ZAP-2019-19

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Fach 11, Seite 1544 Leistungsfähigkeit im Unterhaltsrecht Familienrecht Praxistipp: Die in der Praxis oft höchst umstrittene Frage, wofür das Geld aus dem Kredit aufgenommen worden ist, ist für die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung der Ratenbelastungen irrelevant. Bei der Berücksichtigung der Schulden im Rahmen des Ehegattenunterhalts ist nach Zeitabschnitten zu unterscheiden (s. hierzu VIEFHUES, „Von der Trennung bis zur Scheidung“, 1.Aufl. 2018, Deutscher Anwaltverlag). a) Schulden aus der Zeit des Zusammenlebens Während der Ehe haben die Ehepartner bestimmte finanzielle Dispositionen getroffen, von denen sich allein durch die Trennung und Scheidung keiner der beiden – ehemaligen – Partner einseitig lösen kann. Hat man also während der Ehe z.B. über die finanziellen Verhältnisse gelebt und seinen Lebensstandard teilweise über Kredite finanziert, so können diese Belastungen nun nach der Trennung nicht einem Ehegatten allein angelastet werden. Daher sind Ratenverpflichtungen, die während der Ehe aufgenommen worden sind, grds. in voller Höhe – also mit Zins- und Tilgungsanteil – bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts abzuziehen. Diese regelmäßigen Belastungen beeinflussen bereits den Bedarf beider Ehegatten, denn sie haben schon die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt. Dabei ist unerheblich, welcher Ehegatte die Kreditverbindlichkeiten eingegangen und wofür das Geld ausgegeben worden ist. Irrelevant ist auch, wer die mit dem Darlehen angeschafften Vermögensgegenstände (z.B. Möbel, Auto) nach der Trennung erhalten hat (BGH FamRZ 1996, 162). Für die Berücksichtigungsfähigkeit der Schulden ist der Ehegatte darlegungsund beweispflichtig, der sich auf die Ratenbelastungen beruft (BGH FamRZ 1990, 283, 287). Praxistipp: Bei Darlehen, die nach dem Vortrag eines Ehegatten von einem Verwandten aufgenommen worden sind, hegen die Gerichte allerdings meist eine große Zurückhaltung, diese im Unterhalt zu berücksichtigen. Teilweise wird bereits bezweifelt, ob das Darlehen überhaupt geflossen ist, teilweise wird die Abzugsfähigkeit generell verneint, teilweise wird die Möglichkeit unterstellt, die monatlichen Raten hier einseitig zugunsten der Unterhaltslasten deutlich reduzieren zu können. Je vager die Angaben zum Darlehenszweck, zum Zeitpunkt und zur Auszahlung sind, desto geringer ist die Chance, dass ein Gericht selbst nach einer Zeugenvernehmung derartigen Behauptungen Glauben schenkt. Dies gilt speziell dann, wenn die Verwendung des Geldes nicht nachvollziehbar ist. Besondere Zweifel erweckt der Sachvortrag, wenn ein größeres Darlehen unter Verwandten in bar gegeben worden sein soll. b) Nach der Trennung aufgenommene Schulden Kreditbelastungen, die erst nach der Trennung aufgenommen worden sind, können dagegen in aller Regel nur sehr eingeschränkt in Abzug gebracht werden, da der Unterhaltspflichtige über seine finanzielle Situation Bescheid weiß und seine Unterhaltsverpflichtungen kennt. Praxistipp: Bei Schuldverbindlichkeiten, die nach der Trennung aufgenommen werden, um Hausratsgegenstände anzuschaffen, besteht Spielraum für eine geschickte anwaltliche Argumentation. Die Gerichtspraxis ist hier uneinheitlich. Einige Gerichte lehnen die Abzugsfähigkeit generell ab und verweisen auf die Möglichkeit, eine Zuteilung im Verfahren über die Verteilung der Haushaltsgegenstände zu erreichen. Andere Gerichte erkennen nachträgliche Schuldbelastungen hier an, wenn die Kreditaufnahme wirklich unvermeidlich war und dringend notwendige Gegenstände angeschafft worden sind. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Unterhaltspflichtige notwendige Aufwendungen für seine neue Wohnung tätigt. So können Kosten für die Kaution, die Renovierung der neuen Wohnung ebenso anfallen wie für die Anschaffung von Gegenständen, die nicht über das Verteilungsverfahren beschafft werden können (Gardinen, Teppichbö- 1012 ZAP Nr. 19 10.10.2019

Familienrecht Fach 11, Seite 1545 Leistungsfähigkeit im Unterhaltsrecht den usw.). Dabei kommt es auch auf die angemessene Höhe der Anschaffungen an. Angesichts der Unterhaltsverpflichtung kann nur der mindestens notwendige Aufwand berücksichtigt werden. Auch ist der Unterhaltspflichtige gehalten, einen möglichst langfristigen Kredit mit geringen Monatsraten aufzunehmen. Hier ist auf jeden Fall ausreichender Sachvortrag unverzichtbar, um doch noch eine Berücksichtigung der Schuldenbelastungen zu erreichen. Darlehen zur Finanzierung der Zugewinnausgleichsansprüche können nicht abgezogen werden (BGH FamRZ 2000, 950). Nicht zu berücksichtigen sind auch die im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe zu zahlenden Raten. Auch Zahlungen auf Anwaltskosten aus anderen Verfahren und auf Unterhaltsrückständesind nicht abzugsfähig. c) Tilgungsplan Die Rückzahlung auf ein unterhaltsrechtlich anzuerkennendes Darlehen hat nach einem vernünftigen Tilgungsplan in angemessenen Raten zu erfolgen. Dabei sind i.d.R. die während der Zeit des Zusammenlebens gezahlten Raten in gleicher Höhe weiter zu zahlen. Allerdings kann bei engen finanziellen Verhältnissen gefragt werden, ob der Unterhaltspflichtige, der auch die Schulden tilgt, nicht gehalten ist, die monatlichen Raten zu strecken. Abzuwägen ist hier das Interesse des Unterhaltspflichtigen, die Schulden in absehbarer Zeit zu tilgen, gegen das Interesse der Unterhaltsberechtigten an möglichst hohen Zahlbeträgen. In die Abwägung mit einzubeziehen sind auch die Möglichkeiten des Unterhaltsschuldners, seine Leistungsfähigkeit in zumutbarer Weise ganz oder teilweise wiederherzustellen (z.B. durch den Verkauf des beruflich nicht benötigten kreditfinanzierten Pkw), sowie ggf. schutzwürdige Belange des Drittgläubigers. Diese Grundsätze gelten auch bei der Ermittlung des anzurechnenden Einkommens eines unterhaltsberechtigten Ehegatten. 2. Schulden beim Unterhalt minderjähriger Kinder Auch beim Kindesunterhalt kann die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen durch Schuldverpflichtungen begrenzt oder sogar ausgeschlossen sein. Allerdings müssen sich minderjährige Kinder dabei grds. auch diejenigen Kreditverbindlichkeiten entgegenhalten lassen, die in der Zeit des Zusammenlebens der Eltern zum Zwecke gemeinsamer Lebensführung – und nicht nur zur Wahrnehmung persönlicher Bedürfnisse des Unterhaltspflichtigen – eingegangen worden sind (vgl. BGH BGHZ 150, 12 = FamRZ 2002, 536 Rn 19 f.). Ist der Elternteil mit Verbindlichkeiten belastet, beeinträchtigt dies naturgemäß auch die Lebensstellung des Kindes. Da es beim Kindesunterhalt immer auf das aktuelle, tatsächlich verfügbare Einkommen ankommt, gilt dies ggf. auch für die nach der Trennung oder Scheidung aufgenommenen Belastungen. Weil Kinder aber jedenfalls bis zum Ende ihrer Schulpflicht keine Möglichkeit haben, durch eigene Anstrengungen zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs beizutragen, und auf die Entstehung der von den Eltern aufgenommenen Schulden keinen Einfluss nehmen konnten, wird die Billigkeitsabwägung bei ihnen im Allgemeinen dazu führen, dass wenigstens der Mindestunterhalt zu zahlen ist, soweit dies nicht nur auf Kosten einer ständig weiter anwachsenden Verschuldung geschehen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 22.5.2019 – XII ZB 613/16, FamRZ 2019, 1415; BGH, Urt. v. 30.1.2013 – XII ZR 158/10, FamRZ 2013, 616 Rn 19 f. m.w.N.; BGH, Urt. v. 11.12.1985 – IVb ZR 80/84, FamRZ 1986, 254, 256). Hinweis: Mit dem letzten Halbsatz wird deutlich gemacht, dass die vorgenannten Einschränkungen jedenfalls dann nicht gelten, wenn der verschuldete Elternteil nicht einmal in der Lage ist, die anfallenden Zinsen vollständig abzudecken und sein Schuldenberg daher weiter anwächst. Die unterschiedliche Berücksichtigung von Schuldenbelastungen beim Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt führt dazu, dass u.U. für Ehegattenunterhalt und Kindesunterhalt getrennte Berechnungen durchzuführen sind! ZAP Nr. 19 10.10.2019 1013

Fach 11, Seite 1544<br />

Leistungsfähigkeit im Unterhaltsrecht<br />

Familienrecht<br />

Praxistipp:<br />

Die in der Praxis oft höchst umstrittene Frage, wofür das Geld aus dem Kredit aufgenommen worden ist,<br />

ist für die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung der Ratenbelastungen irrelevant.<br />

Bei der Berücksichtigung der Schulden im Rahmen des Ehegattenunterhalts ist nach Zeitabschnitten<br />

zu unterscheiden (s. hierzu VIEFHUES, „Von der Trennung bis zur Scheidung“, 1.Aufl. 2018, Deutscher<br />

Anwaltverlag).<br />

a) Schulden aus der Zeit des Zusammenlebens<br />

Während der Ehe haben die Ehepartner bestimmte finanzielle Dispositionen getroffen, von denen sich<br />

allein durch die Trennung und Scheidung keiner der beiden – ehemaligen – Partner einseitig lösen kann.<br />

Hat man also während der Ehe z.B. über die finanziellen Verhältnisse gelebt und seinen Lebensstandard<br />

teilweise über Kredite finanziert, so können diese Belastungen nun nach der Trennung nicht einem<br />

Ehegatten allein angelastet werden.<br />

Daher sind Ratenverpflichtungen, die während der Ehe aufgenommen worden sind, grds. in voller Höhe<br />

– also mit Zins- und Tilgungsanteil – bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts abzuziehen. Diese<br />

regelmäßigen Belastungen beeinflussen bereits den Bedarf beider Ehegatten, denn sie haben schon die<br />

ehelichen Lebensverhältnisse geprägt. Dabei ist unerheblich, welcher Ehegatte die Kreditverbindlichkeiten<br />

eingegangen und wofür das Geld ausgegeben worden ist. Irrelevant ist auch, wer die mit dem<br />

Darlehen angeschafften Vermögensgegenstände (z.B. Möbel, Auto) nach der Trennung erhalten hat<br />

(BGH FamRZ <strong>19</strong>96, 162). Für die Berücksichtigungsfähigkeit der Schulden ist der Ehegatte darlegungsund<br />

beweispflichtig, der sich auf die Ratenbelastungen beruft (BGH FamRZ <strong>19</strong>90, 283, 287).<br />

Praxistipp:<br />

Bei Darlehen, die nach dem Vortrag eines Ehegatten von einem Verwandten aufgenommen worden<br />

sind, hegen die Gerichte allerdings meist eine große Zurückhaltung, diese im Unterhalt zu berücksichtigen.<br />

Teilweise wird bereits bezweifelt, ob das Darlehen überhaupt geflossen ist, teilweise wird<br />

die Abzugsfähigkeit generell verneint, teilweise wird die Möglichkeit unterstellt, die monatlichen Raten<br />

hier einseitig zugunsten der Unterhaltslasten deutlich reduzieren zu können. Je vager die Angaben zum<br />

Darlehenszweck, zum Zeitpunkt und zur Auszahlung sind, desto geringer ist die Chance, dass ein Gericht<br />

selbst nach einer Zeugenvernehmung derartigen Behauptungen Glauben schenkt. Dies gilt speziell<br />

dann, wenn die Verwendung des Geldes nicht nachvollziehbar ist. Besondere Zweifel erweckt der<br />

Sachvortrag, wenn ein größeres Darlehen unter Verwandten in bar gegeben worden sein soll.<br />

b) Nach der Trennung aufgenommene Schulden<br />

Kreditbelastungen, die erst nach der Trennung aufgenommen worden sind, können dagegen in aller<br />

Regel nur sehr eingeschränkt in Abzug gebracht werden, da der Unterhaltspflichtige über seine<br />

finanzielle Situation Bescheid weiß und seine Unterhaltsverpflichtungen kennt.<br />

Praxistipp:<br />

Bei Schuldverbindlichkeiten, die nach der Trennung aufgenommen werden, um Hausratsgegenstände<br />

anzuschaffen, besteht Spielraum für eine geschickte anwaltliche Argumentation. Die Gerichtspraxis<br />

ist hier uneinheitlich. Einige Gerichte lehnen die Abzugsfähigkeit generell ab und verweisen auf die<br />

Möglichkeit, eine Zuteilung im Verfahren über die Verteilung der Haushaltsgegenstände zu erreichen.<br />

Andere Gerichte erkennen nachträgliche Schuldbelastungen hier an, wenn die Kreditaufnahme wirklich<br />

unvermeidlich war und dringend notwendige Gegenstände angeschafft worden sind. Dies ist z.B. der Fall,<br />

wenn der Unterhaltspflichtige notwendige Aufwendungen für seine neue Wohnung tätigt. So können<br />

Kosten für die Kaution, die Renovierung der neuen Wohnung ebenso anfallen wie für die Anschaffung von<br />

Gegenständen, die nicht über das Verteilungsverfahren beschafft werden können (Gardinen, Teppichbö-<br />

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