörfern, aber in<br />
Kreisstädten habe ich oft was gefunden.“<br />
In solchen Anlaufstellen kostete ihn<br />
das Waschen zwar auch Geld, aber viel<br />
weniger als im Waschsalon. „Da zahlst<br />
du oft vier Euro für eine Maschine“,<br />
sagt der Hinz&Künztler. „Und dann<br />
kommen noch ein oder zwei Euro für<br />
den Trockner dazu.“ Insgesamt etwa<br />
die Hälfte des Betrags, den Achim zur<br />
Verfügung hatte, um seinen Tagesbedarf<br />
inklusive Fahrtkosten zu decken.<br />
Mit anderen Worten: viel zu teuer.<br />
In Hamburg organisierte sich<br />
Achim deshalb immer beim Herz As einen<br />
Termin zum Waschen. Einfach<br />
hingehen und die Trommel beladen<br />
geht nicht – es gibt Listen. Und der Bedarf<br />
ist groß: Für die geschätzten 2000<br />
56<br />
Obdachlosen gibt es lediglich 18<br />
Waschmaschinen in den Hamburger<br />
Hilfseinrichtungen.<br />
Inzwischen hat der Hinz&Künztler<br />
es leichter: In einer Kirchenkate hat er<br />
vorerst eine Bleibe gefunden, mit eigener<br />
Waschmaschine. „So einen Toplader,<br />
den man oben aufmachen kann“,<br />
erklärt er. Eine platzsparende Lösung.<br />
Trocknen kann er seine Kleider nun<br />
entspannt auf dem Wäscheständer. •<br />
Kontakt: annabel.trautwein@hinzundkunzt.de<br />
Aufruf<br />
Haben auch Sie eine Frage an unsere<br />
Hinz&Künztler? Dann schreiben Sie uns<br />
eine Mail an redaktion@hinzundkunzt.de
WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />
Rätsel<br />
ILLUSTRATION (BLEISTIFT IM IMPRESSUM): BERND MÖLCK-TASSEL<br />
deutscher<br />
Astronom<br />
(Nikolaus)<br />
†<br />
in der<br />
Höhe<br />
Ruheständler,<br />
Rentner<br />
Geflügel<br />
schweiz.<br />
Westalpenmassiv<br />
9<br />
Elan,<br />
Schwung<br />
(amerik.)<br />
übertriebene<br />
Gefühlserregung<br />
norddeutsch:<br />
Drillich<br />
zukünftig<br />
(latein.)<br />
Stoff mit<br />
klein<br />
kariertem<br />
Muster<br />
Strom<br />
in Westafrika<br />
Autoabgasreiniger<br />
(Kurzwort)<br />
umgangssprachl.:<br />
foppen,<br />
hänseln<br />
Rettungsdienstmitarbeiter<br />
Hauptstadt<br />
von<br />
Garnelenart<br />
Saudi-<br />
Arabien<br />
japanischer<br />
Reisgott<br />
altröm.<br />
Bronze-,<br />
Kupfergeld<br />
umgangssprachl.:<br />
Unrat,<br />
Schmutz<br />
6<br />
8<br />
1<br />
3<br />
1<br />
7<br />
2<br />
4<br />
3<br />
9<br />
7<br />
6<br />
von Wasser<br />
umgebenes<br />
Land<br />
Teil der<br />
Dinarischen<br />
Alpen<br />
italienisch:<br />
gut<br />
Beiname<br />
Jesu<br />
3<br />
1<br />
2<br />
einen<br />
Verdacht<br />
abwenden<br />
poetisch:<br />
Erquickung<br />
Ziergefäß<br />
4<br />
7<br />
8<br />
9<br />
5<br />
6<br />
4<br />
3<br />
griechischer<br />
Buchstabe<br />
4<br />
Göttin<br />
des<br />
Schachspiels<br />
5<br />
6<br />
4<br />
2<br />
9<br />
Spleen,<br />
Marotte,<br />
Schrulle<br />
1<br />
AR0909-0619_2sudoku<br />
australischer<br />
Beutelbär<br />
Gefährtin<br />
Adams im<br />
Paradies<br />
Geflügel<br />
Schulstadt<br />
an der<br />
Themse<br />
englisch:<br />
und<br />
Bauart,<br />
Modell<br />
wehmütiges<br />
Gedicht<br />
Branderscheinung,<br />
Qualm<br />
Teil<br />
eines<br />
Baumes<br />
vulkanisches<br />
Tuffgestein<br />
französisch:<br />
Salz<br />
unzeitgemäß,<br />
veraltet<br />
(engl.)<br />
in der<br />
gleichen<br />
Weise<br />
Flächenmaß<br />
in<br />
England<br />
und USA<br />
Weichsel-<br />
Zufluss<br />
in Polen<br />
Lösungen an: Hinz&<strong>Kunzt</strong>, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />
per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />
Einsendeschluss: 28. <strong>Oktober</strong> <strong>2019</strong>. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel einsendet,<br />
kann zwei Karten für die Hamburger Kunsthalle oder einen von<br />
zwei Romanen „Der Salzpfad“ von Raynor Winn (Dumont Verlag)<br />
gewinnen.<br />
Das September-Lösungswort beim Kreuzworträtsel lautete: Reiseroute.<br />
Die Sudoku-Zahlenreihe war: 432 657 918.<br />
6<br />
6<br />
8<br />
5<br />
4<br />
1<br />
7<br />
5<br />
8<br />
9<br />
7<br />
8<br />
1<br />
10<br />
10<br />
AR1115-0619_2 – raetselservice.de<br />
Füllen Sie das Gitter so<br />
aus, dass die Zahlen von<br />
1 bis 9 nur je einmal in<br />
jeder Reihe, in jeder<br />
Spalte und in jedem<br />
Neun-Kästchen-Block<br />
vorkommen.<br />
Als Lösung schicken<br />
Sie uns bitte die farbig<br />
gerahmte, unterste<br />
Zahlenreihe.<br />
Impressum<br />
Redaktion und Verlag<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />
Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg<br />
Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />
Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />
E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />
Herausgeber<br />
Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />
Externer Beirat<br />
Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />
Mathias Bach (Kaufmann), Dr. Marius Hoßbach (Korten Rechtsanwälte AG),<br />
Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />
Thomas Magold (BMW-Niederlassungsleiter i.R.),<br />
Beate Behn (Lawaetz-Service GmbH), Karin Schmalriede (Lawaetz-Stiftung),<br />
Dr. Bernd-Georg Spies (Russell Reynolds),<br />
Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />
Geschäftsführung Jörn Sturm<br />
Redaktion Birgit Müller (bim; Chefredakteurin, V.i.S.d.P.),<br />
Annette Woywode (abi; Stellv., CvD), Simone Deckner (sim),<br />
Jonas Füllner (jof), Lukas Gilbert (lg), Ulrich Jonas (ujo),<br />
Frank Keil (fk), Benjamin Laufer (bela), Annabel Trautwein (atw)<br />
Korrektorat Julia Rindsfus und Kerstin Weber<br />
Redaktionsassistenz Sonja Conrad, Cedric Horbach<br />
Online-Redaktion Jonas Füllner, Benjamin Laufer<br />
Artdirektion grafikdeerns.de<br />
Öffentlichkeitsarbeit Sybille Arendt, Friederike Steiffert,<br />
Marina Schünemann (Praktikantin)<br />
Anzeigenleitung Sybille Arendt<br />
Anzeigenvertretung Caroline Lange,<br />
Wahring & Company, Tel. 040 284 09 418, c.lange@wahring.de<br />
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 23 vom 1. Januar 2018<br />
Vertrieb Christian Hagen (Leitung), Marcus Chomse,<br />
Sigi Pachan, Jürgen Jobsen, Meike Lehmann, Sergej Machov,<br />
Frank Nawatzki, Elena Pacuraru, Reiner Rümke, Cristina Stanculescu,<br />
Marcel Stein, Cornelia Tanase, Silvia Zahn<br />
Rechnungswesen/Systemadministration Frank Belchhaus<br />
Spendenmarketing Gabriele Koch<br />
Spendenverwaltung/Rechnungswesen Susanne Wehde<br />
Sozialarbeit Stephan Karrenbauer (Leitung), Isabel Kohler, Irina Mortoiu<br />
Das Stadtrundgang-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />
Chris Schlapp, Harald Buchinger<br />
Das BrotRetter-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />
Stefan Calin, Gheorghe-R zvan Marior<br />
Das Team von Spende Dein Pfand am Airport Hamburg<br />
Stephan Karrenbauer (Leitung), Uwe Tröger, Jonas Gengnagel,<br />
Klaus Peterstorfer, Herbert Kosecki<br />
Litho PX2 Hamburg GmbH & Co. KG<br />
Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />
Druck A. Beig Druckerei und Verlag,<br />
Damm 9–15, 25421 Pinneberg<br />
Umschlag-Druck Neef+Stumme premium printing GmbH & Co. KG<br />
Verarbeitung Hartung Druck + Medien GmbH<br />
Spendenkonto Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
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BIC: HASPDEHHXXX<br />
Die Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />
Freistellungsbescheid bzw. nach der Anlage zum Körperschaftssteuerbescheid<br />
des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer 17/414/00797, vom<br />
21.1.<strong>2019</strong>, für den letzten Veranlagungszeitraum 2017 nach § 5 Abs.1 Nr. 9<br />
des Körperschaftssteuergesetzes von der Körperschaftssteuer und nach<br />
§ 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />
Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist als<br />
gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister beim<br />
Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen.<br />
Wir bestätigen, dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
einsetzen. Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte<br />
weitergegeben. Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf<br />
www.hinzundkunzt.de. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein unabhängiges soziales Projekt, das<br />
obdachlosen und ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />
Das Magazin wird von Journalisten geschrieben, Wohnungslose und<br />
ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter<br />
unterstützen die Verkäufer.<br />
Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />
Gesellschafter<br />
Durchschnittliche monatliche<br />
Druckauflage 3. Quartal <strong>2019</strong>:<br />
59.666 Exemplare<br />
57
Momentaufnahme<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>320</strong>/OKTOBER <strong>2019</strong><br />
Viktor spricht mindestens<br />
fünf Sprachen. Erlernt auf<br />
seinem langen Weg von<br />
Sibirien bis nach Deutschland.<br />
Viktors Traum<br />
Viktor, 43, verkauft Hinz&<strong>Kunzt</strong> vor Media Markt im Poppenbütteler Weg.<br />
TEXT: LUKAS GILBERT<br />
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Viktor sieht gepflegt aus. Er ist frisch rasiert,<br />
trägt ein blaues Kurzarmhemd<br />
und seine kurzen, grauen Haare gescheitelt:<br />
„Ich bin obdachlos, aber ich<br />
kann wie normale Menschen aussehen.<br />
Armut ist keine Krankheit“, sagt er<br />
selbstbewusst mit seinem markanten<br />
russischen Akzent.<br />
1976 wird Viktor in einem kleinen<br />
Dorf in der sibirischen Taiga geboren<br />
und wächst behütet bei seinen Eltern<br />
gemeinsam mit seiner Zwillingsschwester<br />
auf. Noch als Kind sieht er im sowjetischen<br />
Fernsehen einen Bericht über<br />
Frankfurt am Main und fasst schon damals<br />
den Entschluss, einmal in einer<br />
der Banken dort zu arbeiten: „Das sah<br />
aus wie Amerika, mit diesen hohen<br />
Häusern. In Frankfurt wollte ich meinen<br />
amerikanischen Traum leben.“<br />
In Tomsk, etwa 300 Kilometer von<br />
seiner Heimat entfernt, schließt er ein<br />
Managementstudium ab und macht<br />
sich mit 22 Jahren auf den Weg Richtung<br />
Deutschland. In den Umbruchjahren<br />
nach dem Ende der Sowjetunion<br />
sieht er in seiner Heimat keine Perspektive,<br />
erzählt er. Zunächst führt ihn sein<br />
Weg nach Prag. Dort macht er sich, eigentlich<br />
als Übergang, mit Abbrucharbeiten<br />
selbstständig, hat Mitarbeiter.<br />
Seine Firma geht aber pleite, seine<br />
tschechische Frau verlässt ihn. Trotzdem<br />
schlägt sich Viktor mit Jobs auf<br />
Baustellen und in Lagern durch – und<br />
schafft es sogar nach Frankfurt.<br />
Dort hat er gut bezahlte Jobs auf<br />
dem Bau, fängt an zu sparen, knüpft<br />
Kontakte. Dann aber bricht Viktors<br />
„amerikanischer Traum“ endgültig zusammen.<br />
Um noch schneller Geld zu<br />
verdienen, geht er ins Casino. Er beginnt<br />
sein Geld zu verspielen, entwickelt<br />
eine Spielsucht und macht Schulden bei<br />
Freunden und auch bei seinem Arbeitgeber.<br />
Viktor verliert erst seinen Job,<br />
dann seine Wohnung. Vor sieben Jahren<br />
landet er auf der Straße. Dort lebt der<br />
43-Jährige bis heute.<br />
Platte, erzählt Viktor, hat er mittlerweile<br />
schon in fast ganz Deutschland<br />
gemacht. Auf seinen Stationen hat er<br />
immer wieder ehrenamtlich als Dolmetscher<br />
gearbeitet: „Ich spreche Russisch,<br />
Polnisch, Tschechisch, Deutsch, die jugoslawischen<br />
Sprachen und ein bisschen<br />
Englisch. Und wenn ich helfen kann,<br />
helfe ich gerne. Helfen tut gut.“ All die<br />
Sprachen, erzählt er, habe er bei seinen<br />
unterschiedlichen Jobs im Kontakt mit<br />
seinen Arbeitskollegen gelernt.<br />
Hinz&<strong>Kunzt</strong> verkauft Viktor seit<br />
2013. Sein Verkaufsplatz liegt im Poppenbütteler<br />
Weg, direkt vor dem Media<br />
Markt: „Ich bin zufrieden mit meinem<br />
Platz. Die Leute sind nett, manche bringen<br />
auch mal einen Kaffee vorbei.“ Am<br />
besten läuft der Verkauf, wenn Monti<br />
dabei ist. Ein schwarzer Labrador, der<br />
einem Freund gehört, um den sich<br />
Viktor aber oft kümmert: „Meine<br />
Kunden mögen ihn.“ Und Viktor mag<br />
ihn auch. Zu Montis viertem Geburtstag<br />
habe er ihm gerade erst einen Kuchen<br />
aus Hackfleisch geschenkt, erzählt<br />
Viktor und schmunzelt.<br />
Träume hat Viktor heute vor allem<br />
zwei. Einen festen Job, am liebsten als<br />
Dolmetscher. Und ein Zuhause mit<br />
eigenem Schlüssel: „Muss nicht schick<br />
sein. Ein Container oder ein Zimmer<br />
reicht. Aber ich denke, jeder sollte eine<br />
Wohnung haben.“ •<br />
Viktor und alle anderen Hinz&Künztler<br />
erkennt man am Verkaufsausweis.<br />
5654<br />
58
KUNZT-<br />
KOLLEKTION<br />
BESTELLEN SIE DIESE UND WEITERE PRODUKTE BEI: Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH,<br />
www.hinzundkunzt.de/shop, shop@hinzundkunzt.de, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />
Tel. 32 10 83 11. Preise zzgl. Versandkostenpauschale 4 Euro, Ausland auf Anfrage.<br />
Schürze „<strong>Kunzt</strong>Küche“<br />
100% GOTS-zertifi zierte Bio-Baumwolle.<br />
Farbe: Norddeutsch-Grau,<br />
Schürze: ca. 80 cm breit, ca. 86 cm lang,<br />
von Kaya & Kato GmbH, Firma für fair produzierte<br />
Arbeitskleidung aus Köln. Preis: 25 Euro<br />
„Willkommen in der <strong>Kunzt</strong>Küche!“<br />
Das Kochbuch zum 25-jährigen<br />
Geburtstag von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
Ein kulinarisches Dankeschön an die<br />
Hamburger mit 25 Drei-Gänge-Menüs<br />
von Sterneköchen und jungen Wilden.<br />
Gebundenes Kochbuch, 194 Seiten,<br />
farbige Fotos und rund 180 inspirierende<br />
Rezepte. Preis: 25 Euro<br />
„Chillax“<br />
Bio-Kräutertee aus Griechenland:<br />
Bergtee vom Olymp* (40 %), Zitronenverbene* (40 %),<br />
Johanniskraut* (20 %) von Aroma Olymp<br />
(www.aroma-olymp.com).<br />
Von Hand geerntet in Griechenland, von den<br />
Elbe-Werkstätten in Hamburg verpackt. 25 g,<br />
Preis: 4,90 Euro<br />
*aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft<br />
Niemand kennt<br />
Hamburgs<br />
Straßen besser<br />
„Ein mittelschönes Leben“<br />
Eine Geschichte über Obdachlosigkeit<br />
für Kinder zwischen 7 und 10 Jahren<br />
von Kirsten Boie, illustriert<br />
von Jutta Bauer. 7. Aufl age 2017.<br />
Preis: 4,80 Euro<br />
„Auf Fotosafari in Hamburg #3“<br />
Fotografi n Lena Maja Wöhler war mit<br />
Hinz&Künztlern in Hamburg unterwegs.<br />
Kartenset mit fünf interessanten Motiven,<br />
gedruckt bei alsterpaper in Hamburg.<br />
Preis: 10 Euro<br />
Tasse „Fischkopp“<br />
Sonderedition für Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />
von der Hamburger Firma<br />
AHOI MARIE.<br />
Qualitätsporzellan von Kahla<br />
aus Thüringen.<br />
Design: Jan-Hendrik Holst,<br />
keramischer Siebdruck.<br />
Durchmesser: 9 cm,<br />
Höhe: 9 cm,<br />
mikrowellen- und<br />
spülmaschinentauglich.<br />
Preis: 13,90 Euro
<strong>Oktober</strong> <strong>2019</strong><br />
Flugverbote und<br />
Orientteppiche<br />
und andere Themen, die Hamburger bewegen<br />
Di 08.10. | 18.30 Uhr | Diskussion<br />
Hamburg 2030: Klima nach Plan? Die einen fordern Flugverbote, die anderen sorgen sich um<br />
Arbeitsplätze. Was bedeutet der Klimaplan für Politik, Wirtschaft und Bürger unserer Stadt?<br />
Es diskutieren Bürgermeister Peter Tschentscher, Norman Zurke, Unternehmensverband Hafen<br />
Hamburg, und Luisa Neubauer, Fridays for Future Hamburg. In Kooperation mit NDR 90,3.<br />
Mo 21.10. | 19.00 Uhr | Gespräch<br />
Gute Pflege durch mehr Technik? Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland steigt. Schon<br />
heute fehlen für ihre Betreuung Fachkräfte. Können neue Technologien zur Entlastung beitragen?<br />
Ob und wie man mit Robotern Pflegende unterstützen kann, diskutieren der Pflegewissenschaftler<br />
Hartmut Remmers, der Kliniker Patrick Jahn und die Soziologin Sibylle Meyer.<br />
Di 22.10. | 19.00 Uhr | Gespräch und Musik<br />
Teppichgespräch Der »Steinerne Orientteppich« von Frank Raendchen liegt am Tor zur Hafen-<br />
City auf der Wilhelminenbrücke. Was bedeutet ein Teppich mitten in der Stadt? Der Künstler<br />
berichtet über sein Werk und spricht mit Anna Beselin, Museum für Islamische Kunst Berlin,<br />
über die Vielfalt des Orients. Danach: orientalische Musik mit DJ Booty Carrell.<br />
Di 29.10. | 19.00 Uhr | Buchvorstellung<br />
Philosophie des Abschieds Wir Menschen und alle unsere Werke vergehen. Wir wissen das und<br />
stehen doch Abschieden, Veränderungen, dem Alter und schließlich dem Tod hilflos gegenüber.<br />
Wie wir lernen können, Vergänglichkeit in unser Leben einzubinden und bewusst Abschied zu<br />
nehmen, zeigt die Philosophin Ina Schmidt in ihrem aktuellen Buch »Über die Vergänglichkeit«.<br />
Stand: <strong>Oktober</strong> <strong>2019</strong>, Änderungen vorbehalten. groothuis.de Fotos: © Jörg Farys, Michael Muench, dpa, Claudia Höhne<br />
Eintritt frei, Anmeldung erforderlich: koerberforum.de<br />
KörberForum | Kehrwieder 12 | 20457 Hamburg | U Baumwall<br />
Telefon 040 · 80 81 92 - 0 | E-Mail info@koerberforum.de<br />
Veranstalter ist die gemeinnützige Körber-Stiftung.