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ZAP-2019-19

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Fach 22 R, Seite 1136<br />

Rechtsprechungsübersicht 2018/<strong>20<strong>19</strong></strong><br />

Strafrecht<br />

und zu ihrer dort nach wie vor inhaftierten Ehefrau gelangen. Vor diesem Hintergrund hielt die<br />

Angeklagte am 15.5.2018 in der Innenstadt von Augsburg gezielt nach einem möglichen Opfer Ausschau.<br />

Am Bahnhof erblickte sie die Geschädigte, die ein Mobiltelefon vom Typ Samsung Galaxy S7 in der Hand<br />

hielt, und entschloss sich, ihren Plan umzusetzen. Die Angeklagte ging auf die Geschädigte zu und<br />

sprühte ihr Pfefferspray ins Gesicht, um das Mobiltelefon an sich zu nehmen und es „ohne Berechtigung<br />

für sich behalten zu können“. Aufgrund der Beeinträchtigung durch das Pfefferspray und aus Angst vor<br />

weiteren Angriffen ließ die Geschädigte das Mobiltelefon nach kurzer Zeit los, so dass die Angeklagte das<br />

Gerät an sich nehmen konnte. Die Angeklagte flüchtete schnellen Schritts einige Meter, wurde dann<br />

aber von einem Zeugen angehalten und schließlich von der Polizei festgenommen. Das entwendete<br />

Mobiltelefon wurde bei der Durchsuchung der Angeklagten in deren Hosentasche sichergestellt.<br />

Das LG hat wegen „schweren Raubes“ (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren<br />

und acht Monaten verurteilt. Dagegen die Revision der Angeklagten, die beim BGH Erfolg hatte: Der<br />

BGH hat eine tragfähige Begründung für die Annahme der Strafkammer, die Angeklagte habe zur Zeit<br />

der Wegnahme mit Zueignungsabsicht gehandelt, vermisst. Die Annahme stehe im Widerspruch zu der<br />

Feststellung, die Angeklagte habe den Überfall begangen, um wieder inhaftiert zu werden. Eine<br />

Zueignungsabsicht scheidet nämlich aus, wenn der Täter die fremde bewegliche Sache nur wegnehme,<br />

um sodann gestellt zu werden und die Sache sogleich wieder an den Eigentümer zurückgelangen zu<br />

lassen (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 207 und auch schon GA <strong>19</strong>69, 306 ff.). An der Zueignungsabsicht im<br />

Zeitpunkt der Wegnahme fehle es, wenn die Angeklagte ggf. davon ausgegangen sei, dass das<br />

Mobiltelefon infolge ihrer Ergreifung in der Folgezeit wieder an die Geschädigte zurückgelangen würde.<br />

Hinweis:<br />

Dass die Aneignung vom Täter nur als mögliche Folge seines Verhaltens in Kauf genommen wird, reicht<br />

für das Bejahen einer Zueignungsabsicht nicht aus. Vielmehr muss der Täter sie für sich oder einen Dritten<br />

mit unbedingtem Willen erstreben (vgl. BGH StraFo 2012, 276 = NStZ-RR 2012, 239 = StV 2013, 435 m.w.<br />

N.). Gegebenenfalls kommt die Annahme einer Zueignungsabsicht im Zeitpunkt der Wegnahme in diesen<br />

Fällen aber dann in Betracht, wenn die Festnahme lediglich ein (nachrangiges) Interesse gewesen wäre.<br />

III. (Schwerer) Parteiverrat (§ 356 StGB)<br />

Für die Annahme eines schweren Parteiverrats i.S.d. § 356 Abs. 2 StGB kommt es darauf an, ob<br />

der Rechtsanwalt bei Begehung des Parteiverrats im Einverständnis mit der Gegenpartei zum<br />

Nachteil seiner Partei gehandelt hat. So hat der BGH im Beschl. v. 21.11.2018 (4 StR 15/18, NJW <strong>20<strong>19</strong></strong>, 316<br />

= NStZ-RR <strong>20<strong>19</strong></strong>, 47 = StraFo <strong>20<strong>19</strong></strong>,1 28 = StRR 5/<strong>20<strong>19</strong></strong>, 21) entschieden.<br />

Der Angeklagte war Rechtsanwalt und Notar. Er war vom LG wegen (schweren) Parteiverrats nach<br />

§ 356 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt<br />

worden. Ausgangspunkt des Strafverfahrens war ein Verwaltungsverfahren, das 2012 beim BVerwG<br />

anhängig war. Der Rechtsanwalt hatte mehrere Kläger aus Oldenburg vertreten, darunter auch die<br />

Stadt, eine Wohnungsbaugesellschaft, eine Stiftung und Privatleute. Beklagte war die Deutsche Bahn,<br />

die die Bahnstrecke zum Tiefwasserhafen „Jade Weser Port“ im nahen Wilhelmshaven ausbauen will,<br />

streckenweise wohl mitten durch das Oldenburger Stadtgebiet. In dem Verfahren vor dem BVerwG<br />

hatte die Deutsche Bahn einen Vergleich angeboten, der Lärmschutzmaßnahmen für die betroffenen<br />

Wohngebiete in Oldenburg vorsah. Der Rechtsanwalt hat seinen Mandanten geraten, das Angebot<br />

anzunehmen. Einige der Kläger, u.a. die Stadt Oldenburg, willigten ein, nicht so auch vertretene private<br />

Kläger, die die ausdrückliche Weisung erteilt hatten, keinen Vergleich abzuschließen. Und darum ging es<br />

dann im Strafverfahren, da der Rechtsanwalt dennoch einen Vergleich abgeschlossen hat.<br />

Die Revision des Angeklagten hatte wegen des Strafausspruchs Erfolg. Der BGH sieht in dem Verhalten<br />

des Rechtsanwalts nur einen „einfachen Parteiverrat“ und hat deshalb den Strafausspruch des<br />

landgerichtlichen Urteils aufgehoben. Mit dem LG ist der BGH von Parteiverrat (§ 356 Abs. 1 StGB)<br />

1022 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>19</strong> 10.10.<strong>20<strong>19</strong></strong>

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