ZAP-2019-20

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Fach 4, Seite 1822 Miete/Nutzungen Kündigung wegen Zahlungsverzugs infolge einer Mietminderung dazu dient, Druck auf den Vermieter auszuüben, den vertragsgemäßen Zustand der Mietsache wiederherzustellen (SCHMIDT-FUTTERER/EISENSCHMID, a.a.O., § 536 Rn 422). Für die hier besonders interessierende Fallkonstellation einer auf Mietrückständen begründeten Vermieterkündigung ist zu beachten, dass für die Frage, ob tatsächlich Mietrückstände des Mieters bestanden, sowohl die Frage einer Mietminderung inzident zu prüfen ist und bei prozessualer Erhebung des Zurückbehaltungsrechts zusätzlich, ob und ggf. in welcher Höhe der Mieter einen weiteren Teil des nicht bezahlten Mietzinses zurückhalten durfte, um den Vermieter zur alsbaldigen Mängelbeseitigung anzuhalten. Praxistipp: Auf Vermieterseite ist bei anhängiger Räumungsklage zu beobachten, dass die Möglichkeit eines auf Mängelbeseitigung gestützten Zurückbehaltungsrechts häufig nicht ausreichend beachtet wird, da insbesondere die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nrn. 3a), b) BGB bei Unterschreiten der gesetzlichen Mindesthöhen des vorliegenden Mietrückstandes (s.o.) materiell unwirksam sein kann. Gleiches kann namentlich auch für die regelmäßig erklärte (hilfsweise) ordentliche Kündigung gelten, die zudem ein Verschulden erfordert. 2. Gesetzliche Vorleistungspflicht des Mieters nach § 556b BGB Fraglich ist, ob § 320 BGB trotz der in § 556b Abs. 1 BGB statuierten Vorleistungspflicht anwendbar bleibt, vgl. § 320 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB ([…]„es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist“). Nach vorzugswürdiger Auffassung steht die in § 556b Abs. 1 BGB statuierte Vorleistungspflicht des Mieters in Bezug auf den Mietzinsanspruch einem Zurückbehaltungsrecht aus § 320 BGB gestützt auf den Anspruch auf Mängelbeseitigung nicht entgegen. Dies folgt bereits aus der Wertung in § 556b Abs. 2 BGB, wo ausdrücklich geregelt ist, dass der Mieter wegen Forderungen aus §§ 536a, 539 BGB sowie aus ungerechtfertigter Bereicherung ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, selbst wenn vertraglich etwas anderes geregelt wurde. Diese Regelung zeigt, dass ein Zurückbehaltungsrecht trotz Vorleistungspflicht bestehen bleibt (SCHMIDT-FUTTERER/EISENSCHMID, a.a.O., § 536 Rn 412). Zudem ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu § 556b BGB, dass mit der Regelung einer Vorleistungspflicht nur die Vertragswirklichkeit abgebildet werden sollte und keine weiteren Rechte des Mieters geschmälert werden sollten, so dass letztlich § 556b BGB teleologisch als reine Fälligkeitsregelung zu reduzieren ist (SCHMIDT-FUTTERER/EISENSCHMID, a.a.O., m.w.N.). Da es sich bei § 556b BGB aber in jedem Fall nur um eine sog. unbeständige Vorleistungspflicht handelt, führt diese bei einem fälligen Anspruch auf die Gegenleistung am Ende der durch die Vorleistung bestimmten Monatsperiode zu einem Anspruch auf Leistung Zug um Zug, so dass dann wieder uneingeschränkt § 320 Abs. 1 BGB gilt (vgl. BGH, Urt. v. 11.7.1989 – XI ZR 61/88; vgl. auch STAUDINGER/EMMERICH, a.a.O., § 536 Rn 102, der zu Recht darauf hinweist, dass § 320 BGB jedenfalls auf die erste nach Auftreten des Mangels fällige monatliche Miete erstreckt werden kann). 3. Zeitliche Dauer der Ausübung Ein bestehendes Zurückbehaltungsrecht des Mieters endet jedenfalls mit der vollständigen Beseitigung des Mangels durch den Vermieter sowie bei Beendigung des Mietvertrags. In beiden Fällen gilt, dass die vom Mieter unter Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht zurückgehaltenen Beträge sodann nachgezahlt werden müssen (BGH, Urt. v. 10.4.2019 – VIII ZR 12/18; BGH, Urt. v. 17.6.2015 – VIII ZR 19/14). Praxistipp: Auch nach der Entscheidung des BGH vom 10.4.2019 (a.a.O.) bleibt eine für die Praxis sehr relevante Frage ungeklärt, nämlich ob der Mieter mit erfolgreicher Mangelbeseitigung durch den Vermieter und dem damit verbundenen Wegfall des Zurückbehaltungsrechts sofort mit den ausstehenden Mietzahlungen in Zahlungsverzug (§ 286 BGB) gerät oder ob hierfür eine Handlung des Vermieters (Mahnung oder sonstige Zahlungsaufforderung) erforderlich ist. Diese Frage ist insbesondere für eine unmittelbar nach Mangel- 1064 ZAP Nr. 20 23.10.2019

Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1823 Kündigung wegen Zahlungsverzugs infolge einer Mietminderung beseitigung erfolgte ordentliche und/oder fristlose Kündigung des Vermieters wegen Zahlungsverzugs relevant. Nach hier vertretener Meinung ist eine Zahlungsaufforderung oder eine Mahnung nicht erforderlich, da der Vermieter den Mieter durch die erfolgte Mängelbeseitigung in Annahmeverzug hinsichtlich der Leistung gesetzt hat, auf die das Zurückbehaltungsrecht gestützt wurde, so dass ab diesem Zeitpunkt Schuldnerverzug des Mieters nach § 286 BGB hinsichtlich seiner Mietzinszahlungspflicht bestand (BGH, Urt. v. 6.12.1991 – V ZR 229/90; MüKo-BGB/ERNST, 8.Aufl. 2019, § 286 Rn 25). Dem Mieter wird aber jedenfalls aus § 242 BGB eine angemessene Frist zur Nachzahlung einzuräumen sein, die mit einer Woche ausreichend bemessen sein sollte. (vgl. zu diesem Problem umfassend KRUG, AnwZert MietR 17/2019, Anm. 2, der aus teleologischen Gründen das Erfordernis einer vorherigen Zahlungsaufforderung bejaht; ähnlich STREYL, NJW 2019, 2308, Anm. zu BGH – VIII ZR 12/18). Das Zurückbehaltungsrecht entfällt ferner, wenn der Vermieter das Grundstück veräußert, weil sich dann der Anspruch auf Mängelbeseitigung wegen § 566 Abs. 1 BGB ausschließlich gegen den Erwerber richtet, der in den Mietvertrag eintritt (BGH, Urt. v. 19.6.2006 – VIII ZR 284/05). Dasselbe gilt, sofern der Mieter infolge einer eigenen Kündigung endgültig kein Interesse an der Erfüllung des Mietvertrages mehr hat, was im Regelfall bei einer fristlosen Mieterkündigung und baldigen Räumung durch den Mieter zu bejahen ist (STAUDINGER/EMMERICH, a.a.O., § 536 Rn 107; BGH, Urt. v. 25.1.1982 – VIII ZR 310/80). Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Mieter das zurückbehaltene Geld anlegt oder zurücklegt, allein entscheidend ist, dass er zahlungswillig und zahlungsbereit ist. Schließlich soll nach der Rechtsprechung des BGH das Zurückbehaltungsrecht enden, wenn nicht mehr zu erwarten sei, dass der Vermieter seiner Verpflichtung auf Mängelbeseitigung unter dem Druck des Leistungsverweigerungsrecht nachkommen wird (so explizit BGH, Urt. v. 17.6.2015 – VIII ZR 19/14, wobei im dortigen Zeitraum für einen Zeitraum von drei Jahren keinerlei Miete gezahlt wurde). Weigert sich der Mieter, die Beseitigung von Mängeln durch den Vermieter, dessen Mitarbeiter oder von ihm beauftragte Handwerker zu dulden, entfällt das Zurückbehaltungsrecht in der Weise, dass er einbehaltene Beträge sofort nachzuzahlen hat und ein weiterer Einbehalt nicht mehr zulässig ist. Das gilt auch für solche Fälle, in welchen der Mieter die Mangelbeseitigung im Hinblick auf einen anhängigen Rechtsstreit über rückständige Miete aus Gründen der Beweissicherung verweigert (BGH, Urt. v. 10.4.2019 – VIII ZR 12/18). 4. Höhe des Zurückbehaltungsrechts Nach wie vor heftig umstritten ist, in welcher Höhe das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden darf (vgl. SCHMIDT-FUTTERER/BLANK, a.a.O., § 543 Rn 99 m.w.N.). Einigkeit besteht jedenfalls darin, dass die Höhe von allen Umständen des Einzelfalls abhängt, wobei der Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB zu berücksichtigen ist (BGH, Urt. v. 8.7.1982 – VII ZR 96/81). Maßgeblich soll hierbei insbesondere sein, welche Beeinträchtigungen des mietvertraglichen Gebrauchs durch den jeweiligen Mangel vorliegen. Nach Auffassung des BGH muss der zurückbehaltene Betrag in jedem Fall nach Treu und Glauben aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zeitlich und summenmäßig begrenzt sein, um zu verhindern, dass der Mieter, wenn der Vermieter den Mangel nicht alsbald beseitigt, möglicherweise über längere Zeit hinweg (nahezu) keine Miete zu zahlen braucht. Sofern der Vermieter – wie regelmäßig – seine Leistung zum Teil erbracht hat, so kann der Mieter i.d.R. nicht die gesamte ungeminderte Miete zurückhalten (vgl. § 320 Abs. 2 BGB). Die jeweilige Zurückbehaltungsquote muss in einer angemessenen Relation zur Bedeutung des Mangels stehen (BGH, Urt. v. 7.6.2015 – VIII ZR 19/14; BGH, Urt. v. 27.10.2015 – VIII ZR 288/14). Die neuere Rechtsprechung des BGH ist in der Literatur auf nahezu einhellige Kritik gestoßen, da diese dazu führen würde, dass eine Vertragsverletzung des Vermieters aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB mit einem Rechtsverlust für den Mieter durch höhenmäßige Begrenzung seines Zurückbehaltungsrechts belohnt werde und der Vermieter zudem die Möglichkeit habe, eine Kündigung wegen rückständigen Mietzinses abzugeben, so dass der Mieter grundsätzlich die gesamte Miete zurückhalten könne in der Höhe und so lange, bis der Vermieter den Mangel vollständig beseitigt hat (so explizit STAUDINGER/EMMERICH, a.a.O., § 536 Rn 106 m.w.N.; ebenfalls kritisch SCHMIDT-FUTTERER/EISENSCHMID, a.a.O., § 536 Rn 426 ff. m.w.N.). ZAP Nr. 20 23.10.2019 1065

Fach 4, Seite 1822<br />

Miete/Nutzungen<br />

Kündigung wegen Zahlungsverzugs infolge einer Mietminderung<br />

dazu dient, Druck auf den Vermieter auszuüben, den vertragsgemäßen Zustand der Mietsache wiederherzustellen<br />

(SCHMIDT-FUTTERER/EISENSCHMID, a.a.O., § 536 Rn 422).<br />

Für die hier besonders interessierende Fallkonstellation einer auf Mietrückständen begründeten Vermieterkündigung<br />

ist zu beachten, dass für die Frage, ob tatsächlich Mietrückstände des Mieters bestanden,<br />

sowohl die Frage einer Mietminderung inzident zu prüfen ist und bei prozessualer Erhebung<br />

des Zurückbehaltungsrechts zusätzlich, ob und ggf. in welcher Höhe der Mieter einen weiteren Teil des<br />

nicht bezahlten Mietzinses zurückhalten durfte, um den Vermieter zur alsbaldigen Mängelbeseitigung<br />

anzuhalten.<br />

Praxistipp:<br />

Auf Vermieterseite ist bei anhängiger Räumungsklage zu beobachten, dass die Möglichkeit eines auf<br />

Mängelbeseitigung gestützten Zurückbehaltungsrechts häufig nicht ausreichend beachtet wird, da<br />

insbesondere die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nrn. 3a), b) BGB bei Unterschreiten der<br />

gesetzlichen Mindesthöhen des vorliegenden Mietrückstandes (s.o.) materiell unwirksam sein kann.<br />

Gleiches kann namentlich auch für die regelmäßig erklärte (hilfsweise) ordentliche Kündigung gelten, die<br />

zudem ein Verschulden erfordert.<br />

2. Gesetzliche Vorleistungspflicht des Mieters nach § 556b BGB<br />

Fraglich ist, ob § 3<strong>20</strong> BGB trotz der in § 556b Abs. 1 BGB statuierten Vorleistungspflicht anwendbar<br />

bleibt, vgl. § 3<strong>20</strong> Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB ([…]„es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist“).<br />

Nach vorzugswürdiger Auffassung steht die in § 556b Abs. 1 BGB statuierte Vorleistungspflicht des<br />

Mieters in Bezug auf den Mietzinsanspruch einem Zurückbehaltungsrecht aus § 3<strong>20</strong> BGB gestützt auf<br />

den Anspruch auf Mängelbeseitigung nicht entgegen. Dies folgt bereits aus der Wertung in § 556b<br />

Abs. 2 BGB, wo ausdrücklich geregelt ist, dass der Mieter wegen Forderungen aus §§ 536a, 539 BGB<br />

sowie aus ungerechtfertigter Bereicherung ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, selbst wenn vertraglich<br />

etwas anderes geregelt wurde. Diese Regelung zeigt, dass ein Zurückbehaltungsrecht trotz<br />

Vorleistungspflicht bestehen bleibt (SCHMIDT-FUTTERER/EISENSCHMID, a.a.O., § 536 Rn 412). Zudem ergibt<br />

sich aus der Gesetzesbegründung zu § 556b BGB, dass mit der Regelung einer Vorleistungspflicht nur<br />

die Vertragswirklichkeit abgebildet werden sollte und keine weiteren Rechte des Mieters geschmälert<br />

werden sollten, so dass letztlich § 556b BGB teleologisch als reine Fälligkeitsregelung zu reduzieren ist<br />

(SCHMIDT-FUTTERER/EISENSCHMID, a.a.O., m.w.N.). Da es sich bei § 556b BGB aber in jedem Fall nur um eine<br />

sog. unbeständige Vorleistungspflicht handelt, führt diese bei einem fälligen Anspruch auf die Gegenleistung<br />

am Ende der durch die Vorleistung bestimmten Monatsperiode zu einem Anspruch auf<br />

Leistung Zug um Zug, so dass dann wieder uneingeschränkt § 3<strong>20</strong> Abs. 1 BGB gilt (vgl. BGH, Urt. v.<br />

11.7.1989 – XI ZR 61/88; vgl. auch STAUDINGER/EMMERICH, a.a.O., § 536 Rn 102, der zu Recht darauf hinweist,<br />

dass § 3<strong>20</strong> BGB jedenfalls auf die erste nach Auftreten des Mangels fällige monatliche Miete erstreckt<br />

werden kann).<br />

3. Zeitliche Dauer der Ausübung<br />

Ein bestehendes Zurückbehaltungsrecht des Mieters endet jedenfalls mit der vollständigen Beseitigung<br />

des Mangels durch den Vermieter sowie bei Beendigung des Mietvertrags. In beiden Fällen gilt, dass die<br />

vom Mieter unter Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht zurückgehaltenen Beträge sodann<br />

nachgezahlt werden müssen (BGH, Urt. v. 10.4.<strong><strong>20</strong>19</strong> – VIII ZR 12/18; BGH, Urt. v. 17.6.<strong>20</strong>15 – VIII ZR 19/14).<br />

Praxistipp:<br />

Auch nach der Entscheidung des BGH vom 10.4.<strong><strong>20</strong>19</strong> (a.a.O.) bleibt eine für die Praxis sehr relevante Frage<br />

ungeklärt, nämlich ob der Mieter mit erfolgreicher Mangelbeseitigung durch den Vermieter und dem<br />

damit verbundenen Wegfall des Zurückbehaltungsrechts sofort mit den ausstehenden Mietzahlungen in<br />

Zahlungsverzug (§ 286 BGB) gerät oder ob hierfür eine Handlung des Vermieters (Mahnung oder sonstige<br />

Zahlungsaufforderung) erforderlich ist. Diese Frage ist insbesondere für eine unmittelbar nach Mangel-<br />

1064 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>20</strong> 23.10.<strong><strong>20</strong>19</strong>

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