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Schweinchen Pig in Seenot

»Au, au, auuuuu!« Andrés Blondschopf wirbelte herum. Woher kam das Wimmern? Ein paar Meter abseits des Rettungsbootes war ein kleines Mädchen im Wasser, nicht älter als sieben, und weinte fürchterlich. André lenkte das Boot um und näherte sich dem Rotschopf. »Hallo, kann ich dir helfen?« Das Mädchen blickte auf. Die zwei tellergroßen Augen waren so herzzerreißend gefüllt mit einem See aus Tränen, dass André erschrocken den Motor absaufen ließ. »Etwas hat mich gebissen«, ...

»Au, au, auuuuu!« Andrés Blondschopf wirbelte herum. Woher kam das Wimmern? Ein paar Meter abseits des Rettungsbootes war ein kleines Mädchen im Wasser, nicht älter als sieben, und weinte fürchterlich. André lenkte das Boot um und näherte sich dem Rotschopf. »Hallo, kann ich dir helfen?« Das Mädchen blickte auf. Die zwei tellergroßen Augen waren so herzzerreißend gefüllt mit einem See aus Tränen, dass André erschrocken den Motor absaufen ließ. »Etwas hat mich gebissen«, ...

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KURZGESCHICHTE<br />

von Lilly Fröhlich


»Au, au, auuuuu!«<br />

Andrés Blondschopf wirbelte herum.<br />

Woher kam das Wimmern?<br />

E<strong>in</strong> paar Meter abseits des Rettungsbootes war e<strong>in</strong><br />

kle<strong>in</strong>es Mädchen im Wasser, nicht älter als sieben, und<br />

we<strong>in</strong>te fürchterlich.<br />

André lenkte das Boot um und näherte sich dem Rotschopf.<br />

»Hallo, kann ich dir helfen?«<br />

Das Mädchen blickte auf. Die zwei tellergroßen Augen<br />

waren so herzzerreißend gefüllt mit e<strong>in</strong>em See aus Tränen,<br />

dass André erschrocken den Motor absaufen ließ.<br />

»Etwas hat mich gebissen«, jammerte das Mädchen.<br />

André schaute sich suchend um. Laut e<strong>in</strong>em der neuesten<br />

Forschungsberichte gab es <strong>in</strong> der Ostsee mehr<br />

Haie, als man bisher angenommen hatte. 31 verschiedene<br />

Haiarten, von denen e<strong>in</strong>ige allerd<strong>in</strong>gs stark gefährdet<br />

waren, sollten sich <strong>in</strong> der Ostsee tummeln.<br />

2


»Me<strong>in</strong>e Mama sagt, hier gibt es Haie und deshalb darf<br />

ich auch nicht <strong>in</strong>s Wasser«, we<strong>in</strong>te das Mädchen weiter.<br />

André lenkte das Boot vorsichtig zu ihr. »Die Haiarten,<br />

die es <strong>in</strong> der Ostsee gibt, s<strong>in</strong>d für den Menschen ungefährlich.<br />

Ich glaube kaum, dass dich e<strong>in</strong>er gebissen hat.<br />

Warum bist du denn baden gegangen, wenn du nicht<br />

<strong>in</strong>s Wasser darfst?«<br />

Schuldbewusst blickte das Mädchen auf e<strong>in</strong> reichlich<br />

verschmutztes Kuscheltier, welches wage an e<strong>in</strong><br />

Schwe<strong>in</strong> er<strong>in</strong>nerte. »<strong>Pig</strong> ist baden gegangen und ich<br />

konnte ihn doch nicht alle<strong>in</strong>e lassen. Er kann nicht<br />

schwimmen.«<br />

»Da hast du Recht. <strong>Pig</strong> ist wohl e<strong>in</strong> guter Freund?«, fragte<br />

André.<br />

Das Mädchen nickte.<br />

André streckte ihr die Hand entgegen. »Ich b<strong>in</strong> vom<br />

3


Rettungsdienst. Was hältst du davon, wenn du mit <strong>Pig</strong><br />

geme<strong>in</strong>sam auf me<strong>in</strong> Boot kommst und ich an Land mal<br />

nachsehe, was dich gebissen hat? Ist denn de<strong>in</strong> Freund<br />

auch verletzt?«<br />

Das Mädchen schüttelte schüchtern den Kopf und ließ<br />

sich auf das Boot ziehen.<br />

André sah sofort, wer das Mädchen ›gebissen‹ hatte:<br />

e<strong>in</strong>e Feuerqualle.<br />

Er startete den Motor und fuhr an Land. Dort hob er<br />

das Mädchen aus dem Boot und trug sie zur DLRG-Rettungsstation.<br />

»Was hast du denn für e<strong>in</strong>en hübschen Fang gemacht,<br />

André?«, rief ihm Chris, se<strong>in</strong> Kollege zu.<br />

André gr<strong>in</strong>ste. »Gute Frage!« Er setzte das Mädchen auf<br />

e<strong>in</strong>e Bank. »Warte hier kurz!« Er g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> das Holzhaus<br />

und holte Rasierschaum heraus. Dann hockte er sich<br />

auf den Boden. »Wie heißt du eigentlich? Den Namen<br />

4


von de<strong>in</strong>em Freund kenne ich ja schon.«<br />

»Ich b<strong>in</strong> Lotta.«<br />

»Lotta? Was für e<strong>in</strong> toller Name.«<br />

Lotta lächelte. Dann wurde sie wieder ernst. »Tut das<br />

weh?« Sie deutete auf die Flasche, die André <strong>in</strong> den<br />

Händen hielt.<br />

»Ne<strong>in</strong>. Im Gegenteil. Der Rasierschaum entfernt die<br />

Nesseln der Feuerquallen, die so weh tun.«<br />

»Dann b<strong>in</strong> ich von e<strong>in</strong>er Feuerqualle gebissen worden?«,<br />

fragte Lotta.<br />

»Eher angeschwommen. Feuerquallen haben ke<strong>in</strong>e<br />

Zähne.«<br />

»Ich dachte schon, mich hat e<strong>in</strong> Hai gebissen«, gab Lotta<br />

zu.<br />

»Ne<strong>in</strong>, ne<strong>in</strong>. Die kommen auch selten so nah an die<br />

Küste. Wusstest du, dass es nahe der Nordsee sogar<br />

Riesenhaie gibt? Die werden bis zu zehn Meter lang.«<br />

5


Mit großen Augen blickte Lotta erst ihn, dann das Meer<br />

an. »Ganz schön gefährlich.« Sie hob ihr Kuscheltier<br />

hoch. »Du gehst nie wieder <strong>in</strong> das tiefe Wasser, <strong>Pig</strong>!<br />

Das ist viel zu gefährlich für dich!«<br />

André nahm <strong>Pig</strong> <strong>in</strong> die Hand und ließ das <strong>Schwe<strong>in</strong>chen</strong><br />

sprechen: »Riesenhaie s<strong>in</strong>d harmlos und essen nur<br />

Plankton. Aber vielleicht sollte ich schwimmen lernen.«<br />

»Wirklich? Die essen ke<strong>in</strong>e Menschen?«, fragte Lotta<br />

überrascht.<br />

»Wirklich, die mögen auch de<strong>in</strong>en Freund hier nicht.«<br />

Nachdem André Lottas Be<strong>in</strong> mit reichlich Rasierschaum<br />

e<strong>in</strong>gesprüht hatte, setzte er sich zu ihr auf die Bank.<br />

»Nun musst du noch e<strong>in</strong>en Augenblick warten und<br />

dann entfernen wir den Schaum wieder, damit wir die<br />

Nesseln von de<strong>in</strong>er Haut schaben können.«<br />

»Tut das weh?«, fragte Lotta ängstlich.<br />

»Ne<strong>in</strong>. Der Rasierschaum kühlt etwas und wenn die<br />

6


Nesseln weg s<strong>in</strong>d, hört es bald auf zu brennen«, erklärte<br />

André. »Wo ist denn überhaupt de<strong>in</strong>e Mutter?«<br />

Erschrocken blickte Lotta umher. »Ich weiß es nicht.«<br />

Oje, dachte André, das Ostseebad Kühlungsborn war<br />

heute sehr gut besucht. Es würde schwierig werden,<br />

Lottas Mutter bei den Menschenmassen ausf<strong>in</strong>dig<br />

zu machen. »Er<strong>in</strong>nerst du dich vielleicht, wo ihr euer<br />

Handtuch h<strong>in</strong>gelegt habt? War da e<strong>in</strong> Spielplatz? Oder<br />

die Seebrücke dort drüben? Habt ihr vielleicht e<strong>in</strong>en<br />

Strandkorb?«<br />

»Da waren Möwen«, antwortete Lotta stolz, dass sie<br />

sich an etwas er<strong>in</strong>nerte.<br />

André stöhnte <strong>in</strong>nerlich.<br />

Es wimmelte hier nur so von Möwen!<br />

Sie waren quasi überall.<br />

»Okay, ich mache dir e<strong>in</strong>en Vorschlag, Lotta. Ich entferne<br />

jetzt den Rasierschaum und dann gehen wir e<strong>in</strong>e<br />

7


Kugel Eis essen. Und danach s<strong>in</strong>d wir so gestärkt, dass<br />

wir uns auf die Suche nach de<strong>in</strong>er Mama machen können.<br />

Und wenn das nichts hilft, mache ich e<strong>in</strong>e Lautsprecherdurchsage.«<br />

»Ich glaube, das wird nicht nötig se<strong>in</strong>«, ertönte e<strong>in</strong>e<br />

Frauenstimme h<strong>in</strong>ter ihm.<br />

Erschrocken wirbelte André herum.<br />

Beim Anblick der dunkelhaarigen Frau stockte ihm der<br />

Atem.<br />

Sie war wunderschön - und das lag nicht an ihrem reizenden<br />

Bik<strong>in</strong>i.<br />

»Lotta! Wo steckst du nur? Ich habe dich überall gesucht.<br />

Ich war schon ganz <strong>in</strong> Sorge.«<br />

»Ich b<strong>in</strong> verletzt, Mama.«<br />

»Was?« Voller Entsetzen rutschte die Frau auf die Knie<br />

und landete fast mit der Nase im Rasierschaum am Be<strong>in</strong><br />

ihrer Tochter. »Oh me<strong>in</strong> Gott, was ist passiert?«<br />

8


»Ich b<strong>in</strong> von e<strong>in</strong>er Feuerqualle gebissen worden«, erklärte<br />

Lotta und lächelte tapfer.<br />

»Du bist was?« Verwundert blickte die Frau zu André<br />

auf.<br />

»Sie ist von e<strong>in</strong>er Feuerqualle, ähm, geküsst worden«,<br />

sagte André verlegen. Er er<strong>in</strong>nerte sich daran, dass Lotta<br />

nicht baden gehen durfte und wollte das süße Mädchen<br />

nicht <strong>in</strong> Verlegenheit br<strong>in</strong>gen.<br />

Doch Lottas Mutter war nicht doof. Sie roch den Braten<br />

sofort. »Lottaaa?«<br />

Lotta zog den Kopf e<strong>in</strong> und versteckte sich h<strong>in</strong>ter ihrem<br />

<strong>Schwe<strong>in</strong>chen</strong> <strong>Pig</strong>. »Hm?«<br />

»Warst du etwa baden?«<br />

»Hm?«<br />

»Lotta, antworte!«<br />

E<strong>in</strong>e Träne kullerte über Lottas Wange. »<strong>Pig</strong> ist <strong>in</strong>s Was-<br />

9


ser gefallen. Ich konnte ihn doch nicht ertr<strong>in</strong>ken lassen.«<br />

Lottas Mutter suchte sichtlich nach Worten. Sie wusste,<br />

wie wichtig <strong>Pig</strong> für ihre Tochter war. Er war e<strong>in</strong> Geschenk<br />

von Lottas Papa gewesen. Und das war besonders<br />

schlimm, denn kurz nachdem Lottas Papa ihr <strong>Pig</strong><br />

geschenkt hatte, ist er beim Bau e<strong>in</strong>es Swimm<strong>in</strong>gpools<br />

ums Leben gekommen. Trotzdem war sie wütend und<br />

enttäuscht, dass sich Lotta e<strong>in</strong>fach über ihre Anweisung<br />

h<strong>in</strong>weggesetzt hatte und <strong>in</strong>s Wasser gegangen<br />

war. »Lotta…«<br />

»Mama, es ist doch nichts passiert.« Lotta streichelte<br />

ihrer Mutter über die Wange.<br />

»Das sehe ich«, schnaufte diese und deutete auf den<br />

Rasierschaum.<br />

»Wenn ich auch etwas sagen dürfte…«, mischte sich<br />

André e<strong>in</strong>.<br />

10


Mit e<strong>in</strong>er hochgezogenen Augenbraue blickte Lottas<br />

Mutter zu ihm hoch. »Eigentlich nicht, aber ich gehe<br />

davon aus, dass Sie Lotta gerettet haben, also schießen<br />

Sie los!«<br />

»Lotta würde sich ausgezeichnet als Rettungsschwimmer<strong>in</strong><br />

machen. Mutig ist sie ihrem<br />

<strong>Schwe<strong>in</strong>chen</strong> <strong>Pig</strong> gefolgt und hat ihn gerettet«,<br />

erklärte André stotternd beim<br />

strengen Blick der Schönheit vor ihm.<br />

Lottas Mutter verdrehte die Augen,<br />

dann wandte sie sich wieder ihrer<br />

Tochter zu. »Süße, du weißt<br />

doch, dass es gefährlich ist, baden<br />

zu gehen, wenn man nicht<br />

schwimmen kann.«<br />

»Aber ich kann doch schwimmen«,<br />

protestierte Lotta.<br />

»Ne<strong>in</strong>, kannst du nicht«, widersprach<br />

ihre Mutter.<br />

11


»Darf ich eben noch den Rasierschaum entfernen?«,<br />

unterbrach André die beiden.<br />

Stöhnend machte Lottas Mutter ihm Platz.<br />

Lotta beugte sich vor. »Ich kann sehr wohl schwimmen«,<br />

flüsterte sie dem Rettungsschwimmer zu.<br />

»Wo hast du es denn gelernt?«, fragte André genauso<br />

leise.<br />

»In der Schule. Aber das darf Mama nicht wissen. Sie<br />

hatte es nämlich verboten. Aber me<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong> me<strong>in</strong>te,<br />

es ist wichtiger, schwimmen zu können. Also habe<br />

ich es heimlich gelernt.«<br />

»Warum hat de<strong>in</strong>e Mama es verboten?«, hakte André<br />

leise nach.<br />

»Me<strong>in</strong> Papa ist vor zwei Jahren im Pool ertrunken.«<br />

Erschrocken blickte André auf. »Das ist ja schrecklich.<br />

Das tut mir leid! Du hast ihn bestimmt sehr lieb gehabt.«<br />

12


Lotta hielt <strong>Schwe<strong>in</strong>chen</strong> <strong>Pig</strong> <strong>in</strong> die Höhe. »Ich habe<br />

vergessen, wie me<strong>in</strong> Papa war. Aber er hat mir <strong>Pig</strong> geschenkt<br />

und <strong>Pig</strong> ist me<strong>in</strong> bester Freund.«<br />

Akribisch und viel zu langsam entfernte André den Rasierschaum.<br />

»Dann lebst du mit de<strong>in</strong>er Mama alle<strong>in</strong>?«<br />

»Nee, sie hat jetzt so e<strong>in</strong>en doofen Freund. Klaus heißt<br />

der.« Lotta verdrehte die Augen.<br />

Enttäuschung machte sich <strong>in</strong> Andrés Brust breit. Er hätte<br />

nicht nur gerne Lottas Leben gerettet, sondern am<br />

liebsten gleich noch das Herz ihrer Mutter erobert.<br />

»Schade!«, rutschte es ihm heraus.<br />

»Ja, das ist sehr schade. Du würdest mir auch besser<br />

gefallen.« Lotta gr<strong>in</strong>ste und entblößte ihre Zahnlücken.<br />

André zw<strong>in</strong>kerte ihr verschwörerisch zu. Als er fertig<br />

war, erhob er sich seufzend. »Darf ich dich und <strong>Pig</strong> denn<br />

trotzdem noch zu e<strong>in</strong>em Eis e<strong>in</strong>laden?«<br />

Fragend blickte Lotta zu ihrer Mutter.<br />

13


Diese prüfte ihre Armbanduhr. »Oma und Opa wollen<br />

gleich nach Hause fahren. Ich f<strong>in</strong>de, wir waren auch<br />

schon viel zu lange am Wasser.«<br />

»Ach, bitte, Mama! Nur e<strong>in</strong> Eis!«, bettelte Lotta.<br />

Ihre Mutter atmete tief e<strong>in</strong>.<br />

»Ich würde mich auch zu e<strong>in</strong>em Eis für Sie erweichen<br />

lassen«, platzte André heraus.<br />

»Ach, wirklich? Das ist dann wohl me<strong>in</strong> Glückstag,<br />

was?«, lachte Lottas Mutter plötzlich. »In Ordnung. E<strong>in</strong><br />

Eis. Weil Sie <strong>Pig</strong> und me<strong>in</strong>e Tochter gerettet haben.«<br />

»Eigentlich habe ich zuerst Ihre Tochter gerettet. So e<strong>in</strong><br />

hübsches D<strong>in</strong>g ist ja auch nicht zu übersehen. Vor allem<br />

nicht mit Krokodilstränen.« André zw<strong>in</strong>kerte Lottas<br />

Mutter zu.<br />

Diese blieb stehen und reichte ihm die Hand. »Vielen<br />

Dank, Herr…«<br />

»André. E<strong>in</strong>fach nur André. Und ›du‹ bitte!«<br />

14


Lottas Mutter zögerte. Dann ließ sie sich erweichen.<br />

»André. Okay! Ich b<strong>in</strong> Krist<strong>in</strong>.«<br />

Bis zur Eisdiele an der Promenade waren es nur e<strong>in</strong> paar<br />

Meter.<br />

Während Lotta vorauseilte und immer wieder zufrieden<br />

lächelnd auf André und ihre Mutter blickte, unterhielten<br />

sich die zwei angeregt.<br />

»Du kommst auch aus Bargteheide?«, fragte André<br />

überrascht.<br />

»Wieso auch?«, fragte Krist<strong>in</strong> verwirrt.<br />

André lächelte. Leichter Schweiß bildete sich auf se<strong>in</strong>er<br />

Stirn, und das war nicht dem heißen Sommerwetter geschuldet.<br />

»Ich wohne dort auch. Aber erst seit e<strong>in</strong> paar<br />

Monaten. Komisch, dass wir uns noch nie dort begegnet<br />

s<strong>in</strong>d.«<br />

»Ja, komisch.« Krist<strong>in</strong> lächelte und versetzte Andrés<br />

Puls <strong>in</strong> helle Aufregung.<br />

15


»Wir wohnen dort auch erst seit kurzem. Wir brauchten<br />

e<strong>in</strong>en Tapetenwechsel.«<br />

»Du und de<strong>in</strong> Mann?«, stotterte André.<br />

»Freund. Wir s<strong>in</strong>d noch nicht lange zusammen.«<br />

André nickte enttäuscht, schwieg aber.<br />

An der Eisbar spendierte er beiden ›Damen‹ e<strong>in</strong> dickes<br />

Eis und sah ihnen e<strong>in</strong>en halbe Stunde später wehmütig<br />

h<strong>in</strong>terher. Als er kurz darauf mit hängendem Kopf an<br />

der Rettungsstation ankam, saß niemand anderes als<br />

<strong>Schwe<strong>in</strong>chen</strong> <strong>Pig</strong> auf der Bank und blickte nicht weniger<br />

traurig aus der Wäsche. Seufzend ließ sich André<br />

neben dem Kuscheltier fallen. »Na, haben sie dich auch<br />

zurückgelassen?«<br />

»Liebeskummer?«<br />

Erstaunt blickte André das Kuscheltier an.<br />

Konnte das schmuddelige D<strong>in</strong>g etwa reden?<br />

Vorsichtig nahm er es hoch.<br />

16


»Es kann nicht reden«, ertönte e<strong>in</strong>e Stimme h<strong>in</strong>ter ihm.<br />

Gr<strong>in</strong>send drehte André sich um. »Chris, du Kasper! Ich<br />

habe de<strong>in</strong>e Stimme gerade echt nicht erkannt.«<br />

»Das habe ich gemerkt? Herzschmerz?« Chris sprang<br />

neben ihm auf die Bank.<br />

»E<strong>in</strong> bisschen.«<br />

»Sah auch super aus, der kle<strong>in</strong>e Rotschopf.« Chris gr<strong>in</strong>ste<br />

und stupste se<strong>in</strong>em Kollegen gegen die Schulter.<br />

»Ich weiß. Außergewöhnliches Modell der weiblichen<br />

Spezies.«<br />

»Mit Zahnwechsel.«<br />

»Und umwerfendem Muttertier.« André gr<strong>in</strong>ste nun<br />

auch. »Me<strong>in</strong>st du, sie kommen wieder?«<br />

»Zum<strong>in</strong>dest haben sie etwas vergessen. Sagt man nicht,<br />

man will wiederkommen, wenn man was vergisst?«<br />

»So sagt man«, sagte André und drückte <strong>Schwe<strong>in</strong>chen</strong><br />

17


<strong>Pig</strong> seufzend gegen die Brust.<br />

»Aber wir müssen zurückfahren!«, kreischte Lotta außer<br />

sich. Tränen rannen ihr die Pausbäckchen h<strong>in</strong>unter,<br />

während ihre Mutter genervt am Steuer saß und ihre<br />

Eltern sowie ihre hysterische Tochter nach Hause kutschierte.<br />

»Hast du e<strong>in</strong>e Ahnung, wie weit es ist, nach Kühlungsborn<br />

zu fahren, me<strong>in</strong>e Liebe? Das s<strong>in</strong>d m<strong>in</strong>destens zwei<br />

Stunden.«<br />

»Das ist mir egal. <strong>Pig</strong> ist ohne mich verloren.«<br />

»Wir s<strong>in</strong>d aber gleich Zuhause«, warf Krist<strong>in</strong> e<strong>in</strong>.<br />

»Das ist mir egal. Wir müssen <strong>Pig</strong> holen. Er kann nicht<br />

ohne mich leben. Er wird sterben. So wie Papa!«<br />

Krist<strong>in</strong> trat so abrupt auf die Bremse, dass Lottas Oma<br />

fast durch die W<strong>in</strong>dschutzscheibe flog.<br />

Mit zitternden F<strong>in</strong>gern saß sie am Steuer und atmete<br />

schwer.<br />

18


»Liebes, soll ich weiterfahren?«, fragte Krist<strong>in</strong>s Mutter.<br />

Krist<strong>in</strong> kämpfte mit den Tränen und schüttelte den<br />

Kopf.<br />

Ihr Vater, der seit e<strong>in</strong>er halben Stunde vergeblich versucht<br />

hatte, Lotta zu beruhigen, stieg aus und öffnete<br />

die Fahrertür. »So, me<strong>in</strong> Schatz! Die Fahrt endet hier<br />

für dich. Aussteigen!«<br />

»Papa!«, versuchte Krist<strong>in</strong> zu protestieren, doch ihr Vater<br />

duldete ke<strong>in</strong>en Widerspruch.<br />

»Nichts da. Steig aus und setz dich nach h<strong>in</strong>ten zu de<strong>in</strong>er<br />

Tochter. Vielleicht kannst du sie beruhigen.« Ihr Vater<br />

ließ sich h<strong>in</strong>ter das Lenkrad fallen und startete den<br />

Motor. »Ich schlage vor, ihr fahrt nächstes Wochenende<br />

noch e<strong>in</strong>mal nach Kühlungsborn und holt <strong>Pig</strong> ab.«<br />

»Das ist viel zu teuer, Papa«, protestierte Krist<strong>in</strong>. »Hast<br />

du e<strong>in</strong>e Ahnung, was die Spritpreise kosten?«<br />

»Ja. Zufälligerweise weiß ich das. Ich habe Augen im<br />

19


Kopf.«<br />

Krist<strong>in</strong>s Mutter blickte ihre Tochter an. »Krist<strong>in</strong>, <strong>Pig</strong> ist<br />

e<strong>in</strong> Familienmitglied. Ihr müsst ihn abholen. Stell dir nur<br />

vor, wir hätten dich an der Ostsee gelassen und würden<br />

dich nicht wieder haben wollen.«<br />

Lotta hielt <strong>in</strong>ne. Neugierig betrachtete sie ihre Oma.<br />

»Du, Oma?«, fragte sich schließlich.<br />

»Ja, me<strong>in</strong> Schatz?«<br />

»Wir könnten doch Klaus nach Kühlungsborn schicken.<br />

Der holt <strong>Pig</strong> ab und dann ist se<strong>in</strong> Auto kaputt und er<br />

muss für immer dort bleiben.«<br />

Lottas Mutter verdrehte die Augen, während Lottas<br />

Oma e<strong>in</strong> Schmunzeln unterdrückte. »Das ist sicherlich<br />

e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressanter Vorschlag, Lotta. Aber ich befürchte,<br />

so kriegen wir <strong>Pig</strong> nicht nach Hause.«<br />

»Was soll Klaus denn <strong>in</strong> Kühlungsborn?«, hakte Krist<strong>in</strong><br />

nach.<br />

»Urlaub machen«, sagte Lotta großzügig gr<strong>in</strong>send. »Am<br />

20


esten für immer.«<br />

»Für immer?«, fragte Krist<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Oktave zu hoch.<br />

Lotta nickte. »Ja.«<br />

»Warum das denn?«<br />

»Weil es so schön ist <strong>in</strong> Kühlungsborn. Da fühlt er sich<br />

bestimmt wohl. Und wir uns auch, weil er weit weg ist.«<br />

»Das ist wirklich sehr nett von dir, Lotta«, bemerkte<br />

Lottas Oma.<br />

»Das f<strong>in</strong>de ich überhaupt nicht nett, Mama«, widersprach<br />

Krist<strong>in</strong>. Sie wandte sich an ihre Tochter. »Warum<br />

willst du Klaus loswerden?«<br />

»Er ist doof. Und André ist viel netter.« Wieder gr<strong>in</strong>ste<br />

Lotta.<br />

Krist<strong>in</strong> dachte an den blonden Rettungsschwimmer,<br />

dann lächelte sie sanft. »Schatz, warum sollte sich<br />

André e<strong>in</strong>e Frau mit K<strong>in</strong>d ans Be<strong>in</strong> b<strong>in</strong>den? Er ist jung.<br />

Er kann selbst e<strong>in</strong>e Familie gründen.«<br />

21


»Klaus kann sich auch e<strong>in</strong>e eigene Familie machen«,<br />

sagte Lotta bestimmt. »Außerdem mag ich ihn nicht.<br />

André mag ich.«<br />

»Warum ist Klaus doof?«, fragte Krist<strong>in</strong> verletzt.<br />

»Weil er ke<strong>in</strong>en Rasierschaum hat.«<br />

»Hat er.«<br />

»Und warum hat er dann so e<strong>in</strong>en langen Bart?«, hakte<br />

Lotta nach.<br />

Lottas Oma kicherte leise, was Krist<strong>in</strong> argwöhnisch registrierte.<br />

»Klaus mag eben Bärte.«<br />

»Ich mag ke<strong>in</strong>e Bärte. Bärte s<strong>in</strong>d doof.« Wütend verschränkte<br />

Lotta die Arme vor der Brust. »Außerdem<br />

kann André Menschen retten. Das kann Klaus nicht.«<br />

Zehn M<strong>in</strong>uten später kamen sie am Wohnhaus von<br />

Krist<strong>in</strong> und Lotta an.<br />

»Wir br<strong>in</strong>gen euch noch nach oben«, sagte Lottas Opa.<br />

22


»Das müsst ihr nicht, Papa. Danke, dass du den Rest<br />

der Strecke gefahren bist.«<br />

»Doch. Wir kommen mit hoch.«<br />

»Warum?«, wollte Krist<strong>in</strong> wissen.<br />

»Nur so e<strong>in</strong> dummes Gefühl«, murmelte ihr Vater.<br />

Leise stöhnend ließ Krist<strong>in</strong> ihre Eltern gewähren. Sie<br />

schnappte sich ihre Reisetasche, gab Lotta den Rucksack<br />

und schloss die Haustür auf. Langsam stiegen sie<br />

die Treppe h<strong>in</strong>auf <strong>in</strong> den ersten Stock. Krist<strong>in</strong> atmete<br />

noch e<strong>in</strong>mal tief durch und schloss dann die Wohnungstür<br />

auf. Sie ließ ihren Vater vorangehen, der das<br />

Licht anschaltete und laut lospolterte. »Waaas? Was ist<br />

denn hier passiert?«<br />

Erschrocken ließ Krist<strong>in</strong> ihre Tasche fallen und stürmte<br />

an ihm vorbei.<br />

Das, was sie sah, war - nichts.<br />

Die Wohnung war leer.<br />

23


Ausgeräumt.<br />

Fassungslos lief sie durch die Drei-Zimmer-Wohnung.<br />

Sogar das K<strong>in</strong>derzimmer war leergeputzt.<br />

»Ist das unsere Wohnung?« Krist<strong>in</strong> stürzte an ihren Eltern<br />

vorbei und schaute draußen auf das Kl<strong>in</strong>gelschild.<br />

Obwohl sie genau wusste, dass das ihre Wohnung war,<br />

konnte sie nicht fassen, dass diese vollkommen verwaist<br />

war.<br />

»Schätzchen, wo s<strong>in</strong>d eure Möbel h<strong>in</strong>?«, fragte Krist<strong>in</strong>s<br />

Mutter.<br />

»Wo ist me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>derzimmer?«, fragte Lotta mit zitternder<br />

Unterlippe.<br />

Lottas Opa überprüfte die Wohnungstür. »E<strong>in</strong> Polizeisiegel<br />

ist nicht an der Tür.«<br />

»Wozu?«, hauchte Krist<strong>in</strong> den Tränen nah.<br />

»Naja, wenn E<strong>in</strong>brecher hier gewesen wären und die<br />

Polizei Bescheid wüsste, dann wäre hier e<strong>in</strong> Siegel an<br />

24


der Tür«, erklärte ihr Vater. »So wie im Fernsehkrimi.«<br />

Mit zitternden F<strong>in</strong>gern angelte Krist<strong>in</strong> ihr Handy aus<br />

der Tasche. Sie wählte Klaus’ Nummer, dann ließ sie das<br />

Telefon s<strong>in</strong>ken. »Ke<strong>in</strong> Anschluss unter dieser Nummer.«<br />

»So e<strong>in</strong> Mistkerl!«, schimpfte ihr Vater. »Ich mochte ihn<br />

von Anfang an nicht.«<br />

»Ich auch nicht«, sagte Lotta, die langsam zu begreifen<br />

schien, dass Klaus h<strong>in</strong>ter der Plünderungsaktion steckte.<br />

»Du, Opa?« Schüchtern schlüpfte Lotta <strong>in</strong> die Hand<br />

ihres Opas.<br />

»Ja, me<strong>in</strong> Schatz?«<br />

»Was will Klaus denn mit me<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>derzimmer?« Mit<br />

großen Augen blickte sie ihren Opa an.<br />

Dieser atmete tief e<strong>in</strong>, dann seufzte er kopfschüttelnd.<br />

»Das ist die beste Frage des Jahres. Ich habe ke<strong>in</strong>e Ahnung,<br />

Lotta. Ich weiß nur, dass ich Kle<strong>in</strong>holz aus dem<br />

Kerl mache, wenn der mir zwischen die F<strong>in</strong>ger kommt.«<br />

25


»Wird er nicht.« Lottas Oma deutete auf e<strong>in</strong>en Zettel,<br />

der an der Wand klebte.<br />

›Sorry, Krist<strong>in</strong>! Brauchte dr<strong>in</strong>gend Kohle. Habe alles<br />

verscherbelt und b<strong>in</strong> auf dem Weg nach Brasilien.<br />

Wünsche euch alles Gute! Klaus.‹<br />

»Mann, der hat Nerven!« Fahrig wischte sich Lottas<br />

Opa über die Glatze.<br />

Schluchzend vergrub sich Krist<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihrer Jacke.<br />

Sie hatte ihre letzten Ersparnisse für die Möbel <strong>in</strong><br />

der neuen Wohnung ausgegeben, die Klaus mit ihr<br />

geme<strong>in</strong>sam hatte bewohnen wollen. Sie hätte ja die<br />

alten Möbel mitgenommen, aber Klaus hatte darauf<br />

bestanden, alles nur anzuschaffen, weil ihn die alten<br />

Möbel an den verstorbenen Mann von Krist<strong>in</strong> er<strong>in</strong>nert<br />

hatten.<br />

Es war so e<strong>in</strong> herzzerreißender Anblick, dass Lotta<br />

26


und ihren Großeltern auch gleich die Tränen kamen.<br />

Während Lotta die Be<strong>in</strong>e ihrer Mutter umschlang und<br />

lauthals mitheulte, umarmten Krist<strong>in</strong>s Eltern ihre bestohlene<br />

Tochter.<br />

»Siehst du, Mama«, sagte Lotta schließlich und wischte<br />

sich mit dem Ärmel das Gesicht trocken.<br />

»Was sehe ich?«, fragte Krist<strong>in</strong> um Fassung r<strong>in</strong>gend.<br />

»<strong>Schwe<strong>in</strong>chen</strong> <strong>Pig</strong> ist e<strong>in</strong> Glücksbr<strong>in</strong>ger. Wir hätten<br />

ihn nicht <strong>in</strong> Kühlungsborn vergessen dürfen.«<br />

»Ich glaube, wir haben noch etwas ganz anderes <strong>in</strong><br />

dem Ostseebad vergessen«, schniefte Lottas Mutter<br />

leise.<br />

»Was denn, Mama?«<br />

»E<strong>in</strong> Dankeschön für de<strong>in</strong>en Lebensretter.«<br />

Ihr Vater tätschelte ihren Rücken. »Heute kommt ihr<br />

erst e<strong>in</strong>mal mit zu uns. Und am Freitag fahren wir noch<br />

e<strong>in</strong>mal geme<strong>in</strong>sam nach Kühlungsborn.«<br />

27


»Ne<strong>in</strong>.« Krist<strong>in</strong> schüttelte den Kopf.<br />

»Ne<strong>in</strong>?« Verwirrt blickte ihr Vater sie an. »Warum<br />

ne<strong>in</strong>?«<br />

»Wir fahren sofort. <strong>Pig</strong> ist e<strong>in</strong> Familienmitglied. Wir<br />

können ihn doch nicht hängen lassen«, beharrte Krist<strong>in</strong>.<br />

»Und de<strong>in</strong>e Arbeit?«, hakte ihr Vater nach.<br />

Krist<strong>in</strong> hatte e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Blumenladen, der aber<br />

nicht sonderlich gut lief. »Me<strong>in</strong>e Assistent<strong>in</strong> kommt<br />

die nächsten Tage ohne mich aus. Das ist e<strong>in</strong> echter<br />

Notfall. Wir müssen <strong>Pig</strong> wiederholen.«<br />

Erfreut klatschte Lotta <strong>in</strong> die Hände. »Juhu, wir holen<br />

<strong>Pig</strong> zurück!«<br />

Ihre Mutter nickte.<br />

»Gut«, sagte Lottas Opa. »Dann kommt mit! Ich fahre.«<br />

Vollkommen erschöpft ließ sich Krist<strong>in</strong> am Abend <strong>in</strong><br />

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den Sand fallen.<br />

»Mama! Wieso ist niemand da?«, fragte Lotta enttäuscht.<br />

»Schatz, die Rettungsstation hat schon geschlossen.<br />

Wir kommen gleich morgen früh wieder.«<br />

»Und wo ist <strong>Pig</strong> jetzt?«, drängte Lotta. Sie stellte sich<br />

auf Zehenspitzen und schaute <strong>in</strong> die Rettungsstation.<br />

»Wir klären das morgen nach dem Frühstück. Komm,<br />

Lotta! Wir gehen jetzt mit Oma und Opa <strong>in</strong>s Hotel.«<br />

»Im Hotel werden wir erst e<strong>in</strong>mal die Polizei anrufen«,<br />

beharrte Lottas Opa.<br />

»Warum?«, fragte Lotta neugierig und ließ ihre Hand<br />

<strong>in</strong> Opas Hand gleiten.<br />

»Weil Klaus all eure Sachen gestohlen hat«, antwortete<br />

Lottas Opa. »Vielleicht kann die Polizei ihn schnappen.«<br />

Sie liefen zurück zum Hotel, doch es hatte ke<strong>in</strong>e frei-<br />

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en Zimmer mehr.<br />

»Was machen wir jetzt?«, fragte Krist<strong>in</strong> verzweifelt.<br />

»Wir probieren es im Aparthotel Am Weststrand. Soweit<br />

ich <strong>in</strong>formiert b<strong>in</strong>, haben die sogar Apartments<br />

für die ganze Familie«, sagte ihr Vater entschlossen.<br />

Kurz darauf standen sie an der Rezeption des Hotels.<br />

»Guten Tag, wir hätten gerne e<strong>in</strong> Apartment für vier<br />

Personen«, sagte Lottas Opa.<br />

Die Rezeptionist<strong>in</strong> lächelte. »Haben Sie reserviert?«<br />

»Ne<strong>in</strong>. Es war sehr spontan.«<br />

»Ich befürchte, wir s<strong>in</strong>d ausgebucht.«<br />

»S<strong>in</strong>d wir nicht. Es ist gerade e<strong>in</strong>e Familie abgesprungen.<br />

Der Mann hat sich das Be<strong>in</strong> gebrochen«, erklärte<br />

e<strong>in</strong> Mann mit dunklem Haarschopf und legte der Rezeptionist<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en Stapel Blätter auf den Tresen.<br />

Der Mann reichte Lottas Opa lächelnd die Hand. »Willkommen<br />

im Aparthotel Am Weststrand! Me<strong>in</strong> Name<br />

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ist Jörg Schlottke. Ich b<strong>in</strong> der Hoteldirektor und freue<br />

mich, dass wir Ihnen e<strong>in</strong> Apartment für vier Personen<br />

anbieten können.«<br />

»Wir haben tatsächlich Glück an e<strong>in</strong>em Unglückstag?«,<br />

fragte Krist<strong>in</strong> entgeistert.<br />

»Jaaa!«, rief Lotta laut und rannte e<strong>in</strong>em blonden Mann<br />

<strong>in</strong> die Arme. »André!«<br />

»Lotta! Was machst du denn hier?« Mit e<strong>in</strong>em leisen<br />

›Uff‹ versuchte André den Aufprall von Lottas Umarmung<br />

abzufangen.<br />

»Wir haben <strong>Schwe<strong>in</strong>chen</strong> <strong>Pig</strong> vergessen.«<br />

André g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> die Hocke. »Ich weiß. <strong>Pig</strong> sitzt <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em<br />

Zimmer und wartet auf dich.«<br />

Lotta schl<strong>in</strong>gt überglücklich ihre Arme um se<strong>in</strong>en Hals<br />

und wirft ihn fast zu Boden.<br />

»Was machst du denn hier?«, kam nun auch Krist<strong>in</strong><br />

näher.<br />

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André zuckte mit den Schultern. »Ich war als Dankeschön<br />

für e<strong>in</strong>e Lebensrettung hier zum Essen e<strong>in</strong>geladen.<br />

Das Essen ist wirklich vorzüglich.« Er blickte sich<br />

um. »Dann wohnt ihr wohl <strong>in</strong> diesem Hotel?«<br />

»Wir waren schon zuhause«, warf Lotta e<strong>in</strong>. »Aber wir<br />

s<strong>in</strong>d wiedergekommen, weil wir <strong>Pig</strong> vergessen haben.<br />

Und weil Klaus unsere Möbel gestohlen hat.«<br />

»De<strong>in</strong> Freund hat dich ausgeraubt?« Verwirrt blickte<br />

André Krist<strong>in</strong> tief <strong>in</strong> die Augen.<br />

Krist<strong>in</strong> unterdrückte die aufkommenden Tränen.<br />

»Wir…«<br />

»Wir hätten <strong>Schwe<strong>in</strong>chen</strong> <strong>Pig</strong> nicht vergessen dürfen«,<br />

erklärte Lotta. »Er ist e<strong>in</strong> Glücksbr<strong>in</strong>ger.«<br />

»Darum habe ich euch auch jetzt wiedergetroffen. <strong>Pig</strong><br />

hat mir Glück gebracht«, sagte André lächelnd.<br />

»Ach, das ist Glück?«, schniefte Krist<strong>in</strong> leise. »Ich hätte<br />

besser auf <strong>Pig</strong> aufpassen müssen. Dann wären unsere<br />

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Möbel vielleicht noch da.«<br />

André legte e<strong>in</strong>en Arm um ihre Schultern. »Ums Aufpassen<br />

kümmern wir uns beim DLRG ja. Und <strong>Pig</strong> können<br />

wir gleich holen gehen.«<br />

»Haben Lebensretter auch Pflaster für gebrochene<br />

Herzen?«, schniefte Krist<strong>in</strong>.<br />

André lächelte. »Wir haben die besten Pflaster der<br />

Welt. Vielleicht darf ich dich heute Abend auf e<strong>in</strong> Glas<br />

We<strong>in</strong> e<strong>in</strong>laden? Damit das Pflasteranbr<strong>in</strong>gen nicht so<br />

weh tut?«<br />

Krist<strong>in</strong> lächelte durch die Tränen h<strong>in</strong>durch und blickte<br />

fragend zu ihren Eltern.<br />

Ihr Vater nickte. »Wir passen gerne auf Lotta auf. Geh<br />

du mal ruhig und lass dich verarzten. In der Zwischenzeit<br />

<strong>in</strong>formiere ich die Polizei.«<br />

Er nahm se<strong>in</strong> Handy zur Hand und wählte die Nummer<br />

der Polizeiwache <strong>in</strong> Bargteheide.<br />

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Er hatte kaum erklärt, worum es g<strong>in</strong>g, da verstummte<br />

er und legte schließlich dankend auf.<br />

»Was ist?«, fragte Krist<strong>in</strong> überrascht. »Das war aber e<strong>in</strong><br />

kurzes Gespräch.«<br />

»Sie haben Klaus bereits <strong>in</strong> Gewahrsam genommen. Er<br />

war wohl gerade dabei, e<strong>in</strong>em Hehler eure Möbel anzudrehen,<br />

als die Polizei zugeschnappt hat. Sie hatten<br />

den Herrn Heiratsschw<strong>in</strong>dler schon länger im Visier«,<br />

erklärte ihr Vater. »Klaus ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternational gesuchter<br />

Dieb und Betrüger mit vielen verschiedenen Namen.«<br />

»Wie konnte ich nur auf so e<strong>in</strong>en Mann here<strong>in</strong>fallen?«,<br />

rief Krist<strong>in</strong> entrüstet.<br />

Lotta streichelte ihren Arm. »Du hast eben nicht auf <strong>Pig</strong><br />

und mich gehört, Mama. Wir mochten ihn von Anfang<br />

an nicht.«<br />

Krist<strong>in</strong> lächelte ihre Tochter an. »Das stimmt. Ihr seid<br />

viel schlauer als ich. Ich sollte <strong>in</strong> Zukunft dich fragen,<br />

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mit wem ich ausgehe.«<br />

»Wir mögen André«, sagte Lotta und erntete e<strong>in</strong> Zw<strong>in</strong>kern<br />

von André.<br />

Krist<strong>in</strong> blickte ihre Tochter an und gab ihr e<strong>in</strong>en Kuss.<br />

»Na, dann spricht jawohl nichts gegen e<strong>in</strong> Superpflaster<br />

und e<strong>in</strong> Gläschen We<strong>in</strong>. Und <strong>Pig</strong> br<strong>in</strong>ge ich dann<br />

auch gleich wieder mit.«<br />

»Ja, geh ruhig und amüsiere dich, Mama! Ich passe solange<br />

auf Oma und Opa auf«, sagte Lotta lächelnd.<br />

Sie w<strong>in</strong>kte ihrer Tochter schmunzelnd zu und verließ<br />

das Hotel. Sie holten <strong>Pig</strong> aus Andrés Apartment. Dann<br />

führte André se<strong>in</strong>e Angebetete <strong>in</strong>s Kaffeehaus Barista’s,<br />

das nur wenige Meter entfernt vom Aparthotel Am<br />

Weststrand zu e<strong>in</strong>em gemütlichen Abend zu zweit e<strong>in</strong>lud.<br />

»Was für e<strong>in</strong> glücklicher Zufall, dass wir <strong>Schwe<strong>in</strong>chen</strong><br />

<strong>Pig</strong> vergessen haben. Sonst hätte ich ke<strong>in</strong>en so char-<br />

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manten Lebensretter gehabt, der mir e<strong>in</strong> Superpflaster<br />

verpassen kann«, sagte Krist<strong>in</strong> lächelnd und prostete<br />

André zu. »Aber bist du sicher, dass du dir e<strong>in</strong>e gebrauchte<br />

Familie anlachen willst?«<br />

André blickte ihr tief <strong>in</strong> die Augen. »Ich war mir noch<br />

nie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sache so sicher.«<br />

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Unsere Autor<strong>in</strong>: Lilly Fröhlich<br />

Ich b<strong>in</strong> mit Herz und Seele Buchautor<strong>in</strong>. Und da ich<br />

K<strong>in</strong>der-/Jugendbücher und Komödien über alles liebe,<br />

ist das auch genau das Genre, <strong>in</strong> dem ich mich Zuhause<br />

fühle und somit unterwegs b<strong>in</strong>.<br />

www.lilly-froehlich.de<br />

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Vita<br />

Geboren<br />

<strong>in</strong> Hamburg<br />

Liebl<strong>in</strong>gsbücher Die drei Fragezeichen,<br />

Harry Potter, Charleston Girl<br />

Liebl<strong>in</strong>gsfilme Harry Potter, Phantastische<br />

Tierwesen, Liebe braucht<br />

ke<strong>in</strong>e Ferien<br />

Liebl<strong>in</strong>gsserien Supergirl, Flash<br />

Theaterstücke Zabzaraks Spiegel, 2018;<br />

Rache der Formoren, 2019<br />

Mediathek<br />

Mia-Bücher<br />

E<strong>in</strong>e Patchworkfamilie für Mia, 2012 (K<strong>in</strong>derbuch)<br />

Mia und die Regenbogenfamilie, 2013 (K<strong>in</strong>derbuch)<br />

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Mia und die Flüchtl<strong>in</strong>gsfamilie, 2016 (K<strong>in</strong>derbuch)<br />

Mia und die Zirkusfamilie, 2017 (K<strong>in</strong>der-/Jugendbuch)<br />

Mia und die Pflegefamilie, 2018 (K<strong>in</strong>der-/Jugendbuch)<br />

Mia und die Teeniefamilie, 2018 (K<strong>in</strong>der-/Jugendbuch)<br />

Mia und die Adoptivfamilie, 2018 (K<strong>in</strong>der-/Jugendbuch)<br />

Mia und die Stieffamilie, 2019 (K<strong>in</strong>der-/Jugendbuch),<br />

noch nicht erschienen<br />

Fantasy<br />

Zabzaraks Spiegel, 2016 (K<strong>in</strong>der-/Jugendbuch)<br />

Rache der Formoren, 2019 (K<strong>in</strong>der-/Jugendbuch), noch<br />

nicht erschienen<br />

Susannah-Bücher<br />

Bänker s<strong>in</strong>d vom Schnöselplaneten, 2015 (Komödie)<br />

Und Clowns s<strong>in</strong>d aus dem All, 2016 (Komödie)<br />

K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d vom Mars, 2017 (Komödie)<br />

E<strong>in</strong> Zwill<strong>in</strong>g kommt niemals alle<strong>in</strong>, 2018 (Komödie)<br />

Du schon wieder, 2019 (Komödie)<br />

Millionär auf Abwegen, 2019 (Komödie)<br />

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Unsere nächste<br />

Kurzgeschichte ersche<strong>in</strong>t am<br />

30. November 2019<br />

Aparthotel Am Weststrand GmbH<br />

Ostseeallee 38 · 18225 Ostseebad Kühlungsborn<br />

Tel.: +49 38293 848-0 · Fax: +49 38293 848-431<br />

<strong>in</strong>fo@am-weststrand.de · www.am-weststrand.de<br />

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