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Wieder Ruhestand perfekt wird. Neue Serie – Berlin Seite 12<br />
Berlin und<br />
die koloniale<br />
Verantwortung<br />
Seite 10<br />
5°/12°<br />
Es wird kühler<br />
Wetter Seite 28<br />
www.berliner-zeitung.de<br />
Montag,28. Oktober 2019 Nr.250 HA -75. Jahrgang<br />
Auswärts/D**: 1.70 €–Berlin/Brandenburg: 1.60 €<br />
Debatte: Sind<br />
wir ein Land?<br />
Meinung Seite 8<br />
Landtagswahl in Thüringen ARD-Hochrechnung 23.02 Uhr<br />
33,5 %<br />
31,0 % 28,2 %<br />
21,8 % 23,4 %<br />
12,4 %<br />
8,2 %<br />
10,6 %<br />
5,2 % 5,7 %<br />
5,0 % 2,5 %<br />
5,4 % 7,3 %<br />
2019 2014 2019 2014 2019 2014 2019 2014 2019 2014 2019 2014 2019 2014<br />
SPD CDU GRÜNE LINKE FDP AFD SONSTIGE<br />
Sigmar Gabriel<br />
als Autolobbyist?<br />
Politik Seite 4<br />
Bayern München<br />
Ein Torgegen<br />
Union für die<br />
Ewigkeit<br />
VonMaik Rosner<br />
Nach dem 2:1 gegen Union Berlin<br />
hielt Robert Lewandowski eine<br />
Trophäe in den Händen. Mit seiner<br />
gerade aufgestellten und gefühlt 82.<br />
Bestmarke hatte diese aber nichts zu<br />
tun. Erhalten hatte Lewandowski die<br />
Auszeichnung ja nicht für seine Rekordserie,<br />
inallen ersten neun Ligaspielen<br />
dieser Saison getroffen zu<br />
haben. Wofür er die Ehrung bekommen<br />
hatte,wusste<br />
er aber auch<br />
nicht so genau.<br />
Als „bester Spieler“<br />
sei er gewürdigt<br />
worden, erklärte<br />
der Pole.<br />
Nachfrage: Des<br />
Spiels? „Nee“,<br />
RobertLewandowski,<br />
Bayernseinziger dowski, „für die<br />
sagte Lewan-<br />
Stürmer ganze Saison.“<br />
Dabei lächelte er<br />
schelmisch und räumte ein: „Ich<br />
muss nachfragen.“<br />
Fest steht jedenfalls, dass Lewandowski<br />
durch sein 2:0 gegen Union<br />
auf 13 Ligatore nach neun Spielen<br />
kommt und auf insgesamt 19 in den<br />
14 Pflichtspielen dieser Spielzeit, nur<br />
im Supercup ging er leer aus. Auch<br />
deshalb darf sich Lewandowski bisher<br />
guten Gewissens als Spieler der<br />
Saison betrachten. Fast die Hälfte aller<br />
40 Bayern-Tore inallen Wettbewerben<br />
gehen auf sein Konto, und<br />
wie stark das fragile Gebilde des<br />
Meisters gerade von ihm abhängt,<br />
erzählt auch der Blick auf den anderen<br />
Torschützen gegen Berlin. Abwehrmann<br />
Benjamin Pavard hatte<br />
die Führung erzielt, es war sein zweites<br />
Ligator in dieser Saison, womit<br />
der Franzose in der internen Torschützenliste<br />
auf Rang zwei steht.<br />
Woraus sich auch ableiten lässt:<br />
Ohne Lewandowskis Tore stünde die<br />
Mannschaft von Trainer Niko Kovac<br />
in der unteren Tabellenhälfte der<br />
Bundesliga.<br />
Es ist nicht neu, dass Lewandowski<br />
zu den besten Stürmern der Welt<br />
zählt. Neuaber ist, dass er die Bayern<br />
derzeit so sehr trägt wie nie zuvor,<br />
seitdem er 2014 ablösefrei aus Dortmund<br />
nach München übergelaufen<br />
war. Immer wieder hatte er seither<br />
mit einem Wechsel zum spanischen<br />
Rekordmeister Real Madrid geliebäugelt,<br />
zustande kam dieser aber nie.<br />
Und nachdem der 31 Jahre alte Angreifer<br />
zuletzt seinen Vertrag vorzeitig<br />
um zwei Jahre bis 2023 ausgedehnt<br />
hat, scheint er sich erstmals<br />
uneingeschränkt mit seinem Arbeitgeber<br />
zu identifizieren. Vermutlich<br />
trägt das dazu bei, dass er trifft und<br />
trifft und trifft.<br />
Ungefähr aus jener Zeit, als VW<br />
den Käfer damit bewarb, dass dieser<br />
„läuft und läuft und läuft“, stammt<br />
auch ein Fabelrekord der Bundesliga,<br />
der nun in Gefahr geraten<br />
könnte. In der Saison 1971/72<br />
brachte es der damalige Bayern-<br />
Stürmer Gerd Müller auf 40 Ligatore.<br />
Hält Lewandowskis Lauf an, käme er<br />
hochgerechnet auf 49. Dann wäreer<br />
wirklich zweifelsfrei der Spieler der<br />
Saison. Mindestens. SportSeite 20<br />
Sieger ohne Mehrheit<br />
Ministerpräsident Bodo Ramelow hat die Landtagswahl in Thüringen gewonnen,<br />
aber Rot-Rot-Grün hat die Mehrheit verloren. AfD verdoppelt ihren Stimmenanteil<br />
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) muss sich eine neue Regierungsmehrheit suchen.<br />
VonSteven Geyer<br />
Bei der Landtagswahl in<br />
Thüringen hat es die Linkspartei<br />
unter dem bisherigen<br />
Ministerpräsidenten<br />
Bodo Ramelow geschafft, erstmals<br />
stärkste Kraft in einem Bundesland<br />
zu werden. Allerdings fehlt dem Parteichef<br />
im neuen Landtag die Mehrheit,<br />
um sein rot-rot-grünes Regierungsbündnis<br />
fortzusetzen. Als<br />
zweite Kraft überholte die AfD knapp<br />
die CDU. Ramelow sprach trotz des<br />
Mehrheitsverlustes von einem klaren<br />
Auftrag zur Regierungsbildung:<br />
„Ich sehe mich ganz klar bestätigt.<br />
Bei dem Zustimmungswert, den<br />
meine Partei bekommen hat, ist der<br />
Regierungsauftrag klar bei meiner<br />
Partei. Undich werdediesen Auftrag<br />
auch annehmen“, sagte er am Sonntagabend<br />
in Erfurt.<br />
Während die Linke ihr Ergebnis<br />
von der Landtagswahl vor fünf Jahren<br />
leicht verbesserte, verlor die<br />
CDU mehr als zehn Prozentpunkte<br />
und landete hinter der AfD auf Platz<br />
drei. Im Jahr 2014 war die CDU noch<br />
klar stärkste Kraft vor der Linken,<br />
hatte aber nicht ausreichend Koalitionspartner<br />
gefunden, sodass es für<br />
eine rot-rot-grüne Landesregierung<br />
unter Ramelowgereicht hatte.<br />
Das sieht nach diesem Sonntag<br />
anders aus. Nun liegt zwar der Auftrag<br />
zur Regierungsbildung zuerst<br />
bei Ramelow, dafür scheitert Rot-<br />
Rot-Grün an den schwachen Ergebnissen<br />
der Koalitionspartner SPD<br />
und Grüne: Die SPD verlor gegenüber<br />
2014 erneut, erreichte in Thüringen<br />
nur noch ein einstelliges Ergebnis<br />
und schnitt damit noch<br />
schwächer ab als in den Umfragen<br />
auf Bundesebene. Die kommissarische<br />
SPD-Chefin Malu Dreyer erklärte<br />
das mit der „starken Polarisierung<br />
zwischen Ministerpräsident<br />
und AfD“:VieleWähler hätten Ramelow<br />
gewählt, um die AfD als stärkste<br />
Kraft zu verhindern, so Dreyer.<br />
Die Grünen mussten sogar bangen,<br />
ob sie den Sprung in den Landtag<br />
schaffen. Unter ihrer Spitzenkandidatin,<br />
der bisherigen Umweltministerin<br />
Anja Siegesmund, sind die<br />
Grünen in Thüringen weit von ihren<br />
Sitzverteilung 2019 in Klammern 2014<br />
Grüne<br />
5 (6)<br />
SPD<br />
8 (12)<br />
Linke<br />
29 (28)<br />
bundesweiten Wahl- und Umfrage-<br />
Ergebnissen entfernt und konnten<br />
sich gegenüber der Landtagswahl<br />
von2014 de facto nicht verbessern–<br />
trotz der großen Aufmerksamkeit,<br />
die sie im Bund für sich und ihre<br />
Themen genießen. Auch der Co-<br />
Bundesvorsitzende Robert Habeck<br />
schrieb das am Sonntag dem polarisierten,„geradezu<br />
unversöhnlichen“<br />
Wahlkampf zu.<br />
Allerdings ist auch ein Kenia-<br />
Bündnis aus CDU, SPD und Grünen –<br />
wie es in Sachsen künftig regieren soll<br />
–weit von einer Regierungsmehrheit<br />
entfernt. Selbst mit der FDP würde es<br />
dann nicht reichen. Bei Redaktionsschluss<br />
dieser Ausgabe hatte sie den<br />
Einzug knapp geschafft. Die CDU<br />
hatte sich unter ihrem Landeschef<br />
90 (91)<br />
Sitze<br />
CDU<br />
21 (34)<br />
AfD<br />
22 (7)<br />
FDP<br />
5 (–)<br />
BLZ/HECHER; QUELLE: INFRATEST DIMAP<br />
Mike Mohring ein Kopf-an-Kopf-<br />
Rennen um den zweiten Platz mit<br />
der rechtspopulistischen Alternative<br />
für Deutschland geliefert –und unterlag<br />
ihr knapp.<br />
Die AfD, die in Thüringen vom<br />
Kopf ihres rechtsnationalen Flügels,<br />
BjörnHöcke,geführt wird, konnte ihren<br />
Stimmenanteil im Vergleich zu<br />
den Wahlen von 2014 mehr als verdoppeln.<br />
2014 hatte sie aus dem<br />
Stand10,6 Prozentgeholt. Höcke bezeichnete<br />
das gute AfD-Ergebnis als<br />
ein „Nein der Wähler zu einer erstarrten<br />
Parteiendemokratie“: „Die Thüringer<br />
haben heute die Wende 2.0 gewählt“,<br />
sagte er vorAnhängerninErfurt.<br />
Allerdings verfehlte die AfD wie<br />
zuvor in Sachsen und Brandenburg<br />
ihr Wahlziel, zur stärksten Kraft auf<br />
Landesebene zu werden. Die größten<br />
Stimmengewinne verbuchte die<br />
AfD von bisherigen Nicht-Wählern,<br />
mit einigem Abstand gefolgt vonbisherigen<br />
CDU-Wählern.<br />
Die Wahlbeteiligung lag bei<br />
knapp 65 Prozentund hat sich damit<br />
deutlich erhöht – gegenüber der<br />
Wahl vor fünf Jahren, aber auch im<br />
Vergleich zur Europawahl in diesem<br />
Mai. Insgesamt waren in diesem Jahr<br />
rund 1,7 Millionen zur Wahl zum<br />
DPA/MARTIN SCHUTT<br />
Landesparlament aufgerufen. Schon<br />
bei den Wahlen in Sachsen und<br />
Brandenburg hatte es mehr Menschen<br />
in die Wahlkabinen gezogen,<br />
wobei jeweils die Amtsinhaber davonprofitierthatten.<br />
Für Ramelowstehen nun schwierige<br />
Sondierungen an. CDU und FDP<br />
bestätigten am Abend, dass sie nicht<br />
zu einer Zusammenarbeit mit der<br />
Linkspartei bereit seien. „Man kann<br />
nicht seine Grundsätze über Bord<br />
werfen, nur um an einer Regierung<br />
beteiligt zu sein“, sagte CDU-Generalsekretär<br />
Paul Ziemiak. Eine Kooperation<br />
mit der AfD schlossen<br />
CDU und FDP ebenfalls aus. CDU-<br />
Landeschef und Spitzenkandidat<br />
Mike Mohring sprach am Abend<br />
von einem „bitteren Abend für die<br />
demokratische Mitte“. Erlobte zugleich,<br />
dass Rot-Rot-Grün ihr Bündnis<br />
nicht fortsetzen können.<br />
Nach Einschätzung des Leipziger<br />
Politologen Hendrik Träger muss<br />
die CDU nun aber ihr Verhältnis zur<br />
Linken überdenken. „Die CDU<br />
muss sich nach der Wahl darüber<br />
klar werden: Grenzt sie sich weiterhin<br />
so starkvon den Linken ab oder<br />
nicht“, sagte Träger.„Wenn die Parteien<br />
der Mitte von CDU, SPD, Grünen<br />
und FDP bei unter 50 Prozent<br />
der Stimmen sind und keine Regierung<br />
bilden können, ist das ein Signal,<br />
das über das Land hinaus<br />
geht.“<br />
Für die CDU ist der Fall auf den<br />
dritten Platz auf Landesebene besonders<br />
schmerzlich. Bevor es 2014<br />
zur rot-rot-grünen Koalition kam,<br />
hatte die Partei 24 Jahre lang das<br />
Land regiertund stellte stets den Ministerpräsidenten,<br />
zwischenzeitlich<br />
sogar mit einer absoluten Mehrheit.<br />
Seiten2,3und 8<br />
<strong>Berliner</strong> SPD<br />
stimmt gegen<br />
Enteignung<br />
Parteitag: Lehrer sollen<br />
wieder verbeamtet werden<br />
VonMelanie Reinsch<br />
Die SPD hat sich am Sonnabend<br />
auf ihrem Parteitag mehrheitlich<br />
darauf geeinigt, dass sie die Enteignung<br />
großer Wohnungsunternehmen<br />
ablehnt. Dies sei gegenwärtig<br />
nicht zielführend, heißt es in dem<br />
Antrag, für den 137 der 238 Delegierten<br />
stimmten. Damit stellt sich die<br />
SPD gegen ihre Koalitionspartner<br />
Grüne und Linke, die die Ziele der<br />
Initiative„Deutsche Wohnen und Co<br />
enteignen“ unterstützen. Diese<br />
hatte im Juni 77 000 Unterstützer-<br />
Unterschriften vorgelegt und damit<br />
die erste Hürde für ein Volksbegehrengenommen.<br />
Die Initiative strebt die Vergesellschaftung<br />
von Wohnungsunternehmen<br />
mit mehr als 3000 Wohnungen<br />
an. Aktuell prüft Innensenator Andreas<br />
Geisel (SPD), ob das Volksbegehren<br />
rechtlich zulässig ist. Daher<br />
habe die Entscheidung der SPD erst<br />
mal keine Auswirkungen, kommentierte<br />
Antje Kapek, Fraktionsvorsitzende<br />
der Grünen.„DasVolksbegehrenliegt<br />
in der Innenverwaltung. Wir<br />
sind in einem laufenden Verfahren<br />
und werden über den weiteren Verlauf<br />
sprechen müssen“, sagte Kapek<br />
der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong>. Wirtschaftssenatorin<br />
Ramona Pop (Grüne) sagte,<br />
es sei angebracht, mit den Initiatoren<br />
des Volksbegehren sowie der<br />
Bau- und Immobilienwirtschaft in<br />
einen Dialog zu treten.<br />
Lob für die Entscheidung der SPD<br />
gab es indes aus der Opposition.<br />
„Die SPD hat mit ihrem knappen Beschluss<br />
gerade noch einmal die politische<br />
Verschmelzung mit der Linken<br />
abwenden können“, sagte der<br />
FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian<br />
Czaja der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong>. Aber: So<br />
begrüßenswertder Ausgang unddas<br />
Bekenntnis zu mehr Bau auch sei,<br />
„diese Regierungskoalition ist nur im<br />
Konflikt geeint“. DieEinsicht zu Maß<br />
undVernunft müsse die Partei auch<br />
endlich in die Linkskoalition tragen.<br />
Die SPD hat sich zudem darauf<br />
verständigt, zum Beamtenmodell<br />
für Lehrkräfte zurückkehren zu<br />
wollen, um dem Lehrermangel in<br />
der Stadt entgegenzuwirken. Berlin<br />
ist das einzige Bundesland, das<br />
seine Lehrkräfte nicht verbeamtet.<br />
Grüneund Linke lehnendas Modell<br />
ab. Berlin Seite9<br />
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4<br />
194050<br />
501603<br />
11044
2** <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019<br />
·························································································································································································································································································<br />
Wahl in Thüringen<br />
Bitteres Ergebnis: CDU-Spitzenkandidat MikeMohring (links) muss sich mit einer Niederlage abfinden. Auch bei den Grünen herrscht Enttäuschung; die Partei um die Spitzenkandidaten Anja Siegesmund (rechtes Bild links) und DirkAdams hatte sich mehr erhofft.<br />
GETTY, DPA<br />
Eine gute<br />
Arbeit der<br />
Regierung<br />
Forscher zu den Ursachen<br />
des Erfolgs der Linken<br />
Ministerpräsident Bodo Ramelowhat<br />
nach einer Analyse der<br />
Forschungsgruppe Wahlen die Basis<br />
für den historischen Sieg der Linken<br />
bei der Landtagswahl in Thüringen<br />
gelegt. Der Spitzenkandidat der Partei<br />
schneide bei Leistungsbilanz und<br />
Ansehen deutlich besser ab als CDU-<br />
Ministerpräsidenten des Landes vor<br />
fünf oder zehn Jahren. Die meisten<br />
Thüringer wünschten sich Ramelow<br />
weiter als Regierungschef, heißt es in<br />
der am Sonntagabend veröffentlichten<br />
Analyse des Wahlausgangs.<br />
DieLinke wurde erstmals in einem<br />
Bundesland stärkste Kraft. Ramelow<br />
werde inzwischen auch im CDU-Lager<br />
positiv bewertet. In AfD-Kandidat<br />
Björn Höcke, der selbst die eigenen<br />
Reihen nur bedingt überzeuge,sähen<br />
66 Prozent aller Befragten „eine Gefahr<br />
für die Demokratie“.<br />
Zweifel an Minderheitsregierung<br />
Während die Linke für 61 Prozent der<br />
Befragten Thüringen in den vergangenen<br />
fünf Jahren vorangebracht<br />
habe, hätten sich die Grünen in der<br />
Regierung nicht profilieren können.<br />
Dabei spiele auch eine Rolle,dass es<br />
für 74 Prozent der Befragten „viel<br />
wichtigereThemen als Klimaschutz“<br />
gebe. Bei der SPD sehen 67 Prozent<br />
den Grund für das schlechte Ergebnis<br />
primär bei der Bundespartei.<br />
Dass Mohring bislang ein Bündnis<br />
mit der Linken ausgeschlossen<br />
hat, sehen 59 Prozent aller Thüringer<br />
und selbst 47 Prozent der CDU-Anhänger<br />
kritisch. Gegenüber einer<br />
Minderheitsregierung gebe es große<br />
Vorbehalte.<br />
Die Zahlen der Forschungsgruppe<br />
Wahlen basieren nach deren<br />
Angaben auf einer telefonischen Befragung<br />
unter 1628 zufällig ausgewählten<br />
Wahlberechtigten in Thüringen<br />
in der Woche vorder Wahl sowie<br />
auf der Befragung von 18808<br />
WählernundWählerinnen amWahltag.<br />
(dpa)<br />
Bündnisse in Thüringen<br />
Sitze gesamt: 88,<br />
absolute Mehrheit: 45 Sitze<br />
Linke CDU SPD Grüne FDP<br />
21<br />
21<br />
28<br />
28<br />
28<br />
7<br />
7<br />
7<br />
5<br />
5<br />
7<br />
33 Sitze<br />
5<br />
5<br />
5<br />
40 Sitze<br />
38 Sitze<br />
21<br />
45 Sitze<br />
49 Sitze<br />
BLZ/HECHER; QUELLE: FORSCHUNGSGRUPPE WAHLEN<br />
5<br />
VonDaniela Vates<br />
In der CDU-Parteizentrale ist<br />
die Reaktion auf das erste<br />
Wahlergebnis erstmal ein<br />
Schweigen: Keine Rufe, kein<br />
Klatschen, nicht einmal ein trotziger<br />
Applaus als klar ist, dass das bisherige<br />
rot-rot-grüne Regierungsbündnis<br />
abgewählt ist. Einfach Schweigen,<br />
eine Art Schockstarre vielleicht.<br />
Die CDU hat massiv verloren, in einem<br />
Land in dem sie seit derWiedervereinigung<br />
bis 2014 immer den Ministerpräsidenten<br />
gestellt hat, in<br />
dem sie noch bei der Wahl 2014<br />
stärkste Partei wurde. Nun ist die<br />
Linkspartei stärkste Kraft, und auch<br />
die völkisch auftretende AfD ist wohl<br />
an der CDU vorbeigezogen.<br />
Die falschen Themen gesetzt<br />
„Katastrophal“, entfährt es einem<br />
wichtigen CDU-Politiker.Und Generalsekretär<br />
Paul Ziemiak tritt nur für<br />
ein Statement vor die Mikrofone in<br />
der Parteizentrale, Fragen sind nicht<br />
zugelassen.„Es ist ein bitterer Tagfür<br />
die CDU. Es ist auch ein bitterer Tag<br />
für die demokratische Mitte“, sagt<br />
Ziemiak.<br />
Zu diesem Zeitpunkt scheint in<br />
Thüringen kaum ein Regierungsbündnis<br />
ohne die AfD möglich –außer<br />
die CDU geht mit der Linkspartei<br />
zusammen. Was folgt daraus? Die<br />
CDU hat in Thüringen wie zuvor in<br />
Sachsen Koalitionen mit Linkspartei<br />
VonTobias Peter<br />
Esbrandet Jubel im Hans-Dietrich-<br />
Genscher-Haus in Berlin auf, als<br />
das ZDF um 18 Uhrinder ersten Prognose<br />
die FDP klar im Landtag sieht.<br />
Wenige Sekunden später wird es<br />
schlagartig still, als die Zahlen der<br />
ARD folgen, die deutlich knapper<br />
sind. Parteichef Christian Lindner<br />
wird bald darauf sagen: FDP, das sei<br />
eben nichts für Leute mit schwachen<br />
Nerven. Er wird hinzufügen: „Bei einer<br />
gestiegenen Wahlbeteiligung haben<br />
wir unser Ergebnis deutlich ausgebaut.“<br />
Dassei „ein toller Erfolg“. Es<br />
gibt viel Applaus.Alle in der FDP wollen<br />
jetzt einen Erfolg feiern, auch<br />
wenn er noch nicht sicher ist.<br />
Lange vorSonntagabend, 18 Uhr,<br />
war klar: Für die FDP würde es bei<br />
dieserWahl einmal mehr um die eine<br />
große Frage gehen, ob sie den Einzug<br />
in den Landtag schafft oder nicht. In<br />
Schockstarre<br />
Die CDU erlebt in Thüringen ein Desaster.Noch ein Rückschlag für Parteichefin Kramp-Karrenbauer<br />
wie auch AfD ausgeschlossen. Kurz<br />
vor der Wahl hat Mohring den AfD-<br />
Spitzenkandidaten Björn Höcke als<br />
Nazi bezeichnet. Er wolle „die Mitte<br />
mobilisieren“, hat Mohring gesagt.<br />
Er sei ein Brückenbauer, der das<br />
Land zusammenführen wolle.<br />
Kann er dieses Versprechen nun<br />
halten, wenn sonst kein Bündnis<br />
möglich ist? Berichte,erhabe vorder<br />
letzten Landtagswahl 2014 –damals<br />
noch als CDU-Fraktionschef – bei<br />
der AfD sondiert, ob eine Zusammenarbeit<br />
nicht möglich sei, hat<br />
Mohring dementiert.<br />
„Die Abgrenzung ist richtig. Es<br />
muss möglich sein, in der Mitte eine<br />
Mehrheit zu finden“, sagt Haseloff.<br />
„Unser Wort gilt“, sagt auch Ziemiak.<br />
„Es wird keine Koalition der<br />
CDU mit der Linkspartei oder der<br />
AfD geben.“ Schleswig-Holsteins<br />
Ministerpräsident Daniel Günther<br />
hat schon einmal ein freundliches<br />
Interview gemeinsam mit Bodo Ramelow<br />
geführt, der frühere sächsische<br />
Ministerpräsident Kurt Biedenkopf<br />
hat Sympathien für den ersten<br />
Regierungschef der Linkspartei erkennen<br />
lassen. Ziemiak sagt, es sei<br />
nicht möglich, mit einer Partei zusammenzuarbeiten,<br />
die die DDR<br />
nicht als Unrechtsstaat bezeichnen<br />
wolle.<br />
In der Union beginnt nun die Suche<br />
nach Gründen. Den Ministerpräsidenten-Bonus<br />
des Linkspartei-<br />
Politikers Bodo Ramelow führt Ziemiak<br />
an. Er lobt Spitzenkandidat<br />
Mike Mohring, der wacker gekämpft<br />
habe, erst gegen seine Krebserkrankung<br />
und dann im Landtagswahlkampf.<br />
„Wir kämpfen zusammen,<br />
wir gewinnen zusammen, wir verlieren<br />
zusammen“, sagt Ziemiak noch<br />
und es klingt, als müsse sich da einer<br />
schützend vorMohring stellen.<br />
Der Chef der Jungen Union, Tilman<br />
Kuban, kritisiert den inhaltlichen<br />
Kurs der Bundespartei als<br />
nicht hilfreich. „Wir haben wohl in<br />
den letzten Monaten die falschen<br />
Themen gesetzt“, sagt er. Statt um<br />
Klimaschutz sollte sich die CDU<br />
besser um Agrarpolitik und die Anbindung<br />
des ländlichen Raums<br />
kümmern.<br />
Tatsächlich allerdings dürften<br />
sich die Blicke in der CDU eher auf<br />
die Parteivorsitzende Annegret<br />
Kramp-Karrenbauer richten. Ihre<br />
Führungskraft wirdinder CDU nach<br />
einer Fehlerserie infrage gestellt. ihre<br />
Gegner werden eine weitere Niederlage<br />
bei einer Landtagswahl (nach<br />
BrandenburgimSeptember) zu nutzen<br />
wissen: Kramp-Karrenbauers<br />
Nimbus als Wahlsiegerin, den sie im<br />
Saarland erworben hat, ist zumindest<br />
angekratzt –das ist ein entscheidendes<br />
Kriterium, wenn es um die<br />
Kanzlerkandidatenfrage geht. Der<br />
Sieg der CDU in Sachsen wurde als<br />
persönlicher Erfolg des Spitzenkandidaten<br />
Michael Kretschmer eingeordnet.<br />
Hoffen auf den Erfolg<br />
„Meine Idee ist, das<br />
Land wieder zusammenzuführen.<br />
Wahrscheinlich<br />
kann man das sogar<br />
mit drei Partnern<br />
in einer Viererkonstellation<br />
gut machen.“<br />
Mike Mohring,<br />
CDU-Spitzenkandidat<br />
Die FDP um Spitzenkandidat Thomas Kemmerich hat in Thüringen einen explizit ostdeutschen Wahlkampf geführt<br />
zwei anderen ostdeutschen Bundesländern,<br />
Brandenburg und Sachsen,<br />
war die Partei Anfang September an<br />
der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert.<br />
Auch das bundesweite Ergebnis von<br />
gerade mal 5,4 Prozent bei der Europawahl<br />
im Mai war für die FDP ernüchternd.<br />
Der FDP-Chef Lindner<br />
musste jetzt also auf einen Erfolg in<br />
Thüringen hoffen.<br />
Für Lindner war das wichtig, weil<br />
seine Allmacht in der FDP mindestens<br />
seit einigen Monaten bröckelt.<br />
Er war in den eigenen Reihen lange<br />
Zeit der gefeierte Superstar, der die<br />
Partei in der außerparlamentarischen<br />
Opposition am Leben gehalten<br />
hatte. Erhat die Partei zurück in<br />
den Bundestag geführt–und bekam<br />
dafür viel Dankbarkeit und Loyalität.<br />
Doch seit die FDP unter seiner Führung<br />
die Jamaika-Verhandlungen<br />
nach der Bundestagswahl beendet<br />
hat, sind Erfolge für die Partei rar.<br />
In Thüringen kämpfte der 54<br />
Jahre alte Unternehmer Thomas<br />
Kemmerich um Aufmerksamkeit für<br />
seine mitgliederschwache Partei –<br />
und das durchaus originell. „Endlich<br />
eine Glatze, die in Geschichte aufgepasst<br />
hat“: Mit diesem Slogan ließ<br />
der Spitzenkandidat, der Besitzer einer<br />
Friseurkette ist, dem es aber<br />
selbst an Haaren fehlt, sein Bild plakatieren.<br />
Oder, genauer gesagt: das<br />
Bild seines Hinterkopfes.<br />
Kemmerich hatte ein Programm<br />
vorgelegt, das auf die Wähler in den<br />
ostdeutschen Ländern zugeschnitten<br />
ist. Er legte den Fokus auf Kernthemen<br />
wie dieWirtschaftspolitik. In<br />
der Migrationspolitik warnte er vor<br />
einer moralisierenden Debatte.Darüber<br />
hinaus trat er für bessereBeziehungen<br />
zu Russland ein.<br />
„Wenn die FDP ins Parlament<br />
kommt, haben Rot-Rot-Grün und<br />
Ramelow definitiv keine Mehrheit<br />
Welche Partei wählten die ...<br />
Frauen Männer<br />
in Prozent<br />
SPD<br />
CDU<br />
Grüne<br />
Linke<br />
FDP<br />
AfD<br />
6<br />
5<br />
8<br />
7<br />
6<br />
6<br />
17<br />
24<br />
20<br />
32<br />
28<br />
28<br />
BLZ/HECHER; QUELLE: FORSCHUNGSGRUPPE WAHLEN<br />
UndMohring hat sich zwar gegen<br />
Personaldebatten gewendet, aber<br />
wie Kretschmer wiederholt deutlich<br />
gemacht, dass er aus der großen Koalition<br />
in Berlin zu wenig Rückenwind<br />
bekomme.<br />
Die Wahl kann also bestehende<br />
tektonische Risse in der CDU weiten.<br />
Mag sein, dass Kramp-Karrenbauer<br />
bereits überlegt, wie sie die überbrückt:<br />
Sie hat ihre Regierungspartner<br />
immer mal wieder überrascht –<br />
mit einem Rausschmiss im Saarland,<br />
mit einemVorstoß in der Syrien-Politik<br />
gerade in der vergangenenWoche<br />
die Groko.<br />
Treffen mit Merkel<br />
In der SPD, die inzwischen deutlich<br />
unter zehn Prozent liegt, ist es an<br />
diesem Abend die verbliebene kommissarische<br />
Vorsitzende Malu<br />
Dreyer, die ihr Entsetzen zum Ausdruck<br />
bringt.<br />
Kleinere Beben sind das, aber<br />
noch kein Beben der großen Koalition,<br />
wo an diesemWochenende zunächst<br />
viele erleichtert aufgeseufzt<br />
hatten, weil bei der Vorentscheidung<br />
über den SPD-Parteivorsitz<br />
nicht die expliziten Gegner der großen<br />
Koalition gewonnen hatten.<br />
Aber viele kleine Beben können sich<br />
addieren.<br />
Für den Abend hatten sich die<br />
Unions-Spitzen nach Angaben aus<br />
der Partei zu einemTreffen mit Kanzlerin<br />
Angela Merkel verabredet.<br />
mehr“, hatte Kemmerich vor der<br />
Wahl gesagt. Es war dieselbe Botschaft,<br />
die auch Christian Lindner<br />
bei Auftritten in Thüringen immer<br />
wieder herausgestellt hatte: Eine<br />
Stimme für die FDP sei mit Blick auf<br />
die Mehrheitsverhältnisse wichtiger<br />
als eine für die CDU. DieFDP,die eigentlich<br />
nie mehr ein Anhängsel von<br />
irgendwem sein wollte, hat in Thüringen<br />
unter der Regie des Parteivorsitzenden<br />
Lindner so stark taktisch<br />
um Wähler geworben wie lange<br />
nicht mehr.<br />
Am Wahlabend wird Kemmerich<br />
gefragt, ob die FDP im Fall ihres Einzugs<br />
ins Parlament angesichts der<br />
schwierigen Mehrheitsverhältnisse<br />
auch für eine Regierung mit der Linken<br />
bereitstünde.Erschließt das aus.<br />
Kemmerich ergänzt, eine Minderheitsregierung<br />
könne im Parlament<br />
von Fall zu Fall nach vernünftigen<br />
Mehrheiten suchen.
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019 3 **<br />
·························································································································································································································································································<br />
Wahl in Thüringen<br />
Triumph und Tränen: Während die SPD auf einen historischen Tiefstand absackte, feierte AfD-Spitzenkandidat BjörnHöckeden Erfolg seiner Partei (Mitte). Der Sieger des Abends Bodo Ramelow (rechtes Bild) freut sich mit seiner Ehefrau Germana Alberti vom Hofe. DPA (3)<br />
Einer der Ersten, die am<br />
Sonntag den Kopf durch<br />
die Tür des Thüringer<br />
Landtages steckten, war<br />
Dietmar Bartsch, derVorsitzende der<br />
Linksfraktion im Bundestag. Er<br />
strahlte. Und seine Worte spiegelten<br />
das Strahlen wider.Das Ergebnis der<br />
Thüringer Linken unter Führung<br />
von Bodo Ramelow sei „grandios“,<br />
sagte er.Ja, es sei„sensationell“. Erstmals<br />
sei die Linke stärkste Partei geworden.<br />
Und es gebe überhaupt<br />
keine andere Möglichkeit, als dass<br />
Ramelow Ministerpräsident bleibe.<br />
Landeschefin Susanne Hennig äußerte<br />
sich kurzdarauf ähnlich.Wiees<br />
weiter gehe,müsse man sehen, sagte<br />
sie.Esklang recht frohgemut.<br />
Ganz in der Nähe frohlockte<br />
auch die AfD,die trotz des rechtslastigen<br />
Partei- und Fraktionsvorsitzenden<br />
Björn Höcke noch vor der<br />
CDU auf Platz zwei landete. Unterdessen<br />
machten CDU, SPD und<br />
Grüne lange Gesichter, weil sie verloren<br />
hatten. „Tief durchatmen“,<br />
sagte die sichtlich konsternierte<br />
grüne Spitzenkandidatin Anja Siegesmund,<br />
als sie den Landtag betrat.<br />
Neben der Linken und der AfD<br />
freute sich lediglich die FDP,die anders<br />
als in Brandenburg und Sachsen<br />
darauf hoffen konnte,eswieder<br />
in den Landtag zu schaffen. Mit anderen<br />
Worten: Diesen Wahlabend<br />
auf einen Nenner zu bringen, ist unmöglich.<br />
Unterm Strich war das Ergebnis<br />
zweigeteilt.<br />
Die AfD will 50 Prozent<br />
Auf der einen Seite war da die AfD,<br />
deren Ergebnis alle anderen mehr<br />
oder weniger schockierte. Sie feierte<br />
in Erfurt ganz oben –ineiner Gaststätte<br />
mit Biergarten in schönster<br />
Hanglage. Und das, obwohl ihr Ergebnis<br />
auf den zweiten Blick gar<br />
nicht so gut ist, wie es auf den ersten<br />
Blick scheint. Zwar wurde die 20-<br />
Prozent-Marke deutlich übertroffen,<br />
die erhofften 25 Prozent wurden jedoch<br />
ebenso deutlich verfehlt. Für<br />
eine rauschende Feier war dennoch<br />
alles vorbereitet. Statt Mettigel und<br />
Bier gab es Carpaccio, Tomaten-<br />
Mozzarella-Salat und Prosecco.<br />
Denn das Hanglokal ist ein Italiener.<br />
Ausländischer Einfluss, wenn er europäisch<br />
und gehaltvoll ist, wirdhier<br />
gerne angenommen.<br />
Um mit Höcke zu feiern, waren<br />
alle nach Erfurt gekommen, die im<br />
unter Rechtsextremismus-Verdacht<br />
stehenden „Flügel“ und in der AfD<br />
des Ostens Rang und Namen haben:<br />
Parteichef Alexander Gauland, Brandenburgs<br />
Landeschef Andreas Kalbitz,<br />
Frank Pasemann, Bundesvorstandsmitglied<br />
aus Magdeburg. Aus<br />
Sachsen kamen Landeschef Jörg Urban<br />
und Tino Chrupalla, Wunschkandidat<br />
der Ostverbände auf die<br />
Gauland-Nachfolge. Im Publikum,<br />
neben den Thüringer Lokalgrößen,<br />
saßen einige junge Männer aus dem<br />
Dunstkreis der „Identitären Bewegung“,<br />
die beim Verfassungsschutz<br />
definitiv als rechtsextrem gilt.<br />
Die Koalitionsfrage wird kompliziert in Erfurt.<br />
Die Linkspartei unter Ministerpräsident Bodo Ramelow<br />
bleibt stark. Stark genug für eine Minderheitsregierung?<br />
Höcke und die Parteigrößen<br />
drängten sich Punkt 18 Uhr auf die<br />
kleine Bühne im Wintergarten.<br />
„Heute vollenden wir die Wende“,<br />
rief der Höcke-Vertraute und Bundestagsabgeordnete<br />
Jürgen Pohl.<br />
Höcke jubelte kaum, als die 24 Prozent<br />
der ersten Prognose über den<br />
Fernseher flimmerten. Vielmehr beschwerte<br />
er sich über die Kritik an<br />
ihm. „Noch nie wurden ein Kandidat<br />
und eine Partei so diffamiert“, sagte<br />
Höcke.Über dasWahlergebnis verlor<br />
er kaum ein Wort, sondern schaute<br />
weit nach vorn. „Das nächste Mal<br />
holen wir die absolute Mehrheit“,<br />
rief der Mann, vor dem sich weite<br />
Teile der Republik fürchten.<br />
Am schärfsten war unterdessen<br />
nicht Höcke, sondern der wahre<br />
Chef des „Flügels“, Andreas Kalbitz.<br />
Er rief: „Wir jagen dieses inländerfeindliche<br />
Establishment. Auch im<br />
Westen holen wir uns die Stimmen,<br />
die wir brauchen.“ Partei-Senior<br />
Gauland nutzte den knappen Vorsprung<br />
der AfD vor der geschwächten<br />
CDU, um gegen die Konservativen<br />
zutreten. „Die CDU muss sich<br />
überlegen, ob sie weiter mit Sozial-<br />
Was<br />
geht<br />
VonMarkus Decker und JanSternberg<br />
Landtagswahlen in Thüringen<br />
an 100 %fehlend =andere Parteien, ARD-Hochrechnung 23.02 Uhr<br />
45,4 42,6<br />
29,6<br />
51,0<br />
22,8<br />
21,3<br />
16,6<br />
18,5<br />
9,7<br />
9,3 4,5<br />
6,5 1,9<br />
3,2<br />
1,1<br />
1990 1994 1999<br />
43,0<br />
26,1<br />
14,5<br />
4,5<br />
3,6<br />
2004<br />
31,2<br />
27,4<br />
18,5<br />
7,6<br />
6,2<br />
2009<br />
33,5<br />
28,2<br />
12,4<br />
demokraten und Grünen zusammenarbeiten<br />
oder mit der einzig<br />
wahren Volkspartei regieren will –<br />
der AfD“, sagte er.<br />
Die Realität ist den AfD-Größen<br />
im Ristorante nicht genug. Wieder<br />
einmal zweitstärkste Kraft, wieder<br />
einmal keine Regierungsoption, davon<br />
kann man sich nichts kaufen.<br />
Dasweiß auch Sachsen-Chef Urban.<br />
„Eine Regierungsbeteiligung gibt es<br />
für uns nur, wenn wir deutlich<br />
stärkste Kraft werden“, sagte er.Gauland<br />
gab als Fernziel aus: „50,1 Prozent<br />
für die AfD“, also die absolute<br />
Mehrheit. Das, so glauben hier viele,<br />
wärenur mit einer radikalen Höcke-<br />
Linie zu erreichen.<br />
Aufder anderen Seite,jenseits der<br />
AfD stehen alle anderen Parteien, die<br />
mit dem Wahlergebnis irgendwie<br />
umgehen müssen. Leicht wird das<br />
nicht. In Thüringen ist guter Ratjetzt<br />
ziemlich teuer.<br />
Klar,zunächst zieht jede Partei für<br />
sich allein Bilanz. Bodo Ramelow<br />
darf sich als Winfried Kretschmann<br />
des Ostens fühlen –als einer, der es<br />
2014 als erster Linker überhaupt vermochte,<br />
Ministerpräsident zu wer-<br />
10,6<br />
5,7<br />
2,5<br />
2014 2019<br />
31,0 %<br />
23,4 %<br />
21,8 %<br />
8,2 %<br />
5,2 %<br />
5,0 %<br />
BLZ/GALANTY; QUELLE: LANDESWAHLLEITER<br />
den und der es in den fünf folgenden<br />
Jahren überdies vermochte, anPopularität<br />
noch zuzulegen, um diese<br />
Popularität auf die Mühlen seiner<br />
Partei zu lenken. Die Stimmung bei<br />
der linken Wahlparty war denn auch<br />
enthusiastisch. So viel zu feiern hat<br />
die Partei sonst nie. Neben Bartsch<br />
war Parteichefin Katja Kipping im<br />
ICE nach Erfurtgekommen.<br />
Die Sozialdemokraten sind in<br />
Thüringen ohnehin ziemlich ernüchtert;<br />
mit großen Erfolgen rechnen<br />
sie da schon lange nicht mehr.<br />
Anders als die Grünen, die nach<br />
Brandenburgund Sachsen die dritte<br />
unerwartete Schlappe hinnehmen<br />
mussten und sogar um den Einzug in<br />
den Landtag bangten. Dergrüne Höhenflug<br />
ist fraglos vorüber. Die<br />
Bäume wachsen nicht in den Himmel.<br />
Die CDU unter ihrem Spitzenmann<br />
Mohring muss sich schließlich<br />
fragen, woran es liegt, dass sie von<br />
der absoluten Mehrheit früherer<br />
Tage weiter entfernt ist denn je.<br />
Allesamt stehen sie seit Sonntagabend<br />
vordem Problem, eine Regierung<br />
bilden oder sie aus nachvollziehbaren<br />
Gründen ablehnen zu<br />
müssen. Das wird schwer – auch<br />
wenn Mohring am Sonntagabend<br />
sagte: „Die Regierung Ramelow ist<br />
abgewählt worden.“<br />
Klar ist, was nicht geht. Wasnicht<br />
geht, ist die Fortsetzung von Rot-<br />
Rot-Grün –auch wenn alle drei Parteien<br />
das anstrebten. Dazu fehlt die<br />
Mehrheit. Wasgenauso wenig geht,<br />
ist die nach den Nationalfarben des<br />
afrikanischen Staates benannte<br />
„Simbabwe“-Koalition aus CDU,<br />
SPD,Grünen und FDP.Dazu sind alle<br />
vier Parteien zu schwach.<br />
Denkbar ist hingegen eine rotrot-grüne<br />
Minderheitsregierung mit<br />
Ramelow ander Spitze. Sie müsste<br />
sich für den nächsten Haushalt oder<br />
bestimmte Gesetze jeweils die Unterstützung<br />
anderer Parteien suchen.<br />
Denkbar waren am Sonntagabend<br />
ebenfalls die Erweiterung von<br />
Rot-Rot-Grün um die FDP oder ein<br />
Bündnis aus Linker und CDU. Die<br />
erste Variante schloss am Sonntag<br />
aber der FDP-Vorsitzende Christian<br />
Lindner aus, die zweite Variante<br />
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak.<br />
Gewiss ist damit lediglich, dass<br />
sich Ramelow trotz Verlusts der<br />
Mehrheit in einer relativ komfortablen<br />
Situation befindet. Das hängt<br />
mit seiner Popularität zusammen.<br />
Ramelow sei „eine Nummer geworden“,<br />
sagte Bartsch am Sonntag.<br />
Hinzu kommt die Landesverfassung,<br />
deren Artikel 75 lautet: „Der Ministerpräsident<br />
und auf sein Ersuchen<br />
die Minister sind verpflichtet, die<br />
Geschäfte bis zum Amtsantritt ihrer<br />
Nachfolger fortzuführen.“ Diese Verfassung<br />
stärkt den Amtsinhaber<br />
enorm.<br />
Keine Frist für Regierungsbildung<br />
Ramelow hatte darauf erst kürzlich<br />
gegenüber der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
(Redaktionsnetzwerk Deutschland)<br />
hingewiesen, als er sagte: „Es gibt bei<br />
uns keine Vorschrift, in welcher Frist<br />
der Ministerpräsident gewählt werden<br />
muss, sondern der Ministerpräsident<br />
wirddann gewählt, wenn eine<br />
Fraktion den Antrag dazu stellt.“<br />
Eine nach der Wahl einstweilen weiter<br />
amtierende Landesregierung sei<br />
darum „auch keine Minderheitsregierung<br />
oder eine geschäftsführende<br />
Regierung“, sondern „einfach die<br />
Landesregierung“, fuhr Ramelow<br />
fort. DerHaushalt für 2020 ist bereits<br />
beschlossen. Der Regierungschef<br />
hätte unter anderem aus diesem<br />
Grundvor allem eines: Zeit.<br />
In der Linken hat das Modell einer<br />
Minderheitsregierung einige Sympathisanten,<br />
wie am Sonntag verlautete.<br />
Verwunderlich ist das nicht.<br />
Schließlich wollen sie ihren bundesweit<br />
bisher einzigen Ministerpräsidenten<br />
nicht verlieren. Erst mal<br />
werdeinder Regierung alles bleiben,<br />
wie es ist, hieß es. Ganz nach dem<br />
Motto: Erst schaun mer mal, und<br />
dann seh’n mer schon.<br />
Man sieht: In Thüringen geht es<br />
spannend zu. Und nach der Wahl<br />
wird esvielleicht noch spannender<br />
als vorher.<br />
IN KÜRZE<br />
Feueralarm.<br />
Zwei Feuer-Fehlalarme im Rathaus<br />
vonErfurthaben die Stimmenauszählung<br />
verzögert. Nach Angaben<br />
vonLandeswahlleiter und Feuerwehr<br />
hatte die automatische Meldeanlage<br />
erst gegen 20.00 Uhrund<br />
dann noch einmal gegen 21.45 Uhr<br />
angeschlagen. DieFeuerwehr rückte<br />
an, gab aber in beiden Fällen Entwarnung.<br />
Sollte die CDU eine Koalition<br />
mit der Linkspartei weiter ausschließen?<br />
in Prozent<br />
Weiter ausschließen<br />
Neu entscheiden<br />
Alle Wähler<br />
CDU-Wähler<br />
Erstwähler.<br />
Unter den 1,7 Millionen Wahlberechtigten<br />
waren auch rund 75 000<br />
Thüringer,die zum ersten Malwählen<br />
konnten.<br />
Olympiasieger verliert.<br />
Biathlon-Olympiasieger Frank Ullrich<br />
hat bei der Landtagswahl in<br />
Thüringen am Sonntag als SPD-Direktkandidat<br />
knapp gegen den AfD-<br />
Bewerber René Aust verloren. Aust<br />
erreichte im Südthüringer Wahlkreis<br />
Schmalkalden-Meiningen II 24,2<br />
Prozent und lag damit 220 Stimmen<br />
vorUllrich, der auf 23,3 Prozent kam.<br />
Tiefensee.<br />
Thüringens SPD-VorsitzenderWolfgang<br />
Tiefensee hat personelle Konsequenzen<br />
in der Führung seiner Partei<br />
ausgeschlossen.„Nein, das sehe ich<br />
nicht“, sagte er.Die SPD sei imWahlkampf<br />
in einzigartigerWeise geschlossen<br />
aufgetreten. Nungelte es,<br />
mit dem vorhandenen Team die Landespartei<br />
ebenso wie die Bundespartei<br />
wieder aus dem Talzuführen.<br />
Thüringen Wählerwanderung<br />
der Nichtwähler (200 000) zu:<br />
14 000<br />
13 000<br />
4000<br />
4000<br />
25<br />
28<br />
33 000<br />
47 000<br />
80 000 AfD<br />
Linke<br />
CDU<br />
SPD<br />
FDP<br />
69<br />
68<br />
BLZ/HECHER; QUELLE: INFRATEST DIMAP<br />
Grüne<br />
Andere<br />
BLZ/HECHER; QUELLE: INFRATEST DIMAP
4* <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019<br />
·························································································································································································································································································<br />
Politik<br />
NACHRICHTEN<br />
Verheiratete Männer<br />
könnten Priester werden<br />
DieBischofssynode im Vatikan hat<br />
sich für die umstrittene Priesterweihe<br />
verheirateter Männer ausgesprochen<br />
–allerdings nur in Ausnahmefällen<br />
und nur für eine bestimmte<br />
Region. Im Amazonas-Gebiet sollen<br />
angesehene Männer,die eine Familie<br />
haben und schon als Diakone tätig<br />
sind, auch Priester werden dürfen.<br />
Zugleich stellte Papst Franziskus<br />
eine neue Diskussion über Frauen in<br />
WeiheämterninAussicht. (dpa)<br />
Waffenrecht soll nach<br />
Anschlag verschärft werden<br />
Diegeplante Verschärfung des Waffenrechts<br />
nach dem rechtsextremen<br />
Anschlag vonHalle soll nach Angaben<br />
vonBundesjustizministerin<br />
Christine Lambrecht (SPD) auch die<br />
vonihr geforderte Regelanfrage<br />
beim Verfassungsschutz vorder Vergabe<br />
eines Waffenscheins enthalten.<br />
„Die Verfassungsschutzbehörden<br />
müssen künftig gefragt werden, bevorWaffenerlaubnisse<br />
erteilt werden“,<br />
sagte Lambrecht der Welt am<br />
Sonntag. „Waffen gehören nicht in<br />
die Hände vonExtremisten.“ (AFP)<br />
Großdemonstrationen<br />
spalten Barcelona<br />
Rund 80 000 Menschen demonstrierten<br />
in Barcelona für die Einheit Spaniens. AP<br />
BeiGroßdemonstrationen für und<br />
gegen die Unabhängigkeit Kataloniens<br />
sind am Wochenende wieder<br />
hunderttausende Menschen auf die<br />
Straße gegangen. An einer Demonstration<br />
der Unabhängigkeitsbefürworter<br />
nahmen am Sonnabend in<br />
Barcelona rund 350 000 Menschen<br />
teil, an einer Gegenkundgebung am<br />
Sonntag rund 80 000 Anhänger der<br />
staatlichen Einheit Spaniens. (AFP)<br />
Polizei: Vietnamesen unter<br />
den 39 Toten im Container<br />
Beider Aufklärung des Todes von39<br />
Menschen in einem Lkw-Anhänger<br />
konzentriertsich die britische Polizeinun<br />
auf das Herkunftsland Vietnam.<br />
Dies sagte Martin Passmore<br />
vonder Polizei Essex, zuständig für<br />
die Identifizierung der Opfer.Andere<br />
Herkunftsländer kämen jedoch weiter<br />
auch in Frage.Die Polizei hatte<br />
zunächst erklärt, es handele sich bei<br />
den Toten um Chinesen. DieIdentifizierung<br />
der Leichen wirdlaut Polizeimöglicherweise<br />
dadurch erschwert,<br />
dass Verwandte der Opfer<br />
selbst illegal in Großbritannien leben<br />
und Angst haben, sich bei der<br />
Polizei zu melden. (dpa)<br />
Menschenkette für die<br />
Einheit des Libanon<br />
Zehntausende Libanesen haben am<br />
Sonntag eine Menschenkette durch<br />
das Land gebildet, um ein Zeichen<br />
für die nationale Einheit des Landes<br />
zu setzen. VonTripoli im Norden des<br />
Landes bis TyrosimSüden hielten<br />
sich schätzungsweise 100 000 Menschen<br />
über eine Strecke von170 Kilometernanden<br />
Händen. In Beirut,<br />
dem Hauptortder anhaltenden Proteste,sangen<br />
viele laut die Nationalhymne.Die<br />
Proteste hatten sich am<br />
17. Oktober an der Ankündigung der<br />
Regierung entzündet, WhatsApp-<br />
Anrufe zu besteuern. (AFP)<br />
Ein ausgebranntes Autowrack in der Nähe des Dorfes Barisha im Nordwesten Syriens. Hier starben Berichten zufolge neun Menschen bei einem türkischen Helikopter-Angriff. AFP<br />
USA melden Tötung des IS-Anführers<br />
Kämpfe in der nordsyrischen Sicherheitszone /Außenminister Maas reist in die Türkei und nach Libyen<br />
Während Außenminister<br />
Heiko Maas (SPD)<br />
am Wochenende<br />
gleich mehrere Reisen<br />
in die Krisenländer rund ums Mittelmeer<br />
unternahm, schufen die Amerikaner<br />
Fakten: Bei einem US-Militäreinsatz<br />
in Syrien wurde der Anführer<br />
der Dschihadistenmiliz Islamischer<br />
Staat (IS), Abu Bakr<br />
al-Bagdadi, getötet.<br />
US-Präsident Donald Trump<br />
sagte am Sonntag bei einer Ansprache<br />
im Weißen Haus, al-Bagdadi<br />
habe während des Angriffs eine<br />
Sprengstoffweste gezündet und so<br />
sich selbst und drei seiner Kinder getötet.<br />
Tests hätten inzwischen bestätigt,<br />
dass es sich bei dem Toten um<br />
al-Bagdadi handle. Nach Angaben<br />
Trumps wurde bei dem Militäreinsatz<br />
eine „große Zahl“ vonIS-Kämpfern<br />
und Begleitern al-Bagdadis getötet.<br />
Verluste unter den US-Soldaten<br />
habe es nicht gegeben.<br />
Laut Schilderung des US-Präsidenten<br />
waren acht US-Hubschrauber<br />
an dem Ortgelandet, wo sich al-<br />
Bagdadi aufhielt. Der IS-Chef sei<br />
daraufhin in einen Tunnel geflüchtet,<br />
wobei er drei seiner kleinen Kinder<br />
mit sich „gezerrt“ habe. Dann<br />
habe er die Sprengstoffweste detonieren<br />
lassen. Die US-Soldaten hielten<br />
sich laut Trump etwa zwei Stunden<br />
in dem Anwesen auf. Dabei hätten<br />
sie wichtiges Material gefunden,<br />
darunter über die „Zukunftspläne“<br />
des IS. DerAufenthaltsortdes bereits<br />
mehrfach für tot erklärten IS-Chefs<br />
war unbekannt. Mit dem von den<br />
USA ausgesetzten Kopfgeld von 25<br />
Millionen Dollar (rund 22 Millionen<br />
Euro) ist al-Bagdadi einer der meistgesuchtenTerroristen<br />
derWelt gewesen.<br />
Zuletzt hatte der IS im April ein<br />
Video mit al-Bagdadi verbreitet, in<br />
dem er dem Westen mit Angriffen<br />
drohte.<br />
Der Kommandeur der Syrischen<br />
Demokratischen Kräfte (SDF), Maslum<br />
Abdi, lobte auf Twitter, den „gelungenen“<br />
Einsatz, der auf eine „gemeinsame<br />
Geheimdienst-Arbeit“<br />
der Kurdenmiliz mit den USA zurückgehe.<br />
Allerdings bestätigte<br />
Abdi den Tod al-<br />
Bagdadis nicht explizit.<br />
Die von der Kurdenmiliz<br />
YPG dominierten SDF<br />
waren bisher der wichtigste<br />
Verbündete der US-<br />
Streitkräfte im Kampf gegen<br />
den IS. Zuletzt geriet<br />
dieses Bündnis allerdings<br />
unter erheblichen Druck.<br />
Trump steht in der Kritik,<br />
weil er die US-Truppen<br />
aus dem nordsyrischen<br />
Grenzgebiet zur Türkei abgezogen<br />
hat. Damit ebnete<br />
er den Wegfür eine türkische Offensive<br />
gegen die YPG in der Region. In<br />
dieser vonder Türkei beanspruchten<br />
Sicherheitszone in Nordsyrien soll es<br />
auch am Sonntag Kämpfe zwischen<br />
türkischen und kurdischen Einheiten<br />
gegeben haben. Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel (CDU) und Erdogan<br />
erörterten am Sonntag in einem<br />
Telefongespräch die Lage im Nordosten<br />
Syriens. Beide wollten „im engen<br />
Kontakt“, teilte die Bundesregierung<br />
mit.<br />
Am Tagzuvor hatte Außenminister<br />
Heiko Maas (SPD) seinen Amtskollegen<br />
Mevlüt Cavusoglu in Ankara<br />
getroffen. Dabei erteilten beide<br />
dem Plan der Bundesverteidigungsministerin<br />
Annegret Kramp-Karrenbauer<br />
für eine UN-Schutzzone in<br />
Nordsyrien eine Abfuhr.<br />
„Also die Diskussion über die Sicherheitszone<br />
in Nordostsyrien hat<br />
in unserem Gespräch weniger Zeit in<br />
Anspruch genommen als hier auf<br />
der Pressekonferenz. Das sagt eigentlich<br />
schon alles“, sagte Maas.<br />
„Überall wird uns gesagt,<br />
das sei kein realistischer<br />
Vorschlag. Und deshalb<br />
haben wir die Zeit genutzt,<br />
uns mit den Themen auseinanderzusetzen,<br />
die<br />
wichtig sind für die Menschen<br />
in Syrien jetzt“, fügte<br />
er hinzu. Cavusoglu sagte,<br />
IS-Anführer:Abu<br />
Bakr al-Bagdadi<br />
AFP<br />
der Vorschlag sei „nicht<br />
realistisch“, da im Nordosten<br />
inzwischen russische<br />
und syrische Regierungstruppen<br />
präsent seien.<br />
Bei dem Gespräch in<br />
Ankarahatte sich Maas um<br />
GroKo oder nicht GroKo, das ist die Frage<br />
Annäherung an die Türkei bemüht.<br />
Er drang erneut auf eine dauerhafte<br />
Waffenruhe für Nordsyrien und<br />
mahnte, die türkische Militärpräsenz<br />
dürfe dortnicht vonDauer sein.<br />
Cavusoglu begrüßte Maas’ Besuch<br />
als „positives Zeichen“ nach der „falschen<br />
und harten Kritik in Deutschland<br />
an der Türkei“.<br />
Scharfe Kritik hat der Auftritt<br />
Maas’ inAnkara inDeutschland hervorgerufen.<br />
„Das ist ein peinlicher<br />
Moment deutscher Außenpolitik“,<br />
sagte der CDU-Außenpolitiker Norbert<br />
Röttgen der Funke Mediengruppe<br />
am Sonntag. „Die Türkei unternimmt<br />
eine völkerrechtswidrige<br />
Invasion in Syrien und der deutsche<br />
Außenminister reist in die Türkei, um<br />
sich bestätigen zu lassen, dass eine<br />
internationale Sicherheitszone unter<br />
UN-Mandat statt türkischer Besatzung<br />
keine gute Idee sei“, so Röttgen.<br />
FDP-FraktionsvizeTheurer sprach<br />
von einem „skandalösen Auftritt“.<br />
Wirtschafts-Staatssekretär Thomas<br />
Bareiß (CDU) wertete den Auftritt als<br />
Zeichen der „Hilflosigkeit“ im Syrien-<br />
Konflikt. Maas’Auftritt sei„stillos und<br />
auch gegen unsere deutschen Interessen“<br />
gewesen, sagte Bareiß dem<br />
Handelsblatt. Unterstützung kam aus<br />
der SPD. Nils Schmid, außenpolitischer<br />
Sprecher der SPD-Fraktion, bezeichnete<br />
die Reise als „wichtigen<br />
Beitrag“ auf der Suche nach einer politischen<br />
Lösung im Syrien-Konflikt.<br />
Kramp-Karrenbauer habe mit ihrem<br />
Vorstoß dagegen „unsere engsten<br />
Verbündeten verstört“ und der Befriedung<br />
des Konflikts einen „Bärendienst“<br />
erwiesen.<br />
Maas traf am Sonntag zu einem<br />
nicht angekündigten Besuch im<br />
nordafrikanischen Bürgerkriegsland<br />
Libyen ein. In dem Küstenort Suara<br />
wollte er Ministerpräsident Fajis al-<br />
Sarradsch treffen, der die international<br />
anerkannte Regierung führt.<br />
Deutschland hat sich diplomatisch<br />
offiziell in dem seit Jahren andauernden<br />
Konflikt bislang zurückgehalten,<br />
gehört aber zu den international<br />
wichtigsten Geldgebern. Unmittelbar<br />
vorder Reise kam es vorder libyschen<br />
Küste bei Suara zueinem Zwischenfall<br />
mit dem deutschen Rettungsschiff„Alan<br />
Kurdi“. (cd., dpa, AFP)<br />
Beim Mitgliedervotum über den SPD-Parteivorsitz setzen sich die Favoriten-Duos durch und ziehen in die Stichwahl ein<br />
VonAndreas Niesmann<br />
Die Spannung war groß, der<br />
Überraschungsfaktor niedrig.<br />
Mit einem erwartbaren Ergebnis ist<br />
die erste Etappe beim Mitgliedervotum<br />
über den SPD-Parteivorsitz zu<br />
Ende gegangen. Die Favoritenduos<br />
KlaraGeywitz und Olaf Scholz sowie<br />
Saskia Esken und Norbert Walter-<br />
Borjans haben das Rennen gemacht.<br />
Sieziehen in die Stichwahl ein.<br />
22,7 Prozent der Stimmen haben<br />
Geywitz und Scholz im ersten Wahlgang<br />
bekommen, 21 Prozent Esken<br />
und Walter-Borjans. Der Abstand ist<br />
gering, in absoluten Zahlen liegen<br />
nur 3500 Stimmen zwischen den<br />
Teams. Die Wahlbeteiligung fällt mit<br />
53 Prozent nicht überwältigend aus.<br />
Es ist 18.20 Uhr amSonnabend,<br />
als SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan<br />
diese Zahlen verkündet. Wobei<br />
Nietan nicht mit den Gewinnern,<br />
sondern mit den Verlieren der Abstimmung<br />
beginnt. Gesine Schwan<br />
und Ralf Stegner sind auf Rang sechs<br />
gelandet, 9,6 Prozent der SPD-Mitglieder<br />
stimmten für das älteste Duo<br />
Siegerduo: Klara Geywitz und Olaf Scholz<br />
bekamen 22,7 Prozent der Stimmen. AFP<br />
im Wettbewerb. Sachsens Integrationsministerin<br />
Petra Köpping und<br />
Niedersachsens Innenminister Boris<br />
Pistorius erreichen mit 14,6 Prozent<br />
Platz fünf, Umweltpolitikerin Nina<br />
Scheer und Gesundheitsexperte Karl<br />
Lauterbach mit ebenfalls 14,6 Prozent<br />
Rang vier. Nur 41 Stimmen liegen<br />
zwischen den beiden Teams.Die<br />
NRW-Landtagsabgeordnete Christina<br />
Kampmann und Außenstaatsminister<br />
Michael Roth kommen mit<br />
16,28 Prozent der Stimmen auf einen<br />
undankbaren dritten Platz. Natürlich<br />
ist die Enttäuschung bei denVerlierern<br />
groß. Ralf Stegner sieht ernst<br />
NorbertWalter-Borjans und Saskia Esken<br />
freuten sich über den zweiten Platz. IMAGO<br />
und blass aus,Karl Lauterbach wirkt<br />
in sich gekehrtund nachdenklich.<br />
Ganz anders die Sieger. Ersei „erleichtert“<br />
gibt Vizekanzler Scholz zu,<br />
das sei ein „guter Ausgangspunkt“ für<br />
den nächsten Wahlgang. Sie freue<br />
sich auf eine sachliche und faireAuseinandersetzung<br />
in der Stichwahl,<br />
sagt SPD-Vorstandsfrau Klara<br />
Geywitz. Beide betonen, dass sie<br />
keine Polarisierung in der Stichwahl<br />
anstreben. „Ich will die SPD zusammenführen,<br />
nicht spalten“, so Scholz.<br />
Gleichwohl wird die Debatte nun<br />
an Schärfe gewinnen. Das zweitplatzierte<br />
Duo, die baden-württembergi-<br />
sche Bundestagsabgeordnete Saskia<br />
Esken und der frühere NRW-Finanzminister<br />
Norbert Walter-Borjans genießen<br />
die Unterstützung von Juso-<br />
Chef und Scholz-Gegner Kevin Kühnert.<br />
Auch inhaltlich liegen zwischen<br />
den beiden Teams Welten. Geywitz<br />
und Finanzminister Scholz stehen für<br />
die Schwarze Null, Walter-Borjans<br />
und Esken wollen unter anderem ein<br />
500 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm<br />
für die Kommunen<br />
durchsetzen.<br />
Unddann ist da noch die GroKo.<br />
Scholz und Geywitz wollen bis zum<br />
Ende der Legislaturperiode mit der<br />
Union regieren. Saskia Esken sagt<br />
recht offen, dass sie das Bündnis beenden<br />
will. Walter-Borjans äußert<br />
sich nicht ganz eindeutig. Das Duo<br />
wird amEnde wohl mit der Forderung<br />
nach einem Austritt aus der<br />
GroKo in die Stichwahl ziehen. Die<br />
SPD hätte dann die Polarisierung, die<br />
Scholz vermeiden will. GroKo oder<br />
nicht GroKo, das wäre die Frage, die<br />
die Mitglieder in der zweiten Abstimmung<br />
zwischen dem 19. und dem 29.<br />
November beantworten müssten.<br />
Wechselt<br />
Gabriel zur<br />
Autoindustrie?<br />
Nach Berichten soll er<br />
Chef des VDA werden<br />
VonThomas Kaufner<br />
Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar<br />
Gabriel ist nach Informationen<br />
der Bild am Sonntag Favorit für<br />
den Chefposten beim Verband der<br />
Automobilindustrie.„Gabriel ist zu 99<br />
Prozent sicher“, zitiertdie <strong>Zeitung</strong> einen<br />
nicht genannten Manager der<br />
Branche.Der ehemalige Vize-Kanzler<br />
sei der Wunschkandidat der Autokonzerne<br />
und der Zulieferer.<br />
Neben Gabriel soll die frühere<br />
CDU-Politikerin Hildegard Müller<br />
im Rennen sein, wie die Frankfurter<br />
Allgemeine Sonntagszeitung am<br />
Wochenende berichtete. Ihr werden<br />
laut Bild am Sonntag aber nur Außenseiterchancen<br />
eingeräumt. „Die<br />
Reihenfolge steht fest“, zitiert das<br />
Blatt informierte Kreise. Details sollen<br />
dem Bericht zufolge in der kommenden<br />
Woche mit Gabriel geklärt<br />
werden. „Sollten keine unüberbrückbaren<br />
Differenzen mit Gabriel<br />
auftreten, wird er der neue Präsident.“<br />
Der Posten des Spitzenlobbyisten<br />
der Autoindustrie muss neu besetzt<br />
werden, nachdem Bernhard Mattes<br />
im September seinen Rückzug zum<br />
Jahresende 2019 angekündigt hatte.<br />
DerfrühereFord-Manager ist erst seit<br />
März 2018 VDA-Präsident, seine<br />
Amtszeit lief eigentlich bis Ende 2020.<br />
Der VDA ist einer der einflussreichsten<br />
Lobbyverbände in<br />
Deutschland, die Autobranche mit<br />
mehr als 800 000 direkt Beschäftigten<br />
eine Schlüsselindustrie. Der Verband<br />
gilt als schwer zu führen, weil er die<br />
verschiedenen Interessen der Hersteller<br />
sowie der Zulieferer unter einen<br />
Hut bringen muss. Ihm wird zudem<br />
eine große Nähe zur Politik<br />
nachgesagt. Die Autoindustrie war<br />
wegen des Dieselskandals schwer unter<br />
Druck geraten.Weiteregroße Themen<br />
sind die Klimadebatte und der<br />
angepeilte Umbau des Autoverkehrs<br />
in Richtung E-Mobilität.<br />
Ist im Gespräch als nächster Chef-Lobbyist<br />
der Autobranche.<br />
DPA<br />
Laut Bild am Sonntag erhofft sich<br />
die Branche von Gabriel angesichts<br />
dieser Problemlagen „wieder mehr<br />
politisches und gesellschaftliches<br />
Gehör“. Gabriel war zuletzt bis März<br />
2018 Außenminister, davor Chef des<br />
Wirtschaftsressorts in Berlin –und<br />
hatte als Ministerpräsident des Autolandes<br />
Niedersachsen auch einen<br />
Sitz im Aufsichtsrat bei Volkswagen.<br />
Gabriel ist derzeit noch Abgeordneter<br />
des Bundestages für den Wahlkreis<br />
Salzgitter-Wolfenbüttel, wird<br />
sein Bundestagsmandat aber zum 1.<br />
November abgeben, wie er Ende<br />
September angekündigt hatte.<br />
Mit rechtlichen Problemen muss<br />
Gabriel nicht rechnen: Das Bundesministergesetz<br />
sieht lediglich vor,<br />
dass Mitglieder der Bundesregierung<br />
innerhalb der ersten 18 Monate<br />
nach ihrem Ausscheiden Tätigkeiten<br />
außerhalb des öffentlichen Dienstes<br />
anzeigen müssen.<br />
In der SPD hieß es am Wochenende<br />
lediglich, man wolle Spekulationen<br />
nicht kommentieren. Kritische<br />
Stimmen kamen von der Linken<br />
im Bundestag: „Wenn ein Ex-<br />
Wirtschaftsminister 2,5 Jahre später<br />
Chef-Autolobbyist werden soll, hat<br />
das einen üblen Beigeschmack“,<br />
schrieb Linken-Fraktionschef Dietmar<br />
Bartsch im Kurznachrichtendienst<br />
Twitter. (dpa)
6 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019<br />
·························································································································································································································································································<br />
Wirtschaft<br />
NACHRICHTEN<br />
Nach Brexit keine<br />
höheren Handytarife<br />
Reisende mit deutschem Handyvertrag<br />
surfen unabhängig vomAusgang<br />
des Brexit-Dramas auch in Zukunft<br />
ohne Zusatzkosten in Großbritannien<br />
mit dem Smartphone im<br />
Internet. Diedreigrößten deutschen<br />
Mobilfunkanbieter teilten auf Anfrage<br />
mit, dass sie auch nach einem ungeregelten<br />
EU-Austritt dortzumindest<br />
vorerst keine sogenannten<br />
Roaminggebühren erheben werden.<br />
Solche Tarifaufschläge sind in den<br />
meisten Staaten außerhalb der EU<br />
üblich. Eine Sprecherin vonTelefónica<br />
sagte allerdings,dass sich bei<br />
Großbritannien nur „für eine Übergangszeit<br />
bis zum 31. Dezember<br />
2020“ nichts ändere. (dpa)<br />
Altmaier stellt<br />
Cloud „Gaia X“ vor<br />
Bundeswirtschaftsminister Peter<br />
Altmaier (CDU) will am Dienstag<br />
seine Pläne für eine europäische Datencloud<br />
präsentieren. Damit soll<br />
eine „leistungs- und wettbewerbsfähige,sichereund<br />
vertrauenswürdige<br />
Dateninfrastruktur für Europa“ geschaffen<br />
werden, heißt es in einem<br />
Papier des Wirtschaftsministeriums<br />
und der beteiligten Akteure. Nach<br />
Angaben des Ministeriums will Altmaier<br />
das Projekt unter dem Namen<br />
„Gaia X“ auf dem Digitalgipfel in<br />
Dortmund vorstellen. Unternehmen<br />
und Organisationen in Europa setzenbei<br />
ihren Cloudanwendungen<br />
bisher vorallem auf Anbieter aus<br />
den USA. (dpa)<br />
Weihnachtseinkauf ist<br />
für jeden Zweiten Stress<br />
An alles gedacht?Ein Mann beim<br />
Geschenkekauf. FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA<br />
Jeder zweite Verbraucher in<br />
Deutschland fühlt sich beim Weihnachtseinkauf<br />
gestresst. Vorallem<br />
fehlende Geschenkideen verderben<br />
vielen Bundesbürgerndie Festtagslaune.Das<br />
geht aus einer Umfrage<br />
der Analysefirma Periscope By<br />
McKinsey hervor. Immerhin 42 Prozent<br />
der befragten Verbraucher klagten<br />
darüber,gelegentlich nicht zu<br />
wissen, was sie kaufen sollen. Doch<br />
auch die Schwierigkeit, bestimmte<br />
Produkte aufzutreiben, und das Gedränge<br />
in den Geschäften verderben<br />
vielen die Festtagsfreude.Gut jeder<br />
Fünfte macht sich außerdem noch<br />
Sorgen, wie er denn das Geld für all<br />
die Geschenke zusammenbekommen<br />
soll. (dpa)<br />
GM-Mitarbeiter<br />
beenden Streik<br />
DerStreik beim größten US-Autobauer<br />
General Motors (GM) findet<br />
nach 40 Tagen ein Ende.Die Mitarbeiter<br />
haben einem neuen Tarifvertragzugestimmt,<br />
wie die Autogewerkschaft<br />
UAWmitteilte.Deshalb<br />
werdeder längste Ausstand in der<br />
US-Autoindustrie seit fast 50 Jahren<br />
beendet. Zahlreiche Beschäftigte<br />
des US-Autokonzerns hatten am 16.<br />
September nach gescheiterten Verhandlungen<br />
die Arbeit niedergelegt.<br />
Dernun erzielte Kompromiss sieht<br />
deutlich mehr Gehalt und erhebliche<br />
Boni vor. Zudemsicherte GM<br />
zu, mit milliardenschweren Investitionen<br />
Tausende US-Jobs zu erhalten.<br />
(dpa)<br />
Wasdie Kfz-Versicherung günstig macht<br />
Bis zum 30. November können Autobesitzer wechseln –wer gute Chancen auf bessere Konditionen hat<br />
Von Theresa Dräbing<br />
JedesJahrimHerbstsenkenKfz-<br />
Versicherer die Tarife für Neukunden.<br />
Bei den allermeisten<br />
Verträgen endet die Kündigungsfrist<br />
am 30. November.<br />
Mit günstigen Policen wollen Versicherer<br />
viele Wechselwillige anwerben.<br />
Autofahrer haben also gute<br />
Chancen, im kommenden Jahr ein<br />
wenig Geld zu sparen. Wer bisher<br />
einen eher teuren Tarif hatte, kann<br />
seinen Beitrag bei einem Wechsel<br />
womöglich deutlich senken.<br />
Zwar warnt der Bundesverband<br />
der Versicherten davor, nicht blind<br />
zum günstigsten Tarifzugreifen und<br />
genauso auf die Leistung zu achten,<br />
doch auch für die gleiche Leistung<br />
gibt es Spielraum beim Preis.Wie viel<br />
Autofahrer für eine Kfz-Versicherung<br />
zahlenmüssen,hängtnebendemallgemeinen<br />
Preisnachlass zur Wechselsaison<br />
nicht unwesentlich voneinigen<br />
individuellen Faktoren ab.<br />
Neben Alter,Wohnortund Fahrzeugmodell<br />
gibt es beispielsweise auch<br />
Tarife, die den Preis von der Anzahl<br />
der gefahrenen Kilometer abhängig<br />
machen oder vomFahrstil.<br />
Kilometeranzahl<br />
Autofahrer,dieimJahrnurwenigeKilometer<br />
zurücklegen, können davon<br />
preislich profitieren. So gibt es Policen,<br />
in denen sich die Versicherungssumme<br />
danach richtet, wie viele Kilometer<br />
tatsächlich gefahren werden.<br />
Laut einer aktuellen Untersuchung<br />
des Verbraucherratgebers „Finanztip“<br />
seien einige Tarife bei<br />
2000 Jahreskilometern teilweise<br />
deutlich günstiger als herkömmliche<br />
Tarife gewesen. „Bei 5000 Kilometern<br />
war der Preisvorteil aber meist schon<br />
dahin“, sagte Kathrin Gotthold, Versicherungsexpertin<br />
bei „Finanztip“.<br />
Um einen solchen Tarifnutzen zu<br />
können, benötigt das Auto allerdings<br />
einen sogenannten OBD2-Anschluss,<br />
mit dessen Hilfe die Anzahl<br />
der tatsächlich gefahrenen Kilometer<br />
an den Versicherer übertragen<br />
wird. Die Anschlüsse werden seit<br />
2004 in alle Neuwagen eingebaut.<br />
Fahrstil<br />
Überwachen lassen können Autofahrer<br />
auch ihren Fahrstil. Wer vorausschauender<br />
und somit risikoärmer<br />
fährt, zahlt weniger.Aufgezeichnet<br />
werden mittels GPS-Blackbox<br />
oder Telematik-App zum Beispiel<br />
Geschwindigkeit, Bremsverhalten<br />
oder Fahrverhalten in Kurven. Tatsächlich<br />
kann sich der Tarif lohnen,<br />
am ehesten aber nur für Jüngere, die<br />
aufgrund geringerer Fahrerfahrung<br />
sonst höher eingestuft worden wären.<br />
Laut Verbraucherzentrale Sachsen<br />
können Fahranfänger theoretisch<br />
bis zu 30 Prozent bei der Versicherungsprämie<br />
sparen. Allerdings<br />
warnen die Verbraucherschützer,<br />
dass es sich bei den Rabatten in der<br />
Regel um Spitzenwerte handelt, die<br />
nur schwer zu erreichen sind.<br />
Noch weiter geht Die Bayerische.<br />
Als erste Versicherung bietet sie seit<br />
Oktober einen Dashcam-Tarif an.<br />
30. November: Kfz-Versicherungsverträge<br />
sind in der Regel Jahresverträgeund verlängern<br />
sich automatisch, wenn Autohalter nicht<br />
kündigen. Bei einer üblichen Kündigungsfrist<br />
vonvier Wochen liegt der Termin also am<br />
30. November.Bis dahin muss eine Kündigung<br />
schriftlich per Post eingegangen sein.<br />
mehr als 50 Prozent. 88 Prozent der<br />
befragten Händler hätten angegeben,<br />
dass sich die Berichte aus den<br />
USA negativ ausgewirkt hätten. „Viele<br />
Kunden befinden sich in einer<br />
Zwickmühle“, sagte Dahlmann. „Wir<br />
beobachten den Trend, dass infolge<br />
der Vorfälle in den USA Dampfer zurück<br />
zur Tabakzigarette wechseln<br />
und wieder Raucher werden.“ Was<br />
fatal für die sei, die vomRauchen loskommen<br />
wollen.<br />
Die Krankheitsfälle seien ausschließlich<br />
in den USA aufgetreten.<br />
In Europa gebe es keinen Verdachtsfall,<br />
sagte Dahlmann. In derEUgebe<br />
KÜNDIGUNGSFRISTEN<br />
Sonderkündigungsrecht: Informiertder Versicherer<br />
über eine Beitragserhöhung,hat der<br />
Kundeein Sonderkündigungsrecht vonvier<br />
Wochen ab Erhalt des Schreibens. Die gleiche<br />
Frist gilt nach einem Schadensfall. Auch<br />
dann kann sich der Versicherungskunde entscheiden,<br />
den Vertrag zu kündigen.<br />
Einbruch bei E-Zigaretten<br />
esfürDampfproduktespätestensseit<br />
Einführung der Tabakproduktrichtlinie<br />
klareRegelnfür Inhaltsstoffe.<br />
Nach jüngsten Angaben der US-<br />
Gesundheitsbehörde CDC gab es<br />
bisher 34 Todesfälle im ZusammenhangmitdemKonsumvonelektronischen<br />
Zigaretten. Zudem gebe es<br />
rund 1600 bestätigte Erkrankungen.<br />
Zuletzt gab es Hinweise, dass dabei<br />
THC-Produkte eine Rolle spielen<br />
könnten. Tetrahydrocannabinol<br />
(THC) steckt in Cannabis und ist<br />
hauptsächlich für die berauschende<br />
Wirkung der Droge verantwortlich.<br />
Neueste Erkenntnisse legen nahe,<br />
GRAFIK: SASCHA JAECK<br />
Wereine Überwachungskamera im<br />
Wagen anbringt, die auf die Straße<br />
gerichtet ist, erhält einen Versicherungsrabatt<br />
von 15Prozent. Da die<br />
Kamera indirekt auch das eigene<br />
Fahrverhalten aufzeichne, bewirke<br />
der Einsatz einer Dashcam generell<br />
ein bewussteres, weniger risikoreiches<br />
Fahren, so die Idee des Versicherers.<br />
Fahrzeugmodell<br />
Leichter noch als anhand des Fahrverhaltens<br />
ist es für Versicherer, das<br />
Unfallrisiko anhand des Fahrzeugtyps<br />
abzuschätzen. So werden Fahrzeugmodelle<br />
jährlich beispielsweise<br />
vom Gesamtverband der Deutschen<br />
Versicherungswirtschaft (GDV)nach<br />
ihrer Schadensbilanz ausgewertet. In<br />
der Kfz-Haftpflichtversicherung<br />
unterscheiden die Statistiker 16 Typklassen.<br />
Je höher die Typklasse,desto<br />
teurer ist die Versicherung.<br />
So hat ein Seat Arona 1.0 mit der<br />
Einstufung zwölf eine vergleichsweise<br />
niedrige Klasse,während ein BMW<br />
X6 Minder Klasse 24 weit höher eingestuft<br />
wird. Verbraucher können die<br />
aktuellen Typklassen online unter<br />
typklasse.de einsehen. Insgesamt<br />
werden laut GDV6,5 Millionen Autofahrer<br />
kommendes Jahr höher eingestuft,<br />
während rund 4,6 Millionen<br />
durch eine niedrigere Klasse als zuvorprofitieren.<br />
Regionalklasse<br />
Auch der Wohnorthat Auswirkungen<br />
auf die Höhe der Kfz-Versicherungsprämie.Und<br />
auch hierzu erstellt der<br />
GDV jährlich eine Statistik. Dabei<br />
geht es darum, in welchen Regionen<br />
Autofahrer die meisten Unfälle verursachen,<br />
es also statistisch eine höhere<br />
Wahrscheinlichkeit gibt, dass<br />
der Versicherer auch im nächsten<br />
Jahr einspringen muss.Daessich als<br />
Großstadtbewohner in Berlin „gefährlicher“<br />
lebt als beispielsweise auf<br />
dem platten Land, müssen Hauptstädter<br />
mehr zahlen.<br />
Nicht zu jungund nicht zu alt<br />
Während Fahranfänger in einem<br />
„normalen“ Kfz-Versicherungstarif<br />
tendenziell mehr zahlen müssen, gilt<br />
das ebenso für Autobesitzer ab<br />
65 Jahren. „Wer mit 75 Jahren noch<br />
hinter das Steuer steigt, zahlt schnell<br />
60 Prozent mehr als ein vergleichbarer<br />
Fahrer im Alter von 55Jahren“,<br />
heißt es in einer Untersuchung des<br />
Verbraucherratgebers „Finanztip“.<br />
Ausgleichen kann sich dieser Wert<br />
aber bei einem hohen Schadenfreiheitsrabatt.<br />
WeitereFaktoren<br />
NebenAlterundWohnortgibtesaber<br />
auch Bestandteile, die man leichter<br />
beeinflussen kann. So kann es sich<br />
auch schon lohnen, für dieTeil- und<br />
Vollkaskoversicherung eine höhere<br />
Selbstbeteiligung zu vereinbaren,<br />
das senkt den Kfz-Versicherungsbeitrag.<br />
DasGleiche gilt,wenn der Versicherte<br />
einer Werkstattbindung zustimmtundsichfüreinejährlicheanstatt<br />
für eine monatliche Zahlungsweise<br />
entscheidet.<br />
Diskussion um Todesfälle in den USA drückt Absatzauch in Deutschland–trotzstrengererVorgaben hierzulande<br />
Von André Stahl<br />
Nach den Todesfällen in den USA<br />
im Zusammenhang mit E-ZigarettenwächstderDruckaufdieBranche<br />
in Deutschland. Händler melden<br />
nachAngabendesBündnissesfürTabakfreien<br />
Genuss (BFTG) seit einigen<br />
Wochen erhebliche Umsatzeinbußen.<br />
„Kunden sind verunsichert“,<br />
sagte BFTG-Chef Dustin Dahlmann.<br />
Eine Umfrage unter gut<br />
600 Händlernvon E-Zigaretten habe<br />
ergeben, dass mehr als die Hälfte<br />
Umsatzrückgänge von30bis 40 Prozent<br />
verzeichne, fast ein Fünftel<br />
dassvorallemTHC-haltigeProdukte,<br />
die teilweise über illegale Händler<br />
bezogen worden seien, mit den meisten<br />
Fällen in Verbindung stünden.<br />
Die herkömmliche E-Zigarette<br />
habe nichts mit den Erkrankungen in<br />
denUSAzutun,sagteDahlmann.Mit<br />
Blick auf die Vorfälle in den USA erklärte<br />
Andreas Hensel, Chef des Bundesinstituts<br />
für Risikobewertung:<br />
„Konsumenten von E-Zigaretten in<br />
Deutschland drohen nach aktuellem<br />
Kenntnisstand keine erhöhten Risiken,<br />
sofernsie Produkte verwenden,<br />
die europäischen und deutschen Regelungen<br />
entsprechen.“ (dpa)<br />
Grüne fordern<br />
mehr<br />
ICE-Sprinter<br />
Bahnsoll innerdeutsche<br />
Flugreisen ersetzen<br />
Von Sascha Meyer<br />
In der Debatte um mehr Klimaschutz<br />
dringen die Grünen auf<br />
einen Ausbau schneller ICE-Verbindungen<br />
zwischen großen Städten.<br />
„Mit der Verlagerung voninnerdeutschem<br />
Flugverkehr auf die Schiene<br />
brauchen wir nicht zu warten“, sagte<br />
Grünen-Bahnexperte Matthias Gastel.<br />
Dieüberwiegende Zahl der heutigen<br />
Flugverbindungen innerhalb des<br />
Landes ließe sich durch Bahnfahrzeiten<br />
vonknapp unter vier Stunden ersetzen.<br />
Mit sogenannten ICE-Sprintern<br />
auf nachfragestarken Strecken könnte<br />
für fast drei Viertel der knapp<br />
24 Millionen innerdeutschen Fluggäste<br />
eine Alternative bereitgestellt<br />
werden, heißt es in einem Konzeptpapier<br />
mehrerer Grünen-Verkehrspolitiker.<br />
Auf verschiedenen Verbindungen<br />
zwischen deutschen MetropolenfahrenbereitsICE-Sprinter,die<br />
schneller ans Ziel kommen als normale<br />
ICE. Dabei entstehen die kürzeren<br />
Reisezeiten durch einen hohen<br />
Anteil an Schnellfahrstrecken und<br />
weniger Unterwegshalte. Die bundeseigene<br />
Deutsche Bahn plant auch<br />
weitere Sprinterverbindungen, etwa<br />
ab Ende 2023 zwischen Berlin und<br />
Köln, wie eine Sprecherin erläuterte.<br />
Reisezeit unter vierStunden<br />
Für eine Verlagerung des Flugverkehrs<br />
sei es wichtig, dass Züge die<br />
Vier-Stunden-Marke unterbieten,<br />
heißt es im Papier der Grünen. Eine<br />
Reisezeit vonknapp unter vier Stunden<br />
auf der Schiene gelte als gerade<br />
noch konkurrenzfähig, wenn die Reisekette<br />
beim Fliegen ein Zeitbudget<br />
vonetwas mehr als drei Stunden beansprucht<br />
–also mit An- und Abreise<br />
zum und vom Flughafen, Einchecken,<br />
Sicherheitskontrollen und<br />
einem Zeitpuffer für mögliche Verzögerungen.<br />
Aber auch die Tarifgestaltung<br />
sei ein Faktor bei der Wahl des<br />
Verkehrsmittels.<br />
Schonheutewärenkonkurrenzfähige<br />
Sprinterverbindungen auf vielen<br />
aufkommenstarken Flugstrecken<br />
möglich, erläutern die Grünen-Experten.<br />
Es gebe „kein Fahrzeitproblem,<br />
sondern vor allem ein Angebots-<br />
und Qualitätsproblem“. Nötig<br />
seien auch deutliche Verbesserungen<br />
bei Pünktlichkeit, Service und<br />
der Verfügbarkeit vonMobilfunk und<br />
Internet. Dies sei vor allem für Geschäftsreisende<br />
wichtig.<br />
Mit ICE-Sprintern unter die Vier-<br />
Stunden-Marke zu drücken wären<br />
etwa Verbindungen von Berlin nach<br />
KölnundDüsseldorf.Prioritätbeider<br />
Beschleunigung der wichtigen Ost-<br />
West-Achse von Rhein und Ruhr<br />
nach Berlin sollten höhereStreckengeschwindigkeiten<br />
östlich von Hannover<br />
haben. Für Sprinter ab Hamburg<br />
sei vor allem eine Fahrzeitverkürzung<br />
auf dem Abschnitt bis nach<br />
Hannover wichtig. Auch für mehr<br />
Sprinterverbindungen müssten die<br />
Bundesmittel für den Neu- und Ausbau<br />
schrittweise auf 3 Milliarden<br />
Euro im Jahr erhöht werden, fordern<br />
die Grünen-Verkehrspolitiker. Mehr<br />
Sprinter sollten in den Deutschland-<br />
Takt eingebaut werden. (dpa)<br />
Der ICE-Sprinter fährtinknapp vier Stunden<br />
bereits nach München. FOTO: SVEN HOPPE/DPA
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019 7· ·<br />
·······················································································································································································································································································<br />
Wirtschaft<br />
„Es ist nicht egal, wer am Schalter sitzt“<br />
Bundesbank-Vorstand Burkhard Balz fordert ein digitales Zahlungssystem für Europa<br />
Der Zahlungsverkehr wird<br />
digital – und Burkhard<br />
Balz befürchtet, dass die<br />
Europäer dabei von anderen<br />
abhängig werden. Der Bundesbank-Vorstand<br />
fordert die Geldbranche<br />
zu einer großen gemeinsamen<br />
Anstrengung auf.<br />
In einigen Ländern zahlt man praktischnurnochmitdemHandy,aberin<br />
Deutschland schreibt man die IBAN<br />
mit 22 Stellen auf Überweisungsträger.<br />
Sind wir im Zahlungsverkehr<br />
noch auf der Höhe der Zeit, Herr Balz?<br />
Andere sind sicher weiter, und es<br />
muss in Europa einiges passieren.<br />
Aber wir haben mit der PSD2-Richtlinie<br />
einen wichtigen Schritt gemacht.<br />
Damit bereiten wir die Kontoverbindungen<br />
auf die neue digitale Welt vor,<br />
in der Daten eine überragende Rolle<br />
spielen. Es war nie so viel los im Zahlungsverkehr<br />
wie jetzt.<br />
Das nutzen bisher vor allem Branchenfremde<br />
–etwa Apple und Google.<br />
Für die Banken wirdessicher eine<br />
Herausforderung. Andere können<br />
jetzt auf ihreKundendaten zugreifen<br />
–wenn der Kunde das erlaubt. Am<br />
Anfang waren die Institute deshalb<br />
relativ ablehnend, aber jetzt sieht<br />
man auch die Chancen. Schließlich<br />
müssen sie das Feld nicht den Wettbewerbernüberlassen.<br />
Die Abwehrversuche wirken ein bisschen<br />
hilflos. Es ist ein Wirrwarr aus<br />
digitalen Zahlungssystemen entstanden.<br />
Giropay,Girogo,Paydirekt, Kwitt<br />
–dasteigt niemand mehr durch. Und<br />
nichts davon kommt großen Konkurrenten<br />
wie Paypal oder Apple Pay<br />
auch nur nahe.<br />
Umsowichtigeristjetzteinegroße<br />
gemeinsame Anstrengung. Die großen<br />
Anbieter müssen sich an einen<br />
Tisch setzen und ein gemeinsames<br />
System entwickeln. Sonst werden sie<br />
in einem globalisierten Zahlungsverkehr<br />
bald keine Rolle mehr spielen.<br />
Aus den USA kommen Paypal, Google<br />
Pay, Apple Payund das Facebook-<br />
Projekt Libra, in China zahlt die<br />
Mehrheit längst mit Wechat Payoder<br />
Alipay.Dortwerdengerade weltweite<br />
Standards gesetzt, und wir sollten<br />
uns nicht komplett vonden USA und<br />
Asien abhängig machen. Wir brauchen<br />
ein gemeinsames digitales Zahlungssystem<br />
für Europa. Als ich in<br />
China im Restaurant einmal mit meiner<br />
Kreditkarte zahlen wollte, hat<br />
michdieBedienungvölligentgeistert<br />
angesehen. Nach einigem Hin und<br />
Herhat sie dann Bargeld akzeptiert–<br />
„ausnahmsweise“, wie sie sagte.<br />
GooglePay und andere preschen vor,hiesige Banken fallen zurück.<br />
ZUR PERSON<br />
FOTO: JENS BÜTTNER/DPA<br />
Burkhard Balz ist seit gut einem Jahr Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank und zuständig<br />
für den Zahlungsverkehr und Internationales. Der 50-Jährigehat nach einer Banklehre<br />
Jura studiertund zehn Jahre bei der Commerzbank gearbeitet. Von2009 bis 2018 saß er für<br />
die CDU im Europaparlament, wo Bankenaufsicht und die Überwachung der Ratingagenturen<br />
seine Schwerpunktthemen waren. Balz lebt mit seiner Familie in Stadthagen bei Hannover.<br />
Warum tut sich Europa bei dieser Entwicklung<br />
so schwer?<br />
DieTechnologie ist da, mit Instant<br />
Pay haben wir eine technische Basis<br />
für sofortige Überweisungen. Das<br />
Problem ist die Vielfalt der nationalen<br />
Systeme. InDeutschland gibt es<br />
die Girocard, in Frankreich die Carte<br />
Bancaire und so weiter –die grenzüberschreitende<br />
Abwicklung in<br />
Europa aber funktioniert nur über<br />
internationale Kartensysteme. Wir<br />
müssen strikt europäisch denken.<br />
Ich sehe Deutschland und Frankreich<br />
hier in einer Schlüsselrolle.<br />
Die Staaten sollten ein europäisches<br />
Zahlungssystem aufbauen?<br />
Nein, das sollte auf privatwirtschaftlicher<br />
Ebene passieren. Wir<br />
motivieren die Anbieter, also vor allem<br />
die Banken, sehr stark, hier eigene<br />
Wege zu gehen.<br />
Ein System aller Anbieter? Wassagen<br />
da die Kartellbehörden?<br />
Dasist eine der großen Herausforderungen,<br />
in der EU sind die Hürden<br />
sehr hoch. Ich habe aber den Eindruck,<br />
dass auch die Kartellbehörden<br />
inzwischen bei diesem Thema offener<br />
zuhören.<br />
Wenn Europa solche Gemeinschaftsprojekte<br />
versucht, dauertesinder Regel<br />
zehn Jahre.<br />
DieZeithaben wir nicht. Ichspreche<br />
über Monate,vielleichtein Jahr.<br />
Paydirekt ist ein Flop.Jetzt istdie Rede<br />
davon,dassdiedeutscheGeldbranche<br />
einen neuen gemeinsamen Standard<br />
entwickelt, Arbeitstitel „X-Pay“. Ist<br />
das der richtige Weg?<br />
Daswäreein Anfang.Esmuss erst<br />
einmal ein deutsches System aufgebaut<br />
werden, da sind die Anbieter<br />
nach meinem Eindruck relativ weit.<br />
Dernächste Schritt muss dann möglichst<br />
bald ein europäisches System<br />
sein. Dazu gehörtauch, dass wir eine<br />
eigene starke Markekreieren.<br />
Warum ist das Thema so wichtig? Am<br />
Ende geht es um technische Abläufe,<br />
von denen kaum jemand etwas<br />
merkt. Undsie funktionieren doch.<br />
Zahlungsverkehrssysteme sind<br />
Infrastruktur,soetwas wiedie Adern<br />
eines Wirtschaftssystems. Die Bundesregierung<br />
hat vor Jahren einmal<br />
die lebensnotwendigen Funktionen<br />
des Staates definiert, und der Zahlungsverkehr<br />
gehörte dazu. Wenn er<br />
nun digitalisiert wird, gewinnen<br />
neue Mitspieler Einfluss. Esist eben<br />
nicht egal, werdaamSchalter sitzt.<br />
Systeme wie Apple Pay und Google<br />
Paysind Apps, mit denen man Konten<br />
bedient. Wo istdas Problem?<br />
Zum Beispiel geht es um die Abschöpfung<br />
unglaublicher Datenmengen.<br />
Europa hat zum Glück<br />
einen sehr wirksamen Datenschutz.<br />
Im Moment sind die großen Anbieter<br />
aber auf anderen Kontinenten heimisch,<br />
in anderen Wirtschaftssystemen<br />
mit anderem Verständnis von<br />
Datenschutz. Ich habe per se nichts<br />
gegenandereZahlungsanbieter,aber<br />
es wärestrategisch gut, wenn es eine<br />
europäische Alternative gäbe. Europäische<br />
Unternehmen und Verbraucher<br />
sollten die Auswahl haben.<br />
DasGespräch führte Stefan Winter.<br />
Ein Prost auf die Krise<br />
In Griechenland boomen kleine Brauereien<br />
Von Alexia Angelopoulou<br />
W ennAlbrechtsagt,dassdasBier<br />
schmeckt, dann hat Thanasis<br />
Misaltis alles richtig gemacht.<br />
Schließlich ist sein deutscher<br />
Schwiegervater aus Berlin ein Kenner.<br />
„Wann immer ich mit meiner<br />
Frau hinreise, bringen wir unsere<br />
neusten Kreationen mit und verkosten<br />
sie gemeinsam“, sagt der 39 Jahre<br />
alte Craftbeer-Brauer aus Nordgriechenland.<br />
Thanasis ist einer von<br />
rund 80 griechischen Mikrobrauern.<br />
DieSzene boomt nicht zuletzt wegen<br />
der ausländischen Touristen, allen<br />
vorandie Deutschen.<br />
KeineFrage,dassauchSchwiegervater<br />
Albrecht den kleinen Ort Valta<br />
auf der Halbinsel Chalkidiki besucht.<br />
Dorthaben Thanasis und seine Frau<br />
Christina das Bier Valtinger entwickelt<br />
–der Ortsname Valta gemixt mit<br />
der deutschen Endung ist eine Hommage<br />
an die Braukunst hoch im Norden.<br />
Thanasis’ Motto: „Als deutsche<br />
Erfahrung auf griechische Leidenschaft<br />
traf, wurde Valtinger geboren.“<br />
Das Reinheitsgebot halten die<br />
griechischen Kleinstbrauer in Ehren,<br />
gleichzeitig aber sind sie sehr auf ihre<br />
Herkunft bedacht. Ob Sifnos,SkopelosoderKefalonia,obSantorin,Chios<br />
oder Kreta –lokal denken, lokal trinken<br />
lautet die Devise. Und das erst<br />
seit wenigen Jahren, denn die griechische<br />
Craftbeer-Szene hat erst<br />
während der griechischen Finanzkri-<br />
se so richtig Fahrtaufgenommen. „Es<br />
gab einfach keine Jobs mehr, und so<br />
haben die jungen Leute angefangen,<br />
zu Hause Bier zu brauen“, sagt Konstantin<br />
Stergides, einer der Co-Initiatoren<br />
des ersten Craftbeer-Festivals<br />
Griechenlands am vergangenen Wochenende<br />
in Athen.<br />
Während der Krise seien viele junge<br />
Menschen in die Landwirtschaft<br />
zurückgekehrt, zu Olivenöl, Honig,<br />
Käse und eben auch Bier,sagt Stergides.<br />
Dabei helfen die Touristen, vor<br />
allemBesucherausDeutschlandund<br />
Großbritannien: Sie seien es, die im<br />
Urlaub gern lokale Produkte und lokales<br />
Bier bestellten. Nicht ganz so<br />
einfach, denn der griechische Biermarkt<br />
liegt zu gut 85 Prozent in den<br />
Händen internationaler Größen wie<br />
Amstel, Carlsberg und Heineken –<br />
auch wenn auf den Flaschen griechische<br />
Namen wie Mythos stehen.<br />
Die Kleinbrauerszene nutzt die<br />
Freiheit ihrer Nische und ist sehr<br />
kreativ, sagt Steriades. „Wir orientieren<br />
uns am Reinheitsgebot, aber<br />
unsere griechischen Gesetze sind<br />
nicht so streng wie die deutschen.“<br />
Die Kleinstbrauer trieben die Aromen<br />
durchaus in die Extreme, unter<br />
anderem mit Kräutern, aber auch<br />
Kaffee oder fruchtiger Zitrone,Mango,Maracuja.<br />
DerTrick bei Letzteren:<br />
Es wird keine Frucht hinzugefügt,<br />
sondern die Dolden spezieller Hopfenpflanzen<br />
– dem Reinheitsgebot<br />
wirdalso Genüge getan. (dpa)<br />
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Jungbrauer Thanasis Misaltis (39) zapftsein Valtinger-Bier.<br />
FOTO: ALEXIA ANGELOPOULOU/DPA
8* <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019<br />
·························································································································································································································································································<br />
Meinung<br />
Landtagswahl<br />
ZITAT<br />
Vergesst die<br />
Denkverbote<br />
Jochen Arntz<br />
denkt, dass inThüringen jetzt Linke<br />
und CDU miteinander reden sollten.<br />
Bodo Ramelow, ein Linker,hat dieWahl<br />
in Thüringen gewonnen. Zum ersten<br />
Malinder Geschichte Deutschlands nach<br />
der Wiedervereinigung ist die Linke<br />
stärkste Partei in einem Bundesland geworden.<br />
Björn Höcke, ein Mann der äußersten<br />
Rechten, ist ein weiterer großer Gewinner<br />
dieser Wahl. DieAfD,die in Thüringen besonders<br />
radikal, ja rechtsradikal ist,<br />
konnte in dem Bundesland ihr Ergebnis<br />
mehr als verdoppeln, verglichen mit der<br />
vorangegangenen Landtagswahl.<br />
Bodo Ramelowist ein Gewinner,Björn<br />
Höcke ist ein Gewinner.Die Linke und die<br />
AfD können feiern. Und das ist ein Problem,<br />
nicht nur für Thüringen.<br />
Denn regieren lassen sich mit diesem<br />
polarisierten Ergebnis ein Land und eine<br />
Gesellschaft kaum. Nach vorne bringen<br />
wohl schon gar nicht. Zukunft macht man<br />
nicht mit Spaltung, das ist klar. Doch das<br />
politische Bild in Thüringen zeigt ganz<br />
deutlich das Bild einer aufgesprengten<br />
Gesellschaft.<br />
Nur: Es ist natürlich andererseits auch<br />
sehr demokratisch, wenn die Wähler in<br />
Thüringen sich nicht so einheitlich verhalten,<br />
wie es Politiker,die unkompliziert<br />
eine Regierung bilden wollen, sich das<br />
wünschen würden. Das Ergebnis der<br />
Landtagswahl spiegelt die Vielschichtigkeit<br />
eines ostdeutschen Bundeslandes<br />
sehr genau wider.<br />
Es ist ein sehr ehrliches Ergebnis, das<br />
allerdings,wenn man auch nach der Wahl<br />
ehrlich ist, die Frage aufwirft, für wenund<br />
wie eine zukünftige Landesregierung<br />
überhaupt Politik machen will. Wenn Ramelow<br />
esschafft, wieder eine Regierung<br />
zusammenzubringen, dann muss er sich<br />
bewusst sein, dass die schärfsten Antipoden<br />
seiner Linken, nämlich die AfD-Abgeordneten,<br />
über nicht viel weniger Sitzeim<br />
Thüringer Landtag verfügen als Ramelows<br />
Partei selbst.<br />
Es wird überall<br />
komplizierter, eswird<br />
aber auch überall<br />
ehrlicher in der Politik.<br />
Das ist die Bilanz der<br />
Thüringen-Wahl.<br />
Rein rechnerisch verfügten die Linke<br />
und Höckes Partei in Thüringen ja über<br />
eine komfortable Mehrheit –nur dass sie<br />
selbstverständlich keine Gemeinsamkeiten<br />
haben.<br />
Wenn Bodo Ramelow also regieren<br />
will, weil er der Sieger ist, und wenn die<br />
AfD in Thüringen nicht nur rechnerisch<br />
gekontertwerden soll –wenn dieses Land<br />
eine stabile Regierung jenseits des<br />
Rechtsextremismus bekommen soll,<br />
dann darf es jetzt keine der üblichen<br />
Denkverbote mehr geben.<br />
Dann müssen in Thüringen jetzt zwei<br />
Parteien miteinander reden, die das nicht<br />
wollten, beziehungsweise es ausgeschlossen<br />
hatten: die CDU und die Linke.Denn<br />
das wärejaauch ein Beispiel an Demokratie,wenn<br />
man nach derWahl noch einmal<br />
nachdenkt, ob man nicht doch das tun<br />
sollte,was man eigentlich nicht wollte: in<br />
diesem Fall eine Regierung aus Linken<br />
und Konservativen zu bilden.<br />
Eine ungewöhnliche Regierung, die<br />
Thüringen erst mal davor schützt unregierbar<br />
zu werden –und auch die Chance<br />
böte,aus dem üblichen Lagerdenken auszubrechen<br />
und die zunehmende Polarisierung<br />
im Land zu überwinden.<br />
Bodo Ramelow, der eher pragmatische<br />
Linke, hatte das übrigens nie ganz ausgeschlossen,<br />
wenn man sich richtig erinnert.<br />
Es wäre jetzt wohl vor allem an der<br />
CDU in Thüringen –und sicherlich auch<br />
an der CDU in Berlin –sich der Aufgabe zu<br />
stellen, Denkverbote aufzugeben und Polarisierungen<br />
zu überwinden.<br />
Um eine Gesellschaft und die Zukunft<br />
nicht jener Kraft zu überlassen, die nur an<br />
die Polarisierung glaubt: der AfD<br />
Sehr berechtigte Frage<br />
Am 9.November 1989 drückten die<br />
Ost-<strong>Berliner</strong> nach einer verhaspelten<br />
Pressekonferenz die Mauer in<br />
die Freiheit auf. Ich saß in dieser<br />
Nacht heulend vordem Fernseher und hatte<br />
viele Schlüsselbunde zu bewachen. Meine<br />
Nachbarngingen alle mal schnell nachWest-<br />
Berlin, sie wollten mal schauen und hofften,<br />
dass nichts Schlimmes passiert. Ich traute<br />
der Sache nicht und blieb bei den Kindern.<br />
Ein Haus, zwölf Wohnungen, viele schlafende<br />
Kinder,einschließlich meiner Tochter.<br />
Wir hatten in Deutschland das Glück,<br />
dass uns die große Schwester die Hand<br />
reichte und wir dann als ostdeutsche Länder<br />
Teil der Familie wurden. Das größte Geschenk<br />
haben uns die Alliierten gemacht,<br />
auch sie entließen uns in die Selbstständigkeit<br />
und in eine größereaußenpolitischeVerantwortung.<br />
Daswar damals nicht selbstverständlich<br />
und wie wir heute wissen, gab es<br />
wirklich nur dieses kurze Zeitfenster, diese<br />
Zeit, in der sich alles überschlug, in der alle<br />
Ideen schon beim Aufschreiben veralteten.<br />
Diese Zeit mussten wir nutzen.<br />
Der Wunsch nach einer gemeinsamen<br />
deutschen Verfassung konnte sich nicht erfüllen.<br />
Dafür haben sich viele Bürgerinnen<br />
und Bürger mit ihren Vorschlägen, Ideen und<br />
mit ihrer Leidenschaft in die Verfassungsgestaltung<br />
ihrer jeweiligen Länder eingebracht.<br />
Auch die Ideen des Runden Tisches flossen<br />
mit ein. Zahlreiche Experten aus den Partnerländern<br />
gaben Anregungen und berichteten<br />
von ihren Erfahrungen. Ich gebe es zu: Noch<br />
nie im Leben habe ich mich so mit Kollegen<br />
gefetzt und gestritten wie in den 90er-Jahren<br />
in der Staatskanzlei des Landes Brandenburg.<br />
Ich habe mich als Ostdeutsche nicht<br />
selten diskriminiert gefühlt, musste „Anpassungsfortbildungen“<br />
machen und wurde<br />
ständig irgendwie überprüft. Aber im Unterschied<br />
zu früher konnte ich mich fetzen,<br />
ohne Gefahr zu laufen, rausgeschmissen zu<br />
werden. DieFronten verliefen auch nicht immer<br />
Ost gegen West, sondern Frauen gegen<br />
Berlin ist nicht gerade als Erfinderhauptstadt<br />
bekannt. Weil mir als lokale Innovationen<br />
auf Anhieb nur Currywurst und<br />
Döner Kebab einfielen, habe ich mal intensiv<br />
drei Sekunden lang im Internet recherchiert<br />
und herausgefunden, dass hier außerdem<br />
der Computer, das Teelicht sowie das nahtlose<br />
Kondom erfunden worden sind. Immerhin.<br />
Damit hat Berlin doch alles hervorgebracht,<br />
was man so für ein gelungenes Internetdate<br />
braucht.<br />
Heutzutage heißen Erfinder in dieser<br />
Stadt Start-up-Founder und denken sich<br />
zum Beispiel Onlineangebote aus,die in den<br />
USA bereits erfolgreich waren, nur jetzt eben<br />
halt auf Deutsch. Dafür bekommen sie Investorengelder<br />
und staatliche Subventionen<br />
und erfinden dann Steuerschlupflöcher sowie<br />
immer noch schlechtere Arbeitsbedingungen.<br />
Manche Neuentdeckungen werden aber<br />
erst später in ihrer ganzen Wichtigkeit erkannt.<br />
Dass Sildenafil etwa, der Wirkstoff in<br />
Viagra, gegen Erektionsstörungen hilft, kam<br />
eher zufällig heraus. Eigentlich sollte es nur<br />
den Blutdruck senken. Tatsächlich aber kann<br />
Sildenafil unter Umständen noch besser zu<br />
einem gelungenen Onlinedate beitragen als<br />
ein Teelicht.<br />
Nun wurde auch in Berlin Tegel etwas erfunden,<br />
dessen Tragweite uns noch gar nicht<br />
richtig bewusst geworden ist. Dabei könnte<br />
es uns helfen, die 2,5 Prozent der weltweiten<br />
CO 2 -Emissionen einzusparen, die durch die<br />
kommerzielle Luftfahrt verursacht werden.<br />
Zehn Debatten in zehn Wochen.<br />
Die <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong>,der Tagesspiegel und dieBundeszentrale<br />
für politische Bildung feiern30Jahre Meinungsfreiheit.<br />
Diese Woche: Sind wir ein Land?<br />
Argumente und Ideen bitte an<br />
leser-blz@dumont.de; Stichwort: Meinungsfreiheit<br />
Alle Debatten online unter<br />
berliner-zeitung.de/meinungsfreiheit<br />
Einig in die<br />
Zukunft<br />
Martina Weyrauch<br />
ist Leiterin der Brandenburgischen Landeszentrale für politische<br />
Bildung.Die deutsche Einheit sieht sie als Verantwortung.<br />
KOLUMNE<br />
Wieder Flughafen<br />
Tegel unser Klima<br />
rettet<br />
Katja Berlin<br />
Autorin<br />
Ich komme gerade aus meinem verspäteten<br />
Sommerurlaub in Italien zurück und wundere<br />
mich, dass hier noch niemand das Potenzial<br />
dieses Flughafens erkannt hat.<br />
Tegel war ja ursprünglich nur für einen<br />
Bruchteil der 22 Millionen Fluggäste ausgelegt,<br />
die letztes Jahr abgefertigt wurden. Aber<br />
wenn dieser Flughafen etwas kann, dann<br />
Leute abfertigen. Und wie! Wer den Fehler<br />
begeht, nicht nur mit Handgepäck zu reisen,<br />
BERLINER ZEITUNG/HEIKO SAKURAI<br />
Männer, Jung gegen Alt oder entlang unterschiedlichster<br />
Überzeugungen. Und ja–in<br />
diesem Streiten, in diesem Ringen um den<br />
besten Wegund auch um die eigene Würde,<br />
wuchs so etwas wie gemeinsame Verantwortung.<br />
Gemeinsame Verantwortung über alles<br />
Trennende,alle Unterschiede hinweg.<br />
Undauch schon 1999, zehn Jahrenach der<br />
friedlichen Revolution, die Frage: „Sind wir<br />
ein Land, sind wir einVolk?“ –womit ja immer<br />
wieder die Sehnsucht verknüpft ist, alles wird<br />
gut, irgendwann ist man angekommen, kann<br />
sich kuschelig einrichten. Wie ineinem alten<br />
Märchenbuch. Aber nein, es gibt kein kuscheliges<br />
Happy End, es gibt kein Ende der unerwarteten<br />
Situationen und Verwerfungen. Es<br />
gibt kein Ende von Strukturumbrüchen, es<br />
gibt kein Ende der Angst, den Herausforderungen<br />
nicht gewachsen zu sein. In der Welt<br />
haben sich viele Konflikte verschärft, die neoliberaleWirtschaftsformist<br />
heute stärker denn<br />
je in der Kritik. Auch Europa ist nicht die feste<br />
Burg, für die es viele hielten. Der Populismus<br />
von links und von rechts ist auf dem Vormarsch<br />
und wir kämpfen weiter darum, die<br />
Kluft zwischen Arm und Reich zu schließen.<br />
Bei fremden Kulturen sind wir im Zweifel, ob<br />
sie uns bereichern oder bedrohen. Welche<br />
Antworten finden wir zum Klimawandel, welche<br />
neue Lebensweise werden wirfinden? Nur<br />
starke Menschen bekommen da keine Angst<br />
oder die, die sich in einer bunten, kreativen,<br />
verantwortungsbewussten Gemeinschaft befinden,<br />
diekrisenerprobtist.<br />
Als Ost-<strong>Berliner</strong>in, die seit dreißig Jahren<br />
dasGlück hat, dasvereinte Deutschland mitzugestalten,<br />
bin ich unendlich dankbar für<br />
diese Wendung der Geschichte. Ich habe<br />
viele neue Freunde im vereinten Deutschland<br />
undinaller Welt gefunden. Sind wir nun<br />
einLand? Ja,wir sind ein Land. DieEinigkeit<br />
liegt in der gemeinsamen Verantwortung für<br />
ein konstruktives, solidarisches und friedliches<br />
Deutschland, egal wo jemand geboren<br />
ist: ob in Neuruppin, Münster,Warschau, Hanoi<br />
oder Damaskus.<br />
verbringt das erste Drittel seines Urlaubs in<br />
der Schlange vorder Gepäckaufgabe,nur um<br />
dann den Rest für Sicherheitskontrolle und<br />
gedrängtes Rumstehen in Containern aufbringen<br />
zu müssen. Werdann noch genug<br />
Urlaubstage hat, um tatsächlich wegzufliegen,<br />
wird irgendwann auch leider zurückkommen<br />
zu müssen. Wurde früher nach einer<br />
Landung geklatscht, ist es heute Tradition,<br />
dass man noch eine halbe Stunde länger<br />
im Flieger verweilt. Das ebenso<br />
unterbezahlte wie unterbesetzte Bodenpersonal<br />
kommt nämlich nicht damit hinterher,<br />
Gangways an die Maschinen zu bringen.<br />
Während ich noch eine Stunde nach meiner<br />
Landung aus Neapel am ruhenden Fließband<br />
auf meinen Koffer wartete,kam mir die<br />
Vorstellung eines weiteren Fluges unter solchen<br />
Bedingungen komplett absurdvor.<br />
Nichts gegen Currywurst und Teelicht,<br />
aber ich glaube, dass diese Erfindung wirklich<br />
bahnbrechend sein kann: der Flughafen,<br />
der uns das Fliegen abgewöhnt. Jetzt unterstützeich<br />
nicht nur das Anliegen der <strong>Berliner</strong><br />
FDP,Tegel nach Eröffnungdes BER beizubehalten,<br />
sondern gehe sogar weiter und fordere,<br />
BERzuvergessen und nur noch mit Tegel<br />
weiterzumachen.<br />
Und damit nicht genug. Tegel sollte Modellflughafen<br />
für alle Städte weltweit werden.<br />
Sofort würde der private und geschäftliche<br />
Flugverkehr aufs Allerwesentlichste reduziert<br />
werden. Ich sage es nicht ohne Stolz,<br />
aber vielleicht sind wir doch eine Erfinderhauptstadt.<br />
Es weiß nur noch niemand.<br />
„Ich dürfte ... mehr als<br />
200 Jahre keine<br />
Plastiktüten mehr kaufen,<br />
um ... einen Flug zu<br />
kompensieren.“<br />
Frank Bilstein, Unternehmensberater<br />
bei A.T. Kearnes, erklärt imInterview<br />
mit dem Spiegel, dass die Deutschen nicht<br />
gut genug über Klimaschutz Bescheid wissen und<br />
daher ihre Prioritäten falsch setzen.<br />
AUSLESE<br />
Die SPD und ihre<br />
nächste Führung<br />
Der Mitgliederentscheid der SPD ist<br />
ausgezählt: Olaf Scholz und Klara<br />
Geywitz liegen hauchdünn in Führung.<br />
„Das Ergebnis der beiden ist ernüchternd“,<br />
kommentiert Spiegel Online. Faktisch<br />
habe „nur jeder zehnte Sozialdemokrat<br />
für denjenigen gestimmt, der als Vizekanzler<br />
und Bundesfinanzminister eine<br />
weit größere Bühne hatte als jeder andere<br />
im Feld. Autsch.“ Welches Duo auch immer<br />
gewinne –der Sieg werdeknapp sein.<br />
„Und je knapper der Sieg,desto größer die<br />
Wahrscheinlichkeit, von Tag eins an mit<br />
schweren Autoritätsproblemen zu kämpfen<br />
zu haben. Undsokönnte es am Ende<br />
ausgehen wie so häufig in der SPD: Eigentlich<br />
geht es mal wieder nur um einen Übergangsvorsitz.“<br />
„Über den SPD-Vorsitz entscheidet<br />
jetzt Angela Merkel“, kommentiert die<br />
Welt am Sonntag die Lage. Umzugewinnen<br />
müsse Olaf Scholz nun Teile der Parteilinken<br />
mobilisieren: „Der Kampf um<br />
die Grundrente wird also in der Koalition<br />
mit aller Schärfe entbrennen“, vermutet<br />
Kommentator Torsten Krauel. „Es liegt<br />
nun an Merkel und Kramp-Karrenbauer,<br />
einen für beide Seiten gesichtswahrenden<br />
Ausweg zu finden. Sonst steht die große<br />
Koalition nach dem SPD-Parteitag auf<br />
der Kippe.“ Für den Tagesspiegel steht<br />
eines bereits fest: „Die mit großem Pathos<br />
versprochene Erneuerung können<br />
als Personen weder Geywitz/Scholz<br />
noch Esken/Walter-Borjans verkörpern.“<br />
Christine Dankbar<br />
PFLICHTBLATT DER BÖRSE BERLIN<br />
Chefredakteur: Jochen Arntz.<br />
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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019 – S eite 9 *<br />
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Berlin<br />
Im Schlosspark-Theater<br />
feiert„Ruhe! Wir<br />
drehen!“ Premiere.<br />
Seite 14<br />
Am Ende: Schadensbegrenzung nach der Pleite von Envion Seite 13<br />
Am Anfang: Der Amazon-Turm darf doch gebaut werden Seite 15<br />
Stadtbild<br />
Der Wert<br />
der Dinge<br />
BarbaraWeitzel<br />
besucht eine Theaterprobe.<br />
Redest du mit mir?“ –„Nein, mit<br />
dem Licht.“ Als dieser hinreißende<br />
kleine Dialog durch die Dunkelheit<br />
tönt, sitzeich bereits seit zwei<br />
Stunden im Saal. DieFrage stellte ein<br />
Schauspieler, die Antwort kam vom<br />
Regisseur.Der Erstereist verwirrt, da<br />
es kurzzuvor noch um eine Stelle im<br />
Text ging. „Leute,esheißt nicht SPÜ-<br />
LEN! Sondern FÜÜÜHLEN. Oder<br />
von mir aus SPÜÜÜREN“, hatte der<br />
Regisseur gerufen. Ein unterdrücktes<br />
Lachen war zu hören in seiner<br />
deutlichen Ansage.<br />
Jeder Buchstabe zählt. Jeder Ton,<br />
jeder Lichtstrahl, jeder Schritt. Das<br />
lerne ich an diesem Vormittag, an<br />
dem ich erleben darf, wie ein Musiktheaterstück<br />
entsteht. Nein, ein winziger<br />
Teil davon. Man probt seit 120<br />
Minuten dieselbe Szene. Das ist<br />
nicht langweilig, im Gegenteil. Mit<br />
angehaltenem Atem verfolge ich die<br />
Korrekturen und werde immer demütiger<br />
ob der Geduld aller Beteiligten.<br />
Dieeinen sagen zum 15. Maldie<br />
gleichen Sätze. Andere stehen und<br />
haben nichts zu tun im Augenblick.<br />
Kein Füßescharren, kein Überdruss.<br />
DasOrchester spielt die zur Szene<br />
gehörigen Sequenzen jedes Mal mit<br />
stoischer Konzentration. Oft wird<br />
unterbrochen, ein verrutschter Ton,<br />
eine Pause, die einen Vierteltakt zu<br />
lang ist, ein Forte, wo Mezzoforte geboten<br />
gewesen wäre –Winzigkeiten<br />
bringen das Gesamtgeschehen aus<br />
dem Takt. Also vonvorn.<br />
Wenn die Choreografin an einem<br />
Darsteller herumzupft, schweigen<br />
die Musiker. „Schauen Sie mal. Die<br />
Oboe strickt“, sagt der Mann neben<br />
mir. Das klingt genauso bizarr wie<br />
„Ich spreche mit dem Licht“, doch in<br />
der Tat: Die Oboistin nutzt die stille<br />
Phase für Handarbeiten. Die Klarinette<br />
tippt etwas in ihr Smartphone.<br />
Dann greifen alle wie in einer einzigen<br />
Bewegung zu ihren Instrumenten.<br />
Es geht weiter. Kurz bevor ich<br />
den Saal verlasse, sitzt die Szene. Alles<br />
stimmt. Stolz und Freude wabern<br />
durch den Raum wie vorhin der<br />
künstliche Nebel.<br />
Auch wenn mir im Konzert, im<br />
Museum, im Kino oder beim Lesen<br />
unterbewusst klar ist, wie viel Akribie,<br />
Geduld und Kraft im Ergebnis steckt,<br />
staune ich noch auf dem Heimweg<br />
über das Ausmaß. Denke kurioserweise<br />
an einen Tagvor vielen Jahren,<br />
als ich für einen Text in einer Biobäckerei<br />
war.Ich sah mein Brot danach<br />
mit anderen Augen, nicht nur wegen<br />
der Aufstehzeiten der Beschäftigten.<br />
Undwünschte mir,ich könnte bei der<br />
Entstehung von sovielem mal stille<br />
Beobachterin sein.<br />
Am besten mit den Kindern. Wir<br />
würden lernen, was es braucht, bis<br />
ein Lego-Set fertig ist. Wie viel Sorgfalt<br />
in einer Hosennaht steckt. Wie<br />
kompliziertein Heizungssystem aufgebaut<br />
ist und welche Kenntnis man<br />
haben muss, umdie Fehler zu vermeiden,<br />
über die wir fluchen würden.<br />
Wir wären bestimmt fasziniert<br />
vom wahren Wert all dieser Dinge<br />
und würden sie anders benutzen.<br />
Die Szene, inder die Regie mit<br />
dem Licht sprach, werde ich bei der<br />
Premiere jedenfalls mit einem Lächeln<br />
auf dem Gesicht sehen. Den<br />
Kindernwerde ich vonder Probe erzählen.<br />
Und sie und mich bei anderenGelegenheiten<br />
daran erinnern.<br />
SPD-Fraktionschef Raed Saleh und Landeschef Michael Müller waren am Sonnabend beim Landesparteitag bei bester Laune.<br />
Seit’ an Seit’<br />
Die SPD will Lehrer wieder verbeamten und lehnt Enteignungen ab –Müller und Saleh zeigen sich einig<br />
VonMelanie Reinsch<br />
Esgehörtzur lieb gewonnen<br />
Tradition der SPD, dass ein<br />
Parteitag mit schmetternden<br />
Tönen der Vorwärts-<br />
Liederfreunde eingeläutet wird.<br />
„Wann wir schreiten Seit’ anSeit’“,<br />
heißt es in dem Arbeiterlied von<br />
1915, der SPD-Hymne schlechthin,<br />
„mit uns zieht die neue Zeit“.<br />
Es sind Zeilen, die den Genossen<br />
am Sonnabend wohl auch Mut machen<br />
sollen. Die noch einmal erinnernsollen<br />
an Wurzeln, an Herkunft,<br />
an den Kern sozialdemokratischer<br />
Politik, bevor Entscheidungen getroffen<br />
werden, die die Kraft haben<br />
könnten, die Ausrichtung der <strong>Berliner</strong><br />
SPD maßgeblich zu verändern.<br />
Denn es sind ja nicht nur die Zahlen,<br />
die eben so sind, wie sie sind. Die<br />
<strong>Berliner</strong> SPD liegt seit Monaten irgendwo<br />
bei 15, 16 Prozent. Oder um<br />
es mit den Worten des SPD-Landeschefs<br />
und Regierenden Bürgermeisters<br />
Michael Müller (SPD) zu formulieren:<br />
„Ja, die Umfragen sind Mist,<br />
hab ich schon dreimal gesagt, ist immer<br />
noch so.“ Dieneue Zeit, mit der<br />
die SPD mitziehen möchte,meint es<br />
gerade nicht so gut mit ihr.<br />
Es sind aber vor allem auch zwei<br />
wichtige Beschlüsse, die an diesem<br />
Sonnabend im Hotel Intercontinental<br />
getroffen werden müssen und die<br />
nach der zähen Mietendeckel-Einigung<br />
schon wieder den Druck erhöhen.<br />
Denn beim letzten Parteitag im<br />
Märzwollte die SPD sich lieber noch<br />
nicht festlegen, wie sie zum Thema<br />
Enteignung großer Wohnungsunternehmen<br />
steht –und vertagte die Entscheidung<br />
auf Oktober.<br />
Klar positionierte sich Müller in<br />
seiner Rede gegen die Vergesellschaftung,<br />
wie sie die Initiative<br />
„Deutsche Wohnen und Co enteignen“<br />
fordert, die im Juni mit ihren<br />
gesammelten Unterschriften die<br />
erste Hürde für ein Volksbegehren<br />
genommen hatte. Wohl wissend,<br />
dass seine Partei in dieser Hinsicht<br />
gespalten ist, erklärte Müller, essei<br />
der Dreiklang „bauen, kaufen, deckeln“,<br />
auf den es jetzt ankomme.<br />
Und nicht der Vierklang „bauen,<br />
kaufen, deckeln, enteignen“.<br />
Er appellierte an seine Parteikollegen<br />
demAntrag, der zum Ziel hat,<br />
Doppelspitze: Mit breiter<br />
Mehrheit beschloss der Parteitag<br />
eine Satzungsänderung,die<br />
der SPD eine Doppelspitze<br />
ermöglicht. In Zukunft<br />
sollen Parteitagsdelegierte<br />
vorVorstandswahlen<br />
entscheiden können, ob sie<br />
ein Duo an der Spitze wollen<br />
oder einen Vorsitzenden.<br />
gemeinsam mit der Initiative ein<br />
Gesetz zur Enteignung zu formulieren,<br />
nicht zuzustimmen. Mit<br />
dem Antrag ginge ein klarer Handlungsauftrag<br />
einher. „Das ist nicht<br />
irgendetwas, worüber wir da abstimmen,<br />
damit werden uns die<br />
Koalitionspartner treiben“, prognostizierte<br />
Müller. Man werde<br />
keine eigene Stimme in der Wohnungspolitik<br />
mehr haben.<br />
Müller hatte Glück. Die Delegierten<br />
entschieden mehrheitlich, dass<br />
die Vergesellschaftung der Bestände<br />
großer Wohnungsunternehmen „gegenwärtig<br />
nicht zielführend“ sei. 137<br />
der 238 Delegierten lehnten das Instrument<br />
ab –trotz leidenschaftlich<br />
geführter Reden der Enteignungsbefürworterinnen<br />
wie Juso-Chefin Annika<br />
Klose oder Bildungspolitikerin<br />
Maja Lasic.<br />
PARTEITAGSBESCHLÜSSE<br />
Wahl: Wenn eine Doppelspitze<br />
gewählt wird, muss sie<br />
laut den neuen Statuten aus<br />
einem Mann und einer Frau<br />
bestehen. Eine Rolle spielt<br />
die neue Regelung aus dem<br />
Parteitag erstmals bei der<br />
Wahl der neuen Parteiführung<br />
im kommenden Frühjahr.<br />
Die Sozialdemokraten wollen zurück zum Beamtenmodell für Lehrer.<br />
Verbeamtung: Lehrer sollen<br />
wieder verbeamtet werden.<br />
Die SPD will den Beruf so attraktiver<br />
machen.Angestellte<br />
Lehrer,die nicht mehr verbeamtet<br />
werden könnenoder<br />
wollen, sollen einenAusgleich<br />
in FormeinerStundensenkung<br />
vonvier Stunden wöchentlich<br />
erhalten.<br />
IMAGO<br />
DPA<br />
Sogar der Fraktionsvorsitzende<br />
Raed Saleh hielt sich zurück, sprach<br />
das Thema in seiner Rede erst gar<br />
nicht an, obwohl er grundsätzlich<br />
nicht gegen Enteignungen ist. Noch<br />
im Sommer hatte er im Interview mit<br />
der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> gesagt: „Wir<br />
müssen darüber sprechen, was möglich<br />
ist und wo Enteignungen ihre<br />
Rechtfertigung finden.“<br />
Unterstützung bekam Müller von<br />
Familienministerin Franziska Giffey,<br />
die betonte, dass man mit diesem<br />
Geld besser 100 000 neue Wohnungen<br />
kaufen sollte. Die Erleichterung<br />
über die Entscheidung des Parteitags<br />
war Müller später durchaus anzusehen<br />
–eswäre eine dramatische Niederlage<br />
für den Landeschef gewesen,<br />
hätten die Delegierten sich anders<br />
entschieden. AndereSPD-Mitglieder<br />
offenbarten später, dass eine anderen<br />
Entscheidung die gesamte Ausrichtung<br />
der SPD verändert hätte.<br />
Die Koalitionspartner Linke und<br />
Grüne hatten sich schon zuvor auf<br />
eine Linie verständigt: Beide unterstützen<br />
die Ziele der Initiative.<br />
Seit’an Seit’–sozeigten sich Müller<br />
und Saleh auch beim zweiten<br />
heiklen Thema: Der Rückkehr zur<br />
Verbeamtung. Müller warb in seiner<br />
Eingangsrede für das Beamtenmodell.<br />
„Wir müssen uns mal ehrlich<br />
machen“, so der Landeschef. Ohne<br />
die Verbeamtung sei es noch schwerer,<br />
Leute für den Beruf zubegeistern.<br />
„Wir sind das einzige Land, das<br />
nicht verbeamtet. Diesen Wettbewerbsnachteil<br />
können wir nicht länger<br />
akzeptieren“, so Müller, der bisher<br />
eigentlich kein großer Befürworter<br />
der Idee war.<br />
Im März stimmten die Delegierten<br />
noch gegen die Verbeamtung –<br />
Saleh gilt als vehementer Verfechter<br />
des Modells und kassierte damals<br />
eine bittere Niederlage. Ein halbes<br />
Jahr später hat sich die Stimmung in<br />
der Partei nun gedreht, beziehungsweise<br />
wurden ausreichend Stimmen<br />
generiert. 122 SPD-Mitglieder<br />
stimmten dem Antrag zu, 100 dagegen.<br />
Die Prüfung, die die SPD nach<br />
dem letzten Parteitag unternommen<br />
hatte, resümierte, dass die finanzielle<br />
Differenz zwischen einem angestellten<br />
und einem verbeamteten<br />
Lehrer nicht über eine Umlage ausgeglichen<br />
werden könne.<br />
Auch der Tarifvertrag für den öffentlichen<br />
Dienst der Länder (TV-L)<br />
bietet danach keine Möglichkeit, den<br />
Verdienstunterschied auszugleichen.<br />
Auch diese Ergebnisse scheinen die<br />
Delegierten umgestimmt zu haben.<br />
Allerdings wirdesschwer, dieVerbeamtung,<br />
die vor15Jahren in Berlin<br />
abgeschafft wurde,soschnell einzuführen:<br />
Grüne und Linke sind auch<br />
hier anderer Meinung und glauben<br />
nicht daran, dass eine Verbeamtung<br />
dem Lehrermangel etwas entgegensetzen<br />
kann. Bildungssenatorin<br />
Sandra Scheeres (SPD) appellierte<br />
am Sonntag an Grüne und Linke:<br />
„Nun sind die Koalitionspartner aufgerufen,<br />
ihre Haltung zur Verbeamtung<br />
zu überdenken. Wenn außer<br />
Berlin alle anderen Bundesländer<br />
verbeamten, muss sich die Politik<br />
der Realität stellen“, sagte sie.<br />
NACHRICHTEN<br />
<strong>Berliner</strong> CDU will gegen<br />
Mietendeckel klagen<br />
Die<strong>Berliner</strong> CDU-Fraktion will aus<br />
verfassungsrechtlichen Bedenken<br />
gegen das Mietendeckel-Gesetz klagen.<br />
„Wir wollen schnellstmöglich<br />
Rechtssicherheit für Mieter und Vermieter,daher<br />
werden wir in jedem<br />
Fall klagen“, sagte CDU-Fraktionschef<br />
BurkardDregger.„Wirhaben<br />
alle ein Interesse daran, dass das Gesetz<br />
möglichst schnell überprüft<br />
wird. Wirals CDU-Fraktion stehen<br />
dafür bereit.“ DerSenat hat das Mietendeckelgesetz<br />
am 22. Oktober beschlossen.<br />
(dpa)<br />
Demonstration für Tempo 30<br />
in Kreuzberg und Neukölln<br />
Rund 300 Menschen haben am<br />
Sonnabend in Neukölln und Kreuzbergfür<br />
eine Reduzierung des Autoverkehrs<br />
demonstriert. „Wir fordern<br />
Tempo 30 auf allen Straßen, wo wir<br />
heute unterwegs sind und mehr Sicherheit<br />
für Radfahrer“, so ein Sprecher<br />
der Initiative„autofreiberlin“.<br />
DieDemonstranten zogen vomHermannplatz<br />
zum Moritzplatz. (dpa)<br />
Auto angezündet: 14-Jährige<br />
festgenommen<br />
Zwei 14-Jährige Mädchen sollen für<br />
mehrereBrandstiftungen am Sonnabend<br />
in Moabit verantwortlich sein.<br />
Kurz nach 22 Uhrbrannte in der<br />
Kruppstraße ein geparktes Auto,eine<br />
Dreiviertelstunde später brannten<br />
Bauabfälle an der Rathenower<br />
Straße.Anschließend stand ein Bauschuttcontainer<br />
in der Stendaler<br />
Straße in Flammen. Am frühen<br />
Sonntagmorgen ging die Brandserie<br />
weiter –mit Feuer an einem Kleidercontainer<br />
und einem Mülleimer an<br />
der Kruppstraße.Die Minderjährigen<br />
wurden festgenommen. (dpa)<br />
Weihnachtsmarkt: Betreiber<br />
hofft auf Einigung<br />
Nach dem Urteil des <strong>Berliner</strong> Verwaltungsgerichts<br />
gegen den traditionellen<br />
Weihnachtsmarkt am Schloss<br />
Charlottenburghofft der Veranstalter<br />
noch auf eine Einigung mit den<br />
Behörden. Am Montag wolle er dem<br />
Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorfein<br />
Konzept für die geforderten<br />
Sicherheitsauflagen vorlegen,<br />
sagte Veranstalter Tommy Erbe.Er<br />
hoffe,bis Dienstag eine Genehmigung<br />
zu bekommen, damit der<br />
Weihnachtsmarkt stattfinden könne.<br />
DasGericht hatte entschieden, dass<br />
die Marktbetreiber keinen Anspruch<br />
auf eine Genehmigung durch das<br />
Bezirksamt haben. Voraussetzung<br />
sei, dass der Marktdie notwendige<br />
Sicherheit gewährleiste.Das sei aktuell<br />
mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
nicht der Fall. (dpa)<br />
Steht auf der Kippe: Der Weihnachtsmarkt<br />
am Schloss Charlottenburg. IMAGO
10 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019<br />
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Stadtgeschichte<br />
<strong>Berliner</strong> Kolonialismus und jede Menge alternative Fakten<br />
Glücklicherweise wird verstärkt über deutsche Übersee-Politik diskutiert, doch die Unkenntnis mancher Beteiligter irritiert. Ein Zwischenruf aus der Wissenschaft<br />
VonUlrich vander Heyden<br />
Der <strong>Berliner</strong> Senat möchte<br />
verständlicherweise Erfolge<br />
seiner Regierungspolitik<br />
vorweisen. Einige<br />
Abgeordnete der Regierungskoalition<br />
haben sich dafür etwas Besonderes<br />
einfallen lassen: Die Geschichte<br />
muss her.Dakann man versuchen<br />
zu punkten, vor allem in Bezug<br />
auf deutsche Kolonialgeschichte.<br />
Denn es gibt gegenwärtig<br />
wohl keine Publikation zum 19. Jahrhundert<br />
beziehungsweise zur Geschichte<br />
der Beziehungen nach<br />
Übersee, in der sich nicht kritisch<br />
mit der deutschen kolonialen Vergangenheit<br />
auseinandergesetzt<br />
wird. Das freut einen Kolonial- und<br />
Afrikahistoriker,der sich seit dreieinhalb<br />
Jahrzehnten mit den mannigfachen<br />
Fragestellungen aus dem Beziehungsgeflecht<br />
Deutschlands insbesondere<br />
mit Afrika auseinandersetzt.<br />
Jedoch kochen inzwischen zu<br />
viele unausgebildete Köche den Brei.<br />
Ohne eingehende Quellenkenntnis<br />
werden vielfach Behauptungen aufgestellt<br />
oder unkritisch kolportiert,<br />
die beim Fachmann nur Verwunderung<br />
hervorrufen können.<br />
WarBerlin Kolonialmacht?<br />
Neuerdings bewegt ein Antrag<br />
(Drucksache 18/1788) der Fraktionen<br />
der SPD, der Linken und von<br />
Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus<br />
die Gemüter der kolonialgeschichtlich<br />
Interessierten. In<br />
dem Papier heißt es, dass Berlin für<br />
seine koloniale Vergangenheit Verantwortung<br />
übernehmen solle.Aber<br />
wie kann das geschehen? WarBerlin<br />
eine Kolonialmacht? Oder befanden<br />
sich im deutschen Verwaltungszentrum<br />
lediglich Institutionen, die der<br />
Eroberung und Aufrechterhaltung<br />
der Kolonialherrschaft des deutschen<br />
Kaiserreichs dienten? Müssen<br />
nun auch andere Städte oder gar<br />
Dörfer Verantwortung für „ihre“ koloniale<br />
Vergangenheit übernehmen?<br />
Sollte solche Aufgabe, Verantwortung<br />
für die Handlungen eines Staates,<br />
die teils mehr als einhundert<br />
Jahre zurückliegen, glaubhaft zu<br />
übernehmen, nicht eher eine nationale<br />
Angelegenheit sein?<br />
Daskönnte Aufgabe einer breiten<br />
politischen Debatte sein. Einbezogen<br />
werden könnten Gedenkstättenaktivitäten,<br />
Verbesserung der Kenntnisse<br />
über Kolonialismus in Museen,<br />
Schulen und Universitäten. Denn<br />
das tut Not!<br />
Der imAusschuss für kulturelle<br />
Angelegenheiten des Abgeordnetenhauses<br />
eingebrachte und beschlossene<br />
Antrag stellt eine siebenstellige<br />
Summe für zwei Jahrebereit. Sollten<br />
die postkolonial engagierten Landespolitiker<br />
anregen wollen, sich<br />
den in Berlin vorhandenen kolonialen<br />
Erinnerungsorten stärker zu widmen,<br />
kann so ein Projekt sinnvoll<br />
werden. Zwar sind diese Orte weitgehend<br />
ausgeforscht, aber vielleicht<br />
lassen sich weiterefinden.<br />
Da gäbe es beispielsweise die<br />
Kurfürstenstraße und den Kurfürstendamm;<br />
zwei Straßennamen, die<br />
Die Darstellung der Festung Großfriedrichsburg,der von 1683 bis 1717 bestehenden kurbrandenburgischen Kolonie in Westafrika, zeigt die Situation von 1688. WIKIMEDIA/ADAM JONES<br />
Reste von Fort Großfriedrichsburg im heutigen Ghana<br />
WIKIMEDIA/CC BY 3.0/OBRUNI<br />
an den brandenburgischen Kurfürsten<br />
Friedrich Wilhelm von Brandenburg<br />
(1620–1688) erinnern, der den<br />
Auftrag zum Sklavenhandel seines<br />
Fürstentums erteilt hatte.<br />
Vielleicht sollte man <strong>Berliner</strong><br />
Straßen nach Persönlichkeiten benennen,<br />
die nach dem 3. Oktober<br />
1989 geboren worden sind.<br />
Zur Thematik der kolonialen Erinnerungsorte<br />
liegen mehr als ein<br />
halbes Dutzend Bücher vor, auf die<br />
die Initiatoren des Antrags schon vor<br />
Monaten aufmerksam gemacht worden<br />
sind. Sie hatten sich auch artig<br />
bedankt und mitgeteilt, dass man<br />
auf die in den Universitäten der Stadt<br />
vorhandenen Fachleute nicht verzichten<br />
wolle. Allerdings wurden<br />
diese weder zu Konsultationen noch<br />
zu Anhörungen eingeladen.<br />
Uneingeschränkt ist dem Ansinnen<br />
des Senats beizupflichten, „wissenschaftliche<br />
Aufarbeitung“ und<br />
die „Forschung zum Thema“ zu unterstützen.<br />
Aber was genau will man<br />
erforschen? Hätte man nicht Kolonialhistoriker<br />
dazu befragen müssen?<br />
Siekennen doch am besten den Forschungsstand.<br />
Außerdem sind viele<br />
Themen auf dem weiten Gebiet der<br />
deutschen Kolonialgeschichte ausgeforscht.<br />
Immerhin wurde im Osten<br />
Deutschlands seit Ende der<br />
1950er-Jahre hierzu gearbeitet und<br />
gelehrt; in der alten Bundesrepublik<br />
existiert seit etwa Mitte der 1960er-<br />
Jahre eine kritische Kolonialgeschichtsschreibung.<br />
Weitere Punkte des Antrages lesen<br />
sich so,als wolle man Eulen nach<br />
Athen tragen. Denn die geforderten<br />
Provenienzforschungen zu den aus<br />
kolonialem Kontext stammenden<br />
Objekten in Museen und Sammlungen<br />
sind im Gange. ImHumboldt-<br />
ForuminMitte wirdandie deutsche<br />
(nicht nur <strong>Berliner</strong>!) Kolonialgeschichte<br />
erinnert werden. In dem<br />
verabschiedeten Papier wird auch<br />
auf die Umbenennung von kolonial<br />
belasteten Straßennamen eingegangen.<br />
Es wird von „überfälligen Straßenumbenennungen“<br />
gesprochen.<br />
In der Tatgibt es „kolonial belastete“<br />
Straßen in Berlin. Wie der Umgang<br />
damit in„die Hose gehen“ kann<br />
und zur Lachnummer selbst in einigen<br />
afrikanischen Ländern geworden<br />
ist, zeigen die Aktivitäten im<br />
Afrikanischen Viertel, die weithin<br />
ohne fachwissenschaftliche Begleitung<br />
oder Beratung verliefen.<br />
Ohne explizit die Mohrenstraße<br />
zu erwähnen, werden sich die Befürworter<br />
vonderen Umbenennung bestärkt<br />
fühlen. Davon zeugt das diesjährige<br />
„Mohrenstraßen Umbenennungsfest“<br />
vom 25. August, an dem<br />
etwa 60 bis 70 zumeist junge Menschen<br />
teilnahmen, Kultursenator Lederer<br />
war Gastredner. Obder promovierte<br />
Jurist den auf der Veranstaltung<br />
verteilten Flyergelesen hat?<br />
Hier fällt eine kaum zu glaubende<br />
historische Unwissenheit auf. So<br />
mussten in der Mohrenstraße „meist<br />
junge versklavte Afrikaner immer in<br />
Baracken leben“. Abgesehen davon,<br />
dass es damals dort keine Baracken<br />
gab und die „Afrikaner“ zumeist Araber<br />
waren, existierte auf dem Territorium<br />
von Brandenburg-Preußen,<br />
anders als in der Kolonie Großfriedrichsburg,<br />
keine Sklaverei. Dieinden<br />
Mohrenkolonnaden untergebrachten<br />
ausschließlich jungen Männer (!)<br />
gehörten zum privilegierten Armeemusikcorps<br />
des preußischen Königs.<br />
Siewaren hoch geachtet und gut bezahlt.<br />
Ein Forschungsauftrag könnte<br />
untersuchen, wo sich in einer solchen<br />
Musikkapelle Frauen versteckt<br />
hatten und wie viele von den sogenannten<br />
Janitscharen in ihreHeimat<br />
zurückkehrten oder sich in der hiesigen<br />
Gesellschaft integrierthatten.<br />
Die Brandenburgisch-Africanische<br />
Compagnie wurde nicht 1682,<br />
sondern 1692 gegründet. Es wurden<br />
über die Festung Großfriedrichsburg<br />
nicht „über 24 000“, sondern fast<br />
20 000 versklavte Menschen nach<br />
Amerika verschifft. Neu wäre auch,<br />
dass –laut Flyer–auf den Plantagen<br />
in der Karibik die Sklaven „zur Produktion<br />
von Tabak und Zucker für<br />
die Haushalte von noblen Brandenburger*innen<br />
ausgebeutet“ wurden.<br />
„Einige Menschen“ mussten in<br />
Berlin „im Gericht arbeiten, um dort<br />
die imperiale Macht der Brandenburg-Preußen<br />
zu demonstrieren“,<br />
sagt der Flyer. Hier ergäbe sich ein<br />
weiteres Forschungsfeld, nämlich zu<br />
eruieren, wo die angeblichen Sklaven<br />
arbeiteten, wenn sie ihren<br />
Dienst in der Armee aufgekündigt<br />
hatten. Erstaunen ruft hervor, dass<br />
etwa 200 Jahre vor Errichtung des<br />
deutschen Kaiserreichs ein „Kaiser<br />
Friedrich Wilhelm“ gefordert haben<br />
soll, die aus Afrika Entführten „zur<br />
Arbeit am Potsdamer und <strong>Berliner</strong><br />
Gericht zu zwingen“. Darüber hinaus<br />
wurden sie „gewaltsam getauft“.<br />
Amo und die Mohren<br />
Es kann den Antragstellern aus dem<br />
Kulturausschuss beigepflichtet werden,<br />
Gelder„im Bereich der universitären<br />
und der schulischen wie außerschulischen<br />
Bildung“ bereitzustellen.<br />
Denn der Flyerprovoziertdie<br />
Schlussfolgerung, es müsste eine gehörige<br />
Summe Geldes für die Geschichtsbildung<br />
ausgegeben werden.<br />
Dies scheint, wie voranstehend<br />
an nur einigen Beispielen belegt, unbedingt<br />
angebracht zu sein.<br />
Absolut nichts ist gegen eine Ehrung<br />
Anton Wilhelm Amos (ca. 1703<br />
bis ca. 1753) durch einen Straßennamen<br />
in der deutschen Hauptstadt<br />
einzuwenden. Er gilt als erster afrikanischer<br />
Gelehrter in Deutschland,<br />
promoviert an der Universität in<br />
Halle. Einige DDR-Wissenschaftler<br />
erforschten dessen Geschichte. Nur<br />
gibt es ein Problem, welches sehr an<br />
die Blamage im AfrikanischenViertel<br />
erinnert, wenn die Mohrenstraße in<br />
Anton-Wilhelm-Amo-Straße, wie<br />
auf dem Umbenennungsfest gefordert,<br />
geändertwird. Denn neben den<br />
schon mehrfach ausgeführten und<br />
von Wissenschaftlern aus gutem<br />
Grunde zurückgewiesenen unwissenschaftlichen<br />
Begründungen für<br />
die Umbenennung wird angeführt,<br />
dass „Mohr“ keine Selbstbezeichnung<br />
der Afrikaner gewesen sei. Nun<br />
hat aber Anton Wilhelm Amo im<br />
Jahre1729 seine erste Disputation an<br />
der Hallenser Universität in lateinischer<br />
Sprache unter dem Titel „De<br />
iureMaurorum in Europa“ gehalten,<br />
zu Deutsch: „Über die Rechtsstellung<br />
der Mohren in Europa“.<br />
ProfessorUlrich vander Heyden ist als Historiker<br />
undSpezialist für dieKolonialgeschichte Afrikas<br />
an FU und HU sowie in Pretoria tätig.<br />
DAS IST<br />
DAS WAR<br />
DAS KOMMT<br />
Cedelendorp<br />
Land-Tag<br />
Fontanes Berlin<br />
So geschrieben haben SieZehlendorfvielleicht noch nie<br />
gesehen. In Cedelendorp verbindet sich „Cedlo“, altslawisch<br />
für Siedlung, mit dem niederdeutschen Wort für<br />
Dorf. DieKombination erinnertandie sogenannte deutsche<br />
Ostsiedlung im 12. und 13. Jahrhundert. Die Zuwanderer<br />
fanden slawische Siedlungen vor. Die ersten<br />
kamen in diesen unter, nachfolgende gründeten neue<br />
Straßen- und Angerdörfer. Cedelendorp findet erstmals<br />
1242 Erwähnung, als die Markgrafen Johann I. und Otto<br />
III. es an das Zisterzienserkloster Lehnin gaben.<br />
Das Museum des Heimatvereins Zehlendorf e. V. zeigt Heimat- und<br />
Regionalgeschichte, Clayallee 355, Mo, Do 10–18 Uhr;Di, Fr 10–14 Uhr<br />
Nureinen Taglang trafen sich die politisch berechtigten<br />
Stände im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit, um<br />
binnen dieses einen Tages alle gemeinsamen Angelegenheiten<br />
der Landleute zu verhandeln. Daher hießen diese<br />
Versammlungen „Land-Tag“. Derhistorische Begriff rettete<br />
sich in die Neuzeit, obwohl die späteren Landtage<br />
viel länger „tagten“. Anders als die heute gewählten Abgeordneten<br />
waren die Teilnehmer durch ihren Stand,<br />
also Herkunft oder Amt, zur Mitsprache privilegiert. Inhaber<br />
eines Landgutes (überwiegend Adlige) gehörten<br />
dazu oder Äbte landtagsfähiger Stifte.Sie vertraten überwiegend<br />
die Interessen ihres jeweiligen Standes.Der Begriff<br />
Landstandschaft bezeichnete das Recht, in eigener<br />
Person auf dem Landtag zu erscheinen und zu sprechen.<br />
Dieses Vorrecht war ursprünglich als Personalrecht<br />
durch Zugehörigkeit zum Adelsstand gegeben, später<br />
wandelte es sich zum Realrecht und galt als Zubehör eines<br />
Rittergutes: Mitdem Erwerb eines Gutes kaufte man<br />
auch einen Landtagsplatz. Preußen schaffte das Recht einer<br />
besonderen Vertretung der Rittergutsbesitzer in der<br />
Verfassung von 1850 ab –eine Folge der Revolution von<br />
1848. DasAbgeordnetenhaus,Zweite Kammer des Preußischen<br />
Landtags, wurde fortan nach Dreiklassenwahlrecht<br />
gewählt. Die Erste Kammer, das Herrenhaus, bestand<br />
nach 1853 ausschließlich aus nicht gewählten Mitgliedern,<br />
vergleichbar dem britischen Oberhaus. (mtk.)<br />
Theodor Fontanes 200. Geburtstag wird zwar schon seit<br />
Monaten gefeiert, aber das eigentliche Datum kommt<br />
noch: am 30. Dezember. Bis dahin zeigt die Stiftung<br />
Stadtmuseum in einer fotografischen Ausstellung, wie es<br />
in Berlin zu Lebzeiten des Dichters ausgesehen hat. 65<br />
Jahrelang lebte er in der Stadt; in dieser Zeit wurde auch<br />
die Fotografie erfunden. Die Ausstellung würdigt daher<br />
zwölf Fotografen, die Berlin zeitgleich mit Fontane fotografisch<br />
beschrieben haben –von Leopold Ahrendts über<br />
F. AlbertSchwartz bis hin zu Heinrich Zille.<br />
Fontanes Berlin, fotografische Ausstellung,bis 5. Januar,Di–So 10 bis<br />
18 Uhr,Sonderöffnungszeiten an Feiertagen, Märkisches Museum
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12 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019<br />
·························································································································································································································································································<br />
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Teil 1: Kassensturz kurz vor der Rente ● Teil 2: Wasbleibt im Portemonnaie ● Teil 3: Wohnen im Alter ● Teil 4: Fitbleiben ● Teil 5: Jede Menge Freizeit ● Teil 6: Alter und Liebe<br />
BLZ/GALANTY<br />
Sich endlich<br />
auf Reisen<br />
begeben<br />
Wieviel Geld Rentner<br />
benötigen<br />
Eines ist klar: Die Einkünfte als<br />
Rentner liegen mit Sicherheit<br />
unter denen als Arbeitnehmer. Aber<br />
werden sie reichen? Voreinigen Jahrengingen<br />
Experten davon aus,dass<br />
man mit rund 70 Prozent des letzten<br />
Nettogehalts im Ruhestand gut leben<br />
kann. Da die täglichen Kosten<br />
steigen und Rentner heute konsumfreudiger<br />
und unternehmungslustiger<br />
sind, ist dieser Wert im Schnitt<br />
auf 80 bis 85 Prozent gestiegen, so<br />
eine Schätzung des Sparkassen-Finanzportals.<br />
Richtig ist, dass einige Ausgaben<br />
für Rentner wegfallen. Wo man früher<br />
eingezahlt hat, wird heute entnommen:<br />
Dasbeginnt mit dem Riester-Sparplan<br />
und anderen Altersvorsorgen,<br />
zum Beispiel Lebensversicherungen,<br />
und endet mit der<br />
gesetzlichen Rente. Auch die Fahrtkosten<br />
für Wege zum Arbeitsplatz<br />
entfallen und einige Ausgaben für<br />
Kantinen- oder Restaurantbesuche.<br />
Ein weiterer Vorteil: Rentner erhalten<br />
einige Vergünstigungen bei Tickets<br />
und Eintrittskarten.<br />
Der Rentenbescheid informiertüber den<br />
Stand der Dinge.<br />
IMAGO-IMAGES<br />
Doch es gibt auch Ausgaben, die<br />
steigen. Rentner verbringen mehr<br />
Zeit zu Hause.Dadurch erhöhen sich<br />
die Kosten für Strom und Gas. Viele<br />
Rentner verändern ihre Wohnsituation,<br />
um sich zu verkleinernoder näher<br />
zu den Kindern zukommen. Sie<br />
ziehen von der Stadt aufs Land oder<br />
umgekehrt. Dasbringt –wenn es gut<br />
läuft –längerfristig Ersparnisse,doch<br />
der Umzug selbst und die Neueinrichtung<br />
einer Wohnung sind teuer.<br />
Um die Zeit zu füllen, ergreifen viele<br />
Rentner neue Hobbys. Sie lernen<br />
Klavierspielen, wandern regelmäßig<br />
oder betätigen sich kreativ.<br />
Auch diese Aktivitäten schlagen<br />
unter Umständen zu Buche. Das<br />
Lieblingshobbyvieler Rentner ist das<br />
Reisen. Nicht wenige freuen sich ihr<br />
ganzes Berufsleben darauf, endlich<br />
Zeit zu haben, fremde Länder zu erkunden.<br />
Auch hierfür braucht man<br />
natürlich Geld. Ebenso wie für Haustiere:<br />
Ein Hund oder eine Katze kosten<br />
nicht nur Unterhalt für Futter,<br />
sondernImpfungen und Tierarztbesuche<br />
sind ebenfalls Ausgaben, für<br />
die es Rücklagen geben muss.<br />
Zuletzt seien auch Ausgaben für<br />
die Gesundheit genannt. Das Alter<br />
bringt leider häufig Erkrankungen<br />
mit sich. Medikamente und Behandlungen<br />
kosten entsprechend.<br />
Werheute schon weiß, wie er sein<br />
Alter gestalten möchte, kann auch<br />
schon überschlagen, wie viel zum<br />
Beispiel für Freizeitaktivitäten oder<br />
Reisen einzukalkulieren ist. (mec.)<br />
Viele Menschen erleben das Rentenalter bei guter Gesundheit und als aktive Zeit. Doch neue Pläne kosten auch Geld.<br />
Soll und Haben<br />
Kurz vormRuhestand noch eine Zusatzrente ansparen –Finanzplaner Maximilian Kleyboldt erklärt,wie’s geht<br />
VonMechthild Henneke<br />
Jedes Jahr flattertdie Statusmeldung<br />
von der Rentenversicherung<br />
ins Haus, doch nicht wenige<br />
schieben die Briefe so<br />
lange beiseite, bis der Ruhestand in<br />
sichtbarer Nähe ist. Maximilian<br />
Kleyboldt ist stellvertretender Direktor<br />
der Bethmann-Bank und Vorstandsmitglied<br />
im Financial Planning<br />
Standards Board Deutschland<br />
(FPSB), das private Finanzplaner<br />
zertifiziert und als Non-Profit-Organisation<br />
auftritt. Er kennt die Situation<br />
von Kunden, die auch wenn sie<br />
schon die 50 überschritten haben,<br />
noch vorsorgen wollen. Hier seine<br />
Ratschläge.<br />
Gründliche Bestandsaufnahme: Bevor<br />
esindie Aktion geht, empfiehlt<br />
Kleyboldt eine gründliche Bestandsaufnahme.<br />
„Wichtig ist, die eigene<br />
Ausgangssituation richtig festzustellen“,<br />
sagt er. Welche Altersvorsorgeansprüche<br />
wurden bereits erworben,<br />
und wie werden sie sich bis zu<br />
Rente entwickeln –nehmen sie zu,<br />
nehmen sie ab? Außerdem müssten<br />
Einnahmen und Ausgaben angeschaut<br />
werden. Wie viel Geld werde<br />
monatlich gebraucht, heute, aber<br />
auch in Zukunft. „Es gilt, einen Kassensturz<br />
zu machen.“ Neben der<br />
staatlichen gebe es häufig auch eine<br />
betriebliche Rente. Diese müsse<br />
ebenfalls einbezogen werden.<br />
Sparpotenzial: Kleyboldts Ansage ist<br />
eindeutig. „Sparen, sparen, sparen –<br />
das hilft.“ Wer für den Ruhestand<br />
noch mehr vorsorgen wolle,solle auf<br />
einen Urlaub proJahr oder auf unnötige<br />
Ausgaben verzichten und stattdessen<br />
200 Euro im Monat anlegen.<br />
„Damit kann man seine Situation im<br />
Alter schon verbessern“, sagt er.<br />
Anlagemöglichkeiten: Ein Aktiensparplan<br />
ist für Kleyboldt eine sinnvolle<br />
Möglichkeit. Damit ist die regelmäßige<br />
Einzahlung in einen ETF-<br />
Sparplan gemeint. Diese ETFs (Exchange<br />
Traded Funds) bilden die<br />
Entwicklung von Aktienindizes wie<br />
dem Dax oder dem Weltaktienindex<br />
STAATLICH GEFÖRDERTE BETRIEBSRENTEN<br />
Neuregelung: Betriebsrenten sind wichtigeErgänzungen der staatlichen Renten.<br />
Der Gesetzgeber hat vorkurzem Neuregelungen geschaffen, damit die Betriebsrente stärker<br />
genutzt wird. Das lohnt sich besonders für Geringverdiener.Sie sollten mit ihrem Arbeitgeber<br />
über mögliche Varianten sprechen.<br />
Arbeitgeberanteil: Seit diesem Jahr sind alle Arbeitgeber verpflichtet, 15 Prozent<br />
beizusteuern, wenn Mitarbeiter mit eigenem Geld eine Betriebsrente ansparen wollen. Direktversicherungen<br />
bieten hierzu Modelle an. Dies lohnt sich besonders bei einer Betriebsrente,<br />
die monatlich unter 155 Euro liegt, weil für diese keine Sozialabgaben fällig werden.<br />
Staatliche Förderung: Geringverdiener unter 2200 Euro Bruttogehalt erhalten Förderung für<br />
Beiträgeunter 480 Euro pro Kalenderjahr.Der Staat gibt 144 Euro zu dieser Summe hinzu.<br />
Der Arbeitgeber erhält diesen Beitrag über die vonihm abgeführte Lohnsteuer zurück.<br />
Umschichten: Bestehende Versicherungen prüfen lohntsich, sagt Stiftung Warentest.<br />
Dadurch wird Geld frei, dasfür Zusatzrenteneingezahlt werden kann. Zum Beispiellohnt sich<br />
eine Vollkaskoversicherung nur bei neuenWagen. Der Umstieg in die Teilkaskobringtbares Geld.<br />
Billiger abschließen: Fünf Jahre alte Versicherungen sollten auf den Prüfstand gestellt<br />
werden. Bei Hausrat-, Haftpflicht- ,Unfall- aber auch Auslandsreiseversicherungen gibt es<br />
häufig Tarifsenkungen, die die Verbraucher dann nutzen können. Handy- und<br />
Brillenversicherungen hält Stiftung Warentest für überflüssig.<br />
MSCIWorld ab.Das Risiko ist bei dieser<br />
Investition anden Aktienmarkt<br />
geknüpft, doch haben sich ETFs in<br />
den letzten Jahren als ähnlich<br />
risikoreich wie gemanagte<br />
Investmentfonds erwiesen.<br />
„Es ist die kostengünstigste<br />
Variante“, sagt<br />
Kleyboldt. Eine Lebensversicherung<br />
abzuschließen,<br />
sei teurer. Weitere Anlagemöglichkeiten,<br />
die geprüft<br />
werden sollten, seien die<br />
Riester- und die Rürup-<br />
Rente. Vor allem, weil<br />
beide Modelle attraktive Zusatzleistungen<br />
enthalten, wie Kinderzulagen<br />
bei Riester.<br />
Eingroßes Risiko einzugehen, bei<br />
dem in als hoch riskant eingeschätzte<br />
Fonds oder Sparmodelle investiert<br />
wird, hält Kleyboldt für<br />
falsch. „Steht der Zeitpunkt der<br />
Rente kurz bevor, sollte das Risiko<br />
der Anlage eher gering sein bzw.zum<br />
Ruhestandsbeginn abnehmen“, sagt<br />
Maximilian<br />
Kleyboldt, FSPB<br />
FSPB<br />
Finanzplanung bei Eintritt<br />
des Ruhestands: Mit dem<br />
Alter von65oder 67 Jahren<br />
werden häufig Ansprüche<br />
er.Eine Reduzierung der Risiko- und<br />
somit Aktienquote wäre die Konsequenz,<br />
aber immer im Kontext der<br />
sonstigen persönlichen<br />
Vermögensverhältnisse<br />
und der persönlichen Zielvorstellungen.<br />
aus Altersvorsorgeversicherungen<br />
fällig. Kleyboldt<br />
zählt zwei verschiedeneVarianten<br />
auf, die Ruheständler<br />
gründlich überlegen sollten.<br />
Auszahlung als lebenslange Rente:<br />
Wersich dafür entscheidet, erhält bis<br />
zum Ende seines Lebens einen monatlichen<br />
Betrag. Diese Entscheidung<br />
gewährt maximale Sicherheit.<br />
„Wer damit rechnet, lange zu leben,<br />
sollte sich dafür entscheiden“, sagt<br />
Kleyboldt. DerNachteil: Entscheidet<br />
IMAGO-IMAGES<br />
das Schicksal gegen einen langen<br />
Ruhestand, bleibt das Geld im Schoß<br />
der Versicherung. „Es gibt in einigen<br />
Rentenversicherungen Sicherheitsvorkehrungen,<br />
sodass zum Beispiel,<br />
das, was noch nicht ausgezahlt<br />
wurde, andie Erben ausgeschüttet<br />
wird oder es gibt eine Rentengarantiezeit“,<br />
sagt Kleyboldt. Bei Versorgungswerken<br />
gebe es außerdemVorkehrungen<br />
für Ehepartner. Sie erhielten<br />
bis zu 60 Prozent der Rente<br />
als Witwen-/Witwerrente.<br />
Der Staat besteuert den Rentenbezug<br />
aus privater Altersvorsorge<br />
außerdem nur mit dem Ertragsanteil.<br />
Bekommt man zum Beispiel als<br />
65-jähriger 1000 Euro als Rente aus<br />
der Versicherung ausbezahlt, werden<br />
180 Euro für die Besteuerungzugrunde<br />
gelegt. Wird die gesamte<br />
Summe ausgezahlt, wird, je nach Abschlussdatum<br />
der Versicherung, die<br />
Ablaufleistung steuerpflichtig, und<br />
es werden bei der späteren Anlage<br />
auf Wertsteigerungen und Zinsen 25<br />
Prozent Abgeltungssteuer erhoben.<br />
Auszahlung der vollen Summe bei Eintritt<br />
in den Ruhestand: Diezweite Variante<br />
ist, sich die angesparte Zusatzrente<br />
auf einen Schlag überweisen<br />
zu lassen. „Bei der sogenannten Ablaufleistung<br />
hat der Ruheständler<br />
den Vorteil, dass er zu jeder Zeit auf<br />
das Geld zugreifen kann“, sagt Kleyboldt.<br />
Daraus kann er oder sie sich<br />
zum einen monatlich eine kleine<br />
Summe auszahlen. Zum anderen<br />
könne man versuchen, den Restbetrag<br />
für sich arbeiten zu lassen.<br />
„Wenn man denkt, dass man ein gutes<br />
Händchen bei der Kapitalanlage<br />
hat, kann man sich selbst darum<br />
kümmern“, fügt Kleyboldt hinzu.<br />
Diese Flexibilität biete einem nur die<br />
Auszahlung dervollen Summe.<br />
Ein weiterer Vorteil: Lässt die Gesundheit<br />
nach oder eine lebensverkürzende<br />
Krankheit tritt auf, ermöglicht<br />
eine große Summe auf dem<br />
Konto eventuell eine letzte große<br />
Reise. Mit einer endfälligen Ablaufleistung<br />
könne man auch die Erben<br />
besser absichern bzw. Schenkungen<br />
vornehmen, weil sich das Geld ja in<br />
den Händen des Einzahlers befindet.<br />
Früher<br />
in Rente<br />
gehen<br />
Ab 63 Jahren kann<br />
mit dem Job Schluss sein<br />
Wer nicht bis zum offiziellen<br />
Rentenstartmit 65 Jahren (plus<br />
x) warten will, kann bereits mit 63<br />
Jahren in Rente gehen. Dabei gibt es<br />
aber einiges zu beachten.<br />
45 Versicherungsjahre: Wer45Jahre<br />
lang Beiträge eingezahlt hat und<br />
heute mindestens 63 Jahrealt ist, hat<br />
Anspruch auf die Altersrente für besonders<br />
langjährig Versicherte, die<br />
ohne Kürzung gezahlt wird.<br />
35 Versicherungsjahre: Menschen<br />
mit 35 Beitragsjahren nennt die Rentenversicherung<br />
„langjährig Versicherte“.<br />
Sie können mit 63 Jahren in<br />
die Frührente gehen – allerdings<br />
müssen sie dann mit Abschlägen bei<br />
der Rente rechnen.<br />
Ein Beispiel: Ein Versicherter<br />
wurde am 1. 1. 1960 geboren und hat<br />
eine zu erwartende Bruttoaltersrente<br />
von 1500 Euro. Entschließt er<br />
sich, mit 63 Jahren, also am 1. 1. 2023,<br />
in Rente zu gehen (statt wie für diesen<br />
Jahrgang gültig regulär am 1. 5.<br />
2026), muss er eine Rentenminderung<br />
von zwölf Prozent in Kauf nehmen,<br />
so eine Berechnung der Deutschen<br />
Rentenversicherung. Bei<br />
1500 Euro wären das 180 Euro.<br />
Wichtig ist zu beachten, dass die<br />
Kürzung für die gesamte Dauer der<br />
Rentenzeit gilt.<br />
Abschlag: Die Abzüge bei der Frührente<br />
werden im Laufe der nächsten<br />
Jahre ansteigen. Der Grund: Das<br />
Rentenalter wirdimmer weiter angehoben<br />
und die zeitliche Differenz<br />
zur Frührente mit 63 Jahren wird<br />
größer. Liegt das Rentenalter zurzeit<br />
bei 65 Jahren und acht Monaten, so<br />
können 1964 und später Geborene<br />
erst mit 67 Jahren regulär in Rente<br />
gehen. Um vier Jahre früher sein Alter<br />
genießen zu können, würde die<br />
Rente um 14,4 Prozent gekürzt. Im<br />
Fall von 1500 Euro Rente wären das<br />
216 Euro.<br />
Ausgleichszahlungen: Versicherte<br />
können durch Beitragszahlungen<br />
die Rentenminderung ganz oder<br />
teilweise ausgleichen. Wie hoch<br />
diese Zahlungen ausfallen, berechnet<br />
die Rentenversicherung individuell.<br />
Billig ist es aber nicht. DieRentenversicherung<br />
gibt ein Rechenbeispiel:<br />
Werbei einer zu erwartenden<br />
Rente von rund 1452 Euro beschließt,<br />
14 Monate vor dem regulärenRentenantritt<br />
in Frührente zu gehen,<br />
müsste eine Ausgleichszahlung<br />
von 14383 Euro vornehmen. So<br />
könnte er die rund 61 Euro, die monatlich<br />
von der Rente abgezogen<br />
würden, selbst einschießen.<br />
Für Versicherte in den neuen Bundesländern<br />
lohnen sich die Ausgleichszahlungen<br />
besonders, denn<br />
hier sind die freiwilligen Beiträge<br />
geringer, umdie Rentenminderung<br />
auszugleichen. 2025 wird dieser<br />
Vorteil aufgehoben. Wer sich kurz<br />
vor Eintritt in die Frührente überlegt,<br />
doch weiterarbeiten zu wollen,<br />
kann dies übrigens tun. Die Ausgleichszahlungen<br />
werden zwar<br />
nicht erstattet, aber sie erhöhen die<br />
Rente. (mec)
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019 13<br />
·························································································································································································································································································<br />
Berlin<br />
Digital ausgeschürft, analog konkurs<br />
Das Krypto-Start-up Envion köderte Anleger mit Versprechen über Gewinne beim Schöpfen virtuellen Geldes. Nach der Pleite geht es nun um Schadensbegrenzung<br />
VonAndreas Förster<br />
Die Bilder, 2017 von einer<br />
Drohne am blau-weißen<br />
Novemberhimmel über<br />
Eberswalde aufgenommen,<br />
kann man heute noch im Internet<br />
ansehen: Ein Tieflader fährt mit<br />
einem Schiffscontainer auf der Ladefläche<br />
zum riesigen Solarfeld auf<br />
dem Flugplatz Eberswalde. Ein Kran<br />
hebt den weißen Container mit dem<br />
blauen Schriftzug Envion vom Lkw<br />
und stellt ihn auf eine Betonfläche<br />
neben das Feld mit den silbrig<br />
schimmernden Solarpaneelen.<br />
Durch eine geöffnete Tür kann man<br />
im Inneren des sechs mal 2,40 Meter<br />
großen Containers Regale mit Dutzenden<br />
Rechnern für das sogenannte<br />
Kryptomining, die virtuelle<br />
Produktion von Bitcoins und anderendigitalen<br />
Währungen, erkennen.<br />
Doch die Fotos stehen nicht für<br />
Zukunftstechnologie,sondernfür die<br />
spektakuläre Pleite eines in Berlin<br />
entwickelten und scheinbar vielversprechenden<br />
Krypto-Start-ups. Sie<br />
stehen auch für einen gigantischen<br />
Anlegerskandal, bei dem rund 30 000<br />
Investoren insgesamt 100 Millionen<br />
Dollar in den Sand gesetzt haben.Wie<br />
konnte es dazu kommen? Welche<br />
Chancen haben Anleger,ihr mit windigen<br />
Versprechen angelocktes Geld<br />
zurückzubekommen?<br />
Die Idee des <strong>Berliner</strong> Gründers<br />
Die <strong>Berliner</strong> Gründer der im schweizerischen<br />
Baar ansässigen Envion AG<br />
hatten die Idee, sogenannte Mobile<br />
Mining Units herzustellen. Diese in<br />
Container eingebauten Mining-Fabriken<br />
sollten laut Projektbeschreibung<br />
Kryptowährungen wie Bitcoin<br />
„schürfen“ und die dazu notwendige<br />
hohe Energiemenge an den Quellen<br />
beziehen, wo sie gerade verfügbar ist.<br />
Bei nicht voll ausgelasteten Solar-,<br />
Wind- oder Wasserkraftwerken etwa,<br />
wo es immer Zeiten gibt, in denen<br />
überschüssiger Strom anfällt. Dann<br />
Ein Container mit eingebauten Mining-Fabriken, die Kryptowährungen schürfen soll, wird nahe einer Solaranlage platziert.<br />
sollte ein Tieflader die Mining-Fabrik<br />
dorthin schaffen, wo sie direkt ans<br />
Netz angeschlossen wird.<br />
So weit die Idee. Obsie funktionieren<br />
kann, ist nicht nachgewiesen.<br />
Der Envion-Container vom Eberswalder<br />
Flugplatz hat nie irgendwelche<br />
Bitcoins produziert. Fast zwei<br />
Jahre später schaut es sogar so aus,<br />
als habe der vermeintliche Prototyp<br />
vor allem dazu dienen sollen, statt<br />
Kryptowährung reales Geld zu<br />
schürfen. Sollte das der Plan gewesen<br />
sein, hat er funktioniert: In einem<br />
virtuellen Börsengang (Initial<br />
Coin Offering, ICO) hatten die Envion-Macher<br />
ab Mitte Dezember<br />
2017 in nur einem Monat rund 100<br />
Millionen Dollar eingesammelt und<br />
den Investoren Renditen von bis zu<br />
161 Prozent versprochen. Kurz darauf<br />
verkrachten sich Gründer und<br />
Geschäftsführer der Firmaund überzogen<br />
sich gegenseitig mit Klagen.<br />
Die Schlammschlacht führte dazu,<br />
dass ein Schweizer Kantonsgericht<br />
vor Jahresfrist die Auflösung des gerade<br />
mal dreizehn Monate existierenden<br />
Unternehmens verfügte. Irgendetwas<br />
produziert oder verkauft<br />
hatte die Firmabis dahin nicht.<br />
Der Envion-ICO fiel in die Hoch-<br />
Zeit des Bitcoin-Booms, in dem<br />
Krypto-Start-ups aus dem Boden<br />
schossen und immer neue virtuelle<br />
Börsengänge auflegten.<br />
Reguliert war diese ICO-<br />
Praxis kaum, was die Anleger<br />
aber auch nicht interessierte.<br />
Ineiner Zeit weltweit<br />
niedriger Zinsen<br />
suchten sie verzweifelt Anlagemöglichkeiten,<br />
und da<br />
schien vielen die Kryptowelt<br />
eine Verheißung zur<br />
Geldvermehrung. Zwar<br />
warnte schon 2017 die Europäische<br />
Börsenaufsicht Esma vor<br />
dem rapiden Anstieg von ICOs: „Wir<br />
sind besorgt, dass Investoren nicht<br />
wissen, welche Risiken damit verbunden<br />
sind“, erklärte die Esma damals.<br />
Doch die Warnung verhallte.<br />
2018 explodierte der Markt, Anleger<br />
Envion-Gründer<br />
Michael Luckow<br />
LUNAX/THOMAS EGLI<br />
DPA/NAIMA STRATEGIC LEGAL SERVICES GMBH<br />
investierten laut Branchenseite<br />
Coinschedule 21,6 Milliarden Dollar.<br />
Im Jahr zuvor waren es bereits sieben<br />
Milliarden Dollar,die bei ICOs eingesammelt<br />
wurden. 2019 ist die Blase<br />
geplatzt, die meisten der bis dahin<br />
aufgelegten ICO-Projekte erwiesen<br />
sich als Betrugs- oder Totalausfall.<br />
So auch die Envion AG.Ihr<br />
Gründer und Ideengeber,<br />
der <strong>Berliner</strong> Michael Luckow,<br />
gab in einem Gespräch<br />
mit dem Handelsblatt<br />
vor einem Jahr zu, er<br />
habe mit den Mining-Fabriken<br />
vor allem zunächst<br />
die Geldwelle reiten wollen.<br />
Denn der Hype um die<br />
Kryptowährungen sei ihm<br />
und seinen Freunden damals<br />
wie beim Neuen Markt, der Internet-Blase<br />
Ende der 1990er-Jahre,<br />
erschienen. „Die Leute bekamen das<br />
Geld einfach hinterhergeworfen. Es<br />
war vorauszusehen, dass das nicht<br />
lange gut gehen wird“, sagte er.Deshalb<br />
hatten sie in großer Eile ihr Projekt<br />
entwickelt, um Investorengelder<br />
zu bekommen. „Das Thema funktionierte<br />
und war erfolgreich. Also finanziell,<br />
nicht unbedingt technisch“,<br />
sagte Luckow.<br />
Geld für ein Projekt zu bekommen,<br />
das am Ende vielleicht gar nicht<br />
funktioniert? Vorzwei Jahren schien<br />
das in der Krypto-Welt kein Problem<br />
zu sein. Die Anleger störten sich offenbar<br />
auch nicht daran, dass Envion-Gründer<br />
Luckow sich vor dem<br />
Börsengang zurückzog. Im Herbst<br />
2017 übertrug er sein Aktienpaket an<br />
den von ihm berufenen Geschäftsführer<br />
Matthias Wöstmann, der mal<br />
Auslandskorrespondent der ARD war,<br />
dann eine wenig erfolgreiche Filmrechtefirma<br />
betrieb und schließlich<br />
eine Investmentgesellschaft gründete.<br />
Die Abmachung: Wöstmann<br />
sollte das Aktienpaket nach dem ICO<br />
an Luckowzurückgeben.<br />
Wozu der Scheinrückzug? Der 35-<br />
jährige Luckow gab im Handelsblatt<br />
an, er stehe lieber im Hintergrund.<br />
Einanderer denkbarer Grund: Möglicherweise<br />
wollte der nicht immer erfolgreiche<br />
Unternehmer, der es auch<br />
mit einer Ticketfirma, einer Marketingagentur<br />
und dem Internethandel<br />
mit chinesischen Sitzsäcken versucht<br />
hatte, einen Makel verbergen –sein<br />
Name stand seit 2015 im Schuldnerregister<br />
des Amtsgerichts Berlin.<br />
Enttäuschte Anleger haben Klagen<br />
gegen die Envion-Macher eingereicht,<br />
um ihreInvestitionen zurückzubekommen.<br />
Der Erfolg hängt<br />
auch von dem kürzlich am <strong>Berliner</strong><br />
Landgericht eröffneten Zivilprozess<br />
ab. Dort wollen die Richter die Verantwortlichkeiten,<br />
die technischen<br />
Details, die Vollständigkeit von<br />
Emissionsprospekten und die juristische<br />
Korrektheit des Envion-Börsengangs<br />
prüfen. Daneben laufen<br />
staatsanwaltschaftliche Ermittlungen<br />
wegen Betrugs- und Untreueverdacht<br />
gegen Firmenverantwortliche.<br />
Geprellte dürfen hoffen<br />
Etwas Hoffnung, wenigstens einen<br />
Teil ihres Geldes zurückzuerhalten,<br />
können sich die Geschädigten machen.<br />
Sie können aus der Liquidationsmasse<br />
der Schweizer Envion AG<br />
bedacht werden, und die Envion-<br />
Gründer um Luckow wollen ihre Erlöse<br />
aus dem Engagement für die<br />
Firma an ein Liquidation Upgrade<br />
Program (LUP) spenden. Diese unabhängig<br />
geführte Gesellschaft wirddie<br />
Mittel an die Anleger verteilen. Zu<br />
den Erlösen, die Luckowdem LUPzur<br />
Verfügung stellen wird, sollen auch<br />
Gelder gehören, die er durch mögliche<br />
Schadenersatzklagen gegen seinen<br />
Widersacher Wöstmann und<br />
dessen Partner erstreiten will.<br />
DieRede ist vonmehreren Millionen<br />
Euro, die dem LUP irgendwann<br />
zur Verfügung stehen sollen. Ob damit<br />
die gesamte Schadensumme abgedeckt<br />
wird und allen 30 000 Geprellten<br />
Gerechtigkeit widerfahren<br />
kann, bleibt abzuwarten. DasKapitel<br />
Envion ist jedenfalls auch juristisch<br />
noch längst nicht abgeschlossen.<br />
Pädophiler gefasst<br />
29-Jähriger bei Razzia gegen Clans verhaftet<br />
ImKampf gegen kriminelle Clans<br />
erhöhen die Sicherheitsbehörden<br />
ihren Ermittlungsdruck: Vom Freitagabend<br />
bis zum Sonnabendmorgen<br />
durchsuchten 180 Polizisten sowie<br />
30 Beamte von BKA, Zollfahndung,<br />
Finanz-und Bezirksämternerneut<br />
Lokale und Wettbüros in<br />
Wedding.<br />
Es gehe darum, Strukturen krimineller<br />
Clans zu erhellen und Straftaten<br />
aufzuklären, sagt ein Polizeisprecher.<br />
Diesmal traf es unter anderem<br />
die Betreiber von Lokalen rings um<br />
die Müllerstraße. Die Beamten stellten<br />
elf Spielautomaten sicher und<br />
nahmen sie wegen des Verdachts der<br />
Manipulierung mit. Zwei Wettbüros<br />
wurden geschlossen.<br />
Bereits wenige Stunden zuvor<br />
hatten die Einsatzkräfte Lokale in<br />
der Schul- und in der Liebenwalder<br />
Straße kontrolliert. Die Beamten<br />
fahndeten nach gewerbe-, arbeits-,<br />
steuer- und ordnungsrechtlichen<br />
Verstößen und wurden schnell fündig.<br />
So wurde ein 29-Jähriger in einer<br />
Shisha-Bar verhaftet. Nach ihm war<br />
mit internationalem Haftbefehl gefahndet<br />
worden. Der gebürtige<br />
Türke soll sich an Kindernvergriffen<br />
haben. Er kam direkt in das Untersuchungsgefängnis<br />
Moabit. Außerdem<br />
stellten Polizisten 20 Kilogramm unversteuerten<br />
Shisha-Tabak sicher. In<br />
der Antonstraße beschlagnahmten<br />
die Beamten das Auto eines 53-Jährigen.<br />
DieScheiben des Fahrzeugs waren<br />
widerrechtlich mit dunkler Folie<br />
beklebt. Außerdem entsprachen die<br />
Reifen des Autos nicht den technischen<br />
Normen.<br />
Für die nächsten Tage kündigten<br />
die Sicherheitsbehörden weitere<br />
stadtweite Kontrollen an. Seit Januar<br />
dieses Jahres hat es nach Angaben<br />
des Innensenators Andreas Geisel<br />
(SPD) 237 Einsätze gegen Clans in<br />
Berlin gegeben. Geisels Strategie ist<br />
dabei, die gesamte Auswahl staatlichen<br />
Handelns zu nutzen. Das beginnt<br />
beim Parken in der zweiten<br />
Reihe,das genauso zu ahnden ist wie<br />
Steuerhinterziehung. Diese Strategie<br />
soll fortgesetzt werden, hatten Fachleute<br />
am Donnerstag auf einer Konferenz<br />
zur Bekämpfung der Clankriminalität<br />
beschlossen. (ls.)<br />
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Polizisten während der Razzia am Sonnabendmorgen in Wedding.<br />
PUDWELL
14 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019<br />
·························································································································································································································································································<br />
Berlin<br />
POLIZEIREPORT<br />
Rangelei mit Funkwagenbesatzung.<br />
AmSonnabendnachmittag hat ein<br />
23-Jähriger in Kreuzbergeinen Polizist<br />
ins Gesicht geschlagen. Gegen<br />
15.40 Uhrwaren mehrereFunkwagen<br />
wegen einer angeblichen Schlägerei<br />
in die Manteuffelstraße alarmiertworden.<br />
Aufdem Wegdorthin<br />
sprangen an einer Bushaltestelle<br />
zwei Männer vordie Funkwagen, sodass<br />
die Beamten starkbremsen<br />
mussten. Als sich die Schlägerei als<br />
Fehlalarmerwies,suchten die Streifen<br />
nach den Männern. In der Mariannenstraße<br />
wurden sie entdeckt.<br />
Einer der Männer schlug bei seiner<br />
Flucht einem Polizisten mit der<br />
Faust ins Gesicht. Beide Täter wurden<br />
überwältigt und konnten in Gewahrsam<br />
genommen werden.<br />
Unfall bei Flucht vor der Polizei.<br />
Auf der Flucht vorder Polizei hat in<br />
Wedding am Sonnabendmorgen ein<br />
31-Jähriger mehrereUnfälle verursacht.<br />
DerMann, der keinen Führerschein<br />
besitzt, war am frühen Morgen<br />
mit einem Renault vonder Triftstraße<br />
nach links in die Genter<br />
Straße abgebogen. Dabei verlor er<br />
die Kontrolle über den Wagen und<br />
prallte gegen vier geparkte Fahrzeuge.Zuvor<br />
war er Polizisten aufgefallen,<br />
als er an der Kreuzung Schulstraße/Maxstraße<br />
mit hoher Geschwindigkeit<br />
gefahren war.Sie folgten<br />
daraufhin dem Renault mit<br />
eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn,<br />
um ihn zu stoppen. Der31-<br />
Jährige überfuhr mehrererote Ampeln.<br />
In der Genter Straße endete die<br />
Flucht. Er wurde festgenommen. Bei<br />
seiner Durchsuchung stellten die<br />
Beamten Drogen sicher.<br />
Frau beim Ausparkenerfasst.<br />
Beieinem Unfall am Sonnabend in<br />
Westend ist eine Frau schwer verletzt<br />
worden. Ein73-Jähriger war gegen<br />
14 Uhrmit seinem Hyundai rückwärts<br />
vomMittelstreifen auf den Kaiserdamm<br />
gefahren. Seine drei Jahre<br />
jüngereLebensgefährtin wollte ihn<br />
einweisen. Dabei erfasste das Auto<br />
die Frau. Anschließend fuhr der Fahrermit<br />
dem Wagen rückwärts weiter<br />
und prallte gegen einen am rechten<br />
Fahrbahnrand geparkten Chevrolet.<br />
Die70-Jährige erlitt bei dem Unfall<br />
schwereVerletzungen.<br />
Beleidigt und geschlagen.<br />
Ein42Jahrealter Mann ist am Sonnabendabend<br />
in der Dietzgenstraße<br />
in Niederschönhausen homophob<br />
sowie rassistisch beleidigt und geschlagen<br />
worden. Polizisten nahmen<br />
einen 42-Jährigen fest. DasOpfer erlitt<br />
Verletzungen im Gesicht. Der<br />
Staatsschutz ermittelt. (ls.)<br />
Schauspieler Wolfgang Bahro freut sich, dass sich die<br />
Doppelstresswochen gelohnt haben. CHRISTIAN SCHULZ (3)<br />
VonAnfang bis Ende durchgelacht<br />
ANGELIKA MANN<br />
ist plötzlich dermaßen reich, dass sie<br />
sich ihre Traumrollen kaufen kann!<br />
Im richtigen Leben arbeitet sie noch<br />
daran, aber auf die Handlung der<br />
deutschsprachigen Erstaufführung<br />
der französischen Komödie „Ruhe!<br />
Wir drehen!“ am Schlosspark-Theater<br />
trifft das zu. Da gibt sie die reiche<br />
Diva Anne und Karsten Speck spielt<br />
den Produzenten, der auch ihr Mann<br />
ist. Angelika Mann findet ziemlich<br />
raffiniert, dass Dieter Hallervorden,<br />
der Chef des Hauses, der das Stück<br />
ins Deutsche übersetzt hat, sie mit<br />
Speck gelockt hat: „Das weiß man ja,<br />
dass ich auf Speck stehe! Besonders<br />
zum Frühstück.“ Die„Lütte“, wie die<br />
Künstlerin wegen ihrer überschaubaren<br />
Größe genannt wird, ging<br />
nach den Voraufführungen am Freitag<br />
und am Sonnabend optimistisch<br />
in die Premiere am Sonntag: „Bei<br />
beiden Voraufführungen hat das Publikum<br />
vom Anfang bis zum Ende<br />
durchgelacht. Wir kamen mit dem<br />
Text manchmal kaum dazwischen.<br />
Wenn das kein Bombenerfolg wird,<br />
verstehe ich die Welt nicht mehr.“<br />
Diese Rolle kommt ihr wie ein<br />
großes Geschenk vor. Ein Geschenk,<br />
das genau zur richtigen Zeit kommt:<br />
Im Jahr,indem sie ihren 70. Geburtstag<br />
und ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum<br />
feierte.<br />
WOLFGANG BAHRO<br />
hatte in den vergangenen Wochen in<br />
Doppelschichten gearbeitet: Tagsüber<br />
stand er in Babelsbergbei„Gute<br />
Zeiten, schlechte Zeiten“ vorder Ka-<br />
Angelika Mann mit Bühnenpartner Karsten Speck im<br />
<strong>Berliner</strong> Schlosspark-Theater.<br />
von Andreas Kurtz<br />
ak@andreaskurtz.net<br />
Im Schlosspark-Theater feiert<br />
„Ruhe! Wirdrehen!“ mit<br />
Angelika Mann, Wolfgang Bahro<br />
und Karsten Speck die Premiere der<br />
deutschen Erstaufführung<br />
mera. In seiner Freizeit und an den<br />
Wochenenden probte er das Stück<br />
„Ruhe! Wirdrehen!“ –die Doppelbelastung<br />
bereut er nicht: „Die beiden<br />
Voraufführungen waren super. Die<br />
Leute haben sich kaum eingekriegt.<br />
DieDoppelstresswochen haben sich<br />
in jedem Fall gelohnt.“<br />
Opernsänger Jochen Kowalski ist schon seit Vorwendezeiten<br />
ein großer Fanvon Angelika Mann.<br />
JOCHEN KOWALSKI<br />
freute sich schon wegen der Hauptdarstellerin<br />
auf den Abend im<br />
Schlosspark-Theater: „Ich bin schon<br />
seit Vorwendezeiten ein Verehrer des<br />
149 cm großen Kraftpakets,das liebevoll<br />
Lütte genannt wird. Bei ihr<br />
kommt so viel Günstiges zusammen.<br />
Dasihr eigene Urberliner komödiantische<br />
Talent, gepaart mit ihrem<br />
schlagkräftigen Humor werden es ihr<br />
ermöglichen, sich auch in Zukunft<br />
immer wieder neu zu erfinden.“<br />
Die ständigen Versuche der Sängerin<br />
und Schauspielerin, ihre nicht<br />
sehr hohe Erscheinung durch Diäten<br />
auch in der Breite zu reduzieren,<br />
sieht er skeptisch: „Zu einer Alterskarriere<br />
àla Lütte gehören natürlich<br />
unbedingt gewisse körperliche Ausbuchtungen<br />
–man fällt einfach gedämpfter,<br />
falls mal etwas nicht so<br />
laufen sollte.“<br />
HANS-JÜRGEN SCHATZ<br />
hat die Premiere amüsiert. Der<br />
Schauspieler war besonders von der<br />
genauen Beobachtung der Autoren<br />
des Stücks verblüfft. Denn viele der<br />
Verrücktheiten auf der Bühne<br />
kannte er aus seinem Arbeitsleben:<br />
„Erschütternd, aber genau so ist es!“<br />
ULRIKE FRANK<br />
spielt bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“<br />
die Ex-Frau des von Wolfgang<br />
Bahro gespielten Anwalts Jo Gerner.<br />
Sie hatte einen richtig guten Abend:<br />
„Soeine große Freude,Wolfgang in Situationen<br />
auf der Bühne zu sehen, die<br />
uns beiden nicht fremd sind.“<br />
Julia Biedermann kannte kein Halten:„Ich<br />
habe mich scheckig gelacht!“<br />
DIETER HALLERVORDEN<br />
fühlte sich am Premierenabend bestätigt:<br />
„Ich habe das Stück vor einiger<br />
Zeit in Frankreich gesehen und<br />
war mir sicher,dassdas in Berlin laufen<br />
wird.“ Er lobt besonders sein Ensemble:<br />
„Wir haben eine wunderbare<br />
Besetzung, für die ich sehr<br />
dankbar bin. Und die das übertrifft,<br />
was ich in Parisgesehen habe.“<br />
MARION KRACHT<br />
sorgte sich direkt nach der Premiere:<br />
„Hoffentlich bewahren alle Besucher<br />
das raffinierte Geheimnis dieser Inszenierung.“<br />
Und weil das eine sehr<br />
berechtigte Hoffnung ist, wird hier<br />
dazu nichts weiter verraten.<br />
Grünes Licht<br />
für den<br />
Amazon-Turm<br />
Senat lehnt Rechtsmittel<br />
gegen den Bau ab<br />
Das 140 Meter hohe Bürohochhaus<br />
Edge East Side scheint nun<br />
doch wie geplant entstehen zu können.<br />
Senatsbaudirektorin Regula Lüscher<br />
lehne einen Rechtsstreit mit<br />
dem Bauherrn Coen van Oostrom<br />
und seiner FirmaEdge ab,berichtete<br />
der Tagesspiegel am Wochenende.<br />
Damit erteilte sie dem Ansinnen des<br />
Baustadtrats von Friedrichshain-<br />
Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne),<br />
eine Absage, der die bereits erteilte<br />
Baugenehmigung für das Gebäude<br />
an der Warschauer Straße anfechten<br />
möchte. Lüscher argumentiert, dass<br />
für eine nachträgliche Entziehung<br />
des Baurechts eine einschlägige<br />
Rechtsgrundlage fehle.<br />
Der Edge-Tower soll bis 2023 errichtet<br />
werden. 28 der 35 Etagen will<br />
der Online-Händler Amazon mieten.Vorgut<br />
einerWoche war bekannt<br />
geworden, dass Schmidt eine Neuplanung<br />
des Hochhauses erwirken<br />
möchte,weil der aktuelle Entwurfzu<br />
stark von den ursprünglichen Planungen<br />
abweiche. Der Bauherr verstoße<br />
nun gegen den städtebaulichenVertrag,<br />
sagte Schmidt. DieMitglieder<br />
des für die Planungen zuständigen<br />
Baukollegiums seien<br />
enttäuscht. Gemäß der <strong>Berliner</strong><br />
Hochhausleitline müsse ein Gebäude<br />
entstehen, das „eine besonders<br />
hohe städtebauliche und architektonische<br />
Qualität aufweist“.<br />
Offenbar ist das Hochhausleitbild<br />
jedoch nicht anzuwenden, wenn bereits<br />
eine rechtskräftige Baugenehmigung<br />
vorliegt. Diese ist dem Bezirk<br />
zufolge Anfang September erlassen<br />
worden, weil dem Vorhaben keine<br />
öffentlich-rechtlichen Vorschriften<br />
entgegengestanden hatten. (abg.)<br />
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Berlin/Brandenburg<br />
Kenia<br />
wartet auf<br />
ein Ja<br />
Linke kritisiert<br />
rot-schwarz-grüne Pläne<br />
NachVorlage desVertrages für die<br />
künftige Kenia-Koalition in<br />
Brandenburgvon SPD mit CDU und<br />
Grünen ist nun die Zustimmung der<br />
Parteien erforderlich. In den nächsten<br />
Wochen ist das Votum der unterschiedlichen<br />
Gremien gefragt. Bei<br />
CDU und Grünen wird über Mitgliederbefragungen<br />
die Zustimmung<br />
zu dem Vertrag erkundet. Die<br />
SPD hat am 16. November einen<br />
Sonderparteitag angesetzt. DieWiederwahl<br />
von Dietmar Woidke (SPD)<br />
als Regierungschef ist für den 20. November<br />
geplant. Der lobte den 84-<br />
seitigen „Kenia“-Vertrag bei dessen<br />
Vorstellung: „Wir haben viele Vorhaben,<br />
die unser Land voranbringen<br />
sollen“, erklärte er und sprach von<br />
einer „Koalition der Mitte, der großen<br />
Mehrheit der Menschen“. Bessere<br />
Pflege, kostenlose Kitas und ein<br />
starker Staat sind drei Kernpunkte.<br />
Kritik an dem Vertrag hat am<br />
Sonnabend Brandenburgs amtierender<br />
Finanzminister Christian<br />
Görke (Linke) geäußert. „In diesem<br />
Koalitionsvertrag hat man allen alles<br />
versprochen“, sagte Görke im Inforadio<br />
vom RBB. „Jetzt soll das Geld<br />
der Kitt sein, der das Bündnis zusammenhält.“<br />
Er kritisierte, dass die<br />
drei Parteien einen Kredit von einer<br />
Milliarde Euro aufnehmen wollen.<br />
Alle wichtigen Projekte hätte man<br />
auch ohne diesen Kredit finanzieren<br />
können, da es eine beachtliche<br />
Rücklage von zwei Milliarden Euro<br />
gebe,sagte Görke.<br />
Christian Görke,Die Linke, bisher Finanzminister<br />
IMAGO IMAGES<br />
BVB/Freie Wähler haben bereits<br />
angekündigt, in der Wahlperiode jeden<br />
Vorschlag der Regierung auf<br />
seine Brandenburg-Tauglichkeit zu<br />
überprüfen. Stets stünden für Zustimmung<br />
oder Ablehnung sachliche<br />
Kriterien im Blick, hieß es.<br />
Am 1. September war ein neuer<br />
Landtag gewählt worden. Die Koalition<br />
verfügt über sechs Sitze Mehrheit.<br />
DieSPD wurde mit 26,2 Prozent<br />
stärkste Kraft vor der AfD mit 23,5<br />
Prozent. DieCDU erreichte 15,6 Prozent,<br />
die Linke 10,7 Prozent und die<br />
Grünen 10,8 Prozent. Die Freien<br />
Wähler kamen auf 5,0 Prozent.<br />
Laut dem vorliegenden Koalitionsvertrag<br />
sollen künftig Bildung<br />
und Pflege gestärkt sowie der Klimaschutz<br />
vorangebracht werden. Die<br />
Partner einigten sich, keine neuen<br />
Tagebaue oder Erweiterungen zuzulassen<br />
und damit auch keine Abbaggerung<br />
von Dörfern. Außerdem sollen<br />
mit einem neuen Kredit von einer<br />
Milliarde Euro in den kommenden<br />
zehn Jahren weitere Mittel in<br />
den Nahverkehr, den Neubau von<br />
Schulen und Kitas, indas Gesundheitswesen,<br />
die Digitalisierung und<br />
in den Klimaschutz fließen.<br />
Über die Besetzung der Ministerien<br />
entscheiden die Grünen bei einer<br />
Urwahl, SPD und CDU auf Landesparteitagen.<br />
Die SPD soll die<br />
Staatskanzlei und die Ministerien Finanzen,<br />
Bildung, Wirtschaft und Arbeit<br />
sowie Wissenschaft erhalten.<br />
DieCDU soll den drei HäusernInneres,<br />
Infrastruktur und Justiz vorstehen.<br />
Für die Grünen sind Umwelt<br />
und Landwirtschaft sowie Soziales/Frauen/Gesundheit<br />
und Verbraucherschutz<br />
vorgesehen. (dpa)<br />
Evelyne Brix, 87, in ihrer <strong>Berliner</strong> Wohnung: Das Foto ist Teil der Ausstellung „Ich lebe! Zehn Kinder,zehn Kriege, zehn Dekaden –und ein Baby“.<br />
Nudelsuppe vom Feind<br />
Als Kind bekam Evelyne Brix 1946 von Briten finanziertes Essen. Die Erinnerung daran hat sie geprägt<br />
VonMaritta Tkalec<br />
Dass sie mit 87 Jahren<br />
noch einmal prominent<br />
werden würde, das hätte<br />
Evelyne Brix nicht gedacht.<br />
Nun aber steht die <strong>Berliner</strong>in<br />
im Foyer des Auswärtigen Amtes inmitten<br />
der Tafeln einer Ausstellung<br />
und gehört zuden zehn Menschen<br />
aus aller Welt, deren Geschichten erzählt<br />
werden. „Ich lebe! Zehn Kinder,<br />
zehn Kriege,zehn Dekaden –und ein<br />
Baby“heißt die Ausstellung, ein Projekt<br />
der Kinderschutzorganisation<br />
Save the Children, die in diesem Jahr<br />
ihren hundertsten Geburtstag feiert.<br />
Evelyne Brix war 14 Jahre alt und<br />
lebte mit ihren Eltern und einem<br />
jüngeren Bruder im kriegszerstörten<br />
Lichtenberg, als sie zum ersten Mal<br />
mit Save the Children zu tun hatte –<br />
in ihrer Schule in der Nähe des S-<br />
Bahnhofs Lichtenberg: „Wir haben<br />
wirklich gehungert“, erinnert sie<br />
sich, „die Lebensmittelkarten reichten<br />
nicht aus, zehn Gramm Fett pro<br />
Tag, mehr nicht“. Dass es in der<br />
Schule Essen als Nothilfe gab, zweimal<br />
in derWoche,für alle Kinder,das<br />
sei eine große Hilfe gewesen.<br />
Noch heute schwärmt sie vonder<br />
Nudelsuppe mit Fleisch, die es an<br />
dem einen Taggab.Andem anderen<br />
bekamen die mageren Kinder Brötchen<br />
und Kakao. Diese Schulspeisungen<br />
wurden von den Quäkern,<br />
einer christlichen Gemeinschaft aus<br />
England, organisiert und von Save<br />
the Children mitfinanziert.<br />
Evelyne Brix war schon damals<br />
bewusst, dass diese Nothilfe nicht<br />
selbstverständlich war: „Die hätten<br />
uns nicht helfen müssen, wir waren<br />
ja der Feind. DieTatsache,dass<br />
es Menschen<br />
gab, die uns geholfen<br />
haben, hat mich mein<br />
ganzes Leben lang begleitet“,<br />
sagt sie heute.<br />
Deshalb hat sie versucht,<br />
selber zu helfen,<br />
als sie es konnte,<br />
spendete für „Brot für<br />
dieWelt“ und dieWelthungerhilfe.<br />
Dass Brix zu einer<br />
Protagonistin der Ausstellung<br />
wurde, fing<br />
mit einem Artikel in<br />
der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
an, die sie seit vielen<br />
Jahren abonniert hat.<br />
Im April las sie da einen Aufruf von<br />
Save the Children, Zeitzeugen der<br />
Nothilfe mögen sich bitte melden.<br />
„Kannst ja mal anrufen, dachte ich.<br />
Ichhabe ja nicht geahnt, dass es solche<br />
Ausmaße annehmen würde“, erzählt<br />
sie und freut sich. Der international<br />
preisgekrönte Fotograf Dominic<br />
Nahr hat Aufnahmen von ihr in<br />
ihrer Wohnung in Weißensee gemacht.<br />
Die Bilder sind nun auf einer<br />
Tafel im Lichthof des Außenministeriums<br />
zu sehen –neben Fotos, die<br />
ihre Kriegs-Odyssee nachzeichnen.<br />
1943 kam sie in ein Heim der der Kinderlandverschickung<br />
im heute tschechischen<br />
BadLettin –zweiJahrelebte<br />
sie fern von ihren Eltern. Bei Herannahen<br />
der Roten Armee<br />
mussten die 200<br />
Kinder los: Zu Fußging<br />
es durch den Böhmerwald<br />
nach Bayern,<br />
etwa 20 Kilometer<br />
Marsch jeden Tag. Sie<br />
gelangten schließlich<br />
nach St.Alban bei Freising.<br />
Erst als die Post<br />
wieder funktionierte,<br />
konnte sie die Eltern<br />
informieren. Die Mutter<br />
holte sie 1946 nach<br />
Evelyne Brix an ihrem ersten<br />
Schultag 1938.<br />
PRIVAT<br />
Berlin. „Glücklicherweise<br />
waren wir nicht<br />
ausgebombt“, erinnert<br />
sich die 87-Jährige.<br />
Fast 20 sagenhafte<br />
Jahre mehr zählt Erich Karl, der älteste<br />
der Protagonisten der Jahrhundertausstellung.<br />
Gestützt auf seinen<br />
Rollator schaut sich der 106-Jährige<br />
die Ausstellung an: Er bekam als<br />
Kind in Weimar nach dem Ersten<br />
Weltkrieg in der Schule Kakaosuppe<br />
in seinen Blechnapf gefüllt. Dentrug<br />
er an seinen Schulranzen geknüpft.<br />
Erich Karl gehörte zu den Ersten,<br />
denen Save the Children helfen<br />
Radfahrer droht Senat mit Klage<br />
konnte.Doch erledigt ist die Aufgabe<br />
noch lange nicht, im Gegenteil: Gegenwärtig<br />
gibt es so viele Konflikte in<br />
der Welt, dass 420 Millionen Kinder<br />
in Kriegen und gewalttätigen Auseinandersetzungen<br />
aufwachsen –<br />
fast jedes fünfte Kind. Ihre Vertreter<br />
in der Ausstellung sind das Baby Rajiya,<br />
fotografiert2019 im Alter von15<br />
Tagen in einem Riesenlager von<br />
Rohingya-Flüchtlingen aus Myanmar<br />
in Bangladesch und die Elfjährige<br />
Amal aus Syrien, die nun im Libanon<br />
lebt. Dieanderen Namen, Bilder<br />
und Geschichten erinnernandie<br />
schlimmsten Ereignisse des vergangenen<br />
Jahrhunderts: die Genozide in<br />
Kambodscha und Ruanda, die<br />
Kriege in Korea und Afghanistan,<br />
den spanischen Bürgerkrieg, den<br />
Biafrakrieg in Nigeria und den jahrzehntelangen<br />
bewaffneten Konflikt<br />
in Kolumbien.<br />
Diese elf stehen für die vielen, die<br />
dank der Mitmenschlichkeit über<br />
Grenzen hinweg überleben konnten<br />
und erinnern andie vielen, denen<br />
das nicht vergönnt war. Bärbel Kofler,<br />
Menschenrechtsbeauftragte der<br />
Bundesregierung, erinnerte daher<br />
bei der Ausstellungseröffnung an<br />
jene, denen in der Welt von heute<br />
wirklich die Kindheit geraubt wird.<br />
Ausstellung im Lichthof des Auswärtigen Amtes,<br />
zugänglich täglich biszum 29. Novembervon<br />
10 bis 19 Uhr.Bitte Personalausweis mitbringen.<br />
Die neue Verkehrsführung auf der Oberbaumbrücke verstoße gegen das Mobilitätsgesetz, lautet sein Vorwurf<br />
VonPeter Neumann<br />
Neue Markierungen haben das<br />
Radfahren auf der Oberbaumbrücke<br />
sicherer gemacht, so der Senat.<br />
Doch viele Radfahrer sehen das<br />
anders.Einer vonihnen, Jens Blume<br />
aus Tempelhof, hat gegen die Anordnung<br />
der neuen Verkehrsführung<br />
Widerspruch eingelegt. Falls die Senatsverkehrsverwaltung<br />
ihn zurückweise,<br />
werde er Klage einlegen, so<br />
der 33-Jährige.„Dazu bin ich bereit.“<br />
Es könnte die erste vonvielen weiterenKlagen<br />
sein, in denen sich Bürger<br />
auf das Mobilitätsgesetz beziehen.<br />
Auf der Spreequerung in Friedrichshain-Kreuzberg<br />
wurde der Straßenraum<br />
nach Bauarbeiten neu aufgeteilt.<br />
So sieht die Rechnung derVerwaltung<br />
aus: Bisher standen Kraftfahrzeugen<br />
pro Richtung zwei<br />
Fahrstreifen auf insgesamt sechs Metern<br />
zur Verfügung, nun gibt es nur<br />
eine 4,45 Meter breite Fahrspur. Die<br />
Beim Nebeneinanderfahren kommen Autos Fahrrädernoft gefährlich nahe. THOMAS UHLEMANN<br />
Radfahrer erhielten mehr Platz. Der<br />
Radfahrstreifen Richtung Osten war<br />
bislang 1,35 Meter breit, der Streifen<br />
Richtung Westen 1,60 Meter. Jetzt<br />
seien beide zwei Meter breit. Jeweils<br />
80 Zentimeter breite Sicherheitsbereiche<br />
kämen dazu, so der Senat.<br />
Doch Jens Blume hat nachgemessen.<br />
Ergebnis: Stellenweise seien die<br />
Radfahrstreifen nur 1,35 Meter breit.<br />
„Ein sicheres Überholen ist nicht<br />
möglich“ – ein Verstoß gegen das<br />
<strong>Berliner</strong> Mobilitätsgesetz. Auch die<br />
Tatsache, dass Autos die Radfahrstreifen<br />
befahren können, laufe dem<br />
Gesetz zuwider. Viele Autos würden<br />
nebeneinander fahren, als gäbe es<br />
weiter zwei Fahrstreifen pro Rich-<br />
SAVE THE CHILDREN/DOMINIC NAHR<br />
tung. Dabei kämen sie den Fahrrädern<br />
gefährlich nahe. Laut Gesetz<br />
wäre ein „physischer Schutz“ wie<br />
zum Beispiel ein Bordstein erforderlich,<br />
damit das regelwidrige Befahrenunterbleibt.<br />
Fazit des Ingenieurs:<br />
„Statt auf dieser wichtigen Verbindung<br />
gesetzeskonforme Radwege<br />
einzurichten, wurden überbreite Autospuren<br />
eingerichtet und zu<br />
schmale ungeschützte Radspuren,<br />
die seit der Verabschiedung des Mobilitätsgesetzes<br />
so gar nicht mehr gebaut<br />
werden dürften“, so Blume.<br />
Radfahrer können einander sicher<br />
überholen, entgegnete Dorothee<br />
Winden, Sprecherin von Verkehrssenatorin<br />
Regine Günther<br />
(Grüne). Klar sei auch: Jeder habe die<br />
Verkehrsregeln einzuhalten. Autofahrer<br />
müssten die Verkehrsführung<br />
beachten, und sie dürften die Radwege<br />
nicht befahren. Winden: „Wir<br />
beobachten die weitereEntwicklung<br />
und werden dies auswerten.“<br />
NACHRICHTEN<br />
Schlägerei wegen Fahrens<br />
mit E-Roller auf Gehweg<br />
EinStreit über E-Roller-Fahren auf<br />
dem Gehweg ist in der Nacht zu<br />
Sonntag in Potsdam zu einer Schlägerei<br />
ausgeartet. DieMänner waren<br />
voreiner Studentenkneipe auf- und<br />
abgefahren, was einer anderen<br />
Gruppe nicht gefallen hatte,wie die<br />
Polizei mitteilte.Bei Eintreffen der<br />
Beamten habe ein 31-Jähriger mit einer<br />
blutenden Wunde am Kopf auf<br />
dem Boden gelegen. Eine zweite Person<br />
sei augenscheinlich durch ein<br />
Messer verletzt worden. Diebeiden<br />
möglichen Tatverdächtigen hatten<br />
sich bereits entfernt, konnten in der<br />
Nähe ermittelt werden. DieMänner<br />
im Alter von20Jahren wurden vorläufig<br />
festgenommen. (dpa)<br />
Verdächtige Tüten sorgen in<br />
Luckau für Aufregung<br />
Nach dem Fund vonzweiPlastiktüten<br />
mit unbekanntem Inhalt hat die<br />
Polizei am Sonnabend für mehrere<br />
Stunden einen Teil der Innenstadt<br />
vonLuckau (Dahme-Spreewald) abgesperrt.<br />
Spezialisten des Landeskriminalamtes<br />
untersuchen den Inhalt<br />
der Tüten, dessen Zusammensetzung<br />
nach Polizeiangaben nach wie<br />
vorunklar ist. EinBürger hatte am<br />
Sonnabendvormittag im Zentrum<br />
vonLuckau die Tüten bemerkt und<br />
die Polizei alarmiert. EinTeil der Innenstadt<br />
wurde daraufhin abgesperrt.<br />
Auch nahe gelegene Straßen<br />
um die beiden Fundorte am Markt<br />
waren nach Polizeiangaben für mehrere<br />
Stunden nicht zugänglich. Die<br />
erste Untersuchung habe ergeben,<br />
dass der Inhalt nicht explosiv sei,<br />
sagte ein Sprecher der Polizeidirektion<br />
Süd. Diebeiden Tüten waren<br />
am späten Nachmittag sicher verpackt<br />
abtransportiertworden. Der<br />
Inhalt war vomAugenschein her<br />
eine grobkörnige Substanz, wie die<br />
Polizei mitteilte. (dpa)<br />
Die gesperrteInnenstadt von Luckau am<br />
Wochenende.<br />
DPA<br />
GEWINNZAHLEN<br />
Lottozahlen: 1-2-11-17-37-44<br />
Superzahl: 6<br />
Spiel 77: 1026825<br />
Landeslotterie Super 6: 221773<br />
Glücksspirale: (Gewinner nach Endziffern)<br />
3=10Euro<br />
93 =25Euro<br />
604 =100 Euro<br />
5103 =1000 Euro<br />
56 893 =10000 Euro<br />
874 964 =100 000 Euro<br />
404 733 =100 000 Euro<br />
Prämie: Monatliche „Sofortrente“ in Höhe von<br />
10 000 Euro auf die Nummer 7728 429.<br />
ARD-Fernsehlotterie:<br />
9844 701 gewinnt Mini Cooper Countryman<br />
1506 921 gewinnt BMW 118i<br />
0251 868 gewinnt Reise nach Warnemünde<br />
6172 519 gewinnt Reise nach Dollenberg<br />
5329 162 gewinnt 100 000 Euro<br />
Prämienziehung (nur für Mega-Lose):<br />
0415 946 gewinnt 1000 000 Euro<br />
223 437 gewinnt 100 000 Euro<br />
50 946 gewinnt 10 000 Euro<br />
8120 gewinnt 1000 Euro<br />
06 gewinnt 10 Euro<br />
Alle Angaben ohne Gewähr!
16 ** <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019<br />
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Lokalsport<br />
Ein Ausstand und seine Folgen: Wie beim SSV Köpenick-Oberspree fielen am Wochenende auf Berlins Amateurplätzen die Spiele aus. Betroffen waren stadtweit mehr als 1000 Begegnungen.<br />
IMAGO IMAGES<br />
Ruf nach professioneller Aufarbeitung<br />
Berlins Schiedsrichter haben am Wochenende einspektakuläres Zeichen gegen Gewalt gesetzt, doch für die Referees und Klubs geht der Kampf jetzt erst richtig los<br />
VonMichael Jahn<br />
Am 2.August war die Hoffnung<br />
groß, dass sich auf<br />
Berlins Fußballplätzen die<br />
Gewalt gegen Schiedsrichter<br />
eindämmen lassen würde. Und<br />
das, obwohl bereits in der vorangegangenen<br />
Saison Attacken gegen<br />
Unparteiische in Begegnungen der<br />
Amateurkicker an der Tagesordnung<br />
waren. Damals, amersten Spieltag<br />
der Berlin-Liga, wollten Referees der<br />
Hauptstadt zusammen mit ihren<br />
Kollegen aus Hamburg ein Zeichen<br />
setzen und auf die schwierige Situation<br />
aufmerksam machen. Beim<br />
Spiel von Sparta Berlin gegen Aufsteiger<br />
Fortuna Biesdorf (6:3) hatten<br />
vor dem Anpfiff alle Spieler zusammen<br />
mit dem Schiedsrichterkollektiv<br />
ein Banner in die Höhe gehalten.<br />
„Gemeinsam für Respekt und Fairness“,<br />
stand darauf.<br />
Knapp vier Monate später ist die<br />
Hoffnung geschwunden, weil die<br />
Lage eskaliert. Deshalb sind die<br />
Schiedsrichter des <strong>Berliner</strong> Fußball-<br />
Verbandes (BFV)indiesemWochenende<br />
in den Ausstand getreten. Mehr<br />
als 1000 Spiele konnten deshalb<br />
nicht stattfinden. Ausnahmezustand<br />
im <strong>Berliner</strong> Fußball mal anders.<br />
Ralf Kisting ist der Sprecher des<br />
<strong>Berliner</strong> Schiedsrichterausschusses<br />
und Obmann der Referees von Bundesligist<br />
Hertha BSC. Er weilte am<br />
Wochenende in München beim Treff<br />
aller Obmänner der Erstligisten und<br />
der Vertreter des Hamburger SV sowie<br />
vom VfB Stuttgart. Es ging dort<br />
um allgemeine Probleme der<br />
Schiedsrichter, aber die Aktion in<br />
Berlin war „in aller Munde“, wie Kisting<br />
im Gespräch mit dieser <strong>Zeitung</strong><br />
sagt. „Ich bekam zu 100 Prozent Zustimmung<br />
für den Ausstand der <strong>Berliner</strong><br />
Referees, alle fanden unsere<br />
Maßnahme gut und erforderlich.“<br />
Nicht immer kam das so deutlich<br />
zum Ausdruck wie beim Abgesandten<br />
von Eintracht Frankfurt. Der<br />
wollte sich unbedingt mit Kisting fotografieren<br />
lassen, weil er die Aktion<br />
in Berlin wichtig fand. Kisting meint:<br />
„Ich bekam viele Mails und Nachrichten<br />
aufs Handy – von <strong>Berliner</strong><br />
Vereinen, aber auch vonder Gewerkschaft<br />
der Polizei. DerTenor: Eswar<br />
Zeit, endlich zu handeln!“<br />
Kisting weiß, dass ein Zeichen allein<br />
nicht reichen wird, um die Verhältnisse<br />
auf den Fußballplätzen der<br />
Republik in den unteren Spielklassen<br />
zu verbessern. Der<strong>Berliner</strong> führt<br />
die zunehmende Gewalt auf Veränderungen<br />
in der Gesellschaft zurück,<br />
auf fehlende Akzeptanz des Gegners<br />
und des Spielleiters.<br />
Kisting und seine Schiedsrichter-<br />
Kollegen schlagen nun eine Reihe<br />
von Maßnahmen vor, um die Situation<br />
zu verbessern. So soll unter anderem<br />
der Heimverein künftig bei<br />
Spielen zwei Ordner stellen, so dass<br />
der Schiedsrichter nicht auf sich allein<br />
gestellt ist. Außerdem sollen die<br />
Mannschaften Kurse in Regelkunde<br />
abhalten –inder Hoffnung, dass dadurch<br />
das Verständnis für Entscheidungen<br />
der Schiedsrichter wächst.<br />
„Das alles kann und muss kurzfristig<br />
passieren“, sagt Kisting.<br />
Bislang ist die Regelschulung<br />
keine Pflicht, aber es gibtVereine,die<br />
sich ihrer Verantwortung bewusst<br />
„Ich bekam zu 100 Prozent Zustimmung<br />
für den Ausstand der <strong>Berliner</strong> Referees,<br />
alle fanden unsere Maßnahme gut.“<br />
Ralf Kisting hat als Vertreter von Hertha BSC in München auf einem Treffen<br />
aller Schiedsrichter-Obmänner der Bundesligisten viel Solidarität erfahren.<br />
sind. Kisting nennt ein sehr positives<br />
Beispiel: „Beim <strong>Berliner</strong> SC wirdeine<br />
Regelschulung schon in der C-Jugend<br />
durchgeführt. Dort konnten<br />
danach sogar sechs junge Schiedsrichter<br />
gewonnen werden.“<br />
Dass die Zeit drängt, beweist die<br />
Statistik. In Berlin stieg die Anzahl<br />
der Vorfälle bereits um 20 Prozent, in<br />
der Vorsaison sei bereits jeder siebte<br />
Schiedsrichter Opfer von Angriffen<br />
geworden, sagt Kisting. Verbale Beleidigungen<br />
sind an der Tagesordnung,<br />
außerdem sehen sich die Referees<br />
zunehmend körperlichen Attacken<br />
ausgesetzt. Vor allem junge<br />
Schiedsrichter haben Angst, Spiele<br />
bestimmter Vereine zu pfeifen.<br />
Nun hat der Schiedsrichterausschuss<br />
des BFV mit seinem Stoppzeichen<br />
deutschlandweit für Aufsehen<br />
gesorgt. Das Präsidium des BFV war<br />
nach heftiger Diskussion zuerst gegen<br />
die Maßnahme gewesen, setzte<br />
aber wegen des organisatorischen<br />
Chaos, das gedroht hätte, auch alle<br />
Spiele offiziell ab.Bernd Schultz, der<br />
Präsident, der sich bis zum heutigen<br />
Montag im Ausland befand, sagt:<br />
„Die zunehmende Gewaltbereitschaft<br />
gegenüber Schiedsrichtern<br />
sehe ich mit großer Sorge. Hier gilt es<br />
konsequent und gemeinsam gegen<br />
die Täter vorzugehen und alle Möglichkeiten<br />
der Sportgerichtsbarkeit<br />
auszuschöpfen. Gleichzeitig kann<br />
ein Ausstand von Schiedsrichtern<br />
immer nur die letzte Option sein.“<br />
Gerade das BFV-Sportgericht enttäuschte<br />
die Schiedsrichter, als zuletzt<br />
im Fall des Berlin-Ligisten Al<br />
Dersimspor ein nach Ansicht des<br />
Ausschusses viel zu mildes Urteil gefällt<br />
wurde.Dortwar ein Referee von<br />
einem Spieler geschlagen worden.<br />
Berlins Schiedsrichter-Chef Jörg<br />
Wehling fordert, die Kompetenz der<br />
Sportgerichte zu stärken. „Wir brauchen<br />
hauptamtliche Kräfte im Sportgericht,<br />
damit Urteile, die Auflagen<br />
und Bewährungsstrafen ein Maß erreichen,<br />
bei dem man sagt: ,Ja, das ist<br />
eine professionelle Aufarbeitung.’“<br />
Ralf Kisting sieht auch nach dem<br />
Wochenende in dem Ausstand ein<br />
wichtiges Signal: „Die Mehrheit der<br />
<strong>Berliner</strong> Schiedsrichter wollte diesen<br />
Ausstand, das war nicht nur eine<br />
Entscheidung unseres Ausschusses,<br />
sondern des Schiedsrichterbeirates,<br />
in dem rund 30 Leute sitzen und zuvor<br />
alle ihre Probleme auf den Tisch<br />
brachten.“ Das Fazit: Es muss sich<br />
schnellstens etwas verändern, damit<br />
die Spirale der Gewalt nicht noch<br />
weiter geht.<br />
Michael Jahn<br />
bleibt am Thema Gewalt<br />
gegenReferees dran.<br />
Wenn das Durchboxen Tradition hat<br />
Serie –Tierisch fit: Wiedie Zehlendorfer Eichhörnchen zum größten Radsportklub der Stadt wurden und warum es in Berlin bald wieder ein internationales Straßenrennen geben könnte<br />
VonChristian Kattner<br />
Der Standort hat sich schon<br />
mehrfach bewiesen. Nicht als<br />
Ort, um mit den eigenen Mitgliedern<br />
über organisatorische Dinge zu sprechen,<br />
wohl aber als „neutraler Boden“<br />
für Gespräche mit Verantwortlichen<br />
verschiedener Verbände, wie<br />
Karsten Podlesch das Café am Tempelhofer<br />
Hafen mit einem Lächeln<br />
im Gesicht beschreibt. In früheren<br />
Generationen war der Treffpunkt<br />
noch ein ganz anderer. Bei einem<br />
dieser, teils verpflichtenden, Treffen<br />
im „Schwarzen Adler“ in Zehlendorf<br />
wurde im Jahr 1952 sogar der Vereinsname<br />
des Klubs in Leben gerufen,<br />
den Podlesch mittlerweile als<br />
erster Vorsitzender anführt.<br />
Damals wurde zunächst in einer<br />
Garage geboxt. Eher zufällig und um<br />
die Ausdauer zu erhöhen, kam das<br />
Fahrrad ins Spiel. „Auf einmal hat<br />
das allen viel mehr Spaß gemacht als<br />
Boxen“, berichtet Karsten Podlesch<br />
von der Geschichte, die ihm irgendwann<br />
erzählt wurde. Aus Boxen<br />
wurde Radsport und fast so etwas<br />
wie ein Märchen, als es um die Suche<br />
nach einem Namen ging: „Man saß<br />
damals zusammen im Grünen und<br />
in diesem Augenblick lief ein Eichhörnchen<br />
über die Bäume. Dawar<br />
der Name geboren“, so Podlesch,<br />
Flink und fleißig: Die Zehlendorfer Eichhörnchen posieren vor der Ausfahrt.<br />
„als Eichhörnchen muss man fleißig<br />
sein, aber eigentlich bringt man ein<br />
Eichhörnchen nicht unbedingt mit<br />
Radsport inVerbindung.“ Gerade in<br />
den ersten Jahren waren viele Erklärungen<br />
notwendig, mittlerweile ist<br />
der Name in Fachkreisen aber<br />
deutschlandweit längst ein Begriff.<br />
Dasliegt auch an den vielen internationalen<br />
und nationalen Erfolgen,<br />
die gesammelt wurden. Podleschs<br />
Bruder Rainer etwa wurde zweimal<br />
Weltmeister und mehrfacher Deutscher<br />
Meister, Neffe Carsten wurde<br />
als Steher Welt- und Europameister.<br />
Aber auch der frühere Mountainbike-Weltmeister<br />
Mike Kluge hat als<br />
Eichhörnchen die Pedalen getreten.<br />
Denn: Über alle die Jahre ist man<br />
vom Grundprinzip der Nachwuchsarbeit<br />
nicht abgegangen. Auch wenn<br />
es in der heutigen Zeit sicherlich<br />
nicht mehr ganz so einfach ist, wie<br />
noch vor 20, 30 Jahren. „Radsport ist<br />
sehr trainingsintensiv“, sagt Karsten<br />
Podlesch, „wenn man ein Rennen<br />
gut beenden möchte, gehört sehr<br />
viel Training dazu. Es gibt Naturtalente,<br />
aber es gibt Leute, bei denen<br />
vergehen schon mal drei Jahre, bis<br />
der Knoten platzt.“ Mit 160 Mitgliedern<br />
sind die Eichhörnchen aktuell<br />
in Berlin der größte Radsportverein.<br />
Fast ein Fünftel dieser Mitglieder<br />
sind Nachwuchsfahrer im Bereich<br />
Schüler bis Jugend, dann allerdings<br />
klafft ein Loch bei den Junioren und<br />
den U23-Fahrern, auch gibt es nur<br />
zwei Elitefahrer. Es ist der Bereich<br />
mit der höchsten Ausstiegsquote.<br />
Mit der ersten Freundin und dem<br />
Abitur und dem Beginn einer Ausbildung<br />
wird neu priorisiert. Für ein<br />
Training, das mehr Zeit als in anderen<br />
Sportarten in Anspruch nimmt,<br />
gibt es da keine Kapazitäten mehr.<br />
„Unter zwei Stunden brauche ich<br />
nicht loszufahren, sonst komme ich<br />
gar nicht in den Bereich, wo ich die<br />
Leistung steigere“, sagt Podlesch.<br />
Er selbst ist kein gebürtiger <strong>Berliner</strong>,<br />
hat auch nicht im Nachwuchs<br />
bei den Eichhörnchen angefangen,<br />
aber wollte in der damals noch geteilten<br />
Hauptstadt sein Glück als<br />
Radrennfahrer suchen. Etwas, das<br />
damals noch möglich war,immerhin<br />
ZEHLENDORFER EICHHÖRNCHEN<br />
galt Berlin als Hochburg. Die Möglichkeiten<br />
waren aber in früheren<br />
Jahren ganz andere. Selbst, im eingemauerten<br />
Westteil der Stadt. Da, wo<br />
die Radrennfahrer heute im Stadtbild<br />
kaum noch zu sehen sind, weil<br />
sie ihre eigentlichen Trainingskilometer<br />
in Brandenburg rollen, wurden<br />
gerade im Bereich des Wannsees,aber<br />
auch auf Bahnen und den<br />
Straßen viel gefahren und trainiert.<br />
„Ganz wenig ist davon noch übrig“,<br />
sagt der Vereinsvorsitzende der<br />
Eichhörnchen. Es gebe zwar auch<br />
aktuell erfolgreiche deutsche Fahrer,<br />
aber die können nicht gehalten werden.<br />
Auch, weil die Infrastruktur<br />
keine optimalen Bedingungen mehr<br />
bietet. „Nehmen wir mal das Velo-<br />
drom. DieSportart, die da eigentlich<br />
zuhause ist, die Radrennfahrer, werden<br />
sehr stiefmütterlich behandelt.<br />
Da gibt es Vorschriften, die sich niemand<br />
vorstellen kann“, sagt Podlesch,<br />
„leider haben wir dafür zwei<br />
funktionierende Radrennbahnen<br />
geopfert, die vernachlässigt und später<br />
abgerissen wurden.“ Es sei mehrmals<br />
vorgekommen, dass das Velodrom<br />
für die <strong>Berliner</strong> Fahrer vor<br />
Meisterschaften nicht zur Verfügung<br />
stand, weil dort Konzerte stattfanden<br />
und sie stattdessen in Frankfurt/Oder<br />
trainieren mussten.<br />
Aber auch nach Straßenrennen<br />
müssen die <strong>Berliner</strong> außerhalb der<br />
Stadtgrenzen suchen. Vonden einst<br />
mehr als 30 Rennen, die jährlich in<br />
der Hauptstadt stattfanden, hat nur<br />
eins überlebt. „Die Behördengänge<br />
zermürben“, sagt Podlesch, „außerdem<br />
bekommt man keine Strecke<br />
mehr frei.“ Umso größer ist bei den<br />
Eichhörnchen die Freude darüber,<br />
dass sie es seit vier Jahren sind, die<br />
im Rahmen der Steglitzer Wochedas<br />
Lichterfelder Rundstreckenrennen<br />
ausrichten. „Wir streben da aber<br />
nach Höherem und wollen das Rennen<br />
wieder international machen“,<br />
sagt Podlesch. Gut möglich, dass es<br />
zu den Verhandlungen darüber wieder<br />
auf den neutralen Boden am<br />
Tempelhofer Hafen geht.
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019 17 *<br />
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Sport<br />
Wenn die<br />
Zeit<br />
wegläuft<br />
Die Eisbären verlieren<br />
gegen München 3:5<br />
VonChristian Kattner<br />
AmTag der Umstellung auf die<br />
Winterzeit klingelte der Wecker<br />
am Sonntag eine Stunde später.Und<br />
auch für die 14 200 Fans in der Arena<br />
am Ostbahnhof gab es im Spiel der<br />
Eisbären Berlin gegen München einen<br />
späten Weckruf. Trudelte die<br />
Partie über weite Phasen des<br />
Schlussdrittels vorsich hin, wurde es<br />
acht Minuten vor dem Ende durch<br />
den 3:4-Anschluss der Gastgeber<br />
noch einmal laut. Angetrieben von<br />
den Fans warfen die Eisbären alles<br />
rein, mussten sich aber dennoch 3:5<br />
geschlagen geben.„Imletzten Drittel<br />
waren wir noch einmal sehr gut, aber<br />
uns ist dort die Zeit weggelaufen“,<br />
sagte Eisbären-Trainer SergeAubin.<br />
Sein Team hatte am Sonntagnachmittag<br />
gut begonnen. Bereits<br />
nach wenigen Sekunden hatte James<br />
Sheppard die Chance zur frühen<br />
Führung, scheiterte aber wie wenig<br />
später auch Louis-Marc Aubry, an<br />
Münchens Danny aus den Birken.<br />
Beide Mannschaften gingen sehr aggressiv<br />
zuWerke, störten früh im gegnerischen<br />
Drittel und provozierten<br />
damit Fehler.Einen davon fingen die<br />
Eisbären in der achten Minute ab,<br />
Leo Pföderl passte schnell auf Marcel<br />
Noebels und der traf freistehend.<br />
Vorbereiter und Vollstrecker:Leo Pföderl,<br />
Schütze des zweiten EHC-Tors. CITY PRESS<br />
Eine Reaktion des souveränen Tabellenführers?<br />
Die blieb aus. Auch,<br />
weil die Gastgeber weiterhin Druck<br />
machten und dafür erneut belohnt<br />
wurden. Diesmal lenkte Pföderl<br />
selbst den Puck im Fallen, allerdings<br />
auch mit dem Schlittschuh, zum 2:0<br />
ins Münchner Tor(14.). Doch wieder<br />
einmal waren es Unkonzentriertheiten<br />
der Eisbären, die dem Gegner in<br />
die Karten spielten. So schickten die<br />
<strong>Berliner</strong> einen Spieler zu viel aufs Eis,<br />
Lukas Reichel musste für zwei Minuten<br />
auf die Bank. Fast hatten die Eisbären<br />
diese Strafe schadlos überstanden,<br />
da ließ sich Maxim Lapierre<br />
zu einer Undiszipliniertheit hinreißen<br />
und musste nach Beinstellen<br />
ebenfalls auf die Bank. In doppelter<br />
Unterzahl traf Münchens Trevor Parkes<br />
zum 1:2-Anschluss (19.).<br />
Auch nach dem Seitenwechsel<br />
wurden den Eisbären die Strafzeiten<br />
zum Verhängnis. Eine davon wurde<br />
in der 26. Minute gegen James Sheppard<br />
angezeigt, aber die Münchner<br />
spielten ihren Angriff perfekt zu<br />
Ende und glichen durch ihren Topscorer<br />
Mark Voakes aus.<br />
Treffer ins leereTor<br />
Als Sheppardinder 35. Minute dann<br />
tatsächlich auf der Strafbank Platz<br />
nahm, bestrafte das Yasin Ehliz mit<br />
dem 3:2 für München. 75 Sekunden<br />
später traf Keith Aulie noch zum 4:2.<br />
Im Schlussdrittel plätscherte das<br />
Spiel lange so hin. In einer Phase, in<br />
der München nicht mehr so recht<br />
wollte und die Eisbären nicht so<br />
recht konnten, war Mark Olverplötzlich<br />
frei vor dem Torder Gäste und<br />
traf zum 3:4-Anschluss (52.).<br />
Die Zuschauer wurden noch einmal<br />
wachgeküsst, mussten aber 62<br />
Sekunden vor dem Abpfiff mit dem<br />
Treffer von Christopher Bourque ins<br />
leere Tor die Entscheidung zugunsten<br />
der Münchner mitansehen.<br />
Der Tagder roten Rosen<br />
Englands grandioser Sieg im Halbfinale der Rugby-WM gegen Neuseeland wirkte wie der Beginn einer neuen Ära<br />
VonSissi Stein-Abel<br />
Mind Games. Eswar der<br />
Begriff der Woche:<br />
psychologische<br />
Kriegsführung. Dreckiges<br />
Grinsen, verbale Provokationen,<br />
Spionage-Geschichten. Eddie<br />
Jones, der Trainer der englischen<br />
Rugby-Nationalmannschaft, in seinem<br />
Element. Dasvon Gelächter begleitete<br />
Dauergequassel ist als „Eddie<br />
Jones Show“ bekannt. Haha, hahaha,<br />
selten so gelacht, sagte Steve<br />
Hansen, der Coach vonNeuseelands<br />
All Blacks,und gab den Mister Cool.<br />
Und dann stellten sich die Engländer<br />
in V-Form auf und keilten die<br />
irritierten All Blacks bei ihrem<br />
Kriegstanz ein, dem Haka, den sie<br />
traditionell vor Anpfiff aufführen. V<br />
wie Victory. Es war der Höhepunkt<br />
der Mind Games zurVerunsicherung<br />
des Gegners und Teil der Siegesformel,<br />
mit der die Briten den Titelverteidiger<br />
aus den Schuhen kippten<br />
und im Halbfinale der WM in Japan<br />
wie grüne Jungs aussehen ließen.<br />
Der 19:7 (10:0)-Triumph in Yokohama<br />
drückt ihre Überlegenheit<br />
nicht annähernd aus.<br />
Die Engländer zermalmten das<br />
Team des dreimaligen Weltmeisters,<br />
das zuvor mit seinem begeisternden<br />
Angriffsstil die Massen begeistert<br />
hatte und nun schnell den<br />
Schock überwinden muss, umdas<br />
Spiel um den dritten Platz am Freitag<br />
(10 Uhr, MEZ) gegen Wales über<br />
die Bühne zu bringen. England darf<br />
hingegen vom zweiten Weltmeister-Titel<br />
nach 2003 träumen. Im Finale<br />
treffen die Red Roses am Sonnabend<br />
(10 Uhr, MEZ) im selben Stadion<br />
auf Südafrika, das im penaltyreichen<br />
zweiten Halbfinalspiel Wales<br />
19:16 (9:6) besiegte und vom dritten<br />
Championat nach 1995 und 2007<br />
träumen darf.<br />
Zweieinhalb Jahre, sagte Eddie<br />
Jones, ein Australier mit japanischer<br />
Mutter, „haben wir uns auf dieses<br />
Halbfinale vorbereitet“, und es störte<br />
ihn nicht, „dass 120 Millionen Japaner<br />
gegen uns waren“. Selbst seine<br />
japanische Ehefrau, sagte er, stünde<br />
hinter den All Blacks, und „niemand<br />
glaubte, dass wir gewinnen würden“.<br />
Aber der Coach hatte seinen<br />
Spielern Glauben eingeimpft, die<br />
Überzeugung, dass die Neuseeländer,<br />
die seit 2007 kein WM-<br />
Spiel mehr verloren hatten, kein<br />
unantastbarer Mythos waren, sondern<br />
auch nur Menschen, die Fehler<br />
machen. Siesetzten seine Strategie<br />
um und stürzten den Rugby-Riesen<br />
mit einem Kracher vomThron.<br />
Die Engländer legten aus einer<br />
großartigen Defensive heraus ein ir-<br />
Englands MarkWilson feiertden Finaleinzug,Neuseeland ist am Boden. GETTY IMAGES/BOTTERILL<br />
England antwortet mit einer Victory-Formation auf den Haka der All Blacks.<br />
res Tempo vor, attackierten ihre Gegenspieler<br />
wie eine Horde Rottweiler,<br />
dominierten die Standardsituationen,<br />
kurz: Sie beherrschten ihren<br />
Gegner vonAbis Zund ließen den All<br />
Blacks, die so viel Druck nicht gewöhnt<br />
sind, weder Zeit noch Raum,<br />
um ins Spiel zu kommen. „England<br />
hat das Spiel in den Bereichen kontrolliert,<br />
die wir kontrollieren wollten“,<br />
sagte Steve Hansen, „wir wurden<br />
von einer besseren Mannschaft<br />
geschlagen und müssen es mit Fassung<br />
tragen. So schwer es zu verdauen<br />
ist, aber solche Dinge passierenimSporteben<br />
manchmal.“<br />
Die Neuseeländer, die passiv, ratlos<br />
und kopflos neben sich selbst<br />
Krönung verschoben<br />
GETTY/MULLAN<br />
standen, hatten sich noch nicht vom<br />
Angriff auf ihren Haka erholt, da lagen<br />
sie durch einen Bonuskick-Try<br />
vonManu Tuilagi nach 96 Sekunden<br />
schon in Rückstand und konnten<br />
sich bei den Rugby-Göttern bedanken,<br />
dass es nicht noch schlimmer<br />
kam, denn zwei Tries der Briten wurden<br />
aufgrund von vorausgegangenen<br />
Regelverstößen –zurecht –nicht<br />
anerkannt. Neuseelands einziger Try<br />
(57.) durch Ardie Saveaentsprang einem<br />
Lapsus der Engländer beim<br />
Einwurf. 1:1 Tries, das spiegelt nicht<br />
die Realität auf dem Platz wider.<br />
Dieübrigen zwölf Punkte der Red<br />
Roses erzielte George Ford mit vier<br />
Penalty-Kicks, die der Hilflosigkeit<br />
und Verzweiflung der All Blacks am<br />
34. Geburtstag ihres Kapitäns Kieran<br />
Read entsprangen, als ihnen die<br />
Felle vollends davonschwammen.<br />
Ihr deprimierender Auftritt und die<br />
grandiose Darbietung der Engländer<br />
wirkte wie das Ende der einen und<br />
der Beginn einer neuen Ära–mit der<br />
Einschränkung, dass sich die All<br />
Blacks im Umbruch befinden und<br />
die vielen jungen Profis, die am<br />
Sonnabend überrollt wurden, mit jeden<br />
TagErfahrung widerstands- und<br />
auch in solch gnadenlosen K.-o.-<br />
Spielen konkurrenzfähiger werden.<br />
WieSteve Hansen, der nach sieben<br />
Jahren als Neuseelands Cheftrainer<br />
zum Toyota-Klub nach Japan<br />
wechselt, ist auch Eddie Jones<br />
ein alter Fuchs, der aber noch nie<br />
Weltmeister war, und diesmal hat<br />
er seinen Kollegen nach allen Regeln<br />
der Kunst ausgetrickst. Er hat<br />
Hansen sogar verleitet,sein Siegerteam,<br />
das beim 46:14 gegen Irland<br />
wie aus einem Guss gespielt hatte,<br />
ohne Notzuverändern, indem er die<br />
beiden Flügelstürmer-Positionen<br />
umbesetzte.„Das war mein Fehler“,<br />
gab Hansen unumwunden zu, „das<br />
muss ich auf meine Kappe nehmen.“<br />
England, das in 16 Duellen nur<br />
einmal gegen Neuseeland gewonnen<br />
hatte, machte alles, was die All<br />
Blacks auszeichnet, bloß besser. Es<br />
war die Einstimmung auf einen<br />
Volkstrauertag im Land der Kiwis,<br />
das sich aufgrund der jahrzehntelang<br />
verströmten Magie der All<br />
Blacks als spirituelle Heimat des<br />
Rugby fühlt. Jetzt schicken sich Eddie<br />
Jones und England an, den Pokal<br />
ins Mutterland zurückzuholen, wo<br />
Rugby1823 erfunden wurde.„Als ich<br />
vorvier Jahren meinen Dienst antrat,<br />
war der Plan, die beste Mannschaft<br />
der Welt zu werden“, sagte Jones<br />
nach der Sternstunde von Yokohama,„jetzt<br />
haben wir noch ein Spiel<br />
voruns,indem wir die Chance dazu<br />
haben.Wirwissen, dass wir im Finale<br />
noch besser spielen können.“<br />
Lewis Hamilton verpasst trotz seines Sieges beim Großen Preis von Mexico die Titelfiesta in der Formel-1-WM<br />
Lewis Hamilton muss trotz einer<br />
brillanten Siegfahrt in Mexiko<br />
noch auf seinen sechsten Formel-1-<br />
Titel warten. Der Mercedes-Pilot ließ<br />
am Sonntag beim Reifenkrimi im<br />
Autódromo Hermanos Rodríguez<br />
Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel hinter<br />
sich, kann aber rechnerisch in den<br />
verbleibenden drei Saisonläufen<br />
noch immer vonTeamkollege Valtteri<br />
Bottas eingeholt werden. Der Finne<br />
sicherte sich Platz drei und liegt nun<br />
74 Punkte hinter Hamilton.<br />
In Austin kann der Brite am kommenden<br />
Sonntag den fünften Triumph<br />
in sechs Jahren perfekt machen.<br />
Hamilton reicht auf dem Kurs<br />
in Texas der achte Platz. „Ich liebe das<br />
Rennfahren, das Warten macht mir<br />
nichts aus“, sagte er.Vettel hatte sich<br />
bereits in Japan aus dem WM-Kampf<br />
verabschieden müssen.<br />
In Mexiko kämpfte der 32 Jahre<br />
alte Deutsche zunächst vor allem<br />
wieder um die Vormacht im eigenen<br />
Team. Stallrivale Leclerc kletterte<br />
nachträglich auf die Pole Positon, in<br />
der Qualifikation hatte er sich vorVettel<br />
durchgesetzt. Beide profitierten<br />
vonder Strafe gegen MaxVerstappen.<br />
Der Niederländer war im<br />
Red Bull anders bei seiner<br />
letzten schnellen Runde<br />
nicht vom Gas gegangen,<br />
als die Gelben Flaggen wegen<br />
eines heftigen Einschlags<br />
von Bottas’ Mercedes<br />
geschwenkt worden<br />
metern nicht aus. Hamiltons Attacke<br />
beim Start wehrte Vettel ab. Ander<br />
Spitze behauptete sich Leclerc. Und<br />
was machte Bottas, der von Rang<br />
sechs losfahren musste?<br />
Der Finne rutschte zwischenzeitig<br />
auf Platz sieben,<br />
wurde dann von Verstappen<br />
leicht gerammt,<br />
machte aber wie Hamilton<br />
schnell wieder Plätze gut.<br />
GETTY IMAGES/CHARLES COATES<br />
Die beiden fuhren auf den<br />
Plätzen vier und fünf hinter<br />
Muss warten: Leclerc, Vettel und Alexander<br />
Albon, der im zweiten<br />
Lewis Hamilton.<br />
Red Bull von den fehl geschlagenen<br />
Start-Attacken am meisten<br />
profitierthatte.<br />
Als erster des Führungsquintetts<br />
kam Albon in die Boxzum Radtausch.<br />
Danach Leclerc. Er bekam die gleiche<br />
Reifenmischung, hieß: Vettels Stallrivale<br />
musste noch mal die Reifen<br />
wechseln lassen. Vettel war indes auf<br />
einer Einstopp-Strategie unterwegs.<br />
Dann forderte Hamilton den Deut-<br />
waren. Verstappen rutschte<br />
von der Pole auf Startrang<br />
vier.<br />
Die erste Reihe war rot,<br />
Hamilton dahinter und die Anfahrt<br />
bis zur ersten Kurve auf dem 2250<br />
Meter hoch gelegenen Kurs lang.<br />
Hieß: Windschatten-Chance. „Der<br />
dritte Startplatz ist nicht das Allerschlechteste“,<br />
betonte Teamchef Toto<br />
Wolff. Aufeine WM-Sause für Hamilton<br />
hatte sich Mercedes aber nicht<br />
unbedingt vorbereitet. Nach einer Titelfiesta<br />
sah es nach den ersten Kiloschen<br />
heraus, kam früher in die Box.<br />
„Lasst ihn fahren“, konterte Vettel die<br />
Aufforderung des Kommandostandes,nun<br />
auch neue Reifen aufziehen<br />
zu lassen.<br />
Richtig oder falsch? „Es fühlt sich<br />
so an, als hätten wir die Reifen zu früh<br />
gewechselt“, funkte Hamilton, der<br />
beim Mexiko-USA-Trip ohne seinen<br />
Stamm-Renningenieur auskommen<br />
musste.Die Strategie war klar:Hamilton<br />
sollte den Sieg holen, am besten<br />
die schnellste Rennrunde.Wenn Bottas<br />
Vierter würde, wäre der Triumph<br />
perfekt. Hamilton zweifelte, Hamilton<br />
haderte.„Du kannst das“, feuerte<br />
Mercedes-Chefstrategie James Vowles<br />
ihn an.<br />
Als Vettel zum ersten und Leclerc<br />
zum zweiten Maldie Reifen wechseln<br />
ließen, fuhr Hamilton vorneweg, dahinter<br />
Vettel, Bottas und Leclerc. Entschieden<br />
schien noch nichts. Bottas<br />
kam Vettel näher. Der aber hielt dem<br />
Druck aber ebenso Stand wie vorihm<br />
Hamilton. (dpa)<br />
NACHRICHTEN<br />
Nürnberg verliertAnschluss<br />
zur Tabellenspitze<br />
FUSSBALL. Der1.FCNürnbergverliertimAufstiegsrennen<br />
der Zweite<br />
Bundesliga weiter an Boden und die<br />
Spitzengruppe immer mehr aus den<br />
Augen. DerBundesliga-Absteiger<br />
musste sich am 11. Spieltag im bayerischen<br />
Derbymit einem 1:1 gegen<br />
Jahn Regensburgbegnügen und liegt<br />
als Tabellenachter sechs Punkte hinter<br />
Relegationsplatz drei, den Mitabsteiger<br />
VfB Stuttgartbelegt.<br />
1. FC Kaiserslauten rutscht<br />
immer tiefer in die Krise<br />
FUSSBALL. Der1.FCKaiserslautern<br />
stürzt in der Dritten Liga immer tiefer<br />
in die Krise.Der viermalige Deutsche<br />
Meister verlor am Sonntag das<br />
Kellerduell beim Chemnitzer FC 1:3<br />
und rutschte mit 13 Punkten aus 13<br />
Spielen auf Abstiegsplatz 17 ab.Die<br />
punktgleichen Chemnitzer kletterten<br />
nach zehn Punkten aus den<br />
jüngsten fünf Spielen auf Rang 16.<br />
Energie Cottbus gewinnt<br />
Derbygegen Babelsberg<br />
FUSSBALL. DerFCEnergie Cottbus<br />
hat in der Regionalliga Nordost das<br />
Brandenburg-Derbygegen den SV<br />
Babelsberg03mit 1:0 gewonnen. Für<br />
den Tabellenvierten traf Broschinski<br />
in der Nachspielzeit der ersten<br />
Hälfte.Babelsbergsteckt als Vorletzter<br />
weiter tief im Abstiegskampf.<br />
Baraou bleibt im achten<br />
Profikampf unbesiegt<br />
BOXEN. Talent Abass Baraou hat<br />
auch seinen achten Profikampf gewonnen.<br />
Der24Jahrealte Superweltergewichtler<br />
besiegte am Sonnabend<br />
in London im Rahmen der<br />
World Boxing Super Series den Iren<br />
John O'Donnell nach technischem<br />
K.o.inder sechsten Runde.Baraou,<br />
Sohn togolesischer Eltern, war in<br />
den vergangenen Jahren der herausragende<br />
deutsche Amateur und<br />
wurde vom<strong>Berliner</strong> Bundestrainer<br />
Ralf Dickertgefördert. 2017 gewann<br />
er in der Ukraine den EM-Titel und<br />
holte bei der WM in Hamburgdie<br />
Bronzemedaille.Jetzt trainierterbei<br />
Ulli Wegner und GeorgBramowski.<br />
Brees führtNew Orleans bei<br />
Comeback zum Sieg<br />
FOOTBALL. Quarterback Drew<br />
Brees,40, hat bei seinem Comeback<br />
nach einer Daumenverletzung die<br />
NewOrleans Saints zum Heimsieg in<br />
der amerikanischen Football-Liga<br />
NFL geführt. DieSaints setzten sich<br />
am Sonntag gegen die Arizona Cardinals<br />
mit 31:9 (10:6) durch. Für sie<br />
war es der sechste Sieg in Folge und<br />
der siebte im achten Saisonspiel.<br />
Moritz Wagner und Wizards<br />
unterliegen Spursknapp<br />
BASKETBALL. Der<strong>Berliner</strong> Moritz<br />
Wagner und der Frankfurter Isaac<br />
Bonga haben mit den Washington<br />
Wizards in der NBA eine bittereNiederlage<br />
kassiert. Beiden SanAntonio<br />
Spurs unterlag das Team um das<br />
deutsche Duo122:124, DeMarDe-<br />
Rozan sorgte fünf Sekunden vor<br />
Schluss für die Entscheidung zugunsten<br />
der Gastgeber.<br />
Este Tänak gewinnt<br />
erstmals die Rallye-WM<br />
RALLYE. DerEste OttTänak hat die<br />
französische Dominanz in der Rallye-WM<br />
nach 15 Jahren beendet und<br />
zum ersten Malden Titel geholt.<br />
Beim vorletzten Saisonlauf in Spanien<br />
reichte dem Toyota-Piloten ein<br />
zweiter Platz hinter dem Belgier<br />
ThierryNeuville (Hyundai), um<br />
Dauersieger Sebastien Ogier (Citroen)<br />
zu entthronen.
18 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019<br />
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Sport<br />
ZAHLEN<br />
Eishockey<br />
DEL, 15. Spieltag<br />
Krefeld Pinguine -ERC Ingolstadt 1:2<br />
Eisbären Berlin -Red Bull München 3:5<br />
Schwenningen -Wolfsburg 0:4<br />
Straubing -Augsburg 7:3<br />
Düsseldorf -Iserlohn 4:2<br />
Mannheim -Nürnberg 2:0<br />
Kölner Haie -Bremerhaven 2:5<br />
1. Red Bull München 15 55:29 42<br />
2. Straubing Tigers 15 58:38 30<br />
3. Düsseldorfer EG 15 44:28 29<br />
4. Adler Mannheim 14 47:39 28<br />
5. Bremerhaven 15 44:39 27<br />
6. Eisbären Berlin 14 41:38 23<br />
7. Nürnberg Ice Tigers 15 40:41 23<br />
8. ERC Ingolstadt 15 42:44 19<br />
9. Grizzlys Wolfsburg 15 37:43 17<br />
10. Augsburger Panther 15 42:52 17<br />
11. Kölner Haie 15 29:44 17<br />
12. Iserlohn Roosters 14 28:40 14<br />
13. Krefeld Pinguine 15 32:48 12<br />
14. Schwenninger Wild Wings 14 36:52 11<br />
Zweite Liga, 11. Spieltag<br />
Holstein Kiel -VfL Bochum 2:1 (1:1)<br />
Darmstadt 98 -ErzgebirgeAue 1:0 (0:0)<br />
Hamburger SV -VfB Stuttgart 6:2 (3:1)<br />
Dynamo Dresden -Arminia Bielefeld 0:1 (0:0)<br />
Karlsruher SC -Hannover96 3:3 (1:2)<br />
1. FC Nürnberg -Jahn Regensburg 1:1 (1:0)<br />
1. FC Heidenheim -FCSt. Pauli 1:0 (0:0)<br />
VfL Osnabrück -SpVgg Fürth 0:0<br />
SV Sandhausen -SVWehen Mo., 20.30<br />
1. Hamburger SV 11 28:10 24<br />
2. Arminia Bielefeld 11 22:12 22<br />
3. VfB Stuttgart 11 17:16 20<br />
4. ErzgebirgeAue 11 18:17 18<br />
5. 1. FC Heidenheim 11 16:13 16<br />
6. Jahn Regensburg 11 19:15 15<br />
7. SpVgg Fürth 11 11:14 15<br />
8. 1. FC Nürnberg 11 19:19 14<br />
9. Karlsruher SC 11 19:21 14<br />
10. Holstein Kiel 11 13:15 14<br />
11. Darmstadt 98 11 11:13 14<br />
12. FC St. Pauli 11 14:14 13<br />
13. Hannover96 11 13:17 13<br />
14. VfL Osnabrück 11 10: 9 12<br />
15. SV Sandhausen 10 10:11 12<br />
16. VfL Bochum 11 20:24 9<br />
17. Dynamo Dresden 11 12:21 9<br />
18. SV Wehen Wiesbaden 10 13:24 8<br />
Dritte Liga, 13. Spieltag<br />
Viktoria Köln -1.FCMagdeburg 1:1 (1:1)<br />
KFC Uerdingen -FCCZJena 2:0 (1:0)<br />
Würzburger Kickers -MSV Duisburg 0:2 (0:2)<br />
FC Ingolstadt 04 -Preußen Münster 3:2 (1:2)<br />
SpVgg Unterhaching -FSV Zwickau 0:0<br />
Hallescher FC -SVMeppen 3:3 (2:2)<br />
Hansa Rostock -TSV 1860 München 2:1 (1:0)<br />
Chemnitzer FC -1.FCKaiserslautern 3:1 (3:1)<br />
SG Großaspach -Braunschweig 1:3 (1:2)<br />
FC Bayern II -Waldhof Mannheim Mo., 19.00<br />
1. Hallescher FC 13 28:13 25<br />
2. MSV Duisburg 13 29:19 25<br />
3. Eintracht Braunschweig 13 23:15 24<br />
4. SpVgg Unterhaching 13 19:14 24<br />
5. FC Ingolstadt 04 13 25:17 22<br />
6. Hansa Rostock 13 17:14 22<br />
7. Viktoria Köln 13 24:21 20<br />
8. FSV Zwickau 13 20:15 19<br />
9. KFC Uerdingen 13 15:17 19<br />
10. SV Waldhof Mannheim 12 20:16 18<br />
11. 1. FC Magdeburg 13 18:12 17<br />
12. Bayern München II 12 21:23 17<br />
13. SV Meppen 13 25:20 16<br />
14. Würzburger Kickers 13 20:31 16<br />
15. TSV 1860 München 13 16:21 14<br />
16. Chemnitzer FC 13 19:23 13<br />
17. 1. FC Kaiserslautern 13 20:29 13<br />
18. SG Großaspach 13 15:29 12<br />
19. Preußen Münster 13 19:25 11<br />
20. FC CZ Jena 13 9:28 2<br />
RegionalligaNordost, 13. Spieltag<br />
Bischofswerdaer FV -1.FCLok Leipzig 0:3 (0:1)<br />
FC Viktoria 1889 Berlin -<strong>Berliner</strong> AK 07 4:2 (2:1)<br />
Wacker Nordhausen -Optik Rathenow 4:0 (2:0)<br />
Lichtenberg 47 -VSG Altglienicke 2:1 (1:0)<br />
Germania Halberstadt -Hertha BSC II 2:2 (1:1)<br />
Union Fürstenwalde -Rot-Weiß Erfurt 3:0 (3:0)<br />
BFC Dynamo -ZFC Meuselwitz 2:0 (1:0)<br />
BSG Chemie Leipzig -VfB Auerbach 2:0 (1:0)<br />
SV Babelsberg 03 -Energie Cottbus 0:1 (0:1)<br />
1. Hertha BSC II 13 44:18 29<br />
2. VSG Altglienicke 13 35:16 28<br />
3. 1. FC Lok Leipzig 13 23:13 28<br />
4. Energie Cottbus 13 33:23 26<br />
5. Wacker Nordhausen 13 31:21 23<br />
6. FSV Union Fürstenwalde 13 21:15 20<br />
7. FC Viktoria 1889 Berlin 13 15: 9 20<br />
8. BFC Dynamo 13 15:20 18<br />
9. <strong>Berliner</strong> AK 07 13 24:23 16<br />
10. Lichtenberg 47 13 12:13 16<br />
11. BSG Chemie Leipzig 13 15:16 15<br />
12. Rot-Weiß Erfurt 13 15:19 14<br />
13. VfB Auerbach 13 23:30 14<br />
14. ZFC Meuselwitz 13 17:22 13<br />
15. Germania Halberstadt 13 19:25 12<br />
16. Optik Rathenow 13 10:28 11<br />
17. SV Babelsberg 03 13 12:21 8<br />
18. Bischofswerdaer FV 13 11:43 5<br />
Oberliga, Nordost/Nord, 10. Spieltag<br />
TeBe -Hertha 06 5:0, Seelow-TorgelowerFC1:3,<br />
Strausberg -Brandenburger SC Süd 0:2, Ludwigsfelder<br />
FC -Greifswalder FC 0:1, Pampow-L.Stendal<br />
5:0, H. Rostock II -Staaken 7:0, Hertha 03 -<br />
Neustrelitz 4:1 (1:0), Tasmania -Bl. Weiss 90 3:0<br />
„Für uns ist es im Moment sehr wertvoll, hinten zu Null zu spielen.“ BVB-Kapitän Marco Reus formuliertbescheidene Ansprüche.<br />
Labiler Frieden<br />
Borussia Dortmund ist um einen beherrschten Blick auf die immer komplizierter werdende Lage bemüht<br />
VonDaniel Theweleit, Gelsenkirchen<br />
Lehrstück der Schülerin<br />
Die 17 Jahre alte Alice Robinson siegt im Ski-Weltcup<br />
An Glückwünsche von Lindsey<br />
Vonn und Mikaela Shiffrin muss<br />
man sich als 17 Jahre alte Schülerin<br />
aus Neuseeland erst mal gewöhnen.<br />
Ebenso an Pressekonferenzen nach<br />
Siegen im alpinen Ski-Weltcup und<br />
Preisgelder in Höhe von 45000<br />
Schweizer Franken – nur<br />
das mit dem Feiern wird<br />
wohl nie mehr so nüchtern<br />
ausfallen müssen wie an<br />
diesem ski-historischen<br />
Sonnabend.<br />
„Ein halbes Bier ist angemessen“,<br />
meinte Alice<br />
Robinson nach ihrem sensationellen<br />
Erfolg im Riesenslalom<br />
von Sölden –<br />
wohl wissend, dass sie am<br />
Montag zurück in die Heimat fliegt<br />
und noch eine letzte Woche Schule<br />
vor sich hat. Künftig wird sich aber<br />
alles nur noch ums Skifahren drehen<br />
für die Junioren-Weltmeisterin im<br />
Riesenslalom, die am Sonnabend in<br />
ihrem elften Rennen schon den ersten<br />
Sieg feierte. Sie ist nun die<br />
jüngste Sölden-Siegerin – und gab<br />
eine erste Antwortauf die Frage,wer<br />
nach den Rücktritten vonVonn, Felix<br />
Die Kernbotschaft, die die<br />
Angehörigen von Borussia<br />
Dortmund im Nachgang<br />
des 155. Pflichtspielderbys<br />
bei Schalke 04 zu verkünden<br />
hatten, war nicht zu überhören<br />
hinter den vielen Erklärungen,<br />
die am frühen Samstagabend formuliert<br />
wurden. Gelassenheit<br />
sprach aus den Gesichtern, Gelassenheit<br />
transportierten die Worte, irgendwie<br />
wirkte das fremd im normalerweise<br />
mit den ganz großen Gefühlen<br />
aufgeladenen Umfeld eines Revierderbys.<br />
Torhüter Marvin Hitz<br />
erklärte die vielen verlorenen Zweikämpfe<br />
in diesem torlosen Fußballspiel<br />
nicht mit Verunsicherung oder<br />
gar einem Einstellungsproblem,<br />
Schalke habe eben einfach „das<br />
Quentchen Glück“ in den „fifty-fifty<br />
Aktionen“ gehabt.<br />
Kapitän MarcoReus berichtete in<br />
nüchtern-analytischem Tonfall vom<br />
Verlust der Leichtigkeit, da müsse<br />
man sich auch mal an kleinen Dingen<br />
freuen. „Für uns ist es im Moment<br />
sehr wertvoll, hinten zu Null zu<br />
spielen“, sagte der Kapitän. Und Sebastian<br />
Kehl war laut Selbstauskunft<br />
sogar „zufrieden“ mit einem fußballerisch<br />
bemerkenswert fehlerhaften<br />
Auftritt. „Wir können am Ende mit<br />
dem Punkt leben“, sagte der der Leiter<br />
der Lizenzspielerabteilung.<br />
Nachdem in den vergangenen<br />
Wochen jeder Punktverlust den Erregungszustand<br />
in den roten Bereich<br />
getrieben hatte,waren sie an diesem<br />
Tagumeinen möglichst beherrschten<br />
Blick auf die immer komplizierter<br />
werdende Lage bemüht. Dabei<br />
wird kaum etwas besser, imGegenteil:<br />
Die Krisensymptome zeigen<br />
sich nicht mehr nur in kurzen Phasen<br />
der Spiele und in den Ergebnissen,<br />
sie haben schon am vorigen<br />
Mittwoch beim 0:2 in Mailand und<br />
jetzt auf Schalke ein prägendes Element<br />
des BVBunter dem Trainer Lucien<br />
Favreerfasst: die fußballerische<br />
Klasse, die in fast allen Bundesligapartien<br />
ein entscheidender Vorteil<br />
sein sollte.„Wirmüssen uns über die<br />
Mannschaft und das Spielerische<br />
unterhalten“, sagte Sportdirektor<br />
Michael Zorc,„das war nicht besonders<br />
gut heute.“<br />
Der Dortmunder Auftritt war<br />
durchsetzt von Ungenauigkeiten,<br />
von falschen Entscheidungen im<br />
Spielaufbau und einer erschreckenden<br />
Harmlosigkeit beim Versuch,<br />
Gefahr im Schalker Strafraum zu erzeugen.<br />
In der Serie zuvor mit nur<br />
fünf Punkten aus vier Partien gab es<br />
wenigstens noch Phasen der klaren<br />
Dominanz, nun sitzt dieVerunsicherung<br />
so tief, dass das Spiel der vielen<br />
Hochbegabten „ein bisschen zäh“<br />
wirkte, wie Zorc erläuterte. „Wir<br />
müssen unsere Automatismen wiederfinden.“<br />
„Wir müssen uns über die Mannschaft und<br />
das Spielerische unterhalten.“<br />
BVB-Sportdirektor Michael Zorc erhöht nach dem 0:0 im Derby gegen Schalke den<br />
Druck auf sein Dortmunder Team und den Trainer –wenn auch vorerst zwischen den Zeilen.<br />
AP/MARCO TROVATI<br />
Neureuther oder Marcel Hirscher zu<br />
den neuen Hauptdarstellern im<br />
Weltcup werden könnte.<br />
Schon beim Weltcup-Finale im<br />
Märzwar ihr mit Rang zwei der erste<br />
Podestplatz gelungen. Der deutsche<br />
Alpinchef Wolfgang Maier hatte die<br />
blonde Frau aus Queenstown<br />
deshalb längst auf<br />
dem Radar: „Ich wüsste<br />
niemanden aus der südlichen<br />
Hemisphäre, der so<br />
ein Potenzial hat. Diefährt<br />
wirklich frech Ski.“ Weniger<br />
glücklich war Maier<br />
mit seinen Sportlern. Viktoria<br />
Rebensburg kam mit<br />
Überraschung:<br />
Alice Robinson. 1,73 Sekunden Rückstand<br />
hinter Robinson auf Platz<br />
13, Stefan Luitz wurde 16. beim Sieg<br />
vonAlexis Pinturault aus Frankreich.<br />
Sölden ohne deutschen Top-12-<br />
Rang gab es letztmals 2002.<br />
Robinson lebt die meiste Zeit in<br />
Italien und wird von Chris Knight<br />
trainiert, der Weltcup-Rekordsiegerin<br />
Vonn und Shiffrin mitgeformt<br />
hat. Letztere wurde mit 0,06 Sekunden<br />
Rückstand Zweite,die Französin<br />
Tessa Worley Dritte. (dpa)<br />
Derselbst ernannte Titelkandidat<br />
ist in einem Zustand der Demut angekommen,<br />
und diese Entwicklung<br />
stützt die Annahme, dass die offensiveVerkündung<br />
des Meisterschaftszieles<br />
und der anschließende Umgang<br />
mit den eigenen Ambitionen<br />
nicht unbedingt konstruktiv gewirkt<br />
hat.<br />
Das Aufflammen der Trainerdiskussion<br />
während der vergangenen<br />
Wochen sei „der Situation geschuldet,<br />
natürlich auch der größeren Erwartungshaltung<br />
bei uns“, meinte<br />
Zorc, der immer wieder versichert,<br />
dass die Verantwortlichen des BVB<br />
keine derartige Debatte führen würden.<br />
Der Eindruck, dass unter den<br />
AP/MEISSNER<br />
Leuten, die Klubchef Hans-Joachim<br />
Watzke als „inner circle“ von Borussia<br />
Dortmund bezeichnet, kritisch<br />
über Favre gesprochen wird, konnte<br />
bislang trotzdem nicht aus der Welt<br />
geschafft werden.<br />
Zumal kaum Anzeichen für Verbesserungen<br />
sichtbar sind. Der BVB<br />
hatte drei mal großes Glück, als<br />
Schalkes Salif Sané die Unterkante<br />
der Latte traf, Suat Serdar an den Innenpfosten<br />
schoss und Schiedsrichter<br />
Felix Brych mit seinen Assistenten<br />
nach einem Handspiel vonThorgan<br />
Hazard auf einen Elfmeter verzichteten.<br />
„Wir waren besser“, sagte<br />
der Schalker Torhüter Alexander<br />
Nübel zurecht. Dass die Dortmunder<br />
dennoch einen Ausbruch der<br />
schwer kontrollierbaren Emotionen<br />
zwischen Wut, Enttäuschung und<br />
Frust verhinderten, die eine Derbyniederlage<br />
automatisch erzeugt, ist<br />
zweifellos ein kleiner Erfolg.<br />
Doch der Frieden ist labil, schon<br />
am kommenden Mittwoch kann der<br />
kurze Moment der Gelassenheit wieder<br />
einer zermürbenden Krisenstimmung<br />
weichen. Es steht ein DFB-Pokal-Spiel<br />
gegen Mönchengladbach<br />
bevor, es folgen Partien gegen die<br />
starken Wolfsburger, das für den angestrebten<br />
Achtelfinaleinzug vielleicht<br />
entscheidende Champions<br />
League-Spiel gegen Inter Mailand<br />
und die Reise zum FC Bayern München.<br />
All diese Duelle bergen einerseits<br />
große Chancen und zugleich<br />
enorme Gefahren für den BVB.<br />
Moment des Neuen<br />
Cody Kessel überzeugt beim 3:0-Sieg der BR Volleys<br />
Estrifft sich gut, dass die BR Volleys<br />
in dieser Saison in den ersten<br />
Spielen nicht auf die stärksten<br />
Teams der Volleyball-Bundesliga<br />
treffen, das 3:2 bei den Alpenvolleys<br />
mal ausgenommen. Und so zieht<br />
sich die Vorbereitung, die gar keine<br />
war, weil dauernd irgendwelche<br />
Nationalspieler zu<br />
irgendwelchen Turnieren<br />
abgestellt werden mussten,<br />
bis in diese Spiele hinein.<br />
Am Sonntag konnten<br />
die <strong>Berliner</strong> gegen Rottenburg<br />
ein bisschen probieren,<br />
Angriffskombinationen<br />
etwa. „Manches geht<br />
da noch in die Hose“, beobachtete<br />
Manager Kaweh<br />
Niroomand. Dennoch gewann der<br />
deutsche Meister gegen die Schwaben<br />
mit 3:0 (25:16, 25:21, 25:19). „Es<br />
war eine gute Leistung, ein konzentriertes<br />
Spiel, das Ergebnis stimmt“,<br />
fasste Niroomand den fünften Sieg<br />
im fünften Pflichtspiel zusammen.<br />
Weil der Kern des Teams sich aus<br />
dem Vorjahr kennt, klappt vieles<br />
schon ordentlich. Neue Spieler, wie<br />
Außenangreifer Cody Kessel, der aus<br />
Punktesammler:<br />
Cody Kessel.<br />
Lüneburgnach Berlin gewechselt ist<br />
und Angriffspartner Benjamin Patch<br />
in Sachen Sprunghöhe kaum nachsteht,<br />
finden schnell ins Team. Der<br />
US-Amerikaner war mit 14 Zählern<br />
erfolgreichster <strong>Berliner</strong> Punktesammler.<br />
Nachdem die BR Volleys<br />
bei einer Aufschlagserie<br />
von Kapitän Moritz Reichert<br />
acht Punkte in Folge<br />
DPA/SINA SCHULDT<br />
verbuchten, verwandelte<br />
Kessel den ersten Satzball,<br />
am Schluss lag seine Angriffsquote<br />
bei 71 Prozent.<br />
Ob die Ligaspiele, die<br />
am Mittwoch gegen Eltmann<br />
weitergehen, eine<br />
Art Warmspielen für die<br />
Champions-League-Partien<br />
gegen Russlands Meister Kemerovo,<br />
Fakel Novi Urengoi und Sloweniens<br />
Meister Ach Volleys Ljubljana<br />
im Dezember sind?„Das so zu sehen,<br />
macht für Außenstehende Sinn“,<br />
meint Kessel. „Ich als Wettkämpfer<br />
muss in jedem Moment, jedem Spiel<br />
präsent sein. Aber natürlich freue ich<br />
mich darauf, gegen die Besten der<br />
Besten anzutreten. Denn ich liebe es,<br />
guten Volleyball zu spielen.“ (kah.)<br />
Wiezu<br />
besten<br />
Zeiten<br />
Gladbach erobert wieder<br />
die Tabellenführung<br />
Nach spektakulären 90 Minuten<br />
fingen die ersten Gladbacher<br />
Fans an zu träumen. „Deutscher<br />
Meister wird nur der VfL“, schallten<br />
die Rufe nach dem 4:2 (2:0) gegen<br />
Eintracht Frankfurt durch den Borussia<br />
Park.Zaghaft zwar,aber deutlich<br />
vernehmbar. Die Gladbacher<br />
Spieler feierten vor der Nordkurve.<br />
Trainer Marco Rose umarmte lachend<br />
seine Schützlinge: Nach dem<br />
fünften Sieg aus den vergangenen<br />
sechs Spielen thront Gladbach weiter<br />
an der Tabellenspitze der Bundesliga.<br />
Ein Punkt vor Bayern München:<br />
Eine Situation, die an die besten<br />
Zeiten der Fohlen in den 1970er<br />
Jahren erinnert.<br />
„Spitzenreiter klingt nicht<br />
schlecht, es ist aber noch früh in der<br />
Saison“, sagte Rose:„Es war eine sehr<br />
gute erste Halbzeit, wir haben heute<br />
verdient gewonnen. Wir haben weiter<br />
versucht, Druck aufzubauen und<br />
sind weiter mutig auf das Torgegangen.“<br />
Marcus Thuram (28.), Oscar<br />
Wendt (45.+2), Nico Elvedi (75.) und<br />
Denis Zakaria (85.) erzielten die Treffer<br />
des fünfmaligen deutschen Meisters.<br />
Die Frankfurter liegen trotz der<br />
zwischenzeitlichen Anschlusstore<br />
vonDanny da Costa (59.) und Martin<br />
Jubelformation: Torschütze Denis Zakaria<br />
(l.) wird beglückwünscht. DPA/M. BECKER<br />
Hinteregger (79.) mit fünf Zählern<br />
Rückstand auf Rang neun. „Wir sind<br />
zwar immer wieder rangekommen,<br />
aber am Ende hat man die Klasse der<br />
Gladbacher bei den Kontern gesehen.<br />
Das ist schon eine sehr gute<br />
Mannschaft“, sagte Frankfurts Dominik<br />
Kohr.<br />
Obwohl beide Teams am Donnerstag<br />
in der Europa League im Einsatz<br />
waren, entwickelte sich vor<br />
52 300 Zuschauern ein intensives<br />
Kampfspiel mit Vorteilen für die<br />
Gastgeber. Frankfurt fehlte es in der<br />
Offensive ohne die verletzten Stürmer<br />
Andre Silva und Bas Dost an<br />
Durchschlagskraft, während Gladbach<br />
immer mehr die spielerische<br />
Linie fand. Den schönsten Angriff<br />
über Laszlo Benes und Breel Embolo<br />
veredelte Thuram mit seinem vierten<br />
Saisontreffer.<br />
Das Rose-Team blieb nach der<br />
Führung am Drücker, auch wenn<br />
Vorlagengeber Embolo verletzt vom<br />
Platz musste (35.). DerfrühereSchalker<br />
wurde durch Kapitän Lars Stindl<br />
ersetzt. Als die Frankfurter gedanklich<br />
schon in der Kabine waren, legte<br />
die Borussia nach. Nach einem Zweikampf<br />
zwischen Thuram und da<br />
Costa fielWendt der Ball vordie Füße<br />
und der Schwede ließ Torhüter Frederik<br />
Rönnowkeine Abwehrchance.<br />
Nach der Halbzeit intensivierten<br />
die Gäste ihre Angriffsbemühungen<br />
und wurden schnell belohnt. Nachdem<br />
Wendt eine Flanke unterlaufen<br />
hatte, bediente Daichi Kamada da<br />
Costa, der aus kurzer Distanz traf.<br />
DieGladbacher waren nach dem Gegentreffer<br />
angezählt und verloren<br />
ihreOrdnung. Frankfurterhöhte den<br />
Druck. Kamada vergab binnen kurzerZeit<br />
drei Chancen zum Ausgleich<br />
(66./67./68.), die Gladbacher sorgten<br />
kaum noch für Entlastung – dann<br />
traf Elvedi per Kopf. Wenig später<br />
brachte Hinteregger sein Team<br />
ebenfalls per Kopf noch mal heran,<br />
ehe Zakaria alles klar machte. (sid)
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019 19 *<br />
·························································································································································································································································································<br />
Sport<br />
SC Freiburg<br />
BUNDESLIGA<br />
SC Paderborn<br />
Fortgeschrittenes<br />
Jokertum<br />
Wie jemand zum Joker<br />
wird, ist ein Thema,<br />
das durch den neuen Hollywood-Film<br />
über Batmans<br />
Gegenspieler gerade wieder<br />
an Aktualität gewann. Im<br />
Fußball ist die Frage leicht zu<br />
beantworten. Entweder<br />
jemand beherrscht<br />
die Kunst<br />
des Toreschießens<br />
ganz vorzüglich,<br />
spielt aber bei so<br />
guten Klubs, dass<br />
er trotzdem gelegentlich<br />
auf der Reservebank<br />
landet.<br />
Das gilt für Leute<br />
wie Franck Ribéry<br />
(15 Jokertore inder Bundesliga),<br />
Robert Lewandowski<br />
(16) und lange Zeit Claudio<br />
Pizarro(21).<br />
Oder er wird langsam alt<br />
und hat nicht mehr die Luft<br />
für diese hektischen Anfangsphasen,<br />
wenn alle wie<br />
dieVerrückten über den Platz<br />
rennen (Ribéry, Pizarro).<br />
Oder er ist gut, aber nicht so<br />
gut, dass ihn die Trainer ständig<br />
auf dem Spielfeld sehen<br />
wollen. Das Schicksal von<br />
Alexander Zickler (18) und<br />
Nils Petersen, der seit dem<br />
Gerade schwer angesagt:<br />
Joker. DPA<br />
späten Treffer beim 2:1 seines<br />
SC Freiburg gegen den<br />
RB Leipzig mit 22 Jokertoren<br />
alleiniger Rekordhalter ist.<br />
Das fortgeschrittene Jokertum<br />
ist eine bittersüße Situation<br />
für den Spieler, aber<br />
eine segensreiche<br />
Option für die Trainer,<br />
die das jedoch<br />
nicht immer erkennen,<br />
sonst<br />
hätte Joachim Löw<br />
Petersen ja mit zur<br />
WM genommen.<br />
Der Stürmer hat in<br />
Freiburg mehrfach<br />
rebelliert gegen<br />
seine ungeliebte<br />
Paraderolle,doch vergeblich,<br />
zuletzt hatte er seinen Platz<br />
vom Saisonbeginn in der<br />
Startformation wieder verloren.<br />
Es ist abzusehen, dass der<br />
30-Jährige auch künftig Gelegenheit<br />
bekommen wird,<br />
Pizarro weiter abzuhängen,<br />
in Sachen Effizienz ist er ihm<br />
ohnehin deutlich voraus.Der<br />
41-jährige Peruaner<br />
brauchte 158 Einwechslungen<br />
für seine 21 Treffer, Petersen<br />
für den Rekordgerade<br />
mal 74. (mali.)<br />
Verein Sp S U N Tore Punkte<br />
1 M'gladbach 9 6 1 2 19: 9 19<br />
2 München 9 5 3 1 24: 11 18<br />
3 SC Freiburg 9 5 2 2 17: 10 17<br />
4 VfL Wolfsburg 9 4 5 0 11: 5 17<br />
5 Bor.Dortmund 9 4 4 1 20: 11 16<br />
6 RB Leipzig 9 4 3 2 17: 10 15<br />
7 FC Schalke04 9 4 3 2 14: 9 15<br />
8 Leverkusen 9 4 3 2 14: 13 15<br />
9 Eintr.Frankfurt 9 4 2 3 16: 14 14<br />
10 Hoffenheim 9 4 2 3 11: 13 14<br />
11 Hertha BSC 9 3 2 4 15: 16 11<br />
12 SV Werder Bremen 9 2 4 3 15: 19 10<br />
13 Mainz 05 9 3 0 6 10: 19 9<br />
14 Düsseldorf 9 2 1 6 10: 16 7<br />
15 Union Berlin 9 2 1 6 9: 15 7<br />
16 1. FC Köln 9 2 1 6 9: 19 7<br />
17 FC Augsburg 9 1 4 4 10: 21 7<br />
18 SC Paderborn 9 1 1 7 11: 22 4<br />
10. Spieltag,1.bis 3. November:<br />
Hoffenheim -Paderborn Fr.,20.30<br />
Dortmund -Wolfsburg Sa., 15.30<br />
Leipzig -Mainz Sa., 15.30<br />
Leverkusen -M’gladbach Sa., 15.30<br />
Frankfurt-BayernMünchen Sa., 15.30<br />
Bremen -Freiburg Sa., 15.30<br />
1. FC Union -Hertha BSC Sa., 18.30<br />
Düsseldorf -Köln So., 15.30<br />
FC Augsburg -FCSchalke So., 18.00<br />
Torjäger<br />
13 Tore: Lewandowski (Bayern München)<br />
6Tore:Werner (RB Leipzig)<br />
5Tore: Alcácer (Borussia Dortmund),<br />
Hennings (Fortuna Düsseldorf),<br />
Paciencia (Eintracht Frankfurt),<br />
Reus (Borussia Dortmund),<br />
Weghorst (VfL Wolfsburg)<br />
Selten hat es sich bei einem<br />
Fußballer so gelohnt,<br />
Worte auf die Goldwaage<br />
zu legen wie bei Abdelhamid<br />
Sabiri. Der hat für<br />
den SC Paderborngegen Fortuna<br />
Düsseldorf einen sehenswerten<br />
Treffer erzielt. Er<br />
beförderte den Ball aus 22<br />
Metern Entfernung in den<br />
linken Winkel des gegnerischen<br />
Tors,von wo aus dieser<br />
hinter die Linie plumpste.<br />
Auf ebenjenes 1:0 folgte das<br />
2:0 und darauf Sabiris Fazit:<br />
„So kann man in der Liga<br />
bleiben – wenn man aus<br />
Scheiße Gold macht.“<br />
Der 22Jahre alte Mittelfeldspieler<br />
mit marokkanischen<br />
Wurzeln ist im Sommer<br />
ablösefrei aus Huddersfield<br />
gekommen, wo er in<br />
zwei Spielzeiten nur 13 Einsätze<br />
und daher nicht die<br />
Chance hatte,die Investition<br />
von1,5 Millionen Euro,überwiesen<br />
an den 1. FC Nürnberg,<br />
zu rechtfertigen.<br />
Dasmit den Exkrementen<br />
hat Sabiri selbst gesagt, aber<br />
tatsächlich deutet sich jetzt<br />
an, dass er für den SC Paderborn<br />
sehr wertvoll werden<br />
kann. Jedenfalls haben die<br />
Westfalen nach acht mehr<br />
oder weniger frustrierenden<br />
Jede Menge<br />
Kohle<br />
Alle Mann sind hinter Abdel<br />
hamid Sabiri (r.) her.<br />
GETTY<br />
Saisonspielen erstmals erleben<br />
dürfen, wie sich ein Sieg<br />
anfühlt. Zwar ist es mit dieser<br />
Art Empfindung an diesem<br />
Dienstag vielleicht schon<br />
wieder vorbei, wenn der SC<br />
PaderbornimDFB-Pokal gegen<br />
Bayer Leverkusen antreten<br />
muss,aber in den nächsten<br />
beiden Bundesligapartien<br />
warten zwei Nachbarn<br />
aus dem Tabellenkeller:<br />
Augsburgund Union Berlin.<br />
Womit die Waage und so<br />
weiter ins Spiel kommen.<br />
Klärschlamm wirdzuBiobriketts<br />
verarbeitet. Kacke zu<br />
Kohle –wie das zu Paderborn<br />
passt, kann sich jetzt jeder<br />
selbst überlegen. (cs.)<br />
SV Werder<br />
Ein Spiel und<br />
zwei Evergreens<br />
Fußballprofi trifft auf sein<br />
ehemaliges Team –das ist<br />
ein Evergreen im deutschen<br />
Fußballjournalismus. Doch<br />
selten traf ein Fußballprofi<br />
derart auf sein ehemaliges<br />
Team wie Ömer Toprak, dem<br />
am Ende der Partie seiner<br />
Bremer in Leverkusen sogar<br />
die Nase blutete.<br />
„Ich lag auf dem Boden,<br />
ich blute. Bis auf Peter Bosz,<br />
sein Trainerteam und die<br />
Ärzte hat keiner was gesagt.<br />
Leider gab es nicht so schöne<br />
Worte von der Bank, das hat<br />
mir nicht gefallen“, sagte der<br />
30-Jährige nach dem 2:2 (1:1)<br />
gegen jenen Klub, für den er<br />
Autsch: Ömer Toprak geht in die Knie.<br />
sechs Jahre lang gespielt<br />
hatte. Nach einem Zusammenprall<br />
kurz vor Schluss<br />
mit Bayers Stürmer Lukas<br />
Alario war Werders Abwehrmann<br />
von Leverkusener Ersatzspielern<br />
offenbar beleidigt<br />
worden. Unddann hatte<br />
Toprak noch die Hand des<br />
Kontrahenten am Ball gesehen,<br />
ohne eine Reaktion des<br />
Referees darauf zu sehen.<br />
Schon in der 4. Minute<br />
hatte Toprak eine Schlüsselrolle.Bayer<br />
führte einen Eckball<br />
aus,danahm das Schicksal<br />
seinen Lauf. Fußballprofi<br />
trifft ins eigene Tor, wieder so<br />
ein Evergreen. (cs.)<br />
IMAGO IMAGES<br />
Wolfsburg verpasst Sprung an die Spitze<br />
DPA/STEFFEN<br />
Der Wolfsburger Marcel Tisserand handelt bei<br />
diesem Kopfball nach dem Motto: schön, aber<br />
selten – und vor allem ohne Effekt. Der VfL<br />
Wolfsburgverpasste den Sprung an dieTabellenspitze<br />
der Fußball-Bundesliga. Die Niedersachsen<br />
blieben am Sonntag zwar auch gegen den FC<br />
Augsburgunbesiegt, kamen gegen den Abstiegskandidaten<br />
aber nicht über ein 0:0 hinaus. Drei<br />
Tage nach dem 2:2 in der Europa League bei KAA<br />
Gent in Belgien zeigte der VfL vor 22630 Zuschauern<br />
eine insgesamt schwache Leistung<br />
und gab nach dem 1:1 gegen Paderborn erneut<br />
gegen eine Mannschaft aus den Tiefen der Tabelle<br />
unnötigerweise Punkte ab.<br />
FSV Mainz 05<br />
Aus der Rumpelkammer<br />
der Regelkunde<br />
Den Nobelpreis für Mathematik<br />
wird Sandro<br />
Schwarz so bald nicht bekommen.<br />
Zumindest wenn<br />
dafür gewisse Geometriekenntnisse<br />
vorausgesetzt<br />
werden. Sein Verteidiger<br />
Moussa Niakhaté habe nicht<br />
die Körperfläche vergrößert<br />
in jener Szene, als die gesamte<br />
Fußballwelt, allen<br />
voran die vom gegnerischen<br />
1. FC Köln, einen Handelfmeter<br />
erwartete, behauptete<br />
der Trainer von Mainz 05<br />
nach dem 3:1-Sieg seines<br />
Teams.<br />
Bei einem weit ausgestreckten<br />
linken Arm, der die<br />
Flanke von Kingsley Schindler<br />
stoppte, ist dies eine<br />
kühne These, die möglicherweise<br />
erklärt, warum die<br />
Raumaufteilung der Mainzer<br />
Mannschaft gelegentlich zu<br />
denken gibt. Die Kölner jedenfalls<br />
waren fuchsteufelswild,<br />
weil es zum Zeitpunkt<br />
der Untat nur 1:2 stand und<br />
weil auch die zweite<br />
Schwarz-These, eshabe sich<br />
um keine unnatürliche<br />
Handbewegung gehandelt,<br />
eher der Rumpelkammer der<br />
Regelkunde entstammt.<br />
Verblüffend indes, dass<br />
Schiedsrichter Frank Willenborg<br />
zumindest im Ergebnis<br />
den Theorien des Mainzer<br />
Coaches entsprach und partout<br />
nicht auf den Elfmeterpunkt<br />
zeigen mochte, auch<br />
dann nicht, als ihn die Kölner<br />
Zentrale zur Vermeidung offenkundig<br />
unsinniger Entscheidungen<br />
zwecks Begutachtung<br />
der Szene zum Fernsehschirm<br />
beordert hatte.<br />
Selbst die Videobilder konnten<br />
der Sinnestäuschung, die<br />
den Schiedsrichter befallen<br />
hatte,nichts anhaben.<br />
Im Roman „Der Unsichtbare“<br />
von H.G.Wells ist die<br />
Hauptfigur bemüht, durch<br />
das geschickte Drapieren<br />
von Kleidungsstücken seine<br />
ansonsten dem Auge entzogenen<br />
Körperteile und Extremitäten<br />
sichtbar zu machen.<br />
Dem Mainzer Moussa<br />
Niakhaté ist bei Frank Willenborg<br />
offenbar das Gegenteil<br />
gelungen. (mali.)<br />
NEUNTER SPIELTAG<br />
2:1 (1:0)<br />
BAYERN–1. FC UNION<br />
2:2 (1:1)<br />
LEVERKUSEN– BREMEN<br />
2:3 (0:2)<br />
HERTHA–HOFFENHEIM<br />
4:2 (2:0)<br />
GLADBACH–FRANKFURT<br />
3:1 (1:1)<br />
MAINZ–KÖLN<br />
2:1 (1:0)<br />
FREIBURG–LEIPZIG<br />
0:0<br />
SCHALKE–DORTMUND<br />
2:0 (1:0)<br />
PADERBORN–DÜSSELDORF<br />
0:0<br />
WOLFSBURG–AUGSBURG<br />
Bayern München: Neuer -Kimmich,<br />
Pavard, Boateng,Davies -<br />
Thiago-Müller,Philippe Coutinho<br />
(86. Goretzka) -Coman<br />
(65. Gnabry), Lewandowski, Perisic<br />
(76. Tolisso)<br />
1. FC Union: Gikiewicz -Trimmel,<br />
M. Friedrich, Subotic, C. Lenz -<br />
Kroos (60. Becker), Andrich -<br />
Ingvartsen (66. Ujah), Gentner,<br />
Bülter -Andersson (66. Polter)<br />
Schiedsrichter:Fritz<br />
Zuschauer:75000<br />
Tore: 1:0 Pavard (13.), 2:0 Lewandowski<br />
(53.), 2:1 Polter<br />
(86./Foulelfmeter)<br />
Gelbe Karten: -/Andrich (4)<br />
BayerLeverkusen: Hradecky -<br />
Tah, S. Bender (24. Dragovic), L.<br />
Bender -Baumgartlinger (89.<br />
Pohjanpalo), Demirbay(62.<br />
Paulinho) -Bellarabi,Amiri,Weiser<br />
-K.Volland, Alario<br />
Werder Bremen: Pavlenka -Gebre<br />
Selassie, Toprak, Groß,<br />
Friedl -M.Eggestein, N. Sahin,<br />
Bittencourt(90.+1 Bargfrede),<br />
Klaassen -Sargent (86. J. Eggestein),<br />
Rashica (80. Goller)<br />
Schiedsrichter:Petersen<br />
Zuschauer:30210<br />
Tore: 1:0 Toprak (4./Eigentor),<br />
1:1 Rashica (40.), 1:2 Klaassen<br />
(48.), 2:2 Alario (58.)<br />
Gelbe Karten: L. Bender (1),<br />
Alario (2) /Klaassen (2)<br />
Hertha BSC: Jarstein -Klünter,<br />
Boyata (64. Kalou), Rekik, Plattenhardt<br />
-Skjelbred, Grujic (46.<br />
Duda) -M.Wolf, Darida, Lukebakio<br />
-Ibisevic (82. Selke)<br />
1899 Hoffenheim: Baumann -<br />
Akpoguma, Vogt (61. Bicakcic),<br />
B. Hübner -Kaderabek, Rudy,<br />
Grillitsch, L. Rupp (72. Adamjan),<br />
Skov -Locadia (61. Bebou),<br />
Kramaric<br />
SR: Schmidt -ZS: 44 499<br />
Tore: 0:1 Locadia (33.), 0:2 Kramaric<br />
(38.), 1:2 Lukebakio<br />
(55.), 2:2 Kalou (69.), 2:3 B.<br />
Hübner (79.)<br />
GK: Ibisevic (3) /Rudy(3), Kaderabek<br />
(1), Baumann (1)<br />
GRK: Darida (84.)<br />
Mönchengladbach: Sommer -<br />
Lainer,Jantschke(46. Beyer),<br />
Elvedi, Wendt -Zakaria -Benes,<br />
Neuhaus -Herrmann (82. Hofmann),<br />
Embolo (35. Stindl),<br />
Thuram<br />
Frankfurt: Rönnow-Abraham,<br />
Hasebe, Hinteregger -daCosta,<br />
Sow, Fernandes (83. Joveljic),<br />
Kostic (79. Chandler) -Rode<br />
(46. Kohr) -Kamada, Paciencia.<br />
SR: D. Schlager (Hügelsheim)<br />
Zuschauer:52300<br />
Tore: 1:0 Thuram (28.), 2:0<br />
Wendt (45.+2), 2:1 da Costa<br />
(59.), 3:1 Elvedi (75.), 3:2 Hinteregger<br />
(79.), 4:2 Zakaria (85.)<br />
Gelbe Karten: Neuhaus (3) -<br />
Abraham<br />
FSV Mainz: Zentner -Brosinski<br />
(73. Latza), St. Juste, Niakhaté,<br />
Martín -Kunde Malong -R.<br />
Baku, Öztunali (84. Hack) -<br />
Boetius -Szalai, Quaison (78.<br />
Onisiwo)<br />
1. FC Köln: Horn-Ehizibue (58.<br />
Schmitz), Bornauw,Czichos,<br />
Katterbach (81. Modeste) -<br />
Skhiri, Hector -Schindler (65.<br />
Cordoba), Schaub,Kainz -Terodde<br />
Schiedsrichter:Willenborg<br />
Zuschauer:31999<br />
Tore: 0:1 Terodde (14.), 1:1<br />
Boetius (21.), 2:1 Quaison<br />
(57.), 3:1 Öztunali (82.)<br />
GK: Kunde Malong (3), Niakhaté<br />
(5) /Bornauw (1), Hector (3)<br />
SC Freiburg: Flekken -Lienhart,<br />
R. Koch, Heintz -Schmid, Tempelmann<br />
(34. Grifo), Höfler (67.<br />
N. Schlotterbeck), Günter -Haberer,Höler<br />
-L.Waldschmidt<br />
(30. Petersen)<br />
RB Leipzig: Gulacsi -Klostermann,<br />
Upamecano, Orban, Halstenberg<br />
-Haidara, Demme -<br />
Sabitzer (56. Nkunku), Forsberg<br />
(60. Poulsen) -Werner (70. Matheus<br />
Cunha), Lookman<br />
Schiedsrichter:Osmers<br />
Zuschauer:24000<br />
Tore: 1:0 Höfler (45.+2), 2:0 Petersen<br />
(90.), 2:1 Klostermann<br />
(90.+2)<br />
GK: Höfler (3), Haberer (1),<br />
Grifo (1) /Upamecano (1)<br />
FC Schalke04: Nübel -Kenny,<br />
Stambouli, Salif Sané, Oczipka -<br />
Mascarell -D.Caligiuri (84.<br />
Schöpf), Serdar -Harit -Burgstaller<br />
(90.+1 Kabak), Matondo<br />
(80. Kutucu)<br />
Borussia Dortmund: Hitz -Piszczek,Weigl,<br />
Hummels, Guerreiro -<br />
Witsel, Delaney(74. Akanji) -<br />
Sancho, Reus, Hakimi (86.<br />
Brandt) -M.Götze (58. T. Hazard)<br />
Schiedsrichter:Brych<br />
Zuschauer:62271<br />
Gelbe Karten: Stambouli (2),<br />
Salif Sané (3), Kutucu (1) /<br />
Weigl (2), T. Hazard (1)<br />
SC Paderborn: Zingerle -Dräger,<br />
Kilian, Schonlau, Collins -Gjasula<br />
(78. Michel) -Pröger,Vasiliadis,<br />
Sabiri, Holtmann (61. Mamba) -<br />
Zolinski (64.Antwi-Adjej)<br />
Fortuna Düsseldorf: Z. Steffen -<br />
Ayhan, A. Hoffmann (65. Morales),<br />
Adams Nuhu -J.Zimmer<br />
(75. Ampomah), Mat. Zimmermann,<br />
Bodzek, Gießelmann -<br />
Kownacki, Tekpetey(66.<br />
Thommy) -Hennings<br />
SR: Dankert-ZS: 14 182<br />
Tore: 1:0 Sabiri (43.), 2:0<br />
Schonlau (64.)<br />
GK: Sabiri (1), Gjasula (5), Zolinski<br />
(1), Dräger (1), Kilian (1)<br />
/Zimmermann (3), Kownacki<br />
(2), J. Zimmer (1), Morales (3)<br />
VfL Wolfsburg: Pervan -Tisserand,<br />
Bruma, Brooks -William,<br />
Guilavogui, Gerhardt (83. Arnold),<br />
Roussillon -Klaus (60.<br />
Victor), Brekalo (71. Nmecha) -<br />
Weghorst<br />
FC Augsburg: Koubek -Lichtsteiner,Jedvaj,<br />
Uduokhai, Max -R.<br />
Khedira, Baier (83. Gouweleeuw)<br />
-M.Richter,Niederlechner,Vargas<br />
(71. Iago) -Finnbogason<br />
(77. Cordova)<br />
Schiedsrichter:Stieler (Hamburg)<br />
Zuschauer:22630
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019 – S eite 20 *<br />
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Sport<br />
Rafal Gikiewicz klärtper Faustabwehr,bringt damit aber Benjamin Pavard (nicht im Bild) ins Spiel, der zum 1:0 für die Bayerntrifft.<br />
IMAGO IMAGES/MATTHIAS KOCH<br />
Alles relativ<br />
Nach dem 1:2 beim FC Bayern ist Union-Coach Urs Fischer einerseits stolz auf sein Team, hadert andererseits mit der vergebenen Chance auf einen späten Ausgleich<br />
VonMarkus Lotter,München<br />
Zeit ist auch im Fußball relativ.<br />
Eskommt eben darauf<br />
an, wie sinnvoll man sie<br />
nutzt. So in etwa geht die<br />
Relativitätstheorie, die der Schweizer<br />
Sportwissenschaftler UrsFischer<br />
im Nachgang der Bundesligapartie<br />
zwischen dem FC Bayern und dem<br />
1. FC Union in den Raum warf, wobei<br />
es sich bei diesem Raum ganz konkret<br />
um den Presseraum in der Münchner<br />
Arena handelte.<br />
Fischer war dorthin als Verlierer<br />
gekommen, ohne sich so fühlen zu<br />
müssen, weil seine Mannschaft beim<br />
1:2 (0:1) gegen den deutschen Rekordmeister<br />
erneut ihre Wettbewerbsfähigkeit<br />
auf höchstem nationalen<br />
Niveau unter Beweis gestellt<br />
hatte.Aber eines ärgerte den Fußballlehrer<br />
dann doch sehr,nämlich die in<br />
der Schlussphase verspielte Chance<br />
auf ein Remis.„Zehn Minuten sind im<br />
Fußball eine lange Zeit, um noch einen<br />
Ein-Tore-Rückstand wettzumachen“,<br />
sagte der 53-Jährige. Aber:<br />
„Das war mir zu hektisch. Da<br />
brauchst du mehr Geduld, mehr Cleverness.Aber<br />
schlussendlich war das<br />
eine tolle Leistung meiner Mannschaft,<br />
auf die ich richtig stolz bin.Wir<br />
haben alles abgerufen und den Bayern<br />
essoschwer wie nur irgendwie<br />
möglich gemacht.“ Und eswar ja in<br />
der Tatso, dass Union nach dem Anschlusstreffer,den<br />
Sebastian Polter in<br />
der 86. Minute durch einen von ihm<br />
gezogenen und selbst verwandelten<br />
Strafstoß erwirkt hatte, dem 2:2 so<br />
nahe war wie die erneut doch ziemlich<br />
wackligen Münchner dem 3:1.<br />
Einzuhastiger Gikiewicz<br />
Wenig später ging Fischer auch noch<br />
ins Detail. In diesen zehn Minuten,<br />
die nachVerrechnung der vierminütigen<br />
Nachspielzeit letztlich dann doch<br />
nur acht waren, habe insbesondere<br />
Keeper Rafal Gikiewicz die Präzision<br />
und das richtige Timing bei der Spieleröffnung<br />
gefehlt. „Lass die Jungs,<br />
bevor du den langen Ball schlägst,<br />
aufrücken, formier dich, damit du<br />
dann auch für den zweiten Ball bereit<br />
bist“, sagte Fischer. Was Gikiewicz,<br />
der mit zahlreichen Paraden erst die<br />
Voraussetzung für Fischers Ansatz einer<br />
Relativität der Zeit im Fußball geschaffen<br />
hatte, freilich im Hinblick<br />
auf das am Dienstagabend ausgetragene<br />
Zweitrundenspiel im DFB-Pokal<br />
beim SC Freiburg als Handlungshinweis<br />
verstehen durfte.<br />
Wenige Minuten vor Fischer war<br />
auch der bereits erwähnte Polter als<br />
Antwortgeber in der Mixed Zone auf<br />
den Schlussakt dieses intensiven und<br />
dadurch auch sehr kurzweiligen<br />
Spiels eingegangen. Der Stürmer beklagte<br />
dabei die Unentschlossenheit<br />
„Schlussendlich war das eine tolle Leistung<br />
meiner Mannschaft, auf die ich richtig<br />
stolz bin. Wir haben alles abgerufen und den<br />
Bayern es so schwer wie nur irgendwie<br />
möglich gemacht.“<br />
Urs Fischer weiß, dass eine Niederlage nicht<br />
gleich eine Niederlage ist.<br />
von Sheraldo Becker, der in der 70.<br />
Minute mit einer unbrauchbaren Mischung<br />
aus Torschuss und Querpass<br />
einen aussichtsreichen Konter verspielte.„Sheraldo<br />
muss dabei meiner<br />
Meinung nach mit direktem Zug auf<br />
dasTorgehen und ihn selber machen.<br />
Oder eben den Ball besser quer spielen.<br />
Dasweiß er auch, da wir im Training<br />
schon öfter darüber gesprochen<br />
haben“, sagte Polter,umnoch schnell<br />
im Sinne des Kabinenfriedens dies<br />
hier anzufügen:„Ich will ihn aber jetzt<br />
nicht damit anmahnen, wirklich<br />
nicht. Wir alle hätten in der einen<br />
oder anderen Szene einfach ruhiger<br />
spielen müssen. Ja, mit ein bisschen<br />
mehr Cleverness und mit ein bisschen<br />
Matchglück wäre hier heute<br />
mehr zu holen gewesen.“<br />
Implizit bleibt nach diesem forschen<br />
Auftritt der Unioner in der<br />
Münchner Arena festzuhalten, dass<br />
Fischers Lehreund sein Personalmanagement<br />
auch in der Bundesliga offensichtlich<br />
die gewünschte Wirkung<br />
nach sich zieht. So setzte er in München<br />
je nach Lesart auf ein 4-2-3-1<br />
beziehungsweise 4-3-3-System, in<br />
dem er durch die Hereinnahme von<br />
Felix Kroos das Zentrum stärkte und<br />
damit den Spielraum von Coutinho<br />
und Thomas Müller einschränkte.<br />
Kroos, der dabei an der Seite von<br />
Christian Gentner und dem erneut<br />
sehr präsenten Robert Andrich jede<br />
Menge Fleißarbeit verrichtete,bekam<br />
dann auch auf Nachfrage ein Sonderlob<br />
vonFischer.„Felix hat das sehr gut<br />
gemacht. Er hat auch schon vergangene<br />
Woche nach seiner Einwechslung<br />
gezeigt, dass er für einen Startelfeinsatz<br />
bereit ist.“<br />
Zudem ist Fischers Coaching auch<br />
von jeder Menge Mut gekennzeichnet.<br />
Nachdem Robert Lewandowski<br />
in der 53. Minute aus dem Zufall heraus<br />
das 2:0 erzielt und Sebastian Andersson<br />
einen von Ivan Perisic (65.)<br />
verursachten Handelfmeter verschossen<br />
hatte, gab er sich nicht verzagt,<br />
sondernsetzte mit Doppel-Einwechslung<br />
von Polter und Anthony<br />
Ujah (67.) sowie einer Systemumstellung<br />
auf ein 4-4-2 ein offensives Zeichen.<br />
Lasst Euch nicht schrecken,<br />
auch in München sind wir trotz des<br />
negativen Spielverlaufs noch zu allem<br />
fähig, sollte dies seinem Team bedeuten.<br />
Fischer weiß: Nicht nur die Zeit<br />
ist im Fußball relativ, sondern auch<br />
hin und wieder die Größe des Klubs.<br />
Verwandle Frust in Energie<br />
Hertha BSC verliert erneut ein Schlüsselspiel, geht nach dem 2:3 gegen Hoffenheim angesichts der gestiegenen spielerischen Qualität aber zuversichtlich in die Highlight-Woche<br />
VonSebastian Schmitt<br />
Wer nur hinhörte, hätte meinen<br />
können, dass Hertha BSC das<br />
Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim<br />
gewonnen hat. Lautstark und<br />
mit Sprechchören honorierte die<br />
Ostkurve, inder die treusten blauweißen<br />
Fans im Olympiastadion stehen,<br />
die Leistung ihres Teams nach<br />
der 2:3 (0:2)-Niederlage. Zum einen<br />
quittierten die Anhänger die kämpferische<br />
Leistung ihrer Mannschaft,<br />
die sich nach einem 0:2-Pausenrückstand<br />
nicht vonihrem Weghatte abbringen<br />
lassen und mit einem sehenswerten<br />
Fallrückzieher vonDodi<br />
Lukebakio eine spektakuläre, letztlich<br />
aber erfolglose Aufholjagd einleitete.<br />
Zum anderen war der Zuspruch<br />
auch ein symbolischer<br />
Schulterschluss der Fans mit ihrer Elf<br />
vor zwei besonderen Spielen in dieser<br />
Woche.<br />
Die Botschaft schien jedenfalls<br />
bei den Spielern angekommen zu<br />
sein. „Wir haben das Mini-Derbyam<br />
Mittwoch und das Derby amWochenende.<br />
Für die Fans ist es eine<br />
großartige Woche –wenn wir gewinnen“,<br />
sagte Salomon Kalou vor der<br />
zweiten Runde im Pokal gegen<br />
Zweitligist Dynamo Dresden und<br />
dem Derby beim 1. FC Union am<br />
Sonnabend. „Wir wissen, wie viel<br />
dieses Spiel den Fans bedeutet.<br />
Wenn wir zeigen wollen, dass es in<br />
Berlin nur ein Team gibt, müssen wir<br />
bereit für das Wochenende sein.“<br />
Mehr Qualität im Angriff<br />
Es mag vielleicht auch an den beiden<br />
unmittelbar anstehenden Aufgaben<br />
liegen, dass die Enttäuschung der<br />
Profis darüber, wieder einmal ein<br />
Schlüsselspiel nicht gewonnen zu<br />
haben und im Tabellenmittelfeld<br />
steckengeblieben zu sein, sich in<br />
Grenzen hielt. Gleichzeitig dürfte<br />
aber auch die eigene Leistung dafür<br />
verantwortlich gewesen sein. Denn<br />
anders als in denVorjahren, in denen<br />
Hertha regelmäßig zum großen<br />
Sprung ansetzte und die Grenzen<br />
Dodi Lukebakio zeigt sein Können und trifft per Fallrückzieher zum 1:2.<br />
aufgezeigt bekam, waren die <strong>Berliner</strong><br />
diesmal alles andere als chancenlos.Allein<br />
in den ersten zehn Minuten<br />
wirbelten die Blau-Weißen<br />
mit dem Selbstvertrauen von vier<br />
ungeschlagenen Spielen die sonst so<br />
kompakt stehenden Hoffenheimer<br />
ordentlich durcheinander. Erst verpasste<br />
Marius Wolf eine Hereingabe<br />
vonKarim Rekik nur um Zentimeter,<br />
BERND KÖNIG<br />
bevor Kapitän Vedad Ibisevic den<br />
Ball aus dem Fünfmeterraum an den<br />
Pfosten bugsierte. „Es war ein verrücktes<br />
Spiel“, resümierte entsprechend<br />
Hoffenheims Trainer Alfred<br />
Schreuder.„Wirsind ein sehr glücklicher<br />
Sieger.“<br />
Daslag vorallem daran, dass Hertha<br />
sich bei allen drei Gegentoren individuelle<br />
Fehler leistete. Beim 0:1<br />
(33.) vonJürgen Locadia wurde Passgeber<br />
Florian Grillitsch weder von<br />
Marko Grujic noch von Dedryck<br />
Boyata gestoppt. Das zweite und<br />
dritte Tor fingen sich die <strong>Berliner</strong><br />
nach Eckbällen ein, nachdem zuerst<br />
Per Skjelbred Andrej Kramaric (38.)<br />
und später Karim Rekik Benjamin<br />
Hübner (78.) aus den Augen verlor.<br />
„Nach zwei Standardgegentoren ist<br />
es schwer, noch einen Punkt mitzunehmen“,<br />
konstatierte Ante Covic<br />
die Konsequenz aus den unnötigen<br />
Gegentreffern.<br />
Dennoch probierte es Herthas<br />
Cheftrainer nach der Pause, stellte<br />
auf Dreierkette und Doppelspitze<br />
um, indem er Ondrej Duda und Kalou<br />
für Grujic und Boyata einwechselte.<br />
Der Belgier lief mit bandagiertem<br />
rechten Oberschenkel durch die<br />
Katakomben und droht zumindest<br />
für die kommenden Aufgaben wegen<br />
Leistenproblemen auszufallen.<br />
Mut und Hoffnung, dass für Hertha<br />
diese Saison mehr drin ist als<br />
Mittelmaß, macht –neben der gezeigten<br />
Moral nach den beiden Nackenschlägen<br />
–die gestiegene Qualität<br />
im Angriff durch dieVerpflichtungen<br />
von BVB-Leihgabe Wolf und Rekordtransfer<br />
Lukebakio. Das Duo<br />
zeigte gegen die TSG, dass sie die Fähigkeiten<br />
besitzen, in der Bundesliga<br />
jedem Gegner wehzutun. „Ich bin<br />
guter Dinge,dass wir beide Spiele gewinnen,<br />
wenn wir so spielen wie in<br />
der zweiten Halbzeit“, sagte dann<br />
auch Wolf mit Blick auf diese Woche.<br />
Dazu ist der Kader in der Breite<br />
besser als in der Vergangenheit, was<br />
der zuletzt nicht berücksichtigte Kalou<br />
bewies, als er nach Lukebakios<br />
artistischem Anschlusstreffer seinen<br />
Reservistenfrust bei seinem Torzum<br />
2:2 in Energie umwandelte (69.).<br />
Eine ähnliche Transformation<br />
verlangt Manager Michael Preetz für<br />
das Spiel im aller Voraussicht nach<br />
ausverkauften Olympiastadion gegen<br />
Dynamo. „Ich erwarte, dass wir<br />
das Spiel gewinnen, dass wir uns das<br />
zurückholen, was wir heute liegengelassen<br />
haben.“
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019 – S eite 21 *<br />
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Feuilleton<br />
PetraKohse empfiehlt,<br />
den 77. Geburstag von<br />
Ginka Steinwachs zu<br />
feiern–Seite 24/25<br />
„Im klassischen Western ist die Zeit stehen geblieben …“<br />
Irene Bazinger über „Die 5glorreichen Sieben“ in der Bar jeder Vernunft Seite 23<br />
1989/2019<br />
Null Wirkung<br />
im Westen<br />
Cornelia Geißler<br />
hörtAutoren<br />
vondamals zu<br />
Was habt ihr damals gelesen?,<br />
fragt Birgit Dahlke die drei<br />
Schriftsteller neben sich. Die Literaturwissenschaftlerin<br />
kennt sie gut,<br />
denn sie hat über die inoffizielle Literatur<br />
aus der DDR promoviert.<br />
„Diensthunde richtig führen“, nennt<br />
Katja Lange-Müller als Beispiel.<br />
Klingt ulkig, entspricht aber der<br />
Wahrheit, weil sie als Schriftsetzer<br />
natürlich die Manuskripte kennen<br />
musste, die sie zum Druck brachte.<br />
Ihr eigenes Schreiben sei auch aus<br />
Notwehr gegen das entstanden, was<br />
sie im Osten lesen musste.<br />
„Widerständiges Schreiben im<br />
geteilten Berlin“ heißt das Nachmittagsthema<br />
am Sonnabend innerhalb<br />
eines lehrreichen Schwerpunkts zu<br />
1989/2019 im Literaturforum im<br />
Brecht-Haus.Birgit Dahlke,die an der<br />
Humboldt-Universität arbeitet, ist es<br />
zu danken, dass auch Nachgeborene<br />
im Publikum sitzen und nicht nur alte<br />
Leute sich die Erzählungen alter<br />
Leute anhören. Die hier Schreibende<br />
weiß: Werdie Achtziger bewusst erlebte,ist<br />
heute nicht mehr jung.<br />
Jan Faktor und Bert Papenfuß, in<br />
der (Ost-)Runde neben Lange-Müller,sprechen<br />
darüber,dass sie Öffentlichkeit<br />
fast nur durch dieWohnungs-<br />
Lesungen in Prenzlauer Berg erreichten.<br />
In der West-Autoren-Runde stellt<br />
Michael Wildenhain den Hauptunterschied<br />
zwischen den beiden Podien<br />
klar: „Bei uns konnte man<br />
schreiben, was man wollte, und es<br />
hatte null Wirkung“, sagte er. Tanja<br />
Dückers erzählt, auf ihrem Gymnasium<br />
in Grunewald „die aus Wilmersdorf“<br />
gewesen zu sein. Das hatte vor<br />
der Gentrifizierung des Westens einen<br />
ärmlichen Beiklang. Die Ostberliner,<br />
sagt sie, seien ihr nie so fremd<br />
gewesen wie die Bayern, zudenen<br />
früher die Familienurlaube führten.<br />
Da meldet sich Katja Lange-Müller<br />
aus dem Publikum. Sie war 1984<br />
ausgereist und erinnert daran, dass<br />
in West-Berlin alle so taten, als kämen<br />
sie aus Hannover. Die Mauer<br />
war auch eine Sprachgrenze. Und<br />
heute? Das Berlinische stirbt aus.<br />
Aber das ist eine andereGeschichte.<br />
Das große Ausmisten<br />
Der 4. <strong>Berliner</strong> Herbstsalon will Zugehörigkeit ohne Hierarchien und Ausschlüsse denken<br />
VonAnna Gyapjas<br />
Das noble Unterfangen,<br />
Zugehörigkeit neu zu<br />
denken, beginnt mit einer<br />
Erklärung der Frauenverteidigung<br />
aus Rojava: „Stoppt<br />
den türkischen Besatzungskrieg gegen<br />
Nordostsyrien sofort.“ Verlesen<br />
von der Theaterschaffenden Anina<br />
Jendreyko auf der Bühne des Gorki-<br />
Theaters und annekdotisch ergänzt<br />
vonHito Steyerl, Heja Netirkund Bilgin<br />
Ayata, ersetzt die Intervention<br />
„Frauen für Rojava“ die Eröffnungsrede<br />
zum Auftakt des vierten <strong>Berliner</strong><br />
Herbstsalons.<br />
Seit 2013 widmet sich das interdisziplinäreFestival<br />
neuen Ideen der<br />
Gemeinsamkeit jenseits tradierter<br />
Hierarchien. Die Intervention verdeutlicht,<br />
welch Privileg es ist, diesen<br />
Diskurs im friedlichen Berlin zu führen,<br />
aber auch, welche Dringlichkeit<br />
ihm innewohnt: Ausgrenzung, Vertreibung<br />
und Auslöschung sind die<br />
Folgen eines Heimatbegriffs, der<br />
nicht alle einzuschließen vermag.<br />
Wo die Mittel der Politik solche Ungleichheit<br />
nicht zu korrigieren vermögen,<br />
verpflichtet dieses Privileg<br />
Kunst- und Kulturschaffende,hinzuschauen.<br />
Daher auch das Ausrufezeichen<br />
im Titel „De-Heimatize It!“<br />
Sprich: Der politische Diskurs um<br />
Heimat gehörtausgemistet.<br />
DerPass und das Gewehr<br />
Daniel Cremer präsentiert„Das Wunder der Liebe“ ab Freitag im Herbstsalon. MELANIE BONAJO<br />
Im Zeughauskino offenbart eine Videoinstallation<br />
vonYael Bartana das<br />
reinigende Potenzial dieser Maßnahme.<br />
Rettungsweste, Wasserkanister,<br />
Pass: In Zeitlupe fallen alltägliche<br />
Zeugnisse aus Geschichte und<br />
Gegenwart durch einen schwarzen<br />
Raum. Michelangelos David, ein Gewehr,<br />
traditionelle Gewänder, Schädel,<br />
dazu bedrohliches Dröhnen, das<br />
in den Fußsohlen vibriert, zwischendurch<br />
schneit es „Judensterne“. Assoziationen<br />
vonUnterdrückung und<br />
Genozid drängen sich auf, umso erleichterter<br />
ist man, wenn die Objekte<br />
aus dem Bild verschwinden. Die Arbeit<br />
ist inspiriert vom jüdischen<br />
Brauch des „Taschlich“, bei dem Taschen<br />
und Kleider an Ufern entleert<br />
werden, um die Vergebung der Sünden<br />
zu erbitten.<br />
„Unrettbar“ ist einzig der Begriff<br />
Heimat, weiß Bilgin Ayata, eine der<br />
„Frauen für Rojava“. Die Politikwissenschaftlerin<br />
lieferte mit ihremVortrag<br />
„De-Heimatize Belonging“ das<br />
Motto des vierten Herbstsalons. Als<br />
Schlagwort diverser Verflechtungen<br />
von Patriarchat, Kapitalismus und<br />
Rassismus stifte Heimat als politisches<br />
Konzept längst kein inklusives<br />
kollektives Bewusstsein mehr.<br />
Mit einer Ausstellung, einer Plattformfür<br />
Kurator*innen mit zukunftsweisenden<br />
Ansätzen und einer Konferenz<br />
greifen die Organisator*innen<br />
um die Gorki-Intendantin Shermin<br />
Langhoff diese These auf. Rund 40 in-<br />
ternationale Künstler*innen mit feministisch-intersektionalem<br />
Ansatz<br />
zeigen drei Wochen lang, welcher Erkenntnisgewinn<br />
der Vielheit innewohnt<br />
(die Gender-Sternchen gehören<br />
für die Akteurinnen und Akteure<br />
dazu). Aufdie Zweifler angesprochen,<br />
sagte Ayata bereits auf einem Podium:<br />
„Wir müssen darüber nachdenken,<br />
was wir schaffen können<br />
und nicht, was wir verlieren.“<br />
Neue Verbindungen zum Beispiel.<br />
Geht man durch die Ausstellung<br />
im benachbarten Palais am Festungsgraben,<br />
findet sich im zweiten<br />
StockwerkTanja Ostojics „Lexicon of<br />
Tanja Ostojic“. Über Jahre besuchte<br />
die inBerlin lebende Performance-<br />
Künstlerin Frauen, die denselben<br />
Namen wie sie tragen (auf dem Cam<br />
Ende fehlt noch ein Accent aigu, das<br />
hier im Schriftbild nicht darstellbar<br />
ist). Sie wollte untersuchen, was sie<br />
eint, was sie unterscheidet. Die Auszüge<br />
dieser künstlerischen Erforschung<br />
von Arbeitsbedingungen,<br />
Migrationswegen und Geschlechterfragen<br />
lesen sich wie ein Dokument<br />
solidarischer Praxis.<br />
VomLeben am Rand<br />
Ähnlich motiviert ist auch „TLDR“,<br />
eine Videoinstallation von Candice<br />
Breitz, die einige Räume weiter ausgestellt<br />
ist. Dorterzählen aktivistisch<br />
tätige Sexarbeiterinnen aus Kapstadt<br />
von Arbeit und Leben am Rand der<br />
Gesellschaft. Breitz verhandelt, inwiefernweiße<br />
Künstler alsVerstärker<br />
marginalisierter Stimmen fungieren<br />
können, zumal angesichts immer<br />
kürzerer Aufmerksamkeitsspannen.<br />
DerWeg, den sie mit den Mitgliedern<br />
des Kollektivs Sweat erarbeitet hat,<br />
ist ein Musical –das ist vonder Form<br />
her so ungewöhnlich, dass man tatsächlich<br />
dranbleiben will.<br />
WerAmbiguitäten zulässt, findet<br />
auch Klarheit. Davon erzählt Rola<br />
Khayyat im Container vor dem<br />
Gorki-Theater,wonoch bis Montagabend<br />
der Young Curators Academy<br />
Marathon stattfindet. Ihr Aufwachsen<br />
prägte ein Amalgam aus libanesischem<br />
Nationalismus und USamerikanischer<br />
Vorstadtkultur.<br />
Khayyats Großvater mütterlicherseits<br />
bekleidete eine Schlüsselposition<br />
bei der weltgrößten Erdölfördergesellschaft,<br />
die als amerikanisches<br />
Privatunternehmen ihren Anfang<br />
nahm: Saudi Aramco. Wie dies ihr<br />
Zugehörigkeitsgefühl formte, begriff<br />
die Fotografin Khayyat erst, als sie<br />
die Memoiren ihrer Mutter las. Nun<br />
untersucht sie mit ihren Schwestern,<br />
inwiefern ihre Familiengeschichte<br />
und privates Fotomaterial zusammen<br />
als Archiv des Imperialismus<br />
gelesen werden können.<br />
Herbstsalon bis 17. NovemberimMaxim Gorki<br />
Theater,Palais am Festungsgraben, Zeughauskino,<br />
Haus der Statistik und im Stadtraum. Eintritt<br />
frei(ausgenommen Bühnenveranstaltungen),<br />
www.berliner-herbstsalon.de<br />
NACHRICHTEN<br />
Holocaust-Überlebende<br />
Vera Friedländer ist tot<br />
DieAutorin Vera Friedländer,die<br />
sich als Mädchen an einer erfolgreichen<br />
Protestaktion gegen die Nazis<br />
in der <strong>Berliner</strong> Rosenstraße beteiligte<br />
und später als Zwangsarbeiterin<br />
in einer Schuhfabrik versklavt<br />
wurde,ist tot. Vera Friedländer starb<br />
am Freitag im Alter von91Jahren bei<br />
Berlin, wie der Verlag DasNeue Berlin<br />
am Sonntag bestätigte.Die Mitbegründerin<br />
des Jüdischen Kulturvereins<br />
Berlin hatte in ihrem 2016 erschienenenWerk„Ich<br />
war Zwangsarbeiterin<br />
bei Salamander“ über ihr<br />
Schicksal berichtet. (dpa)<br />
Handkebezweifelt Sätze,<br />
mit denen er zitiertwird<br />
Peter Handke meldet sich in der Debatte<br />
um den Literaturnobelpreis zu<br />
Wort.Erreagiertauf eineVeröffentlichung<br />
des Internet-Journals Perlentaucher,das<br />
auf ein Interview mit ihm<br />
in der Zeitschrift Ketzerbriefe von<br />
2011 hingewiesen hatte.Darin redete<br />
er das Massaker vonSrebrenica vom<br />
Juli 1995 klein. In der vonder Süddeutschen<br />
<strong>Zeitung</strong> veröffentlichten<br />
Mitteilung Handkes heißt es,erhabe<br />
das Interview damals nicht autorisiert.<br />
Wieder Tagesspiegel meldet,<br />
werdedie Schwedische Akademie<br />
dieses Interview prüfen. (BLZ)<br />
Little-Feat-Gitarrist<br />
Paul Barrère gestorben<br />
DerGitarrist Paul Barrèreist am<br />
Sonnabend im Alter von71Jahren<br />
gestorben, teilt die Band Little Feat<br />
mit. Barrère, der den Sound der amerikanischen<br />
Rockgruppe durch sein<br />
Slide-Spiel prägte,schloss sich Little<br />
Feat 1972 an und debütierte auf der<br />
LP „Dixie Chicken“. (BLZ)<br />
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Akademie-Dialog<br />
Desintegration und Empathie<br />
Über jüdische Identitäten<br />
Jeanine Meerapfel im Gespräch mit<br />
Max Czollek und Anna Schapiro<br />
Mi.30.10.<br />
Pariser Platz 4, Berlin<br />
20 Uhr, Eintritt €6/4<br />
UNTERM<br />
Strich<br />
Rom &Peter<br />
Jeder trage selber<br />
seine Last<br />
VonPeter Wawerzinek<br />
Wir stehen an der Gangway plötzlich nebeneinander,<br />
der Sebastian Felix und<br />
ich. Beide mit Ryanair auf dem Weg nach<br />
Rom, Flughafen Ciampino. ErReihe sieben,<br />
ich Reihe drei. Beide jeweils auf Sitz C, also<br />
ganz nah hintereinander. InRom angekommen,<br />
den Zubringerbus genommen, finden<br />
wir im hinteren Teil nebeneinander Platz. Es<br />
geht in die nächtlich erleuchtete Stadt hinein.<br />
Wir nehmen sie nur nebenher wahr. Zu<br />
viel Gesprächsstoff darüber vorhanden, was<br />
jeder von uns beiden so in den paar Tagen<br />
romfrei so erlebt und getan hat. VomBahnhof<br />
Termini aus sind es zu Fußvielleicht dreißig<br />
Minuten ohne sich groß zu sputen, sagt<br />
Ernst. Ichwill die Metronehmen, überlege es<br />
mir dann aber anders. Die Tasche ist schwer<br />
und kompakt gepackt, weil die Flugfirma für<br />
zusätzliches Gepäck unverschämte Summen<br />
verlangt. Ich schultere sie und komme<br />
ins Schwitzen. Ich stelle die Tasche mehrmals<br />
ab, befreie mich von Mantel, und<br />
Strickjacke laufe nur noch im dünnen Unter-<br />
Shirt herum. Sebastian will die abgelegten<br />
Klamotten in seinen Rucksack stopfen. Ich<br />
sage nein. Er will mir die Tasche abnehmen,<br />
mein Packesel sein. Ich weigere mich strikt.<br />
So weit kommt es nicht, widersetzeich mich<br />
gegen den deutlich jüngeren Burschen, und<br />
schleppe meine Last.<br />
Im Prinzip geht es wie bei einem gekonnten<br />
Dribbling mit uns beiden. Er holt sich<br />
seine Informationen vom Handy, spielt sie<br />
mir wie bunte Bälle zu. Ichkicke kurze Sätze<br />
wie Schonmalgehört, Kennich oder Achso<br />
zurück. Wir kommen rasch voran. An der<br />
langen alten Mauer kommt mir Brechts „Wer<br />
baute das siebentorige Theben“, in den Sinn.<br />
KLAUS ZYLLA<br />
Das große Rom ist voll von Triumphbögen.<br />
Wer errichtete sie? Mehr noch, sagt mein<br />
Dribbelpartner,stellt sich doch die Frage danach,<br />
wie viele Hände die Steine dafür erst<br />
einmal geformt, gebrannt, gestapelt, sie hierher<br />
transportiert und von danach dort geschleppt<br />
haben? Oh ja, stöhnte ich, spürewie<br />
sich mein Handgepäck tiefer in die Schulter<br />
frisst. Immer einmal wieder bleiben wir kurz<br />
stehen, um uns ein Haus,seine Fassade,den<br />
Dachsims anzusehen. Da ist Sebastian nämlich<br />
voll in seinem Metier.Ich muss mich setzen<br />
und meiner Stiefel kurz entledigen, die<br />
dicken Wollsocken von Berlin her gegen<br />
dünne Strümpfe austauschen.<br />
DasGebäude,auf dessen Stufen ich sitze,<br />
bekomme ich gesagt, sei besonders schön<br />
anzusehen. Vor allem der obere Abschluss<br />
wäre irgendwie genial. Ich gucke beim Aufstehen<br />
kurz einmal hin und nicke. Ich fühle<br />
mich von meinen Füßen her absolut besser.<br />
Es ist dunkel, denke ich, und dass Sebastian<br />
das Haus im helleren Licht sieht, so oft wie er<br />
vor ihm gestanden und an ihm schon emporgesehen<br />
haben mag. Und dann sind wir<br />
auch schon an der Tankstelle, einem weiteren<br />
architektonischem Kleinod. Tankstelle,<br />
meinst du, will ich fragen, unterlasse es tunlichst.<br />
Ichmag ja Ahnung vomSchreiben haben,<br />
was Roms Gebäudewirtschaft anbelangt<br />
hat hier nur einer den Hutauf.Links ab,<br />
den Wegbergan sind wir dann auch schon<br />
am großen Eingangstor zur Villa Massimo,<br />
schlüpfen durch die kleine Nebentür hinein.<br />
Oho, ruft Sebastian mit Blick auf ein Festzeltgestell<br />
aus. Was ist denn hier passiert? Nun<br />
darf ich auch einmal so richtig vom Leder<br />
ziehen und über die Ausstellungseröffnung<br />
reden, die ich gerade so noch mitbekommen.<br />
Da war der Kollege schon Richtung<br />
Berlin unterwegs. Ich bin ihm am nächsten<br />
Morgen gefolgt. Fragt bloß nicht wie früh.
22 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019<br />
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Feuilleton<br />
Die Suche nach dem Existenziellen<br />
Gidon Kremer funktionierte die Konzerthaus-Hommage zum Festival für den polnischen Komponisten Mieczysław Weinberg um<br />
VonClemens Haustein und Peter Uehling<br />
Der lettisch-deutsche Violonist Gidon Kremer<br />
Die ihm gewidmete Hommage<br />
des Konzerthauses<br />
hat der große Geiger Gidon<br />
Kremer nicht dazu<br />
genutzt, seine eigene geistigeWelt zu<br />
entfalten, wie daseinige Jahrevorher<br />
der Pianist Alfred Brendel beim selben<br />
Anlass tat. Natürlich, auch Kremers<br />
Programm zeugt von ihm und<br />
seinen künstlerischen Idealen, aber<br />
den Mittelpunkt ließ er doch einem<br />
anderen: dem Komponisten Mieczysław<br />
Weinberg, dessen Geburtstag<br />
sich am 8. Dezember zum hundertsten<br />
Male jährt. Seit einiger Zeit<br />
wird dem in Polen geborenen und<br />
1996 in Russland gestorbenen Komponisten<br />
gesteigerte Aufmerksamkeit<br />
zuteil, und Kremer ist einer der<br />
Protagonisten dieser Entdeckung.<br />
Warum muss dieser Komponist<br />
erst entdeckt werden, während andere<br />
osteuropäische Kollegen wie<br />
Sofia Gubaidulina, Alfred Schnittke<br />
oder Arvo Pärt hier einträgliche Erfolge<br />
hatten und haben?<br />
Es hat vielleicht doch etwas mit Stil<br />
zu tun. Auch nach derWahrnehmung<br />
von drei Hommage-Konzerten mit<br />
Weinberg-Musik fällt es schwer, das<br />
geläufige Urteil über Weinberg als<br />
„zweitklassigem Schostakowitsch“<br />
als völlig unberechtigt zu verwerfen.<br />
So mögen Weinbergs Violinsonaten<br />
zwar ganz anders ausfallen als die<br />
einzige von Schostakowitsch –aber<br />
der epische Strom der Fünften, die<br />
Kremer mit Martha Argerich am<br />
Dienstag aufführte, kommt von dort<br />
und auch das Vermögen, die musikalische<br />
Entwicklung an sehr einprägsamer<br />
Melodik zu exerzieren. Im selben<br />
Konzert spielte Kremer auch<br />
Weinbergs erste Sonate für Violine allein:<br />
Ein gewaltiges Werk von ebenfalls<br />
symphonischem Zuschnitt, mit<br />
Märschen, Klagegesängen und einer<br />
in ihrer Kühnheit beeindruckenden<br />
Schreibweise für das Instrument.<br />
Am Donnerstag führte die Kremerata<br />
Baltica unter Leitung von<br />
Mirga Gražinyte-Tyla Weinbergs<br />
Zweite Symphonie für Streichorchester<br />
auf, ein melodisch höchst<br />
elaboriertes Werk, andem indes der<br />
expressive Rahmen Schostakowitschs<br />
in keinem Moment erweitert<br />
erscheint – wenn Lucas Debargue<br />
danach mit etwas hakliger Technik<br />
Schostakowitschs Erstes Klavierkonzert<br />
spielt, hört man deutlich direkter<br />
komponiertes, das aber zugleich<br />
hintergründiger wirkt.<br />
Daswiederholt sich am Freitag mit<br />
dem Konzerthausorchester: Weinbergs<br />
Violinkonzert spielt Kremer<br />
deutlich altersgeklärt, das Tempo in<br />
den beiden Marschsätzen zu Beginn<br />
und am Schluss des Werkes wirkt gebremst,<br />
das Energische dieser Musik<br />
interessiert ihn nicht mehr so sehr,<br />
der hauchige, durchschimmernde<br />
Ton seiner diskreten Amati-Violine<br />
herrscht vor. Weil Christoph Eschenbach<br />
am Pult des Konzerthausorchesters<br />
in der Begleitung ebenfalls<br />
auf klare Konturen verzichtet, mehr<br />
mit dem Lesen des Stückes beschäftigt<br />
zu sein scheint und die Musiker<br />
meist ihrem Glück überlässt, bleibt<br />
der Eindruck schwach. Auch hier ist<br />
mit Schostakowitschs Fünfter diese<br />
Blässe wie fortgeblasen. Einen ganz<br />
intuitiven Zugang scheint der neue<br />
Chefdirigent zu diesem Werk zu haben,<br />
in dem Schostakowitsch zu einer<br />
ANGIE KREMER<br />
Gefühlsmusik romantischer Prägung<br />
zurückkehrt. Wie Eschenbach und<br />
das Orchester mit seiner seit Kurt<br />
Sanderling währenden Schostakowitsch-Tradition<br />
den tragischen Sinn<br />
dieser Musik erfassen und die Aufführung<br />
zu einem erzählerischen Ganzenformen,<br />
das fesselt unmittelbar.<br />
Gewiss, Aufführungstraditionen<br />
begünstigen in diesem Fall Schostakowitsch<br />
und benachteiligen Weinberg.<br />
Und „zweitklassig“ ist Weinbergs<br />
Musik gegenüber der Schostakowitschs<br />
gewiss nicht im Sinne geringerer<br />
Qualität, sondern imSinne<br />
künstlerischer Priorität: Für den mit<br />
Schostakowitsch vertrauten Hörer<br />
gehen von dieser Musik kaum Impulse<br />
aus, sie erobert sich keine entscheidend<br />
neue technische Dimension.<br />
Solche Fragen jedoch scheinen<br />
Gidon Kremer gleichgültig zu sein:<br />
Seine vielbeschworene Suche nach<br />
dem „Existenziellen“ in der Musik<br />
wird als eine Suche nach etwas Inhaltlichem<br />
verstanden, das scheinbar<br />
unabhängig von Struktur artikulierbar<br />
ist. Wie Kremer Werke von Luigi<br />
Nono uraufführen und sich zugleich<br />
für die Musik des kürzlich gestorbenen<br />
Georgiers Gija Kantscheli engagieren<br />
konnte, deren dürftige Strukturen<br />
den Ausdruck von Traurigkeit<br />
angesichts eines verlorenen Kinderparadieses<br />
beglaubigen sollen –auch<br />
in dem Stück „Der gelbe Knopf“, mit<br />
dem das Kremerata-Konzert begann<br />
–, ist kaum zu begreifen.<br />
Von ähnlicher Gleichgültigkeit<br />
scheint das Auftragswerk für diese<br />
Hommage geprägt, Victor Kissines<br />
vom Konzerthausorchester unter<br />
Eschenbach uraufgeführte „Another<br />
Question“. Die Streicher der „Kremerata“<br />
wurden hier am anderen<br />
Ende des Saales aufgestellt; für Echoeffekte<br />
und als Klangschleier für das<br />
Orchester auf dem Podium. Charles<br />
Ives’ „Unanswered Question“ greift<br />
Kissine damit auf, ohne dessen Dramatik<br />
zu erreichen. Eher komische<br />
Züge hat es,wenn zum Ende des Stückes<br />
Gidon Kremer durch den Mittelgang<br />
nach vorne schreitet, dabei<br />
einen einzigen Flageolett-Ton aushaltend,<br />
den er mit einem Kiekser<br />
auf der höheren Nebennote zum Abschluss<br />
bringt –umdanach in der<br />
Tür neben dem Podium zu verschwinden.<br />
VomTosen der Zivilisation<br />
Großstadtlärm mit 14 Schlagzeugern –François-Xavier Roth dirigierte die <strong>Berliner</strong> Philharmoniker<br />
VonClemens Haustein<br />
Eshat ein bisschen gedauert, bis<br />
François-Xavier Roth, 49 Jahre<br />
alt, derzeit wohl der Dirigent mit<br />
dem stilistisch vielfältigsten Repertoire,<br />
einen Platz auf den <strong>Berliner</strong><br />
Konzertpodien bekam. Nach seinem<br />
Debüt vorvier Jahren gehörtermittlerweile<br />
zum festen Dirigentenstamm<br />
der <strong>Berliner</strong> Philharmoniker,<br />
jährlich kehrt erzum Orchester zurück.<br />
Als Roth beim vergangenen<br />
Musikfest mit seinem Originalklang-<br />
Ensemble „Les Siècles“ auftrat, fand<br />
das dennoch vor nicht einmal halb<br />
gefülltem Saal statt. Roths Kunst<br />
kommt auf leisen Sohlen, seine Inszenierung<br />
als Orchesterleiter beschränkt<br />
sich auf ein advokatenhaftes<br />
Zupfen an Krawattenknoten und<br />
Manschettenknöpfen.<br />
Keiner legt im Konzert musikgeschichtlich<br />
so weite Wege zurück wie<br />
der Franzose,auch beim Konzertmit<br />
den Philharmonikern amDonnerstagabend,<br />
das mit der 59. Sinfonie<br />
von Joseph Haydn, „Feuersinfonie“,<br />
röchelt. Hinund wieder singt er auch.<br />
Wo Haydns Musik zweihundertJahre<br />
zuvor höfisch zivilisiertist, dabei aber<br />
die Grenzen der Konvention austestet,<br />
da setzt Varèse den kalkulierten<br />
Barbarismus,der wiederum übergeht<br />
in das Geräuschbild der Hochzivilisation.<br />
Der Großstadtlärm, den Varèse<br />
unter anderem in „Arcana“ einfängt,<br />
er würde auch als Begleitmusik taugen<br />
für einen urzeitlichen Kampf der<br />
Elemente.<br />
Wasliegt auf der Wegstrecke zwischen<br />
Haydn und Varèse? Béla Barbeginnt.<br />
Eine kleine Streicher-Besetzung<br />
spielt hier, dazu zwei Oboen,<br />
zwei Hörner, keine Pauken und<br />
Trompeten. Dennoch ist die Wiedergabe<br />
von packender Plastizität und<br />
fein abgestuften Kontrasten.<br />
Beim Stück am Ende des Abends<br />
liefert der Komponist solche Plastizität<br />
gleich selbst durch ein überbordendes<br />
Instrumentarium. Dreimal so<br />
viele Musiker sitzen bei „Arcana“ von<br />
Edgar Varèse auf der Bühne,darunter<br />
14 Schlagzeuger.Der orchestrale Riesenorganismus<br />
brüllt, kreischt und<br />
tók zum Beispiel und damit der<br />
Traum, Zivilisation und Natur miteinander<br />
in Einklang zu bringen. In<br />
den Melodien und Rhythmen ungarisch-rumänischer<br />
Volkslieder, die<br />
Bartók sammelte, schien dieser<br />
Traum wahr zu werden. Bartók verwendete<br />
sie in seiner Tanz-Suite (Sz<br />
77) für großes Orchester ebenso wie<br />
im 3. Klavierkonzert, mit dem er sich,<br />
in den USA lebend, nach Europa zurücksehnte.<br />
Rhythmisch präzise und doch<br />
mit warmer Gesanglichkeit folgt<br />
der Solist Pierre-Laurent Aimard<br />
dieser Sehnsucht, im zweiten Satz,<br />
dem „Andante religioso“ steigert<br />
sich das zu anrührender Inbrunst,<br />
die Philharmoniker spinnen<br />
herbstliche Fäden um Aimards<br />
Klanggebet und spielen an diesem<br />
Abend überhaupt mit Wachheit,<br />
Lust und Präzision wie nur unter<br />
Dirigenten, die sie ernst nehmen.<br />
François-Xavier Roth nimmt es gelassen,<br />
er kommt und geht und<br />
setzt die Füße dabei parallel auf<br />
wie einer,der sehr genau ist.<br />
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LESERREISEN
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019 23<br />
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Feuilleton<br />
Die<br />
unendliche<br />
Geschichte<br />
Andcompany&Co. feiert<br />
das Mauerfalljubiläum<br />
Die Weisheit<br />
des<br />
Miteinander<br />
Das Atze Musiktheater zeigt<br />
das Fantasy-Stück „Albirea“<br />
VonDoris Meierhenrich<br />
Eswar einmal eine Schnecke namens<br />
„Bürokratie“, die sollte ein<br />
gesellschaftliches Zukunftsprojekt<br />
namens „Kommunismus“ ordnen.<br />
Dass daraus nichts wurde, wissen<br />
wir spätestens seit dreißig Jahren.<br />
Damals kaute sie nur und kaute und<br />
merkte gar nicht, was um sie herum<br />
geschah, bis die Mauer um ihren<br />
kleinen Garten einfach zusammenbrach.<br />
Natürlich ist die Schnecke<br />
selbst damit nicht verschwunden-<br />
Derzeit kaut sie in Gestalt der Performerin<br />
Nicola Nord auf der Bühne<br />
des HAU1. Ein Kohlkopf liegt auf ihrem<br />
Schneckenschoß und blind<br />
schiebt sie sich ein Blatt nach dem<br />
anderen ein, während sie mit einer<br />
Art Astronautin neben sich diskutiert.<br />
Die ist wohl das, was aus dem<br />
Kommunismus geworden ist: ein<br />
unruhiges, eher silbrig-futuristisch<br />
durch die Zeit schwirrendes Projekt,<br />
das sich heute „Fantasie“ nennt und<br />
in der Autorin Luise Meier seine<br />
Bühnen-Vertretung findet.<br />
Das Problem, das beide diskutierenist<br />
folgendes: Wiekann heute der<br />
revolutionäre Gedanke „Fantasie<br />
statt Bürokratie!“ real werden? Nein,<br />
wie kann er überhaupt real diskutiert<br />
werden?, fragt die Bürokratie-Schnecke.<br />
Muss er das überhaupt?, fragt<br />
die Fantasie dagegen, denn wieso<br />
sollte man nur das eine „statt“ dem<br />
anderen denken? „Warum überhaupt<br />
immer entscheiden?“, fragt<br />
Meier und als hätte der Eiserne Vorhang<br />
darauf gewartet, geht er hoch<br />
und ein Fantasialand wirdsichtbar,in<br />
dem Bürokratie und Fantasie scheinbar<br />
gleich wirken: ein übergroßer,<br />
sprechender Kohlkopf steht da –Politiker-Ähnlichkeiten<br />
erwünscht –<br />
menschengroße Überraschungseier,<br />
aus denen der Historiker Karsten<br />
Krampitz ins Geschehen eintritt, ein<br />
Sandmännchen-Raumschiff und<br />
eine Redner-Bütt, in der die Schülerin<br />
Amanda Heinau das Prinzip der<br />
„unendlichen Geschichte“ Michael<br />
Endes starkmacht.<br />
Zu einer Reise in Vergangenheit oder Zukunft<br />
gehörthier ein Raumschiff. HAU<br />
Die Andcompany &Co. hat zu ihrer<br />
diskursiven Mauerfall-Party ins<br />
HAU geladen und feiert das Ereignis<br />
natürlich nicht im geschichtspositivistischen<br />
Sinn. „1989: The Great<br />
Desintegration“ fragt –wie schon vor<br />
einem Jahr die Revolutions-Show<br />
„invisible republic“ –nach dem„Was<br />
wäre wenn“, nach den Hoffnungen<br />
und ungenutzten Möglichkeiten, die<br />
1989 kurz real waren, bis sie unter<br />
den Mühlrädern aus dem Westen zu<br />
nichts wurden. Auch das Nichts aber<br />
spielt an diesem gezielt albernen,<br />
aber vor allem inspirierenden Dilettanten-Abend<br />
gleich mehrere<br />
schöne Wiederauferstehungsrollen:<br />
als Wurmloch im System der Kohlköpfe<br />
oder auch als wandelnder<br />
Greenscreen, auf dem bekanntlich<br />
nichts zu sehen ist und doch Ungesehenes<br />
sichtbar werden kann. Mit<br />
der Wurmtechnik feiert Alexander<br />
Karschnia &Co. so etwas wie die performative<br />
Umsetzung der „MRX-<br />
Maschine“, die Luise Meier als gesellschaftliche<br />
Widerstandstechnik<br />
in ihrem scharfsinnigen Buch gleichen<br />
Namens beschrieben hat. Dort<br />
wie hier: lichte Texte im Gewand eines<br />
Theaters für (große) Kinder.<br />
Schießwütig: Meret Becker,Katharina Thalbach, Andreja Schneider,Anna Mateur,Anna Fischer (v.l.)<br />
Zehn Fäuste für kein Halleluja<br />
Zeitreise: „Die 5glorreichen Sieben“ als Western-Imitat aus Frauensicht in der Bar jeder Vernunft<br />
VonIrene Bazinger<br />
Wer sagt denn, dass man<br />
nur im Kino eine Zeitreise<br />
in ferne Welten –<br />
egal, ob die in der Zukunft<br />
oder in der Vergangenheit liegen<br />
–antreten kann? Das ist natürlich<br />
auch im Theater möglich, und<br />
damit sind nicht bloß die Störtebeker-oder<br />
die Karl-May-Festspiele gemeint.<br />
Es reicht, in die Barjeder Vernunft<br />
zu gehen. Dortkann man jetzt<br />
in den Wilden Westen eintauchen,<br />
wie es ihn nie gegeben hat –außer im<br />
Kino.„Die5glorreichen Sieben“ entstand<br />
nach einer Idee von Lutz Deisinger<br />
und Andreja Schneider, die<br />
mit Christopher Tölle und ihren Mitkämpferinnen<br />
überdies Regie führte.<br />
Der Titel ist an den Filmklassiker<br />
„Die glorreichen Sieben“ (1960) angelehnt.Wieder<br />
Regisseur John Sturges<br />
dafür „Die sieben Samurai“<br />
(1954) von Akira Kurosawa adaptierte<br />
und nach Nordamerika verlegte,versuchen<br />
es die <strong>Berliner</strong>innen<br />
mit einer eigenen dramaturgischen<br />
Brechung: Alle wichtigen Rollen werden<br />
nämlich vonFrauen gespielt.<br />
Dasheißt jedoch nicht, dass der<br />
Western als krachledernes Genre<br />
feministisch aufpoliert, gar gendermäßig<br />
überarbeitet wäre. Im<br />
Gegenteil, Meret Becker als<br />
schwuler Trickbetrüger, Anna Fischer<br />
als naives Halbblut, Anna<br />
Mateur als dampfplaudernder<br />
fahrender Händler, Andreja<br />
Schneider als mehr oder weniger<br />
gottesfürchtiger Reverend und Katharina<br />
Thalbach als mexikanischer<br />
Revolverheld lassen kein<br />
noch so peinliches Klischee aus.<br />
Und sie parodieren oder dekonstruieren<br />
diese keineswegs, sondern<br />
imitieren sie mit aller Kraft und<br />
ironischem Ernst – was oft zum<br />
Lachen ist, aber manchmal schon<br />
arg verstaubt wirkt. Nun gut,<br />
warum sollte bei einer Zeitreise in<br />
die Tiefen der Filmgeschichte und<br />
der Männerfantasien immer alles<br />
lustig sein?<br />
Für ein paar tatsächlich humorige<br />
Akzente sorgt der Schlagzeuger<br />
Peter Sandmann, der als Geräuschmacher<br />
die Zikaden zirpen<br />
und die Fußtritte nachhallen lässt.<br />
Das Bühnenbild von Friedrich Eggert<br />
besteht aus überdimensionalen<br />
Hufeisen als Raumteiler und<br />
typischer Prärie-Dekoration wie<br />
Kaktus, Geier oder Lagerfeuer.<br />
Die Story ist schnell erzählt: Die<br />
fünf Gestalten treffen einander zufällig<br />
und vereinen sich auf der Jagd<br />
nach einem gefährlichen Banditen.<br />
Am Schluss haben sie ihn erlegt<br />
und gründen im Licht der untergehenden<br />
Sonne eine Familie –oder<br />
so ähnlich …Dabei wird gebrüllt<br />
und geflucht, im Stehen gepinkelt<br />
und mit den Colts herumgefuchtelt,<br />
Fäuste und Pfeile fliegen durch<br />
die Luft, eine Bank wird ausgeraubt,<br />
viel Whisky gekippt. Dann<br />
wieder schnallen sich alle massige<br />
Pferdehintern samt Schweifen um<br />
und „reiten“ Richtung Künstlergarderoben.<br />
Außerdem werden über zwei Dutzend<br />
thematisch passende Songs<br />
vorgetragen, bluesig ausladend bei<br />
Anna Mateur, guttural mümmelnd<br />
bei Katharina Thalbach, gern einstimmig<br />
im Chor,damit man’s besser<br />
hört. DieBegleitung lieferteine fünfköpfige<br />
Westernband unter der Leitung<br />
vonFerdinand vonSeebach.<br />
Meret Becker räumt groß mit ihren<br />
artistischen Einlagen ab und ist<br />
auch sonst auf flinken Füßen inmitten<br />
der Wild-West-Wüstenei unterwegs.<br />
Andreja Schneider verschwindet<br />
fast hinter ihrem buschigen<br />
Schnurrbart, während Anna Fischer<br />
als Jungspund schnell tief in die routinierte<br />
Bodenständigkeit ihrer Gang<br />
hineingezogen wird.<br />
Sehr länglich und mit Elementen<br />
von Fremdscham erweist sich freilich<br />
die Szene, in der alle Frauen<br />
Frauen spielen. Dies sind nämlich<br />
Prostituierte, die „Westernmatratzen“<br />
genannt werden, Beckenbodentraining<br />
für das nahende Bummsfallera<br />
mit den sexuell unterversorgten<br />
Cowboys machen und das Publikum<br />
mit Sprüchen wie „Ich bin gut drauf.<br />
Bist du gut drunter“ quälen. Im klassischen<br />
Western ist die Zeit stehen<br />
geblieben, und so ist es nur konsequent,<br />
dass sie dies in dieser Produktion<br />
nicht anders ist. Trotzdem oder<br />
gerade deswegen sind bereits alle<br />
Vorstellungen ausverkauft.<br />
Die5glorreichenSieben bis17.11., Bar jeder<br />
Vernunft, Schaperstr. 24,Tel.883 15 82<br />
Herbstliches Happy End für ein Winterbild<br />
In einem amerikanischen Museum entdeckten Fahnder NS-Raubkunst aus der Sammlung des <strong>Berliner</strong> Verlegers Mosse<br />
VonIngeborg Ruthe<br />
Das junge Paar im<br />
idyllischen Gemälde<br />
„Winter“ des amerikanischen<br />
Realisten Gari<br />
Melcherswird nun den<br />
Mosse-Erben zurückgegeben<br />
AP<br />
MUTFOTO/BARBARA BRAUN<br />
Zeitzeugen gibt es wohl kaum<br />
mehr,die vor1933 im Mosse-Palais<br />
am Leipziger Platz in Berlin dieses<br />
Gemälde noch hätten sehen können.<br />
Der jüdische <strong>Zeitung</strong>sverleger<br />
und Kunstsammler Rudolf Mosse<br />
(1843–1920) hatte seine Bildersäle<br />
im musealen Sinne der breiten Öffentlichkeit<br />
zugänglich gemacht.<br />
Nach seinem plötzlichen Todbehielten<br />
die Erben diese Freizügigkeit bei.<br />
DieNazis machten solch freigeistigem<br />
Bürgersinn der Mosses ein rabiates<br />
Ende. Die erstklassige Sammlung<br />
des verstorbenen Patrons<br />
wurde beschlagnahmt, für Devisen<br />
verhökert. Ein Großteil der Mosse-<br />
Familie war schon ins Ausland geflohen.<br />
So gelangte auch das Bild „Winter“<br />
des amerikanischen Realisten<br />
Gari Melchers,1860–1932, auf ungeklärten<br />
Wegen wieder in die USA.<br />
Rudolf Mosse hatte das Motiv eines<br />
eher ländlich, irgendwie sogar<br />
biedermeierlich, aber farbenfroh<br />
aussehenden jungen Paares vor einer<br />
idyllischen Winterlandschaft mit<br />
roten Backsteinhäusern1900 auf der<br />
Großen <strong>Berliner</strong> Kunstausstellung<br />
gekauft. Den NS-Kunstschergen<br />
kann es vom Motiv her kaum missfallen<br />
haben. Dass es Juden gehörte,<br />
umso mehr. Sie machten es zu Geld<br />
für Hitlers perfide Pläne.<br />
Jetzt, nach 86 Jahren, wie die<br />
Nachrichtenagentur AP meldet,<br />
tauchte das Bild im Museum Arkell<br />
in Canajoharie/Bundesstaat New<br />
York,auf. DerUnternehmer und Museumsgründer<br />
Bartlett Arkell hatte<br />
es 1934 in einer New Yorker Galerie<br />
gekauft, später dem Museum überschrieben.<br />
Fahnder bargen das Bild.<br />
Gerichtsdokumente belegen, dass<br />
die Operation Teil einer internationalen<br />
Aktion zum Aufspüren von<br />
NS-Raubkunst ist. Das Museum Arkell<br />
gibt das Werk, das sich noch in<br />
FBI-Verwahrung in Albany befindet,<br />
ohne Pardon an die Mosse-Nachfahrenzurück.„Fair<br />
und gerecht“, wie es<br />
das deutsch-amerikanische Abkommen<br />
zur rückhaltlosen Aufklärung<br />
des NS-Kunstraubs verlangt.<br />
VonChristian Rakow<br />
Von „Herr der Ringe“ über „Game<br />
of Thrones“ bis „World of Warcraft“<br />
ist Fantasy das Top-Genre unserer<br />
Zeit. Egal ob in Buch, Film oder<br />
Videospiel. Nur das Theater tut sich<br />
damit schwer. Warum? Vermutlich,<br />
weil Fantasy unter E-Kunstfreunden<br />
immer noch im Ruch steht, eskapistisch<br />
zu sein und also die Wirklichkeit<br />
mit ihren Werte- und Wahrheitsfragen<br />
nicht in den Blick zu bekommen.<br />
Wasnatürlich Quatsch ist, man<br />
lese nur einmal die philosophischen<br />
„Hexer“-Romane eines AndrzejSapkowski<br />
oder spiele die Game-Trilogie<br />
„The Witcher“, die auf ihnen basiert.<br />
Wenn das Atze Musiktheater mit<br />
„Albirea –Nur ein Kind kann dieWelt<br />
retten“ jetzt ein performativ wie inhaltlich<br />
ambitioniertes Fantasy-<br />
Singspiel zur Uraufführung bringt,<br />
ist das allemal verdienstvoll. Atze-<br />
Chef Thomas Sutter hat dasWerk mit<br />
der Komponistin Sinem Altan verfasst<br />
und geht es in Eigenregie mit<br />
der gebotenen Opulenz an: mit Live-<br />
Kammerorchester, Lied- und<br />
Kampfkunst, mit nordisch düsteren<br />
Kriegermonturen, Masken wie vom<br />
Karneval in Venedig (Kostüme: Verena<br />
Hemmerlein) und kosmischen<br />
Videobildern (von Marc Jungreithmeier/STUDIO6).<br />
Motiveaus der Gießkanne<br />
„Albirea“ ist eine Geschichte der<br />
Menschen und ihrer spirituellen<br />
Kräfte: In einem Streit gottähnlicher<br />
Geister hat der Geist der Entzweiung<br />
Draco die Herrschaft übernommen<br />
und hetzt nun die Menschen<br />
gegeneinander auf. Dem bei Tieren<br />
aufgewachsenen Mädchen Albirea<br />
obliegt es, die Weisheit des Miteinanders<br />
in die Welt zurückzubringen<br />
und die Balance der Geister wiederherzustellen.<br />
Das Stück lebt von charismatischen<br />
Protagonisten: Guylaine<br />
Hemmer als Albirea mit gelenkiger<br />
Athletik und vitalem Wissensdrang,<br />
und Iljá Pletner als eitler Zwietracht-<br />
Schmied Draco, der sich auf seinem<br />
E-Bass düsteren Sinn herbeifiedelt.<br />
In der Gestaltung der Geschichte<br />
zeigt Sutter unübliche Schwächen.<br />
Der Text baumelt eher von Menschen-<br />
zu Götterwelt, als dass er<br />
schlüssig Bögen spannt.Viele Motive<br />
werden mit der Gießkanne ausgeschenkt:<br />
EinHauch vonParsifal umweht<br />
Albirea, dann wieder ist sie eine<br />
Heroin der Aufklärung, die die Frage<br />
nach dem „Warum“ in die Welt zurückbringt,<br />
bevor sie vom Neugierund<br />
Wissendurst zu allgemeinmoralischen<br />
Toleranzerwägungen hinübertaumelt.<br />
Dem Drive ihrer Abenteuergeschichte<br />
tun die Unschärfen keinen<br />
Abbruch. In energetischen Choreografien,<br />
visuell hochgejazzt, legt Sutters<br />
Inszenierung über ihre zweieinhalb<br />
Stunden ein gutes Tempo hin.<br />
Bis zum erbaulichen Schluss: „Das<br />
Wort des anderen wiegt so schwer<br />
wie dein eigenes.“ Ein Merksatz für<br />
Schulhofstreits wie für Konflikte in<br />
nordischen Fantasywelten.<br />
TOP 10<br />
Sonnabend, 26. Oktober<br />
1 Tagesschau ARD 6,4 24 %<br />
2 Sportschau ARD 5,0 23 %<br />
3 Gottschalks 80er … ZDF 4,9 17 %<br />
4 Zielfahnder ARD 4,1 14 %<br />
5 Das Supertalent RTL 3,7 13 %<br />
6 heute-journal ZDF 3,5 15 %<br />
7 Sportschau ARD 3,0 18 %<br />
8 heute ZDF 2,9 13 %<br />
9 Bares für Rares ZDF 2,6 11 %<br />
10 Take me out RTL 2,6 12 %<br />
ZUSCHAUER IN MIO/MARKTANTEIL IN %
24 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019<br />
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Tagestipp<br />
KALENDER<br />
Filmkonzert<br />
Bruce<br />
Springsteen<br />
live im Kino<br />
Songs vonBruce Springsteen<br />
sind fast immer in Noten<br />
und Wortegefasste Filme,also<br />
ist es nur konsequent, dass er<br />
sein Soloalbum „WesternStar“<br />
nun gleich selbst in Bilder und<br />
Szenen umgesetzt hat. Eigentlich<br />
war dieser Film als Service<br />
für seine Fans gedacht, denen<br />
er die 13 Lieder dieser Platte<br />
diesmal nicht auf der Bühne<br />
präsentieren konnte, da die<br />
Produktion mit einem voll besetzten<br />
Streichorchester selbst<br />
für ihn zu aufwendig gewesen<br />
wäre. Also haterdie Musiker in<br />
einer hundert Jahre alten<br />
Scheune in der Nachbarschaft<br />
seiner Ranch versammelt, um<br />
das komplette Album voreiner<br />
Handvoll von Zuschauern live<br />
aufzuführen. Verbunden werden<br />
die einzelnen Musikstücke<br />
durch Impressionen, in denen<br />
die Themen der Songs aufscheinen.<br />
Bevor das Ganze auf<br />
DVDerscheint, ist es an diesem<br />
Montag einmalig im Kino zu<br />
sehen. Frank Junghänel<br />
WesternStars jeweils 20 Uhr,inetlichen<br />
<strong>Berliner</strong>Kinos<br />
Die Dichterin und Performerin Ginka Steinwachs vor vier Jahren in Berlin.<br />
Die Dichterin Ginka Steinwachs<br />
ist eine Wortforscherin,<br />
eine Sprachmalerin<br />
und nimmt grundsätzlich<br />
alles so übergenau wie federleicht.<br />
Mit heller, singender<br />
Stimme ist sie ihre beste Interpretin<br />
und braucht das Vortragen auch,<br />
weil sie ihre Texte in der Performance<br />
in die dritte Dimension bringen<br />
kann. Anlässlich der Eröffnung<br />
ihres Archivs in der Akademie der<br />
Künste 2017 hatte sie den Weg zur<br />
Veranstaltung markiert wie Hänsel<br />
den Wegaus dem Wald nach Hause,<br />
nur nicht mit Brotkrumen, sondern<br />
mit einer Reihe vonSteinen und Kerzen,<br />
die abwechselnd platziert waren:<br />
Stein –Wachs –Stein –Wachs.<br />
„Ich schreibe mit Feuer, Wasser,<br />
Luft und Erde“, sagt sie vonsich„und<br />
die Luft kann auch mal Lust sein“.<br />
Verspielt bis in die zelebrierte Albernheit<br />
und zugleich philosophisch-subversiv<br />
ist das Werk der<br />
Wort-, Ding- und Alltags-Künstlerin,<br />
die ihren Tagebüchern Pullover<br />
strickt und über den Surrealisten<br />
André Breton promovierte. Die das<br />
Maskenspiel ebenso liebt wie die<br />
Technik, einzelne Buchstaben in<br />
PetraKohse<br />
findet es sehr inspirierend, das Leben in<br />
begreifbare Einheiten aufzuteilen und es<br />
dann zu feiern, wann man will.<br />
Worten groß zu schreiben, um mit<br />
solchen Binnen-Initialen neue Binnen-Welten<br />
zu öffnen. Die sich in<br />
Trödel und Geheimnissen verlieren<br />
kann und in jeder Zahl eine kabbalistische<br />
Verführung sieht. Insofern<br />
lässt es sich die in Berlin-Mitte und<br />
auf Mallorca lebende Künstlerin mit<br />
der elfenhaften Anmutung einer<br />
kindlichen Kaiserin auch nicht nehmen,<br />
am Donnerstag im LiteraturforumimBrecht-Haus<br />
ihren 7x11. Geburtstag<br />
zu feiern. Moderiert von<br />
Kerstin Hensel liest sie aus ihren Tagebüchern,<br />
die auch Collagen sind,<br />
Enthüllungen und Versteckspiele,<br />
denn Ginka Steinwachs erklärt alles<br />
Leben zur Kunst.<br />
Einen Tag zuvor und einen danach<br />
sowie noch einmal eine Woche<br />
darauf hat im Pfefferberg-Theater –<br />
moderiert von Marion Brasch –Lea<br />
Streisands Buch „Hufeland, Ecke<br />
Bötzow“ Premiere, gleich dreifach<br />
wohl wegen der großen Nachfrage.<br />
Die <strong>Berliner</strong> Kolumnistin, Schriftstellerin<br />
und Lesebühnenbewohnerinwar<br />
nämlich zehn Jahrealt, als die<br />
Mauer fiel und erzählt sich in ihrem<br />
biografischen Roman zunächst fünf<br />
charmante Jahre voller Kindermund<br />
KINO
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019 25<br />
· ·<br />
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Tagestipp<br />
KALENDER<br />
Die Kunst<br />
des Lebens<br />
In dieser Wochefeiert Ginka Steinwachs<br />
ihren 7x11. Geburtstag, hat Lea Streisands<br />
Roman gleich dreimal Premiere und staunt<br />
Martin Simons über das Überleben<br />
Stunde der Denker<br />
und Kindersicht an das Ereignis<br />
heran. Damit ist sie so etwas wie die<br />
Ost-<strong>Berliner</strong>in der Stunde, sopragmatisch<br />
und unwillkürlich systemdurchschauend<br />
zugleich, so deutlich<br />
geprägt und geerdet und doch jung<br />
und offen genug für alles, was danach<br />
kam. Zupackend pointiert und<br />
geradeaus geschrieben, ist es nebenbei<br />
ein All-Generationen-Buch, an<br />
manchen Stellen wähnt man sich<br />
fast in Andreas Steinhöfels „Rico,Oskar<br />
und die Tieferschatten“, aber<br />
eben in Authentisch und später doch<br />
etwas erwachsener (auch wenn es<br />
tatsächlich einen Rico gibt).<br />
Und auf eine weitere Buchpremiereindieser<br />
lesungssatten Woche<br />
sei hingewiesen. „Jetzt noch nicht,<br />
aber irgendwann schon“, lautet der<br />
Titel eines Romans des <strong>Berliner</strong> Juristen,<br />
Journalisten und Redenschreibers<br />
Martin Simons. Und wer<br />
jetzt an „Du stirbst nicht“ von Kathrin<br />
Schmidt denken muss, jenes<br />
Buch von2009, mit dem die <strong>Berliner</strong><br />
Schriftstellerin und Dichterin 2010<br />
den Deutschen Buchpreis gewann,<br />
liegt schon ganz richtig. Um das Erleben<br />
des Momentes auf Messers<br />
Schneide geht es auch hier, wobei<br />
LITERATUR<br />
Martin Simons: Jetzt noch nicht,<br />
aber irgendwann schon<br />
28.10., Galerie Erstererster,<br />
Pappelallee 69<br />
Lea Streisand: Hufeland, EckeBötzow<br />
30. 10. (ausverkauft), außerdem 1. und<br />
7. 11., 20 Uhr,Pfefferberg-Theater,<br />
Schönhauser Alle 176<br />
Lebendiges Schreiben! Ginka<br />
Steinwachs zum 77. Geburtstag,<br />
31. 10., 20 Uhr,Literaturforum im<br />
Brecht-Haus, Chausseestr.125<br />
IMAGO IMAGES<br />
ein Hirnschlag je nach Ursache und<br />
Ort im Gehirn ganz verschiedene<br />
Symptome und Folgen haben kann.<br />
Während Schmidt erst zu sich kam,<br />
als das Sprachzentrum schon stark<br />
angegriffen war und das langsame<br />
Wiederfinden der Sprache formal<br />
und inhaltlich der Kern ihrer Überlebenserzählung<br />
ist, liest sich Simons’<br />
Buch mehr wie ein Bericht von außen.<br />
Aber nicht weniger dringlich.<br />
Immer noch etwas ungläubig<br />
und, ja, auch verunsichert, blickt der<br />
heute 46-Jährige auf das vor zwei<br />
Jahren Geschehene zurück. Wie er<br />
plötzlich, ausgerechnet in einer Meditation,<br />
die Kontrolle über seine<br />
Feinmotrik verlor, bald seinen rechten<br />
Armnicht bewegen konnte,aber<br />
noch einkaufen ging, auch wieder<br />
nach Hause fand und von selbst mit<br />
dem Taxi ins Krankenhaus fuhr, betäubt<br />
die Diagnose erfuhr und sich<br />
fragte, oberseiner Frau am Telefon<br />
letzte Worte für den kleinen Sohn<br />
durchgebensollte.Und wie er,seit er<br />
weiß, dass jeder Tag eine weitere<br />
Chance ist, den Augenblick ganz anders<br />
erlebt. Wieerweiß, dass er zwar<br />
jetzt noch nicht gestorben ist. Aber<br />
irgendwann eben schon.<br />
Unfreiheit<br />
erkennen und<br />
benennen<br />
Reist man meistens, um<br />
Orte zu besichtigen, lädt<br />
MarkoMartin mit seinem Buch<br />
„Dissidentisches Denken“ zu<br />
einer Reise ein, Menschen zu<br />
besichtigen. Es sind Schriftsteller<br />
undWissenschaftler,die mit<br />
ihrem Denken, mit ihren zum<br />
Teil zunächst geheim publizierten<br />
Schriften dazu aufriefen,<br />
Unfreiheit und Unmenschlichkeit<br />
zu benennen<br />
und nicht hinzunehmen. Einige<br />
hat der Reporter und Essayist<br />
auf seinen„Reisen zu den<br />
Zeugen eines Zeitalters“ persönlich<br />
getroffen und schildert<br />
die Begegnung mit ihnen, andere<br />
porträtiert er aus ihren<br />
Werken heraus. Er zeigt Verbindungslinien<br />
zwischen ihnen,<br />
so wenn Kafkas Freund<br />
Max Brod auch Edgar Hilsenrath<br />
beeinflusst, wenn Jean<br />
Améry auf Primo Levi trifft.<br />
MarkoMartin besuchte Václav<br />
Havel und Milan Kundera,<br />
sprach mit Jürgen Fuchs vor<br />
dessen Tod. CorneliaGeißler<br />
Buchvorstellungund Gespräch 20.30<br />
Uhr,Buchhändlerkeller,Carmerstr.1<br />
KINO<br />
So 03.11.<br />
20 Uhr |Philharmonie<br />
dso-berlin.de<br />
SIR ROGER<br />
NORRINGTON<br />
Mozart<br />
Symphonie Nr.38<br />
Martinů<br />
Symphonie Nr.3
26 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019<br />
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Spreewild
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019 27<br />
· ·<br />
SponsorKat1920.indd 11 04.04.19 14:05<br />
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TV-Programm<br />
ARD<br />
9.00 (für HG) Tagesschau 9.05 (für HG) Live<br />
nach Neun 9.55 (für HG) Sturm der Liebe 10.45<br />
(für HG) Meister des Alltags 11.15 (für HG) Wer<br />
weiß denn sowas? 12.00 (für HG) Tagesschau<br />
12.15 (für HG) ARD-Buffet 13.00 (für HG)<br />
ZDF-Mittagsmagazin 14.00 (für HG) Tagesschau<br />
14.10 (für HG) Rote Rosen 15.00 (für HG)<br />
Tagesschau 15.10 (für HG) Sturm der Liebe<br />
16.00 (für HG) Tagesschau 16.10 (für HG)<br />
Verrückt nach Fluss 17.00 (für HG) Tagesschau<br />
17.15 (für HG) Brisant 18.00 (für HG) Wer weiß<br />
denn sowas? 18.50 (für HG) Morden im Norden<br />
19.45 (für HG) Wissen vor acht –Zukunft 19.50<br />
(für HG) Wetter vor acht 19.55 (für HG) Börse vor<br />
acht 20.00 (für HG) Tagesschau<br />
20.15 (für HG) Harry, Meghan und die<br />
Presse –wie es wirklich um sie steht<br />
Prinz Harry und seine Frau Meghan,<br />
Herzog und Herzogin von Sussex, geben<br />
ungewöhnliche Einblicke in ihr Leben als<br />
Ehepaar und junge Eltern.<br />
21.00 (für HG) Hart aber fair<br />
22.15 (für HG) Tagesthemen<br />
22.45 (für HG) Rabiat<br />
Klima retten? Ohne mich!<br />
23.30 (für HG) Erst die Miete, dann die<br />
Moral?<br />
0.15 (für HG) Nachtmagazin<br />
RTL<br />
5.15 Explosiv –Weekend 6.00 Guten Morgen<br />
Deutschland 8.30 (für HG) Gute Zeiten, schlechte<br />
Zeiten. Daily Soap 9.00 Unter uns. Daily Soap<br />
9.30 (für HG) Alles was zählt. Daily Soap 10.00<br />
Der Blaulicht Report. Reality-Soap 11.00 Der<br />
Blaulicht Report. Reality-Soap 12.00 Punkt 12<br />
–Das RTL-Mittagsjournal 14.00 Die Superhändler<br />
–4Räume, 1Deal 15.00 Schätze aus Schrott<br />
16.00 Mensch Papa! Väter allein zu Haus 17.00<br />
Herz über Kopf. Telenovela 17.30 Unter uns. Daily<br />
Soap 18.00 Explosiv –Das Magazin 18.30<br />
Exclusiv –Das Starmagazin 18.45 RTL Aktuell<br />
19.03 RTL Aktuell –Das Wetter 19.05 (für HG)<br />
Alles was zählt. Daily Soap 19.40 (für HG) Gute<br />
Zeiten, schlechte Zeiten. Daily Soap<br />
20.15 Bauer sucht Frau<br />
Dateshow. Die erste Hofnacht liegt hinter<br />
den Frauen, jetzt heißt es anpacken.<br />
Christopher beweist für seine Hofdame<br />
einen guten Riecher,und Sven lässt sich<br />
von seiner Besucherin frisieren.<br />
22.15 Extra –Das RTL Magazin<br />
23.25 Spiegel TV<br />
0.00 RTL Nachtjournal<br />
0.27 RTL Nachtjournal –Das Wetter<br />
0.30 Die Alltagskämpfer –Überleben in<br />
Deutschland<br />
Gestorben wird später /Fit im Alter<br />
MDR<br />
14.00 (für HG) MDR um 2 15.15 (für HG)<br />
Gefragt –Gejagt 16.00 (für HG) MDR um 4<br />
17.45 (für HG) MDR aktuell 18.05 (für HG)<br />
Wetter für 3 18.10 (für HG) Brisant 18.54 (für<br />
HG) Unser Sandmännchen 19.00 Regionales<br />
19.30 (für HG) MDR aktuell 19.50 (für HG)<br />
Mach dich ran 20.15 (für HG) Polizeiruf110:<br />
Schneewittchen. Krimireihe, D2006 21.45 (für<br />
HG) MDR aktuell 22.05 (für HG) Fakt ist! 23.03<br />
MDR aktuell 23.05 (für HG) Happy –Mein Vater,<br />
die Thaifrau und ich. Dokumentarfilm, D2016<br />
0.30 (für HG) Salto Postale<br />
Bayern<br />
14.45 (für HG) Gefragt –Gejagt 15.30 (für HG)<br />
Schnittgut 16.00 (für HG) Rundschau 16.15 (für<br />
HG) Wir in Bayern 17.30 Regionales 18.00 (für<br />
HG) Abendschau 18.30 (für HG) Rundschau<br />
19.00 (für HG) Querbeet 19.30 (für HG)<br />
Dahoam is Dahoam 20.00 (für HG) Tagesschau<br />
20.15 (für HG) Landfrauenküche 21.00 (für HG)<br />
Bayern erleben 21.45 (für HG) Rundschau<br />
Magazin 22.00 (für HG) Lebenslinien 22.45<br />
Verleihung des Theodor-Herzl-Preises an<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel 23.15 (für HG)<br />
Der Kaiser von Schexing 0.05 schlachthof<br />
Vox<br />
5.15 CSI: NY 6.00 CSI: NY 6.55 (für HG) CSI:<br />
Den Tätern auf der Spur 7.50 (für HG) CSI: Den<br />
Tätern auf der Spur 8.50 Verklag mich doch!<br />
9.50 Verklag mich doch! 10.50 Vox Nachrichten<br />
10.55 Mein Kind, dein Kind 11.55 Shopping<br />
Queen 12.55 Zwischen Tüll und Tränen 13.55<br />
Mein Kind, dein Kind 14.55 Shopping Queen<br />
16.00 4Hochzeitenund eine Traumreise 17.00<br />
Zwischen Tüll und Tränen 18.00 First Dates<br />
19.00 Das perfekte Dinner 20.00 Prominent!<br />
20.15 Goodbye Deutschland! Die Auswanderer<br />
23.15 (für HG) Survivor 0.45 Vox Nachrichten<br />
Super RTL<br />
9.25 Die Oktonauten 9.45 Calimero 10.05<br />
Sammy 10.35 Grizzy &die Lemminge 11.05 Voll<br />
zu spät! 11.30 Alvinnn!!! 12.00 Go Wild! 12.30<br />
Friends 12.50 Trolls –Die Party geht weiter!<br />
13.10 Polly Pocket 13.40 Tom und Jerry 14.10<br />
Bugs Bunny &Looney Tunes 14.20 Angelo!<br />
14.45 Dragons 15.15 Ninjago 15.40 Alvinnn!!!<br />
16.10 Sally Bollywood 16.40 Die Nektons<br />
17.10 Mighty Mops 17.40 Angelo! 18.10 Bugs<br />
Bunny &Looney Tunes 18.35 Woozle Goozle<br />
19.05 Alvinnn!!! 19.45 Tom und Jerry 20.15 On<br />
the Case. Doku-Serie 0.20 Infomercials<br />
Sport1<br />
5.00 Sport Clips 5.30 Antworten mit Bayless<br />
Conley 6.00 Die Arche-Fernsehkanzel 6.30<br />
Teleshopping 15.30 Normal 16.00 Storage Wars<br />
–Die Geschäftemacher. Doku-Soap. Daves<br />
Rückkehr 16.30 Storage Wars –Die Geschäftemacher.<br />
Doku-Soap. Topform 17.00 Fußball –<br />
DFB-Pokal Klassiker 18.30 Fußball. Volkswagen<br />
Pokalfieber 20.00 Fußball. DFB-Pokal Klassiker<br />
22.00 Sport1 News 22.30 Goooal! 23.00<br />
Fußball –Die MLS-Highlights 23.30 3. Liga Pur.<br />
13. Spieltag 0.15 Sport Clips<br />
ZDF<br />
5.15 citydreams 5.30 (für HG) ARD-Morgenmagazin<br />
9.00 (für HG) heute Xpress 9.05 (für HG)<br />
Volle Kanne –Service täglich 10.30 (für HG)<br />
Notruf Hafenkante 11.15 (für HG) Soko Wismar<br />
12.00 heute 12.10 drehscheibe 13.00 (für HG)<br />
ZDF-Mittagsmagazin 14.00 heute –in<br />
Deutschland 14.15 Die Küchenschlacht 15.00<br />
(für HG) heute Xpress 15.05 (für HG) Bares für<br />
Rares 16.00 (für HG) heute –inEuropa 16.10<br />
(für HG) Die Rosenheim-Cops. Krimiserie. Mozarts<br />
kleiner Bruder 17.00 (für HG) heute 17.10 (für<br />
HG) hallo deutschland 17.45 (für HG) Leute<br />
heute 18.00 (für HG) Soko Potsdam. Krimiserie.<br />
Fluch der guten Tat 19.00 (für HG) heute 19.20<br />
(für HG) Wetter 19.25 (für HG) WISO<br />
20.15 (für HG) Die Schattenfreundin<br />
Thriller, D2019. Mit Miriam Stein.<br />
Notgedrungen vertraut Ärztin Kathrin<br />
Ortrup ihren kleinen Sohn einer neuen<br />
Freundin an. Doch dann verschwinden ihr<br />
Kind und die andere Frau.<br />
21.45 (für HG) heute journal<br />
22.15 (für HG) Atomic Blonde<br />
Actionfilm, USA/D 2017. Mit Charlize<br />
Theron, James McAvoy<br />
0.00 heute+<br />
0.15 (für HG) Der Funktionär<br />
Dokumentarfilm, D2019<br />
Sat.1<br />
5.05 Auf Streife. Reality-Soap 5.30 Sat.1-Frühstücksfernsehen.<br />
Moderation: Marlene Lufen,<br />
Jochen Schropp 10.00 Im Namen der<br />
Gerechtigkeit –Wir kämpfen für Sie! Reality-Soap<br />
11.00 Im Namen der Gerechtigkeit –Wir<br />
kämpfen für Sie! Reality-Soap 12.00 Anwälte im<br />
Einsatz. Reality-Soap 13.00 Anwälte im Einsatz.<br />
Reality-Soap 14.00 Auf Streife. Reality-Soap<br />
15.00 Auf Streife –Die Spezialisten. Reality-Soap<br />
16.00 Klinik am Südring.Doku-Soap 17.00<br />
Klinik am Südring –Die Familienhelfer.<br />
Doku-Soap. Die Gemeinschaftspraxis 17.30<br />
Klinik am Südring /oder Sat.1 Regional-Magazine<br />
18.00 Die Ruhrpottwache 19.00 Genial<br />
daneben –das Quiz 19.55 Sat.1 Nachrichten<br />
20.15 (für HG) Zerschunden –<br />
Ein Fall für Dr. Abel<br />
Thriller, D/B 2019. Mit Tim Bergmann.<br />
True-Crime-Thriller in Anlehnung an einen<br />
wahren Fall des Rechtsmediziners Prof.<br />
Dr. Michael Tsokos<br />
22.20 akte. Spezial<br />
Zerschunden –die wahre Geschichte<br />
23.25 In der Schuldenfalle: Aufmachen!<br />
Polizei –Die Sat.1 Reportage<br />
0.20 (für HG) Zerschunden –<br />
Ein Fall für Dr. Abel<br />
Thriller, D/B 2019. Mit Tim Bergmann<br />
WDR<br />
13.55 Erlebnisreisen 14.00 (für HG) Von und zu<br />
lecker 14.30 (für HG) In aller Freundschaft<br />
16.00 (für HG) WDR aktuell 16.15 Hier und<br />
heute 18.00 (für HG) WDR aktuell /Lokalzeit<br />
18.15 (für HG) Servicezeit 18.45 (für HG)<br />
Aktuelle Stunde 19.30 Regionales 20.00 (für<br />
HG) Tagesschau 20.15 (für HG) Land und lecker<br />
21.00 (für HG) Ausgerechnet 21.45 (für HG)<br />
WDR aktuell 22.10 (für HG) Unterwegs im<br />
Westen 22.40 (für HG) Sträters Männerhaushalt<br />
23.25 (für HG) Wilfried Schmickler: Es war nicht<br />
alles schlecht 0.50 (für HG) Best of Storno<br />
NDR<br />
14.15 (für HG) die nordstory 15.15 (für HG)<br />
Gefragt –Gejagt 16.00 (für HG) NDR//Aktuell<br />
16.20 (für HG) Mein Nachmittag 17.10 (für HG)<br />
Leopard, Seebär &Co. 18.00 Regionales 18.15<br />
(für HG) Die Nordreportage 18.45 (für HG) DAS!<br />
19.30 Regionales 20.00 (für HG) Tagesschau<br />
20.15 (für HG) Markt 21.00 (für HG) Die<br />
Bewegungs-Docs 21.45 (für HG) NDR//Aktuell<br />
22.00 (für HG) 45 Min 22.45 (für HG)<br />
Kulturjournal 23.15 (für HG) Kommissar Beck –<br />
Die neuen Fälle: Auge um Auge. Krimireihe, D/S<br />
1997 0.45 (für HG) Die Bewegungs-Docs<br />
Kabel eins<br />
5.55 Eureka 7.40 Blue Bloods. Krimiserie 9.25<br />
(für HG) Navy CIS: L.A. Krimiserie 10.20 Navy CIS<br />
11.10 Without aTrace 12.10 Numb3rs 13.05<br />
(für HG) Castle 14.00 (für HG) The Mentalist<br />
14.55 (für HG) Navy CIS: L.A. 15.50 kabel eins<br />
news 16.00 Navy CIS 16.55 Abenteuer Leben<br />
täglich 17.55 Mein Lokal, Dein Lokal –Der Profi<br />
kommt 18.55 Achtung Kontrolle aktuell 20.15<br />
(für HG) Shang-High Noon. Actionfilm, USA 2000<br />
22.35 (für HG) Wild Wild West. Komödie, USA<br />
1999 0.40 Crying Freeman –Der Sohn des<br />
Drachen. Actionfilm, CDN/F 1995<br />
RTLZWEI<br />
5.15 Privatdetektive im Einsatz 6.00 Die<br />
Straßencops West –Jugend im Visier 7.00 Die<br />
Straßencops West –Jugend im Visier 8.00<br />
Frauentausch 14.00 Station B1 –Kinderärzte mit<br />
Herz 15.00 Die Wache Hamburg 16.00 Die<br />
Wache Hamburg 17.00 RTLZWEI News 17.05<br />
Krass Schule –Die jungen Lehrer 18.05 Köln<br />
50667 19.05 Berlin –Tag &Nacht 20.15 Die<br />
Geissens –Eine schrecklich glamouröse Familie!<br />
21.15 Die Reimanns 22.15 Hartes Deutschland<br />
–Leben im Brennpunkt 0.15 Exklusiv –Die<br />
Reportage 1.25 Exklusiv –Die Reportage<br />
Eurosport 1<br />
7.25 Snooker. World Open in Yushan. Tag 1, live<br />
10.30 Snooker 12.25 Snooker. World Open in<br />
Yushan. Tag 1, live 15.30 Snooker 16.30<br />
Motorsport. WTCR in Suzuka 17.10 Motorsport.<br />
WTCR in Suzuka 18.10 Motorsport. Porsche<br />
Mobil 1Supercup 2019 in Mexico City. Letztes<br />
von 10 Saisonrennen 18.55 Schwimmen 19.55<br />
Nachrichten 20.05 Snooker 22.00 Nachrichten<br />
22.05 Ski Alpin. FIS Weltcup 22.50 Ski Alpin. FIS<br />
Weltcup 23.35 Schwimmen 0.30 Radsport. 113.<br />
Lombardei-Rundfahrt2019 in Italien<br />
TV-Tipps<br />
ZDF, 22.15 UHR ACTIONFILM<br />
Atomic Blonde<br />
Berlin im November 1989: Am Rande einer Demonstration in Ostberlin<br />
wird ein MI6-Agent ermordet. Er sollte eine Liste mit Namen von Doppelagenten<br />
vomOsten in den Westen schmuggeln. Dieenglische Spionin<br />
Lorraine Broughton (CharlizeTheron) wird nach Berlin geschickt, um den<br />
Mordfall zu untersuchen und die Liste sicherzustellen. Dortangekommen,<br />
trifft Lorraine auf den unorthodox arbeitenden Verbindungsoffizier David<br />
Percival, der nach eigenen Regeln lebt und arbeitet. Obwohl sie sich gegenseitig<br />
nicht trauen, versuchen beide,ihreMission erfolgreich zu erledigen.Es<br />
ist der Beginn eines aberwitzigen und schlagkräftigen Katz-und-Maus-Spiels,<br />
in dem eine sexy Agentin aus Frankreich, ein undurchsichtige CIA-Agent, ein<br />
ominöse Verräter sowie ein brutaler KGB-Mann ganz eigene Ziele verfolgen.<br />
(USA/2017)<br />
Foto: ZDF<br />
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Sonderbeilage am 1. November<br />
1. FC UNION HERTHA BSC<br />
www.berliner-kurier.de<br />
SUDOKU<br />
NORMALVARIANTE –MITTEL mittel<br />
7 2 8<br />
4 1<br />
1 5 9<br />
7 3<br />
3 4<br />
6 1 5<br />
3 9<br />
2 7<br />
6 2 8<br />
MitDIAGONALEN-schwer<br />
MIT –SCHWER<br />
3 5 4<br />
7<br />
9 2<br />
8 9<br />
7 6<br />
6 3<br />
8 1<br />
3 2<br />
MEDIEN<br />
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VOM vom26./27. 26.10.2019<br />
2019<br />
MITTEL mittel<br />
7 5 4 3 2 8 1 6 9<br />
3 9 8 1 4 6 7 5 2<br />
2 6 1 5 7 9 4 3 8<br />
4 1 3 7 8 2 6 9 5<br />
9 2 5 4 6 3 8 1 7<br />
8 7 6 9 1 5 2 4 3<br />
5 8 7 6 3 1 9 2 4<br />
1 4 9 2 5 7 3 8 6<br />
6 3 2 8 9 4 5 7 1<br />
AUFLÖSUNG<br />
Auflösung<br />
VOM<br />
vom<br />
26./27.<br />
26.10.2019<br />
10. 2019<br />
SCHWER schwer<br />
5 2 4 9 6 1 8 7 3<br />
9 3 1 4 7 8 6 2 5<br />
6 7 8 3 5 2 1 4 9<br />
8 6 3 1 2 5 4 9 7<br />
7 4 2 8 9 6 5 3 1<br />
1 9 5 7 3 4 2 8 6<br />
3 5 6 2 4 9 7 1 8<br />
2 8 9 5 1 7 3 6 4<br />
4 1 7 6 8 3 9 5 2<br />
RBB<br />
7.30 Sehnsuchtsort Wrangelkiez 8.00 (für HG)<br />
Brandenburg aktuell 8.30 (für HG) Abendschau<br />
9.00 (für HG) In aller Freundschaft 9.45 (für HG)<br />
In aller Freundschaft –die jungen Ärzte 10.30<br />
(für HG) Rote Rosen 11.20 (für HG) Sturm der<br />
Liebe 12.10 (für HG) Julia –Eine ungewöhnliche<br />
Frau 13.00 rbb24 13.10 (für HG) Verrückt nach<br />
Meer 14.00 (für HG) Schöne Aussicht.<br />
Heimatkomödie, D2007 15.30 (für HG) Tiere bis<br />
unters Dach 16.00 (für HG) rbb24 16.15 (für<br />
HG) Gefragt –Gejagt 17.00 (für HG) rbb24<br />
17.05 (für HG) Panda,Gorilla &Co. 17.55 (für<br />
HG) Unser Sandmännchen 18.02 rbb UM6<br />
18.27 zibb 19.30 (für HG) Abendschau /<br />
Brandenburg aktuell 20.00 (für HG) Tagesschau<br />
20.15 (für HG) Super.Markt Moderatorin<br />
Janna Falkenstein behandelt in dieser<br />
Ausgabe folgende Themen: Vergammelte<br />
Pilze /Rettungsgasse /Butter-Alternativen<br />
/Altersvorsorge /Reste-Kochen /<br />
Patientenakte<br />
21.00 (für HG) Die Charité<br />
21.45 (für HG) rbb24<br />
22.00 (für HG) Tatort: Duisburg-Ruhrort<br />
Krimireihe,D1981. Mit Götz George<br />
23.35 (für HG) Polizeiruf 110: Amoklauf<br />
Krimireihe,DDR 1988. Mit Peter Borgelt<br />
0.30 (für HG) Heiter bis tödlich: Akte Ex<br />
ProSieben<br />
8.45 (für HG) Die Simpsons. Zeichentrickserie<br />
9.15 (für HG) Die Simpsons 9.40 (für HG) Die<br />
Simpsons 10.10 (für HG) Die Simpsons 10.40<br />
(für HG) Die Simpsons 11.05 (für HG) Die<br />
Simpsons 11.35 (für HG) Die Simpsons 12.00<br />
(für HG) Die Simpsons 12.25 (für HG) Die<br />
Simpsons 12.55 (für HG) Die Simpsons 13.20<br />
(für HG) Die Simpsons 13.50 (für HG) Die<br />
Simpsons 14.15 (für HG) Die Simpsons 14.40<br />
(für HG) Die Simpsons 15.10 (für HG) Die<br />
Simpsons 15.35 (für HG) Die Simpsons 16.05<br />
(für HG) Die Simpsons 16.30 (für HG) Die<br />
Simpsons 17.00 taff 18.00 Newstime 18.10<br />
(für HG) Die Simpsons. Stadt ohne Gnade 18.40<br />
(für HG) Die Simpsons. Gone Boy 19.05 Galileo<br />
20.15 (für HG) The Big Bang Theory<br />
Sitcom. Das Roller-Revival. Wegen Amys<br />
Wutanfall auf dem Empfang der<br />
Nobelpreisträger werden sie und Sheldon<br />
in die Personalabteilung bestellt. Dort<br />
bekommen sie den Kopf gewaschen.<br />
20.45 (für HG) Young Sheldon<br />
21.10 (für HG) Die Simpsons<br />
22.10 (für HG) The Big Bang Theory<br />
23.10 Late Night Berlin –Mit Klaas<br />
Heufer-Umlauf<br />
0.20 (für HG) The Big Bang Theory<br />
0.45 (für HG) Young Sheldon<br />
Arte<br />
8.45 Stadt Land Kunst 9.40 360° –Geo<br />
Reportage 11.30 (für HG) Höllische Paradiese!<br />
12.15 Re: 12.50 Arte Journal 13.00 Stadt Land<br />
Kunst 14.00 Die schwarze Tulpe. Abenteuerfilm,<br />
F/I/E 1963 15.50 Feine Stoffe, ferne Länder<br />
16.45 (für HG) Xenius 17.10 Wie das Land, so<br />
der Mensch 17.40 Arktika Incognita 18.35 (für<br />
HG) Von Tierenund Hexen 19.20 Arte Journal<br />
19.40 Re: 20.15 Der Staat gegen Fritz Bauer.<br />
Drama, D2015 21.50 Der Richter und der<br />
Mörder. Kriminalfilm, F1976 23.55 La Roue.<br />
Stummfilm, F1923 3.45 (für HG) 28 Minuten<br />
3Sat<br />
13.20 Captain Cook auf Kreuzfahrt 14.05<br />
Uruguay 14.50 Chiles wilder Süden 16.15 (für<br />
HG) Wildes Patagonien 17.00 (für HG) In der<br />
Hängematteauf dem Amazonas 17.45 (für HG)<br />
Der Edelstein-Express 18.30 nano 19.00 (für<br />
HG) heute 19.20 Kulturzeit 20.00 (für HG)<br />
Tagesschau 20.15 (für HG) Island –Die<br />
ungezähmteVulkaninsel 21.00 (für HG) Shannon<br />
–Geheimnisvoller Fluss im Herzen Irlands 21.45<br />
Berg und See in Eis und Schnee 22.00 (für HG)<br />
ZIB 2 22.25 Ama-San. Dokumentarfilm, D2016<br />
0.05 (für HG) Schluss mit Überfluss<br />
Phoenix<br />
5.00 Momente der Geschichte 5.45 Die<br />
Rückkehr bedrohter Tierarten 8.00 phoenix vor<br />
Ort 15.00 Festakt der Europäischen Zentralbank<br />
17.30 phoenix der tag 18.00 Gifte, Daten,<br />
Risiken 18.30 Die Müllers und das Hohe Haus<br />
20.00 (für HG) Tagesschau 20.15 (für HG)<br />
Golfstrom –Der große Fluss im Meer. Dokumentation<br />
21.00 (für HG) Che Guevara 21.45 (für<br />
HG) heute journal 22.15 unter den linden.<br />
Talkshow 23.00 phoenix der tag 0.00 unter den<br />
linden 0.45 (für HG) Golfstrom –Der große Fluss<br />
im Meer 1.30 Che Guevara<br />
Kika<br />
13.15 (für HG) Die Wilden Kerle 13.40 (für HG)<br />
Die Pfefferkörner 14.10 Schloss Einstein –Erfurt<br />
15.00 (für HG) Helium 15.45 Livespiel 15.50<br />
Miss Moon 16.15 Die Piraten von nebenan<br />
16.50 (für HG) Geronimo Stilton 17.35 Der<br />
kleine Ritter Trenk 18.00 Sesamstraße<br />
präsentiert: Eine Möhre für Zwei 18.10 (für HG)<br />
Der kleine Drache Kokosnuss 18.35 Ernest &<br />
Celestine 18.47 Baumhaus 18.50 Sandmännchen<br />
19.00 Yakari 19.25 (für HG) Wissen macht<br />
Ah! 19.50 (für HG) logo! 20.00 (für HG) Kika<br />
Live 20.10 (für HG) Durch die Wildnis<br />
Dmax<br />
8.50 Hardcore Pawn 9.20 Baggage Battles 9.50<br />
Infomercial 10.15 Baggage Battles 11.15 Die<br />
Zwangsvollstrecker 13.15 Dubai Airport 14.15<br />
Ausgesetzt in der Wildnis 15.15 Ed Stafford: Wie<br />
ich die Welt überlebte 16.15 Lone Star Law<br />
17.15 Combat Dealers 18.15 SteelBuddies<br />
19.15 A8 20.15 Der Geiger –Boss of Big Blocks<br />
21.15 Chris &Mäx: Die Oldtimer-Spezialisten<br />
22.15 Die Gebrauchtwagen-Profis 23.10 DMAX<br />
News 23.15 Classic Remise –Das Haus der<br />
Traumautos 0.10 DMAX News<br />
Tagesschau 24<br />
5.00 Tagesschau 5.02 Hessenschau 5.30<br />
ARD-Morgenmagazin 9.00 Tagesschau-Nachrich<br />
ten 9.15 Sind Raser Mörder? 10.00 Tagesschau<br />
Nachrichten 10.15 Alles Wissen 11.00<br />
Tagesschau-Nachrichten 13.00 ZDF-Mittagsmagazin<br />
14.00 Tagesschau-Nachrichten 19.15<br />
Weniger ist mehr 20.00 Tagesschau 20.15 Anne<br />
Will 21.15 Tagesschau 21.17 Extra 21.30<br />
Westpol –Politik in Nordrhein-Westfalen 22.00<br />
Markt 22.45 Tagesschau vor 20 Jahren 23.00<br />
Tagesthemen 23.30 Unsere Kleidung –Grün<br />
gewaschen oder wirklich nachhaltig? Dokumenta<br />
tion 0.00 Sport inside 0.30 Grenzenlose<br />
Ganovenjagd 1.00 Nachtmagazin<br />
ONE<br />
6.40 Erlebnisreisen 6.50 Quarks 7.35 Party of<br />
Five 9.10 kinokino 9.25 Lindenstraße 9.55 Hot<br />
in Cleveland 10.15 Hot in Cleveland 10.35<br />
Lindenstraße 11.05 Morden im Norden 11.55<br />
Sturm der Liebe 13.30 Um HimmelsWillen<br />
14.20 Die Landärztin: Aus heiterem Himmel.<br />
Arztreihe, D/A 2007 15.50 Morden im Norden<br />
16.40 Hot in Cleveland 17.00 Hot in Cleveland<br />
17.20 Lindenstraße 17.50 Hart aber herzlich<br />
18.40 Sturm der Liebe 20.15 Grand Hotel<br />
21.45 Seriös –Das Serienquartett 22.30 Private<br />
Eyes 23.10 Hot in Cleveland 23.55 Der<br />
Irland-Krimi: Die Toten von Glenmore Abbey.<br />
Krimireihe,D2019 1.25 Grand Hotel<br />
ZDF NEO<br />
5.50 (für HG) Inspector Barnaby: Blut am Sattel<br />
Krimireihe,GB2010 7.20 (für HG) Kerners<br />
Köche 8.05 Topfgeldjäger 9.00<br />
Lafer!Lichter!Lecker! 9.45 (für HG) Bares für<br />
Rares 11.30 Dinner Date 12.15 (für HG) Monk<br />
13.35 Psych 15.00 (für HG) Monk 16.20 Psych<br />
17.40 (für HG) Bares für Rares 18.35 Dinner<br />
Date 19.20 (für HG) Bares für Rares 20.15 (für<br />
HG) Inspector Barnaby: Köpfen ist auch keine<br />
Lösung. Krimireihe,GB2010 21.45 (für HG)<br />
Inspector Barnaby: Blut am Sattel. Krimireihe, GB<br />
2010 23.15 Art of Crime 0.05 Art of Crime 0.50<br />
Spooks –ImVisier des MI5 1.45 (für HG)<br />
heute-show 2.15 Shapira Shapira<br />
ZDF INFO<br />
9.00 Mysterien des Weltalls 9.45 Schuldig in<br />
Schweden –Das Drama von Arboga 10.30 Tator<br />
Dessau –Der Fall Yangjie Li 11.15 Die<br />
Geheimnisse der Toten 12.45 Dem Tod auf der<br />
Spur –Die Männer vom Kriminaldauerdienst<br />
13.30 Momente der Geschichte 14.15 Der<br />
Vietnamkrieg 18.45 Brudermord am Airport<br />
19.30 Geheimakte Kim Jong Un –Nordkoreas<br />
rätselhafterFührer 20.15 Geheimes Nordkorea<br />
21.00 Undercover in Nordkorea –imReich des<br />
Kim Jong Un 22.00 Gold für Kim –ein Leben für<br />
Nordkoreas Führer 22.45 Im Niemandsland –<br />
Was Korea teilt 23.30 Despoten 0.15 Mein<br />
Besuch in Nordkorea<br />
Radio<br />
KLASSIK<br />
18.04 RBB KULTURRADIO (92.4 MHz)<br />
Alte Musik Mit Bernhard Schrammek. Bachs<br />
Festmusiken für die kurfürstlich-sächsische<br />
Familie, ca. 56 Min.<br />
21.05 Deutschlandfunk (97.7 MHz)<br />
Musik-Panorama 1. Raderbergkonzert 2019/20<br />
Francis Poulenc: Sonate für Flöte und Klavier.<br />
Heinz Holliger: „(t)air(e)“ für Flöte solo /Franz<br />
Schubert: Variationen über das Lied „Trockne<br />
Blumen“ für Flöte und Klavier, D802 /Thomas<br />
Adès: Concert Paraphrase on „Powder Her Face“<br />
für Klavier solo /Georg Philipp Telemann:<br />
Fantasie Nr. 10 für Flöte solo fis-Moll,TWV<br />
40:2-13 /César Franck: Sonate für Flöte und<br />
Klavier A-Dur, ca. 105 Min.<br />
HÖRSPIEL<br />
14.30 RBB KULTURRADIO (92.4 MHz)<br />
Lesung Der Ursprung der Welt (6/16). Von Ulric<br />
Tukur. Gelesenvom Autor, ca. 30 Min.<br />
22.03 Deutschlandfunk Kultur (89.6 MHz)<br />
Kriminalhörspiel Der Maulwurf. Von Rodney<br />
David Wingfield. Übersetzung: Mariannede<br />
Barde. Regie: Manfred Marchfelder. Mit: Herbert<br />
Stass, Sibylle Nicolai, Rolf Becker, Joachim<br />
Wichmann, Dieter Borsche, Friedhelm Ptok,<br />
Martin Umbach. Ton: Karlheinz Stoll. Stark<br />
benommen, wachen Frank, Bill und Jack in einem<br />
Keller auf. Der britische Geheimdienst, ihr<br />
ehemaligerArbeitgeber, hat sie in eine Falle<br />
gelockt, denn einervon ihnen war und ist ein<br />
Doppelagent, ca. 57 Min.<br />
MAGAZIN<br />
19.30 RBB KULTURRADIO (92.4 MHz)<br />
The Voice Mit Ortrun Schütz. Michael Hurley<br />
–Erinnerungen an den ewigen Hobo, der von de<br />
Musikwelt vergessen trotzdem für die Volksmusik<br />
szene von Greenwich Village in den 1960erund<br />
1970er Jahren unverzichtbar war, ca. 30 Min.<br />
20.04 RBB KULTURRADIO (92.4 MHz)<br />
Schöne Stimmen Mit Rainer Damm. Der Bass<br />
Enzo Dara. Den italienischen Bass-Virtuosen hat<br />
der Dirigent und Rossini-Spezialist Alberto Zedda<br />
als den begnadetsten Komödianten auf der<br />
modernen Bühne bezeichnet. Dabei hütete er<br />
sich immer vor Übertreibungen und warf nie mit<br />
Schinken nach der Speckseite.Sein angeborene<br />
Sinn für das Komische machte ihn auch als<br />
Schriftsteller erfolgreich, ca. 56 Min.<br />
JAZZ /BLUES<br />
20.03 Deutschlandfunk Kultur (89.6 MHz)<br />
In Concert Jazzfest Bonn. Bundeskunsthalle.Joe<br />
Lovano Trio „Tapestry“: Joe Lovano, Saxofon.<br />
Marilyn Crispell, Klavier. Carmen Castaldi,<br />
Schlagzeug. Moderation: MatthiasWegner,<br />
ca. 87 Min.
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019 – S eite 28 *<br />
·························································································································································································································································································<br />
Panorama<br />
LEUTE<br />
NACHRICHTEN<br />
Garrett Kletjian hat mit einer verwaschenen,<br />
brandlöchrigen Strickjacke<br />
200 000 Dollar verdient. DieJacke gehörte<br />
nämlich niemand geringerem<br />
als dem 1994 verstorbenen Nirvana-<br />
Sänger Kurt Cobain, der darin das<br />
berühmte„MTVUnplugged“-Album<br />
aufnahm. Kletjian ersteigerte sie im<br />
Jahr 2015 für 137 000 Dollar.Am<br />
Sonnabend kam sie in NewYorkfür<br />
334 000 Dollar unter den Hammer.<br />
Sie singt auch im<br />
kleinen Kreis.<br />
DPA<br />
Helene Fischer<br />
(35) füllt bei ihrenKonzerten<br />
mühelos ganze<br />
Fußballstadien.<br />
Wenn allerdings<br />
Trigema, der Bekleidungshersteller<br />
mit dem<br />
Schimpansenmaskottchen<br />
einlädt, um 100. Firmenjubiläum zu<br />
feiern, dann tun es auch 1500 geladene<br />
Gäste in einem Festzelt in Burladingen<br />
(Baden-Württemberg). Zu<br />
den atemlosen ZuhörernimZelt gehörte<br />
neben der Unternehmerfamilie<br />
um Firmeninhaber Wolfgang<br />
Grupp und seiner Belegschaft ein illustrer<br />
Gästekreis aus Politik, Wirtschaft<br />
und Gesellschaft. Ihnen allen<br />
versicherte Fischer,sich selbst im<br />
Sortiment eingedeckt zu haben: „Ich<br />
habe mir Sportwäsche ausgesucht.<br />
Herr Grupp,das kriegen aber nur Sie<br />
zu sehen“, sagte sie.Dalaust uns<br />
doch glatt der Affe. (avo.)<br />
TIERE<br />
Der Kauz wurde nahe der Grenze zu<br />
Österreich gerettet. DPA/BUNDESPOLIZEI<br />
Mit diesem Augenblick können wir<br />
bestens gelaunt in eine neueWoche<br />
starten: Unser Bild zeigt einen Raufußkauz<br />
(Aegolius funereus)ineinem<br />
Pappkarton. So weit, so schlecht.<br />
Aber:Der zu den kleinen Eulen gehörendeVogel<br />
wurde jetzt vonBeamten<br />
der Bundespolizei gerettet, sie entdeckten<br />
ihn bei einer Grenzkontrolle<br />
in der Nähe des bayerischen Mittenwald<br />
ohne Futter undWasser in einem<br />
Fahrzeug. DerTierschutzverein<br />
Garmisch-Partenkirchen nahm den<br />
Kauz auf. DieTransporteurebekamen<br />
eine Anzeige.Wir sagen: Bravo,<br />
Bundespolizei! (schl.)<br />
Noch sind etwa50Belugas in Gefangenschaft. Tierschützer mahnen zur Eile, um sie noch vor dem Winter freizulassen.<br />
Auf dem Wegindie Freiheit<br />
Im Osten Russlands waren 100 Wale in winzigen Becken eingesperrt. Jetzt dürfen sie zurück ins offene Meer<br />
VonStefan Scholl, Moskau<br />
Alexandra galt als Sorgenkind.<br />
Dasjunge Orca-Weibchen<br />
verschwand nach seiner<br />
Freilassung nicht mit<br />
seinen älteren Artgenossen im offenen<br />
Pazifik. Stattdessen tauchte es<br />
vor Fischerbooten auf, ließ sich füttern<br />
und streicheln. Im Internet hagelte<br />
es Kritik. „Kein Rehabilitierungsprogramm<br />
kann wilde Tiere, in<br />
deren Leben sich der Mensch eingemischt<br />
hat, der Natur zurückgeben“,<br />
schimpfte der Umweltaktivist Bacht<br />
Mawlanow. „Man hat sie einem qualvollen<br />
Todausgeliefert.“<br />
Das Projekt war von Anfang an<br />
umstritten: Im Juni verkündeten russische<br />
Staatsreporter während einer<br />
TV-Liveshow mit Wladimir Putin<br />
eine „Weltsensation“: Manwolle alle<br />
Meeressäuger, die im sogenannten<br />
Walgefängnis in einer Bucht nahe<br />
Wladiwostok eingesperrt waren,<br />
auswildern. Acht Tierehabe man bereits<br />
in Transportwannen verfrachtet.<br />
Es klang nach Propagandashow.<br />
„FreeWilly“ auf Russisch<br />
Das Walgefängnis im Osten Russlands<br />
war zuvor zu trauriger Berühmtheit<br />
gelangt: Etwa 100 Belugas<br />
und Orcas wurden seit Herbst 2018<br />
in winzigen Schwimmbecken eingepfercht.<br />
Privatfirmen hatten sie gefangen,<br />
um sie an ausländische<br />
Aquarien zu verkaufen. Internationale<br />
Aufmerksamkeit bekam das<br />
Walgefängnis, als Prominente wie<br />
Leonardo DiCaprio und Pamela Anderson<br />
die Freilassung der Tiere forderten.<br />
Dann machte der Kreml auf<br />
„FreeWilly“, frei nach dem Film über<br />
einen kleinen Jungen, der einen Wal<br />
aus einem Vergnügungsparkbefreit.<br />
In den Becken haben die Tiere kaum Platz zum Schwimmen.<br />
Die ersten Tiere wurden in Lkws<br />
und auf Frachtkähnen 1800 Kilometer<br />
über Land in die Sachalin-Bucht<br />
des Pazifiks geschafft und dort ohne<br />
weitere Vorbereitung ausgesetzt –<br />
obwohl internationale und russische<br />
Experten einen stressärmeren<br />
Transport auf dem Seeweg gefordert<br />
hatten. Die Fachleute sprachen sich<br />
zudem für eine langsame Eingewöhnung<br />
in größeren Gehegen aus, damit<br />
die Tieresich vonMenschen und<br />
Füttern entwöhnen und zu Jagdteams<br />
zusammenfinden könnten.<br />
Geholfen hat es nichts.„Nicht befreit,<br />
sondern hinausgeworfen“, wetterte<br />
das Walschutzbündnis „Freiheit<br />
für Orcas und Belugas“ in einer Stellungnahme.<br />
Doch der Zorn der Tierschützer<br />
hat sich gelegt.„Es läuft alles<br />
ziemlich gut“, sagt DmitriLisizyn von<br />
der Ökowacht Sachalin über die Auswilderung,<br />
die vom russischen Forschungsinstitut<br />
für Fischerei und<br />
Meereskunde organisiert wird. „Die<br />
Wale bewegen sich sehr aktiv im<br />
Meer,sie haben sich angepasst.“<br />
WHALE WATCHING RUSSIA/AP/DPA<br />
„Die Tiere sind in ihre wilden Familien<br />
zurückgekehrt oder jagen<br />
selbstständig“, berichtet Institutssprecher<br />
Alexei Smorodow. Dabei<br />
legten sie große Entfernungen zurück,<br />
was eine gute körperliche Verfassung<br />
belege. Das bestätigen auch<br />
die Satelliten-Sonden, mit denen die<br />
Experten einen Teil der freigelassenen<br />
Meeressäuger versehen haben.<br />
Im September zeigten die Sonden<br />
dann auch Erfreuliches in Sachen<br />
Alexandra. DasTier hatte sich inzwischen<br />
zwei anderen Weibchen angeschlossen<br />
und war im fischreichen<br />
Archipel Schantarski unterwegs.<br />
Dort beobachtete Walexperte Grigori<br />
Zidulko von Greenpeace auch<br />
ein anderes ausgewildertes Exemplar,das<br />
sich einer fremden Orca-Familie<br />
angeschlossen hatte. „Sie jagten<br />
gemeinsam und das erfolgreich,<br />
sie erbeuteten zwei Robben.“<br />
Offenbar greifen in der freien Natur<br />
die Instinkte der Wale,sie sind fähig,<br />
sich zu orientieren, Fischgründe<br />
und Artgenossen aufzuspüren. Und<br />
FREE RUSSIAN WHALES/DPA<br />
ihresoziale Intelligenz reicht aus,um<br />
sich mit ihnen anzufreunden. Bisher<br />
hat man zehn Orcas und 37 Belugas<br />
in der Sachalin-Bucht ausgewildert.<br />
Für den Transport der Belugas setzt<br />
das staatliche Institut inzwischen eigene<br />
Forschungsschiffe ein.<br />
Die Tiere hätten bewiesen, dass<br />
sie in der freien Wildbahn überleben<br />
können, urteilen Ökologen. Es sei<br />
die Ausnahme geblieben, dass das<br />
Orca-Weibchen Alexandra nach ihrer<br />
Freilassung Schiffe anschwamm<br />
und um Fische bettelte, heißt es bei<br />
Greenpeace. Und so etwas leisteten<br />
sich manchmal auch wilde Orcas.<br />
Eile ist geboten<br />
Derzeit verharren noch etwa 50 Belugas<br />
in den Becken des Walgefängnisses.<br />
Sie sollen bis zum Winteranfang<br />
ausgewildert werden. Dabei ist<br />
Eile dringend geboten, denn bei Minusgraden<br />
drohen den Tieren nach<br />
Einschätzung der Walschützer in<br />
den Transportwannen und beim<br />
Verladen Erfrierungen.<br />
Angesichts der schon beginnenden<br />
Herbststürme will man die restlichen<br />
Tierebis zum 1. November auf<br />
zwei Schiffe verladen und ins Meer<br />
bringen. Die Ökologen halten die<br />
Chancen zwar für gering, dass es den<br />
Belugas gelingt, sich diesen Herbst<br />
noch mit ihren Artgenossen in der<br />
Sachalin-Bucht zu vereinigen. Und<br />
sie warnen vor nordkoreanischen<br />
Fischwilderern, die in der Gegend<br />
aktiv sein sollen.<br />
Aber auch sie befürworten die sofortige<br />
Freilassung der Belugas, da<br />
ihnen sonst noch ein Winter im Walgefängnis<br />
droht. „Am wichtigsten<br />
ist“, sagt Zidulko, „dass die Tiere<br />
dort, wo sie ausgewildert werden,<br />
Nahrung finden können.“<br />
Verheerende Waldbrände<br />
wüten in Kalifornien<br />
Angesichts der verheerenden Waldbrände<br />
in Kalifornien haben die Behörden<br />
am Sonntag Zehntausende<br />
weitereMenschen angewiesen, ihre<br />
Häuser zu verlassen. DieZwangsevakuierungen<br />
betrafen die nördlich<br />
vonSan Francisco gelegene Weinbauregion<br />
Sonoma, wo bereits am<br />
Sonnabend 90 000 Bewohner vor<br />
den Flammen geflüchtet waren. Wegen<br />
der großen Brandgefahr kam es<br />
zu massiven Stromabschaltungen,<br />
bis zu zwei Millionen Menschen<br />
könnten betroffen sein. In dem US-<br />
Bundesstaat wüten derzeit mehrere<br />
Waldbrände,die durch Hitze, Trockenheit<br />
und die berühmten Santa-<br />
Ana-Winde angefacht werden. (AFP)<br />
Haftbefehl erlassen: Eritreer<br />
in Krefeld vor Zug gestoßen<br />
Weil er einen Radfahrer im Krefelder<br />
Hauptbahnhof voreinen einfahrenden<br />
Zuggestoßen haben soll, sitzt<br />
ein 34 Jahrealter Mann in Untersuchungshaft.<br />
DasAmtsgericht habe<br />
Haftbefehl wegen versuchten Totschlags<br />
und gefährlichen Eingriffs in<br />
den Schienenverkehr erlassen, teilte<br />
die Staatsanwaltschaft am Sonntag<br />
mit. Dertatverdächtige Deutsche<br />
soll einen Eritreer samt dessen Fahrradvor<br />
einen einfahrenden Zugins<br />
Gleisbett gestoßen haben. DerZug<br />
legte eine Vollbremsung hin, der 37-<br />
Jährige konnte sich rechtzeitig wegrollen<br />
und blieb unverletzt. Obwohl<br />
der Staatsschutz eingebunden<br />
wurde,gehen die Ermittler nach ersten<br />
Erkenntnissen nicht voneiner<br />
politisch motivierten Tataus. (dpa)<br />
Verdächtiger nach<br />
Leichenfund in Kino gefasst<br />
In einem Multiplex-Kino der niederländischen<br />
Stadt Groningen sind am<br />
Sonnabend die Leichen eines Ehepaares<br />
gefunden worden. Der56-<br />
jährige Mann und seine 55 Jahrealte<br />
Frau seien dortals Reinigungskräfte<br />
beschäftigt gewesen, teilte die PolizeiamSonntag<br />
mit. Wenige Stunden<br />
zuvor hatten Beamte einen 33 Jahre<br />
alten Verdächtigen unweit des Kinos<br />
angeschossen und am Bein verletzt.<br />
DerMann habe ein Messer in der<br />
Hand gehabt. Er sei festgenommen<br />
und zur Behandlung in ein Krankenhaus<br />
gebracht worden. DasMotiv für<br />
die Tatblieb zunächst unklar.Es<br />
gebe bislang keine Anzeichen dafür,<br />
dass Täter und Opfer sich kannten,<br />
berichtete die Nachrichtenagentur<br />
ANP unter Berufung auf die Polizei.<br />
Die<strong>Zeitung</strong> De Telegraaf berichtete,<br />
die Opfer seien durch Messerstiche<br />
getötet worden. (dpa)