STAHL + TECHNIK 10 2019 Leseprobe
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22 | NEUES AUS DER INDUSTRIE<br />
Georgsmarienhütte: Erster Gleichstrom-Lichtbogenofen Europas vor 25 Jahren eingeweiht<br />
Ein Meilenstein der Ressourceneffizienz<br />
Am 7. September 1994 wurde bei der Georgsmarienhütte GmbH der neue Gleichstrom-Lichtbogenofen offiziell<br />
eingeweiht – seinerzeit der erste seiner Art in Europa und eines der modernsten und ökologisch kompatibelsten<br />
Aggregate für die Stahlerzeugung. Dass die Stahlproduktion mit dem Elektrolichtbogenofen auch heute noch<br />
aktuell ist und in Sachen Klimaschutz die Nase vorn hat zeigt, dass damals auf die richtige Technik gesetzt wurde.<br />
Nachhaltiger als mit unserem Gleichstrom-Lichtbogenofen<br />
lässt sich<br />
Stahl heute überhaupt nicht produzieren“,<br />
betont Dr. Michael Merz, Geschäftsführer<br />
Technik der Georgsmarienhütte<br />
GmbH. So erzeuge der Elektrostahl bei<br />
seiner Herstellung gegenüber dem Hochofenverfahren<br />
fünf Mal weniger CO 2 .<br />
Dadurch seien in den letzten 25 Jahren am<br />
Standort Georgsmarienhütte bei der Produktion<br />
von 20 Mio. t Stahl 26 Mio. t CO 2<br />
eingespart worden.<br />
„Und zu guter Letzt kommt bei diesem<br />
Weg der Stahlerzeugung als Ausgangsrohstoff<br />
<strong>10</strong>0 % Schrott zum Einsatz“, so der<br />
Geschäftsführer. „Das ist ein perfekter<br />
Recyclingprozess, denn Stahl lässt sich<br />
ohne Qualitätsverlust unendlich viele Male<br />
wiederverwerten.“<br />
Ein Blick zurück<br />
Als vor 25 Jahren die rd. 1.000 Ehrengäste<br />
an der offiziellen Einweihung teilnahmen<br />
– unter ihnen der damalige Ministerpräsident<br />
Gerhard Schröder – galt das<br />
Augenmerk sicherlich weniger dem Klimaschutz<br />
als vielmehr der Standortsicherung.<br />
Hinter dem Stahlstandort lag ein<br />
gewaltiger Umstrukturierungsprozess:<br />
Erst ein Jahr zuvor war das Unternehmen<br />
von Dr. Jürgen Großmann unter dem<br />
Namen Georgsmarienhütte GmbH als<br />
Management-Buy-out aus dem Klöckner-<br />
Konzern übernommen worden. Eine der<br />
ersten Entscheidungen unter neuer Führung<br />
war die für einen modernen Elektrolichtbogenofen.<br />
Eine <strong>10</strong>0-Mio.-DM-Investition.<br />
Denn der „trockene“ Standort<br />
Georgsmarienhütte ohne direkte Anbindung<br />
an Wasserwege hatte immer schon<br />
einen Nachteil: Für die Stahlerzeugung<br />
mittels Hochofen und Konverter benötigtes<br />
Eisenerz und Koks mussten teuer über<br />
den Landweg transportiert werden. Demgegenüber<br />
hatte der E-Ofen den Vorteil,<br />
dass er ausschließlich Stahlschrott als<br />
Ausgangsmaterial benötigt und zudem flexibler<br />
produzieren kann. Und so erfolgte<br />
nach 136 Jahren wechselvoller Geschichte<br />
der letzte Abstich des Hochofens am<br />
25. Mai 1994. Was dann folgte, glich einer<br />
Operation am offenen Herzen: Nach lediglich<br />
sechs Wochen sollte und musste der<br />
neue E-Ofen gebaut werden und in<br />
Betrieb gehen. Es gelang. Die alte Hochofenanlage<br />
wurde letztlich im August<br />
1996 unter großem öffentlichen Interesse<br />
gesprengt. Viel Schrott aus den nicht<br />
mehr benötigten und abgebrochenen<br />
Hochofenanlagen wanderte in den neuen<br />
Ofen – auch hier ein perfekter Recyclingprozess.<br />
Ideal für einen „trockenen“<br />
Standort<br />
Heute wird der Gleichstrom-Lichtbogenofen<br />
mit Schrott befüllt, der aus aller Welt<br />
beschafft wird. Sortiert und klassifiziert<br />
wird er, größtenteils per Eisenbahn, im<br />
Stahlwerk angeliefert. Ein Schrottlager auf<br />
dem Werksgelände gibt es nicht mehr.<br />
Daher werden mit hohem logistischem<br />
Aufwand und engen Absprachen immer<br />
genau die richtigen Schrottsorten für die<br />
geplante Produktion bereitgestellt. Für<br />
jede zu erzeugende Stahlsorte wird ein<br />
ganz spezielles „Schrottmenü“ zusammengestellt<br />
und eingeschmolzen.<br />
Auch nach 25 Jahren auf aktuellem<br />
Stand<br />
Wie ist es um die Zukunft des E-Ofens<br />
bestellt? „Der E-Ofen wird ständig instandgehalten<br />
und modernisiert. Er entspricht<br />
heute dem aktuellen Stand der Technik<br />
und wird auch in Zukunft dem technischen<br />
Fortschritt angepasst“, so Merz. Um noch<br />
nachhaltiger zu arbeiten, wird z.B. inzwischen<br />
ein Teil der Abwärme aus der Stahlproduktion<br />
des E-Ofens in das bestehende<br />
Fernwärmenetz der Stadtwerke Georgsmarienhütte<br />
eingespeist. So können über<br />
900 t CO 2 pro Jahr eingespart werden.<br />
„Die Georgsmarienhütte GmbH ist heute<br />
eines der modernsten Stahlwerke Europas<br />
und gehört zu den Technologieführern der<br />
Branche“, erklärt der Geschäftsführer. Ein<br />
Ergebnis, das die Gäste der offiziellen Einweihung<br />
vor 25 Jahren sich wahrscheinlich<br />
erhofft, aber sicher nicht alle erwartet<br />
haben.<br />
Der Gleichstrom-Lichtbogenofen der Georgsmarienhütte GmbH entspricht heute dem<br />
aktuellen Stand der Technik (Foto: Georgsmarienhütte)<br />
• Georgsmarienhütte<br />
<strong>STAHL</strong> + <strong>TECHNIK</strong> 1 (<strong>2019</strong>) Nr. <strong>10</strong>