ZAP-2019-20

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18.10.2019 Aufrufe

Anwaltsmagazin ZAP auf Fahrradschutzstreifen zu Problemen führen könne. Es sei dann nicht mehr möglich, betagte und gehbehinderte Menschen bis beispielsweise vor die Arztpraxis zu fahren, anzuhalten und sie dort aussteigen zu lassen. Auch die Situation von Paketauslieferern gelte es zu bedenken. Da ein solches Halten im Grunde immer eine Behinderung darstelle, drohten Bußgeldbescheide und Punkte. Die Expertin vom Auto Club Europa (ACE) kritisierte die geplante Freigabe von Busspuren für Pkw mit mehr als drei Insassen und Elektrokleinstfahrzeuge. Dadurch könne der Öffentliche Personennahverkehr an Attraktivität verlieren. Positiv äußerte sie sich zu den Schutzstreifen für Fahrradfahrer auf Landstraßen mit einer geringen Nutzung, bei denen der Bau von Fahrradwegen nicht vertretbar sei. Diese Schutzstreifen schafften mehr Aufmerksamkeit für Radfahrer. Der Vertreter des Deutschen Instituts für Urbanistik sah die Einführung eines Verkehrszeichens für Fahrradzonen als nicht erforderlich an, da Fahrradstraßen streckenbezogen im Zuge von Fahrradrouten sinnvoll seien, jedoch nicht im Zuge einer Zonenregelung. Alternativ sei zu empfehlen, dass Radfahrer in Tempo-30-Zonen generell nebeneinander fahren dürfen. Diese Regelung sei nicht nur wesentlich einfacher vermittelbar, sondern würde auch ohne zusätzlichen Beschilderungsaufwand zum gleichen Ergebnis führen. Schließlich warnte ein Professor von der Friedrich- Schiller-Universität Jena davor, StVG und StVO mit Verbotsregelungen zu überfrachten, deren Einhaltung in der tagtäglichen Praxis nicht überwacht werden könnte und deren Missachtung daher auch nicht sanktioniert werde. Dies würde letztlich zulasten der Akzeptanz und Überzeugungskraft der Regelungen gehen, mahnte er. [Quelle: Bundestag] Zahlen der EU-Kommission zum Mehrwertsteuerbetrug Anfang September hat die EU-Kommission eine Studie vorgestellt, die sich mit Steuermindereinnahmen bei der Umsatzsteuer befasst (Study and Reports on the VAT Gap in the EU-28 Member States). Ihr zufolge entgingen den EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2017 Mehrwertsteuereinnahmen i.H.v. 137 Mrd. €. Die sog. Mehrwertsteuerlücke – d.h. die Differenz zwischen den erwarteten Mehrwertsteuereinnahmen und dem tatsächlich erhobenen Betrag – hat sich zwar im Vergleich zu den Vorjahren leicht verringert, ist jedoch nach wie vor sehr groß. Die sog. Mehrwertsteuerlücke ist ein Indikator für die Wirksamkeit der Durchsetzungs- und Compliancemaßnahmen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, da sie als Schätzwert für Mindereinnahmen aufgrund von Steuerbetrug, -hinterziehung und -umgehung sowie von Insolvenzen, Zahlungsunfähigkeit und fehlerhaften Berechnungen dient. Am größten war die Lücke 2017 in Rumänien; dort entgingen dem Staat 36 % der erwarteten Mehrwertsteuer. Es folgten Griechenland (34 %) und Litauen (25 %). Die geringsten Mehrwertsteuerlücken wurden in Schweden, Luxemburg und Zypern verzeichnet, wo durchschnittlich nur 1 % der Mehrwertsteuereinnahmen verloren ging. In Deutschland beträgt die Lücke 9,9 %. In absoluten Zahlen weist Italien mit rund 33,5 Mrd. € die größte Lücke bei den Mehrwertsteuereinnahmen auf. Auch Deutschland liegt mit rund 25 Mrd. € im oberen Bereich. Zum Vergleich: In Frankreich gingen 2017 „nur“ 12 Mrd. € verloren, in Großbritannien waren es 19 Mrd. €. Nach wie vor gibt es große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. In 25 Mitgliedstaaten verkleinerte sich die Mehrwertsteuerlücke, in dreien wurde sie größer. Malta (minus 7 %), Polen (minus 6 %) und Zypern (minus 4 %) konnten ihre Mehrwertsteuerverluste besonders stark reduzieren. Sieben Mitgliedstaaten (Slowenien, Italien, Luxemburg, die Slowakei, Portugal, Tschechien und Frankreich) erzielten ebenfalls achtbare Ergebnisse und verringerten die Mehrwertsteuerlücke um mehr als 2 %. Die Mehrwertsteuerlücke vergrößerte sich erheblich in Griechenland (plus 2,6 %) und Lettland (plus 1,9 %), in Deutschland nahm sie leicht zu (plus 0,2 %). In der gesamten EU ist die Mehrwertsteuerlücke im Jahr 2017 nominal um 8 Mrd. € auf 137,5 Mrd. € zurückgegangen; damit war der Rückgang ähnlich wie 2016 (minus 7,8 Mrd. €). Die Mehrwert- 1048 ZAP Nr. 20 23.10.2019

ZAP Anwaltsmagazin steuerlücke im Jahr 2017 entsprach 11,2 % der Mehrwertsteuereinnahmen in der EU, gegenüber 12,2 % im Jahr zuvor. Dieser Abwärtstrend setzt sich nun schon das fünfte Jahr in Folge fort. Laut EU-Kommission zeigen diese Zahlen wieder einmal, wie wichtig die bereits 2017 von der EU vorgeschlagene Reform der Mehrwertsteuervorschriften, die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und die Durchsetzung der Vorschriften für legale Unternehmen und Händler sind. Der Kommissar für Wirtschaftsund Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll, PIERRE MOSCOVICI, erklärte dazu: „Das günstige Wirtschaftsklima und einige kurzfristige politische Lösungen, die die EU eingeführt hat, haben 2017 zur Reduzierung der Mehrwertsteuerlücke beigetragen. Um jedoch noch größere Fortschritte zu erzielen, müssen wir das Mehrwertsteuersystem umfassend reformieren, damit es weniger betrugsanfällig ist. Unsere Vorschläge zur Einführung eines endgültigen, unternehmensfreundlichen Mehrwertsteuersystems liegen nach wie vor auf dem Tisch. Die Mitgliedstaaten können es sich nicht erlauben, untätig zu bleiben, während ihnen durch Karussellbetrug und systemimmanente Unstimmigkeiten Milliarden verloren gehen.“ [Quelle: EU-Kommission] DAV fordert Rückkehr zum alten Überschuldungsbegriff Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat sich mit den Auswirkungen der jüngsten Insolvenz im Reisemarkt (Thomas Cook) auf deutsche Touristen befasst und ist der Auffassung, dass eine der Ursachen dieser Pleite im fehlenden Überschuldungsbegriff des britischen Insolvenzrechts zu suchen ist. Die Insolvenz des Thomas-Cook-Konzerns, so der DAV, treffe Hundertausende von Touristen, sie gefährde aber auch zahlreiche Arbeitsplätze in Deutschland. Der Umfang und die hohe Zahl der Geschädigten resultierten vor allem aus der Tatsache, dass das britische Recht den Insolvenzauslösetatbestand der Überschuldung nicht kenne. Aber auch in Deutschland sieht der Verein ein ähnliches Problem: Die Überschuldung als Tatbestand für die Insolvenzauslösung könne nach der InsO ausgesetzt werden, wenn die Fortführung „überwiegend wahrscheinlich“ sei. De facto maßgeblich für eine Insolvenz sei daher aktuell nur die Zahlungsunfähigkeit. Der DAV kritisiert, dass überschuldete Unternehmen dann, wenn sie für sich die Wahrscheinlichkeit sehen, künftig wieder die Liquidität zu erreichen, weiterarbeiten und damit auch weiterhin operative Verluste produzieren. Dabei nutzten sie zur Schöpfung von Liquidität unterschiedliche Quellen: etwa Anleihen und Schuldscheine, aber auch die Anzahlungen auf in der Zukunft liegende Leistungen wie etwa Reisen. Für den Verbraucher bedeute seine Vorleistung oft unbewusst die Vergabe eines ungesicherten Kredits an ein nur eingeschränkt kreditwürdiges Unternehmen. So habe auch Thomas Cook über längere Zeit seine Liquidität erhalten. Der DAV fordert daher, statt wie jetzt bei der Thomas-Cook-Tochtergesellschaft Condor immer wieder das Einspringen des Staats zu fordern, vielmehr die Unternehmen zu verpflichten, die Vorauszahlungen der Touristen auf einem gesonderten Treuhandkonto zu separieren. Auch solle der alte Überschuldungsbegriff des § 19 InsO wieder eingeführt werden. Leider sei dieser im Zusammenhang mit der Lehman- Krise „nachhaltig entschärft“ worden. Er habe vorgeschrieben, dass ein Unternehmen Insolvenzantrag stellen musste, wenn das Eigenkapital die Verbindlichkeiten nicht mehr deckte. Ein dauerhaftes Weiterwirtschaften mit Verlusten sei damit bei gesetzeskonformem Verhalten ausgeschlossen gewesen. Jetzt dagegen trage der Verbraucher das Risiko einer fehlerhaften Prognose zur zukünftigen Liquidität des Unternehmens. „Ein Gesetz für die Pflicht zur Insolvenzantragstellung bei Überschuldung wäre gelebter Verbraucherschutz“, so das Resümee des Vereins. [Quelle: DAV] Personalia Der neue Präsident des Gerichts der Europäischen Union (EuG) heißt MARC VAN DER WOUDE. Er wurde am 27.9.2019 von seinen Richterkollegen für die Amtszeit bis zum 31.8.2022 gewählt. Der ehemalige Rechtsanwalt und Professor an der Erasmus-Universität Rotterdam folgt in diesem Amt MARC JAEGER nach, der nicht mehr kandidiert ZAP Nr. 20 23.10.2019 1049

Anwaltsmagazin<br />

<strong>ZAP</strong><br />

auf Fahrradschutzstreifen zu Problemen führen<br />

könne. Es sei dann nicht mehr möglich, betagte<br />

und gehbehinderte Menschen bis beispielsweise<br />

vor die Arztpraxis zu fahren, anzuhalten und sie<br />

dort aussteigen zu lassen. Auch die Situation von<br />

Paketauslieferern gelte es zu bedenken. Da ein<br />

solches Halten im Grunde immer eine Behinderung<br />

darstelle, drohten Bußgeldbescheide und<br />

Punkte.<br />

Die Expertin vom Auto Club Europa (ACE) kritisierte<br />

die geplante Freigabe von Busspuren für<br />

Pkw mit mehr als drei Insassen und Elektrokleinstfahrzeuge.<br />

Dadurch könne der Öffentliche<br />

Personennahverkehr an Attraktivität verlieren.<br />

Positiv äußerte sie sich zu den Schutzstreifen für<br />

Fahrradfahrer auf Landstraßen mit einer geringen<br />

Nutzung, bei denen der Bau von Fahrradwegen<br />

nicht vertretbar sei. Diese Schutzstreifen schafften<br />

mehr Aufmerksamkeit für Radfahrer.<br />

Der Vertreter des Deutschen Instituts für Urbanistik<br />

sah die Einführung eines Verkehrszeichens<br />

für Fahrradzonen als nicht erforderlich an, da<br />

Fahrradstraßen streckenbezogen im Zuge von<br />

Fahrradrouten sinnvoll seien, jedoch nicht im<br />

Zuge einer Zonenregelung. Alternativ sei zu<br />

empfehlen, dass Radfahrer in Tempo-30-Zonen<br />

generell nebeneinander fahren dürfen. Diese<br />

Regelung sei nicht nur wesentlich einfacher<br />

vermittelbar, sondern würde auch ohne zusätzlichen<br />

Beschilderungsaufwand zum gleichen Ergebnis<br />

führen.<br />

Schließlich warnte ein Professor von der Friedrich-<br />

Schiller-Universität Jena davor, StVG und StVO<br />

mit Verbotsregelungen zu überfrachten, deren<br />

Einhaltung in der tagtäglichen Praxis nicht überwacht<br />

werden könnte und deren Missachtung<br />

daher auch nicht sanktioniert werde. Dies würde<br />

letztlich zulasten der Akzeptanz und Überzeugungskraft<br />

der Regelungen gehen, mahnte er.<br />

[Quelle: Bundestag]<br />

Zahlen der EU-Kommission zum<br />

Mehrwertsteuerbetrug<br />

Anfang September hat die EU-Kommission eine<br />

Studie vorgestellt, die sich mit Steuermindereinnahmen<br />

bei der Umsatzsteuer befasst (Study and<br />

Reports on the VAT Gap in the EU-28 Member<br />

States). Ihr zufolge entgingen den EU-Mitgliedstaaten<br />

im Jahr <strong>20</strong>17 Mehrwertsteuereinnahmen<br />

i.H.v. 137 Mrd. €. Die sog. Mehrwertsteuerlücke –<br />

d.h. die Differenz zwischen den erwarteten Mehrwertsteuereinnahmen<br />

und dem tatsächlich erhobenen<br />

Betrag – hat sich zwar im Vergleich zu<br />

den Vorjahren leicht verringert, ist jedoch nach<br />

wie vor sehr groß.<br />

Die sog. Mehrwertsteuerlücke ist ein Indikator für<br />

die Wirksamkeit der Durchsetzungs- und Compliancemaßnahmen<br />

der Mitgliedstaaten auf dem<br />

Gebiet der Mehrwertsteuer, da sie als Schätzwert<br />

für Mindereinnahmen aufgrund von Steuerbetrug,<br />

-hinterziehung und -umgehung sowie von<br />

Insolvenzen, Zahlungsunfähigkeit und fehlerhaften<br />

Berechnungen dient.<br />

Am größten war die Lücke <strong>20</strong>17 in Rumänien;<br />

dort entgingen dem Staat 36 % der erwarteten<br />

Mehrwertsteuer. Es folgten Griechenland (34 %)<br />

und Litauen (25 %). Die geringsten Mehrwertsteuerlücken<br />

wurden in Schweden, Luxemburg<br />

und Zypern verzeichnet, wo durchschnittlich nur<br />

1 % der Mehrwertsteuereinnahmen verloren ging.<br />

In Deutschland beträgt die Lücke 9,9 %.<br />

In absoluten Zahlen weist Italien mit rund 33,5<br />

Mrd. € die größte Lücke bei den Mehrwertsteuereinnahmen<br />

auf. Auch Deutschland liegt mit rund<br />

25 Mrd. € im oberen Bereich. Zum Vergleich: In<br />

Frankreich gingen <strong>20</strong>17 „nur“ 12 Mrd. € verloren, in<br />

Großbritannien waren es 19 Mrd. €.<br />

Nach wie vor gibt es große Unterschiede zwischen<br />

den Mitgliedstaaten. In 25 Mitgliedstaaten<br />

verkleinerte sich die Mehrwertsteuerlücke, in<br />

dreien wurde sie größer. Malta (minus 7 %), Polen<br />

(minus 6 %) und Zypern (minus 4 %) konnten ihre<br />

Mehrwertsteuerverluste besonders stark reduzieren.<br />

Sieben Mitgliedstaaten (Slowenien, Italien,<br />

Luxemburg, die Slowakei, Portugal, Tschechien<br />

und Frankreich) erzielten ebenfalls achtbare Ergebnisse<br />

und verringerten die Mehrwertsteuerlücke<br />

um mehr als 2 %. Die Mehrwertsteuerlücke<br />

vergrößerte sich erheblich in Griechenland (plus<br />

2,6 %) und Lettland (plus 1,9 %), in Deutschland<br />

nahm sie leicht zu (plus 0,2 %).<br />

In der gesamten EU ist die Mehrwertsteuerlücke<br />

im Jahr <strong>20</strong>17 nominal um 8 Mrd. € auf 137,5 Mrd. €<br />

zurückgegangen; damit war der Rückgang ähnlich<br />

wie <strong>20</strong>16 (minus 7,8 Mrd. €). Die Mehrwert-<br />

1048 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>20</strong> 23.10.<strong><strong>20</strong>19</strong>

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