STAHL + TECHNIK 10 2019 Leseprobe

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32 | TECHNIK Bild 3. Zersetzung der Alkalioxide in der Gasphase Bild 4. Mechanismus der Boudouard-Reaktion dem Alkalicarbonat gebildet wird. Dabei entsteht zunächst ein (KO) 2 CO-Kohlenstoff-Komplex, aus dem ein Sauerstoffatom (blau markiert) über eine neue Bindung auf den Kohlenstoff übertragen wird. Unter Abspaltung von CO bildet sich dann ein K 2 O-Kohlenstoffkomplex. Dieser ist der eigentliche Katalysator, weil er mit CO 2 wieder den (KO) 2 CO-Kohlenstoff-Komplex rückbildet, der ein O-Atom auf die Kohlenstoffoberfläche überträgt unter Bildung des genannten Sauerstoffkomplexes. Geschwindigkeitsbestimmend ist sein Zerfall unter Abspaltung von CO. Die katalytische Wirkung kommt dadurch zustande, dass der K 2 O-Komplex auf der Kohlenstoffoberfläche das Gleichgewicht zugunsten des Sauerstoffkomplexes verschiebt. Dieser Mechanismus wird durch Ergebnisse von Isotopenexperimenten mit 13 C und 18 O angereichertem CO 2 gestützt [38]. Während Alkali-Oxy-Verbindungen wie Carbonate, Sulfate und Nitrate eine ähnliche katalytische Aktivität haben, haben Silikate und insbesondere Aluminiumsilikate nahezu keine katalytische Aktivität [39]. Die Untersuchung der durch Alkalicarbonat katalysierten Vergasung von Koks [40] ergab eine verminderte katalytische Aktivität infolge der Reaktion mit enthaltenen Mineralien wie Quarz, Illit und Kaolin unter Bildung von Kaliummetasilikat K 2 SiO 3 und Kaliophillit KAlSiO 4 . Die Analyse von Koksproben aus dem Blasformbereich bei gestopptem Hochofenbetrieb zeigt klar eine Alkalianreicherung verglichen mit dem Einsatzkoks [9]. Aufgrund ihrer katalytischen Aktivität bei der Boudouard Reaktion wird dabei in freie und gebundene Alkalien im Koks unterschieden. Freie Alkalien im Koks katalysieren die Boudouard Reaktion. Sie sind wasserlöslich bei der Niedertemperaturveraschung. Gebundene Alkalien sind vorrangig Aluminiumsilikate wie KAl- SiO 4 , KAlSi 2 O 6 und NaAlSiO 4 und katalytisch inaktiv. Deshalb schützt die freie Kapazität an Aluminiumsilikat im „frischen“ Hochofenkoks diesen vor der katalytischen Boudouard-Reaktion. Deswegen ist fraglich, ob es im Hochofen bei der heutigen Limitierung des Alkalieintrags überhaupt zu einer alkalikatalysierten Boudouard-Reaktion unterhalb von 1.100 °C kommt. Davon unberührt ist die ebenfalls beobachtete Verringerung der Abriebfestigkeit des Kokses infolge freier Alkalien, weil es hier die Limitierung auf eine Temperatur unterhalb 1.100 °C nicht gibt und der Koks nach Umsetzung des freien Aluminiumsilikats weitere Alkalien aufnehmen kann. Der dieser Schwächung des Kokses zugrunde liegende Mechanismus ist unbekannt. Alkalicyanidbildung Bei der Alkalicyanidbildung im Hochofen muss zwischen dem chemischen Verhalten der Alkaliverbindungen in der Erz- und Koksschicht unterschieden werden. Die Bildung von Cyaniden aus den Elementen erfordert die Dissoziation des molekularen dreifach gebundenen Stickstoffs. Dazu muss die Dissoziationsenthalpie aufgewendet werden. Sie ist mit 942 KJ/mol sehr hoch [41]. Deswegen erfordert die Cyanidbildung aus den Elementen einen Katalysator, der das N 2 -Molekül spaltet wie z.B. metallisches Eisen. Die Kenntnisse dazu reichen zurück auf das Jahr 1839 [5]. Kaliumcyanid KCN wurde aus K 2 CO 3 , Aktivkohle und N 2 unter Verwendung von Eisenspänen hergestellt. Ohne diese gab es kein Kaliumcyanid. Diese Ergebnisse waren die Basis für die Entwicklung des Bucher-Prozesses zur Fixierung des atmosphärischen Stickstoffs in den USA während des Ersten Weltkriegs [6; 7] als Alternative zum in Deutschland entwickelten Haber-Bosch-Verfahren [42; 43]. Der Bucher-Prozess wird in einem koksbeheizten Schachtofen durchgeführt. Einsatzstoffe sind Briketts aus Soda, Koksgrus und Eisenspäne. Bei 1.050 °C wird ein Cyanid enthaltendes Produkt gewonnen, dass durch Hydrolyse mit Dampf zu Ammoniak NH 3 umgewandelt wird. NH 3 ist auch heute noch Rohstoff für die Herstellung von Salpetersäure, die zur Herstellung militärischer Sprengstoffe benötigt wird. Auch beim Haber-Bosch-Verfahren ist bis heute metallisches Eisen der Katalysator. Es reagiert mit molekularem N 2 über die sog. dissoziative Adsorption und anschließender Lösung des an der Oberfläche gebildeten atomaren Stickstoffs im Eisen [44]. Ebenfalls ist bekannt, dass metallisches Eisen die Boudouard-Rückreaktion katalysiert (Metaldusting). Es ist außerdem auch bekannt, dass flüssiges Roheisen im Kontakt mit einer Natriumsilikat enthaltenden Schlackenschmelze zu Cyanid in der Schlacke führt [45; 46]. Bild 5 zeigt den Mechanismus der Alkalicyanidbildung unter Hochofenbedingungen am Beispiel des Kaliums. In Gegenwart von metallischem Eisen kommt es durch den Kontakt mit CO und N 2 also zunächst zu einer Nitrierung und Aufkohlung des Eisens. Der Kontakt dieses N- und C-beladenen Eisens mit Kaliumdampf führt zur Umsetzung zu Kaliumcyaniddampf. Wegen der Notwendigkeit der Präsenz von metallischem Eisen als Katalysator ist eine Cyanidbildung nur in Möllerschichten mit metallischem Eisen zu erwarten, also frühestens bei Erreichen STAHL + TECHNIK 1 (2019) Nr. 10

TECHNIK | 33 des Möllers in der thermischen Reservezone des Hochofens. Für eine Kondensation des Kaliumcyaniddampfes müsste sein Partialdruck bei mehr als 0,1 bar liegen, was bei 2 bar Gesamtdruck einer Konzentration von 5 % Volumenanteil entspricht. Eine derart hohe Konzentration im Gas ist äußerst unwahrscheinlich. Alkalicarbonatbildung Für eine Alkalicarbonatbildung im Hochofen kommen zwei verschiedene Wege in Betracht, nämlich die Umsetzung von Alkalicyaniden mit H 2 O oder die Oxidation von Alkalimetalldampf durch festes Eisenoxid in Gegenwart von CO 2 . In trockenem CO 2 ist eine Umsetzung von Alkalicyaniden zu Carbonaten wegen der kinetischen Behinderung praktisch unmöglich, die Umsetzung mit Wasserdampf dagegen unproblematisch [47]. Alkalicyanide haben von allen hochofenrelevanten Alkaliverbindungen den höchsten Dampfdruck. Deshalb können sie mit dem Gas bis in den Schacht des Hochofens gelangen und sich dort auf der Oberfläche des Kokses bzw. des Möllers bei ausreichend niedriger Temperatur abscheiden. Auf der Koksoberfläche abgeschiedenes Alkalicyanid wird infolge Hydrolyse durch den natürlichen Wasserdampfgehalt des Gases im Hochofen zu Alkalicarbonaten umgesetzt unter Freisetzung von Ammoniak [48]. Beim Kontakt von Alkalicarbonat mit Koks existieren zwei mögliche parallele Folgereaktionen, nämlich die Reduktion zu Alkalimetall und die Bildung der extrem thermodynamisch stabilen Alkalialuminiumsilikate mit den Aschebestandteilen des Kokses. Solange die Aluminiumsilikate nicht alkaligesättigt sind, wird die Bildung der Alkalialuminiumsilikate immer bevorzugt sein. Eine Reduktion von Alkalicarbonat beim Kontakt mit Koks erfordert deshalb zunächst die vollständige Umsetzung des freien Aluminiumsilikats. Auf der Mölleroberfläche abgeschiedenes Alkalicyanid setzt sich anders um. Bild 6 zeigt den Reaktionsablauf am Beispiel des KCN. Die Hydrolyse auf der Koksoberfläche führt zunächst zur Bildung von Kaliumformiat unter Freisetzung von NH 3 . Dieses zersetzt sich über Kaliumoxalat zu Kaliumcarbonat. Auf der Mölleroberfläche oxidieren Eisenoxide (hier Magnetit) das Cyanid zu Cyanat. Dieses wird leicht in Bild 5. Mechanismus der Alkalicyanidbildung unter Hochofenbedingungen feuchter Gasatmosphäre bei einer Temperatur von oberhalb 300 °C hydrolysiert unter Freisetzung von NH 3 und intermediärer Bildung von Kaliumbicarbonat [49]. Dieses zersetzt sich zu Kaliumcarbonat unter Freisetzung von H 2 O und CO 2 . Das bei der Hydrolyse von Cyanid bzw. Cyanat freigesetzte gasförmige NH 3 reduziert Eisenoxide bei einer Temperatur von oberhalb 430 °C [50] bis zum metallischen Eisen unter Bildung von N 2 und H 2 O. Der NH 3 -Gehalt des Hochofengases ist deshalb nicht nur abhängig von der Hydrolyse des Cyanids oder Cyanats, sondern auch von der Oxidation durch Eisenoxide im oberen Hochofenschacht. Der zweite Weg zur Alkalicarbonatbildung beruht auf der Reduktion von Eisenoxiden durch Alkalimetalldampf in Gegenwart von CO und CO 2 , Bild 7. Die Wüstit-Reduktion in der thermischen Reservezone ist dabei von besonderer Bedeutung, weil sich bildendes Kaliumcarbonat die indirekte Reduktion des Wüstits durch CO katalysiert [51; 52]. Wüstit wird dabei parallel durch CO und Kaliumdampf zu metallischem Eisen und CO 2 sowie K 2 O als Intermediat reduziert und als Folgereaktion mit CO 2 zu Kaliumcarbonat umgesetzt, was bei der Temperatur der thermischen Reservezone flüssig ist. Diese Carbonatbildung setzt voraus, dass der Partialdruck des Kaliumdampfes im Hochofengas größer ist als der in der Dampfphase des reinen Kaliumcarbonats. Alkaliverdampfung Bild 6. Reaktionsablauf der Umwandlung von KCN in K 2 CO 3 Die Alkaliverdampfung erfolgt im unteren Teil des Hochofens. Dabei spielen folgende Prozesse eine Rolle: • Verdampfung des freien Alkalianteils von Koks im Bereich der Rast • Verdampfung der Alkalien bei der Vergasung von Koks und Kohle in der Wirbelzone • Transfer des fixen Alkalianteils des Restkokses im Zuge der Aufkohlung STAHL + TECHNIK 1 (2019) Nr. 10

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des Möllers in der thermischen Reservezone<br />

des Hochofens. Für eine Kondensation<br />

des Kaliumcyaniddampfes müsste<br />

sein Partialdruck bei mehr als 0,1 bar liegen,<br />

was bei 2 bar Gesamtdruck einer Konzentration<br />

von 5 % Volumenanteil entspricht.<br />

Eine derart hohe Konzentration im<br />

Gas ist äußerst unwahrscheinlich.<br />

Alkalicarbonatbildung<br />

Für eine Alkalicarbonatbildung im Hochofen<br />

kommen zwei verschiedene Wege in<br />

Betracht, nämlich die Umsetzung von<br />

Alkalicyaniden mit H 2 O oder die Oxidation<br />

von Alkalimetalldampf durch festes Eisenoxid<br />

in Gegenwart von CO 2 . In trockenem<br />

CO 2 ist eine Umsetzung von Alkalicyaniden<br />

zu Carbonaten wegen der kinetischen<br />

Behinderung praktisch unmöglich, die<br />

Umsetzung mit Wasserdampf dagegen<br />

unproblematisch [47].<br />

Alkalicyanide haben von allen hochofenrelevanten<br />

Alkaliverbindungen den höchsten<br />

Dampfdruck. Deshalb können sie mit<br />

dem Gas bis in den Schacht des Hochofens<br />

gelangen und sich dort auf der Oberfläche<br />

des Kokses bzw. des Möllers bei<br />

ausreichend niedriger Temperatur abscheiden.<br />

Auf der Koksoberfläche abgeschiedenes<br />

Alkalicyanid wird infolge Hydrolyse<br />

durch den natürlichen Wasserdampfgehalt<br />

des Gases im Hochofen zu Alkalicarbonaten<br />

umgesetzt unter Freisetzung von<br />

Ammoniak [48]. Beim Kontakt von Alkalicarbonat<br />

mit Koks existieren zwei mögliche<br />

parallele Folgereaktionen, nämlich die<br />

Reduktion zu Alkalimetall und die Bildung<br />

der extrem thermodynamisch stabilen<br />

Alkalialuminiumsilikate mit den Aschebestandteilen<br />

des Kokses. Solange die Aluminiumsilikate<br />

nicht alkaligesättigt sind,<br />

wird die Bildung der Alkalialuminiumsilikate<br />

immer bevorzugt sein. Eine Reduktion<br />

von Alkalicarbonat beim Kontakt mit Koks<br />

erfordert deshalb zunächst die vollständige<br />

Umsetzung des freien Aluminiumsilikats.<br />

Auf der Mölleroberfläche abgeschiedenes<br />

Alkalicyanid setzt sich anders um.<br />

Bild 6 zeigt den Reaktionsablauf am Beispiel<br />

des KCN. Die Hydrolyse auf der Koksoberfläche<br />

führt zunächst zur Bildung von<br />

Kaliumformiat unter Freisetzung von NH 3 .<br />

Dieses zersetzt sich über Kaliumoxalat zu<br />

Kaliumcarbonat. Auf der Mölleroberfläche<br />

oxidieren Eisenoxide (hier Magnetit) das<br />

Cyanid zu Cyanat. Dieses wird leicht in<br />

Bild 5. Mechanismus der Alkalicyanidbildung unter Hochofenbedingungen<br />

feuchter Gasatmosphäre bei einer Temperatur<br />

von oberhalb 300 °C hydrolysiert<br />

unter Freisetzung von NH 3 und intermediärer<br />

Bildung von Kaliumbicarbonat [49]. Dieses<br />

zersetzt sich zu Kaliumcarbonat unter<br />

Freisetzung von H 2 O und CO 2 .<br />

Das bei der Hydrolyse von Cyanid bzw.<br />

Cyanat freigesetzte gasförmige NH 3 reduziert<br />

Eisenoxide bei einer Temperatur von<br />

oberhalb 430 °C [50] bis zum metallischen<br />

Eisen unter Bildung von N 2 und H 2 O. Der<br />

NH 3 -Gehalt des Hochofengases ist deshalb<br />

nicht nur abhängig von der Hydrolyse<br />

des Cyanids oder Cyanats, sondern auch<br />

von der Oxidation durch Eisenoxide im<br />

oberen Hochofenschacht.<br />

Der zweite Weg zur Alkalicarbonatbildung<br />

beruht auf der Reduktion von Eisenoxiden<br />

durch Alkalimetalldampf in Gegenwart<br />

von CO und CO 2 , Bild 7. Die<br />

Wüstit-Reduktion in der thermischen<br />

Reservezone ist dabei von besonderer<br />

Bedeutung, weil sich bildendes Kaliumcarbonat<br />

die indirekte Reduktion des Wüstits<br />

durch CO katalysiert [51; 52]. Wüstit wird<br />

dabei parallel durch CO und Kaliumdampf<br />

zu metallischem Eisen und CO 2 sowie K 2 O<br />

als Intermediat reduziert und als Folgereaktion<br />

mit CO 2 zu Kaliumcarbonat umgesetzt,<br />

was bei der Temperatur der thermischen<br />

Reservezone flüssig ist. Diese<br />

Carbonatbildung setzt voraus, dass der<br />

Partialdruck des Kaliumdampfes im Hochofengas<br />

größer ist als der in der Dampfphase<br />

des reinen Kaliumcarbonats.<br />

Alkaliverdampfung<br />

Bild 6. Reaktionsablauf der Umwandlung von KCN in K 2 CO 3<br />

Die Alkaliverdampfung erfolgt im unteren<br />

Teil des Hochofens. Dabei spielen folgende<br />

Prozesse eine Rolle:<br />

• Verdampfung des freien Alkalianteils<br />

von Koks im Bereich der Rast<br />

• Verdampfung der Alkalien bei der Vergasung<br />

von Koks und Kohle in der Wirbelzone<br />

• Transfer des fixen Alkalianteils des<br />

Restkokses im Zuge der Aufkohlung<br />

<strong>STAHL</strong> + <strong>TECHNIK</strong> 1 (<strong>2019</strong>) Nr. <strong>10</strong>

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