ZAP-2019-20

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18.10.2019 Aufrufe

Kolumne ZAP der Anwältinnen bei 54,7 %. Doch die Soldan Studie sieht noch einen anderen Grund für die überproportionale Zunahme der Syndikusanwaltschaft: Frauen seien eher als Männer daran interessiert, in einem Angestelltenverhältnis zu arbeiten. Nach wie vor ist die Anwaltschaft jedoch unternehmerisch geprägt. Lediglich 20 % der Anwaltschaft ist angestellt. Nur beim Berufseinstieg ist das anders. Da ist die Mehrheit (72 %) angestellt. Diese Tätigkeit verlagert sich aber sehr schnell in Richtung unternehmerische Berufsausübung, so KILIAN. Und diese sieht bei Anwältinnen anders aus als bei Anwälten. Laut Soldan Studie sind 68 % der Frauen und 86 % der Männer Miteigentümer in den Kanzleien, in denen sie tätig sind. Viele der Frauen sind aber in sehr kleinen Einheiten, in Einzelkanzleien oder Bürogemeinschaften tätig. Das ist nicht verwunderlich. Nach wie vor ist der Beruf männlich dominiert. Der Anteil der Anwältinnen an der Gesamtanwaltschaft liegt derzeit bei 35,13 %. Bei Beginn der Statistik der BRAK 1970 lag er bei 4,52 %. Dementsprechend sind Anwältinnen im Schnitt zwangsläufig jünger, da sie erst in den letzten beiden Jahrzehnten in größerer Anzahl ihre Zulassung erhielten. Und demzufolge haben überwiegend Männer nahezu alle Machtpositionen in Sozietäten inne. Und diese Männer sind traditionell geprägt. Auch wenn sie wissen, dass die Geschlechterrollen sich geändert haben, wirken ihre Geschlechterstereotypen nach. Bei der Einstellung verfahren sie allzu oft nach dem Ähnlichkeitsprinzip. Frauen erscheinen da häufig noch als die „Anderen“, mit denen man nicht ein gemeinsames Vorverständnis – und sei es nur im Hinblick auf Fußball – teilt, wie ULRIKE SCHULZ in ihrem Aufsatz „Haben Frauen in der Anwaltschaft schlechte Karten?“ in den BRAK Mitteilungen 5/ 2018 konstatiert. Der Arbeitsmodus dieser männlich geprägten Kanzleien sieht lange, ungeregelte und zum Teil unplanbare Arbeitszeiten vor und belohnt diejenigen, welche die meisten Stunden erbringen. Stellen sich diese Kanzleien nicht auf die veränderte Anwaltschaft mit ihrer Forderung nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein, werden sie in Zukunft bei dem Kampf um juristischen Nachwuchs das Nachsehen haben, besagt die Soldan Studie. Großkanzleien und viele wirtschaftsrechtlich geprägte Kanzleien haben das erkannt und bieten nun auch Programme zur Partnerschaft in Teilzeit an, was noch vor zehn Jahren undenkbar war. Doch bei den kleineren und mittleren Sozietäten tut sich im Hinblick auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch wenig. Ideen sind Mangelware. Was die grundsätzliche Vereinbarkeit von Familie im Beruf für die Anwältinnen angeht, ist zwar vieles erreicht, aber nicht genug. Immer noch sind nicht ausreichend Betreuungsmöglichkeiten für Kinder gegeben. Von einer partnerschaftlichen Arbeitsteilung sind wir in Deutschland noch um Einiges entfernt. Selbstständige Frauen haben keinen Mutterschutz. Privat krankenversicherte Schwangere müssen sich um ihre finanzielle Absicherung während der Elternzeit selbst kümmern. Hier sind die Gesellschaft und der Gesetzgeber gefordert. Es gilt weiter für bessere Rahmenbedingungen zu kämpfen. Denn wir können es uns schlichtweg nicht leisten, auf die Frauen und ihre Kompetenzen zu verzichten – sowohl in wirtschaftlicher als auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht. Denn letztlich ist es ein Gebot der Geschlechtergerechtigkeit – Repräsentation, Gleichbehandlung und Antidiskriminierung sind Gerechtigkeitsfragen. Die Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen setzt sich für die Anwältinnen ein und ist auf dem nächsten DAT in Wiesbaden zum Thema „Die Kanzlei als Unternehmen“ dabei, u.a. mit der Veranstaltung „Die Anwältin als Unternehmerin – Finanzieller Erfolg durch Spezialisierung“. Rechtsanwältin CHRISTINA DILLENBURG, Stellv. Vorsitzende AG Anwältinnen im DAV, Essen 1044 ZAP Nr. 20 23.10.2019

ZAP Anwaltsmagazin Anwaltsmagazin 60 Jahre Bundesrechtsanwaltskammer Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat am 1. Oktober ihr 60-jähriges Bestehen gefeiert. Die erste Hauptversammlung der Kammer fand vor genau 60 Jahren am 1.10.1959 in Würzburg statt. Seither vertritt die BRAK als Dachorganisation der 28 Rechtsanwaltskammern die Gesamtinteressen der Anwaltschaft gegenüber dem Bundestag, dem Bundesrat, den Ministerien, aber auch gegenüber den Gerichten, beispielsweise dem Bundesverfassungsgericht. Durch Eingaben und Stellungnahmen wirkt sie aktiv an Gesetzgebungsvorhaben mit. Auf diese Weise führt die BRAK seit nun schon sechs Jahrzehnten den rechtspolitischen Diskurs im nationalen und internationalen Kontext. Insbesondere die ständig zunehmende Bedeutung der europäischen Rechtsetzung erfordert eine wirksame und effektive Interessenvertretung der deutschen Anwaltschaft auch bei den europäischen Institutionen. Das Brüsseler Büro der BRAK hat die Aufgabe, Aktivitäten und Vorhaben der EU-Institutionen zu beobachten, die Kontakte mit den Abgeordneten des Europäischen Parlaments, den Kommissionsbeamten und den Vertretern des Rates zu pflegen und durch fundierte Stellungnahmen Einfluss auf europäische Gesetzesvorhaben zu nehmen. Auch auf internationaler Ebene engagiert sich die BRAK durch regen Austausch mit Anwaltschaften aus der ganzen Welt, z.B. durch das Internationale Anwaltsforum, zu dem regelmäßig anwaltliche Vertreter aus über 30 Ländern anreisen. Untrennbar verknüpft mit der Gründung der Bundesrechtsanwaltskammer ist das Inkrafttreten der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), die im August 1959 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde. Mit ihr wurde erstmals eine gesetzliche Regelung zu einer Dachorganisation der Anwaltschaft geschaffen. „Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege“, heißt es in § 1 BRAO. Dieser kurze Satz beschreibt präzise die besondere Stellung der Rechtsanwaltschaft und ihre Bedeutung für unseren Rechtsstaat. Den 60. Geburtstag feierte die BRAK ganz bescheiden – jedoch inhaltlich fundiert – mit einer Festschrift, herausgegeben vom früheren Richter am BVerfG Prof. Dr. REINHARD GAIER, der seit dem 1. September dieses Jahres auch neuer Schlichter bei der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft ist. Prominente Rechtslehrer, Rechtshistoriker und Vertreter aus der Anwaltschaft beleuchten darin die Geschichte der Anwaltschaft und die Entwicklungen im Anwaltsrecht der vergangenen Jahrzehnte. Das 408 Seiten umfassende Werk ist unter der ISBN 978-3-504-06055-8 im Buchhandel erhältlich. [Quelle: BRAK] BRAK dringt auf Klärung bei Auslandsdienstreisen Seit Mai 2010 müssen Dienst- und Geschäftsreisende ins Ausland die sog. A1-Bescheinigung für die vorübergehende Erwerbstätigkeit eines Selbstständigen bzw. für die Entsendung einer abhängig beschäftigten Person ins EU- und EFTA-Ausland mitführen. Grundlage hierfür ist die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Sozialsysteme, deren Ziel es ist, Sozialversicherungsbetrug zu verhindern. Auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte fallen unter diese Bestimmung. Dass die Regelung jedoch auf Freiberufler wie Anwälte nicht recht passt, hat kürzlich HUFF in der ZAP-Kolumne („Ein ZAP Nr. 20 23.10.2019 1045

Kolumne<br />

<strong>ZAP</strong><br />

der Anwältinnen bei 54,7 %. Doch die Soldan<br />

Studie sieht noch einen anderen Grund für die<br />

überproportionale Zunahme der Syndikusanwaltschaft:<br />

Frauen seien eher als Männer daran<br />

interessiert, in einem Angestelltenverhältnis zu<br />

arbeiten.<br />

Nach wie vor ist die Anwaltschaft jedoch unternehmerisch<br />

geprägt. Lediglich <strong>20</strong> % der Anwaltschaft<br />

ist angestellt. Nur beim Berufseinstieg ist<br />

das anders. Da ist die Mehrheit (72 %) angestellt.<br />

Diese Tätigkeit verlagert sich aber sehr schnell in<br />

Richtung unternehmerische Berufsausübung, so<br />

KILIAN.<br />

Und diese sieht bei Anwältinnen anders aus als<br />

bei Anwälten. Laut Soldan Studie sind 68 % der<br />

Frauen und 86 % der Männer Miteigentümer in<br />

den Kanzleien, in denen sie tätig sind. Viele der<br />

Frauen sind aber in sehr kleinen Einheiten, in<br />

Einzelkanzleien oder Bürogemeinschaften tätig.<br />

Das ist nicht verwunderlich. Nach wie vor ist der<br />

Beruf männlich dominiert. Der Anteil der Anwältinnen<br />

an der Gesamtanwaltschaft liegt derzeit<br />

bei 35,13 %. Bei Beginn der Statistik der BRAK 1970<br />

lag er bei 4,52 %. Dementsprechend sind Anwältinnen<br />

im Schnitt zwangsläufig jünger, da sie erst<br />

in den letzten beiden Jahrzehnten in größerer<br />

Anzahl ihre Zulassung erhielten. Und demzufolge<br />

haben überwiegend Männer nahezu alle Machtpositionen<br />

in Sozietäten inne. Und diese Männer<br />

sind traditionell geprägt. Auch wenn sie wissen,<br />

dass die Geschlechterrollen sich geändert haben,<br />

wirken ihre Geschlechterstereotypen nach. Bei<br />

der Einstellung verfahren sie allzu oft nach dem<br />

Ähnlichkeitsprinzip. Frauen erscheinen da häufig<br />

noch als die „Anderen“, mit denen man nicht ein<br />

gemeinsames Vorverständnis – und sei es nur im<br />

Hinblick auf Fußball – teilt, wie ULRIKE SCHULZ in<br />

ihrem Aufsatz „Haben Frauen in der Anwaltschaft<br />

schlechte Karten?“ in den BRAK Mitteilungen 5/<br />

<strong>20</strong>18 konstatiert. Der Arbeitsmodus dieser männlich<br />

geprägten Kanzleien sieht lange, ungeregelte<br />

und zum Teil unplanbare Arbeitszeiten vor und<br />

belohnt diejenigen, welche die meisten Stunden<br />

erbringen.<br />

Stellen sich diese Kanzleien nicht auf die veränderte<br />

Anwaltschaft mit ihrer Forderung nach<br />

Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein, werden<br />

sie in Zukunft bei dem Kampf um juristischen<br />

Nachwuchs das Nachsehen haben, besagt die<br />

Soldan Studie. Großkanzleien und viele wirtschaftsrechtlich<br />

geprägte Kanzleien haben das<br />

erkannt und bieten nun auch Programme zur<br />

Partnerschaft in Teilzeit an, was noch vor zehn<br />

Jahren undenkbar war.<br />

Doch bei den kleineren und mittleren Sozietäten<br />

tut sich im Hinblick auf Vereinbarkeit von Familie<br />

und Beruf noch wenig. Ideen sind Mangelware.<br />

Was die grundsätzliche Vereinbarkeit von Familie<br />

im Beruf für die Anwältinnen angeht, ist zwar<br />

vieles erreicht, aber nicht genug. Immer noch sind<br />

nicht ausreichend Betreuungsmöglichkeiten für<br />

Kinder gegeben. Von einer partnerschaftlichen<br />

Arbeitsteilung sind wir in Deutschland noch um<br />

Einiges entfernt. Selbstständige Frauen haben<br />

keinen Mutterschutz. Privat krankenversicherte<br />

Schwangere müssen sich um ihre finanzielle<br />

Absicherung während der Elternzeit selbst kümmern.<br />

Hier sind die Gesellschaft und der Gesetzgeber<br />

gefordert.<br />

Es gilt weiter für bessere Rahmenbedingungen<br />

zu kämpfen. Denn wir können es uns schlichtweg<br />

nicht leisten, auf die Frauen und ihre Kompetenzen<br />

zu verzichten – sowohl in wirtschaftlicher<br />

als auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht. Denn<br />

letztlich ist es ein Gebot der Geschlechtergerechtigkeit<br />

– Repräsentation, Gleichbehandlung<br />

und Antidiskriminierung sind Gerechtigkeitsfragen.<br />

Die Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen setzt sich<br />

für die Anwältinnen ein und ist auf dem nächsten<br />

DAT in Wiesbaden zum Thema „Die Kanzlei als<br />

Unternehmen“ dabei, u.a. mit der Veranstaltung<br />

„Die Anwältin als Unternehmerin – Finanzieller<br />

Erfolg durch Spezialisierung“.<br />

Rechtsanwältin CHRISTINA DILLENBURG, Stellv.<br />

Vorsitzende AG Anwältinnen im DAV, Essen<br />

1044 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>20</strong> 23.10.<strong><strong>20</strong>19</strong>

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