STAHL + TECHNIK 10 2019 Leseprobe
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74 | KARRIERE<br />
Teamentwicklungsprozess nach Tuckmann<br />
Der US-amerikanische Psychologe Bruce Tuckmann entwickelte 1965 ein<br />
Phasenmodell für den Teamentwicklungsprozess. Ihm zufolge lassen sich in<br />
der Entwicklung von Teams vier Phasen unterscheiden.<br />
• Phase 1: Forming – die Findungsphase. Sie ist durch Unsicherheit<br />
geprägt. In ihr geht es zunächst darum, dass die Teammitglieder sich als<br />
Personen kennen und verstehen lernen sowie auf (erste) gemeinsame<br />
Ziele verständigen. Erste Regeln für die Zusammenarbeit werden formuliert,<br />
doch die Beziehungen der Teammitglieder zueinander stehen noch<br />
auf recht tönernen Füßen.<br />
• Phase 2: Storming – die Auseinandersetzungsphase. In ihr kommt es oft<br />
zu Unstimmigkeiten bezüglich der Prioritätensetzung bei der Arbeit und<br />
der Ressourcenverteilung. Es entstehen Machtkämpfe um die Führungsrolle<br />
und den Status in der Gruppe. Hieraus resultieren Spannungen<br />
zwischen den Teammitgliedern. Die Beziehungen sind noch konfliktbeladen,<br />
doch es erfolgen erste Abstimmungen bezüglich der Arbeitsorganisation.<br />
Die Teamleistung ist noch eher niedrig.<br />
• Phase 3: Norming – die Übereinkommensphase. In ihr werden die<br />
Normen und Regeln für die Zusammenarbeit sowie Kommunikation und<br />
wechselseitige Information definiert bzw. gefunden und eingehalten. Die<br />
Teammitglieder haben ihre Rollen im Team gefunden und es wird verstärkt<br />
kooperiert. Das wechselseitige Vertrauen und die wechselseitige<br />
Akzeptanz steigen und die Energie fokussiert sich zunehmend auf die<br />
gemeinsame Aufgabe.<br />
• Phase 4: Performing – die Leistungsphase. In ihr pendelt sich die<br />
Leistung des Teams auf einem gleichbleibend recht hohen Niveau ein. Die<br />
Teammitglieder agieren als Team und orientieren sich dabei an den<br />
gemeinsamen Zielen. Es herrscht eine Atmosphäre der wechselseitigen<br />
Anerkennung, Akzeptanz und Wertschätzung. Die Teammitglieder<br />
kommunizieren offen und vertrauensvoll miteinander, sie kooperieren und<br />
helfen sich gegenseitig. Entsprechend effektiv nehmen sie ihre (Team-)<br />
Aufgaben wahr.<br />
• Hans-Peter Machwürth<br />
Den Changebedarf aufgrund der<br />
Ziele definieren<br />
Basierend auf diesen Analyseergebnissen<br />
fragen sich die Teammitglieder anschließend<br />
unter Anleitung eines Beraters oder<br />
Coaches anhand der Aufgaben und Herausforderungen,<br />
vor denen sie im Arbeitsalltag<br />
stehen:<br />
• Wo besteht Veränderungsbedarf?<br />
• Welche „Kältezonen“ im Beziehungsnetzwerk<br />
sollten eher „Hotspots“ sein,<br />
damit wir als Team optimal funktionieren<br />
und die gemeinsamen Ziele erreichen?<br />
• Was sollte sich hierfür im Bereich<br />
Zusammenarbeit, Information und<br />
Kommunikation verändern? Und:<br />
• Welche Personen sollten z.B. enger<br />
kooperieren und intensiver miteinander<br />
kommunizieren?<br />
Aus diesem Abgleich leiten die Teammitglieder<br />
Regeln für das kollektive und individuelle<br />
(Kommunikations- und Informations-)Verhalten<br />
ab. Das heißt, sie<br />
verständigen sich auf Standards, die künftig<br />
für ihre Zusammenarbeit gelten – stets mit<br />
dem übergeordneten Ziel, die Wirksamkeit<br />
der einzelnen Mitglieder im Team zu erhöhen<br />
und dessen Performance zu steigern.<br />
Herausforderung: Entwicklung<br />
„virtueller“ Teams<br />
Dieses Vorgehen gewinnt speziell bei der<br />
Entwicklung crossfunktionaler sowie<br />
bereichs- und hierarchieübergreifender<br />
Teams an Bedeutung – bei deren Zusammenarbeit,<br />
wie Studien zeigen, oft noch<br />
ein großes Optimierungspotenzial besteht;<br />
außerdem beim Entwickeln standort- und<br />
unternehmensübergreifender Teams, die<br />
in der digitalen Welt sowie der globalisierten<br />
Wirtschaft an Bedeutung gewinnen.<br />
Denn bei diesen Teams handelt es sich in<br />
der Regel um mehr oder minder virtuelle<br />
Teams.<br />
Das heißt auch: Die Teammitglieder<br />
treffen sich nicht mehr nahezu täglich, weil<br />
sich ihre Arbeitsplätze unter einem Dach<br />
befinden, und tauschen sich hierbei – und<br />
sei es nur im Flur oder in der Kantine –<br />
auch über ihre (Zusammen-)Arbeit aus.<br />
Deshalb besteht gerade bei standort- bzw.<br />
unternehmensübergreifenden Teams oft<br />
die Notwendigkeit, die Zusammenarbeit<br />
gezielt zu organisieren und die Teamentwicklung<br />
mit System zu forcieren. Sonst<br />
erbringen sie die gewünschte Leistung<br />
nicht.<br />
Defizite beim „Forming“<br />
verursachen Folgeprobleme<br />
Das haben inzwischen viele Unternehmen<br />
erkannt. Deshalb steigt bei den auf die Personal-<br />
und Organisationsentwicklung spezialisierten<br />
Beratungsunternehmen die<br />
Nachfrage nach solchen Teamentwicklungsmaßnahmen.<br />
Gemeinsam ist ihnen:<br />
Das persönliche Sichbegegnen, Sichkennenlernen<br />
und Sicherleben spielt in ihnen<br />
eine zentrale Rolle, damit zwischen den<br />
Teammitgliedern eine persönliche Beziehung<br />
und Vertrauen entsteht.<br />
Entsprechend sind diese Teamentwicklungsmaßnahmen<br />
konzipiert. Eines ihrer<br />
Ziele ist stets: Die Teammitglieder sollen<br />
beim Lösen gemeinsamer Aufgaben die<br />
jeweils anderen als Mensch kennen und<br />
verstehen lernen. Das heißt, gerade bei<br />
den Teamentwicklungsmaßnahmen für<br />
virtuelle Teams wird oft nachträglich nochmals<br />
bewusst die erste Phase des Teamentwicklungsprozesses<br />
nach Tuckmann,<br />
das sogenannte „Forming“, durchlaufen,<br />
denn: Dieses kommt beim Bilden von virtuellen<br />
Teams, die häufig eher nach dem<br />
Zufallsprinzip und ad hoc sich formieren,<br />
oft zu kurz – auch weil die Mitglieder an<br />
verschiedenen Orten tätig sind.<br />
Hieraus erwachsen dann häufig auch<br />
Defizite im Bereich „Norming“, die in der<br />
Alltagsarbeit zu Irritationen und Konflikten<br />
führen. Dies gilt insbesondere für virtuelle<br />
<strong>STAHL</strong> + <strong>TECHNIK</strong> 1 (<strong>2019</strong>) Nr. <strong>10</strong>