Burgblatt-2019-11
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HILPOLTSTEIN IN DER WENDEZEIT | 8<br />
Hilpoltstein im Jahre 1921<br />
von Peter Hagenmaier<br />
Im Stadtarchiv in Hilpoltstein befinden<br />
sich die gebundenen Jahrgänge<br />
des Hilpoltsteiner Wochenblatts.<br />
Sie bilden eine sehr gute Informationsuelle<br />
über das Geschehen in<br />
unserer Kleinregion der vergangenen<br />
Epochen. Nachdem sich am<br />
9. November 2018 das Ende des<br />
1. Weltkriegs zum hundertsten Mal<br />
jährte gehen wir auf die bergangszeit<br />
zwischen den Kriegen ein.<br />
Verwendete Abkürzungen:<br />
WB für Hilpoltsteiner Wochenblatt<br />
HIP für Hilpoltstein<br />
Die Kreisbauernkammer Mittelfranken<br />
teilt am 13.06.1921 mit, dass schwere<br />
Heerespferde für 6 Mark oder leichte<br />
Zugpferde für 4 Mark/Tag vom Wehrkreiskommando<br />
VII ausgeliehen werden können.<br />
In der Stadtratssitzung vom 17.06.1921<br />
beschloss man die Genehmigung zur Erhöhung<br />
des Pflasterzolls um 100 % einzuholen.<br />
Das Gesuch des Zweckverbandes<br />
für Jura – die Erschließungsstraßen auf Befreiung<br />
vom Pflasterzoll wurde abgelehnt.<br />
Am 4. Juli schildert das WB die prekäre<br />
Kohlenversorgung in Bayern. Die Absperrung<br />
Oberschlesiens führte zu einer Minderversorgung<br />
von 100.000 t/Jahr. Das<br />
sind 50 % des normalen Jahresbedarfs.<br />
Eine Aufhebung der Kohlenzwangswirtschaft<br />
ist deshalb noch nicht absehbar.<br />
Das amtliche Mitteilungsblatt der Eisenbahnbehörde<br />
berichtet am 02.07.1921<br />
Von einer umfangreichen Diebstahlsaktion<br />
auf dem Truppenübungsplatz Küstrin.<br />
4 schwere Feldhaubitzen und 14 Feldkanonen<br />
sind spurlos verschwunden. Zum<br />
Abtransport dieses umfangreichen Konvoluts<br />
ist eine komplette Mannschaft mit<br />
Zugpferden notwendig. Angeblich wurde<br />
der Diebstahl von niemandem bemerkt.<br />
In Russland herrscht eine Dürrekatastrophe.<br />
Es wird mit ca. 25 Millionen Hungertoten<br />
gerechnet.<br />
Der mittelfränkische Kreistag gewährt der<br />
Gemeinde Hofstetten einen Zuschuss von<br />
30.000 Mark für den Schulhausbau. Hofstetten<br />
hatte dafür schon einen Reichs- und<br />
Landeszuschuss von 16.000 Mark erhalten.<br />
Für die Kreistaubstummenanstalt hat<br />
der Kreistag einen Betriebskostenzuschuss<br />
von 10.000 Mark gewährt. Im Vorjahr waren<br />
es noch 750 Mark.<br />
Zum Thema Großschifffahrtsstraße<br />
schreibt das WB am 04.07.1921: Der Streit<br />
um die Trassenführung der Großschifffahrtswasserstraße<br />
Rhein-Main-Donau<br />
hat einen schweren Riss in den Bayerischen<br />
Kanalbauverein getragen. Die Sektionen<br />
in Bamberg, Regensburg und Würzburg<br />
haben schon längere Zeit gegen die<br />
Bestrebungen des Bayerischen Kanalbauvereins<br />
Stellung genommen, die bekanntlich<br />
dahin gehen, dass die Großschifffahrtswasserstrasse<br />
unter Ablehnung aller<br />
Abkürzungslinien auf großen Umwegen<br />
durch Bayern führen. Obengenannte Sektionen<br />
sehen nun in den Bestrebungen<br />
des Vereins eine schwere Gefährdung der<br />
ganzen Kanalidee, namentlich der an der<br />
Wasserstraße gelegenen Großstädte. Da<br />
eine Einigung bisher nicht möglich war,<br />
haben diese Sektionen beschlossen, aus<br />
dem Bayerischen Kanalverein auszutreten.<br />
Ein Betroffener der Wohnungszwangsbewirtschaftung,<br />
der gemäß des Stadtratsbeschlusses<br />
vom 26.06.1921 (der rechtlich<br />
auf sehr wackeligen Beinen stand)<br />
seine Wohnung räumen sollte zitierte die<br />
entsprechenden Wohnungsmangelverordnungen.<br />
Der Betroffene gab an, dass<br />
der damalige Bürgermeister die Wohnung<br />
nicht geteilt, sondern ganz für eine andere<br />
Familie haben wollte. Der Leserbriefstreit<br />
setzt sich am 06.07. fort. Stadtrat Bittner<br />
verweist auf das Bezirksamt und einige andere<br />
Wohnungen. Darunter befindet sich<br />
auch die obere Wohnung im Gasthaus Zur<br />
Krone. Dem Eigentümer des letztgenannten<br />
Anwesens wurden „mündliche“ Versprechen<br />
vonseiten des damaligen Bürgermeisters<br />
gemacht, wenn er Flüchtlinge<br />
aufnehmen würde.<br />
Am 06.07.1921 berichtet das WB von einem<br />
tragischen Vorfall aus Donauwörth.<br />
Ein 20jähriger hat im Garten seines Vaters<br />
einen 19jährigen der dort Kirschen stehlen<br />
wollte, erschossen. Felddiebstähle häufen<br />
sich wieder stark.<br />
Ein großer Bauerntag fand am 10.07.1921<br />
in HIP statt. Die im Hueber-Saale stattge-<br />
fundene öffentliche Versammlung des<br />
Christlichen Bauernvereins fand so großes<br />
Interesse, dass der Saal total überfüllt<br />
war. Bürgermeister Koller von Mörlach<br />
eröffnete statt des zurückgetretenen Bürgermeisters<br />
Hofmeier die Veranstaltung.<br />
Der Landtagsabgeordnete Dr. Zahnbrecher<br />
(Bayerische Volkspartei) hielt eine<br />
zweistündige, recht problematische Rede.<br />
Inhaltlich arbeitete er sich an seinem Gegner<br />
Georg Eisenberger (= der „Hutzenauer“<br />
vom Bayerischen Bauernbund und<br />
den Juden, die fast an allem Negativen<br />
schuld seien. „Nicht auf die Verfassung<br />
komme es an, sondern auf die Menschen“<br />
war eine seiner Aussagen. Für seine Rede<br />
erhielt er tosenden Beifall. Bei der nächsten<br />
Bayerische Bauernbund-Versammlung<br />
in Thalmässing missbilligte der Kreisvorsitzende<br />
Rudelsberger-Rohr die Passagen<br />
bezüglich des Bauernbunds und seiner<br />
Führer von Dr. Zahnbrecher. Anschließend<br />
sprach der Kreissekretär Dollinger vom<br />
Christlichen Bauernverein (stand der Bayerischen<br />
Volkspartei sehr nahe).<br />
Der Hilpoltsteiner Bahnhof bekommt heute<br />
eine elektrische Beleuchtung. So ist unser<br />
heuriger Aprilscherz Ernst geworden,<br />
war eine Meldung vom 13.07. 21. Aus dem<br />
Bericht über die Stadtratssitzung erfahren<br />
wir, dass die Sanitätskolonne HIP 20 Dezimale<br />
(2000 m²) am Stadtpark zum Bau eines<br />
Kolonnenhauses unentgeltlich erhält.<br />
Zusätzlich erhält die Sanitätskolonne von<br />
der Stadt ein Darlehen über 30.000 Mark.<br />
Über den Verlauf der geplanten Großschifffahrtsstraße<br />
berichtet das WB: Die<br />
Trasse führt von Roth über Hilpoltstein,<br />
Freystadt und Bachhausen nach Berching.<br />
Als Regelschiff wird das 1200 t tragende<br />
Schiff angenommen, selbst 1500 t-Schiffe<br />
können den Kanal noch befahren. Der Kanal<br />
wird an der Oberfläche ca. 25 – 30 m<br />
breit sein und eine Tiefe von 2,30 m aufweisen.<br />
In Thalmässing wird am 24.07. Das Landeckfest<br />
abgehalten. Die musikalische Begleitung<br />
übernimmt die Kapelle Kach aus<br />
HIP. Der TV zeigt turnerische Vorführungen.<br />
Der Festwirt Weglehner sorgt für die<br />
Verköstigung.<br />
Teil 9 in der nächsten Ausgabe<br />
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