ZAP-2019-19
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Fach 11, Seite 1542<br />
Leistungsfähigkeit im Unterhaltsrecht<br />
Familienrecht<br />
c) Unterhaltsrechtliche Berücksichtigung der besonderen Kosten des Umgangsrechts<br />
Wird der Umgang wegen der finanziellen Situation des umgangsberechtigten Elternteils durch die<br />
Kosten der Umgangskontakte nachhaltig erschwert oder gar unmöglich, können diese Kosten nicht<br />
völlig unberücksichtigt bleiben, so dass bei der Unterhaltsberechnung Billigkeitsüberlegungen eingreifen<br />
(BÜTE in Handbuch FAFamR, 11. Aufl. 2018, Kap. 4 Rn 538). Denn die anfallenden Kosten dürfen nicht dazu<br />
führen, dass der Elternteil sein verfassungsrechtlich garantiertes Umgangsrecht faktisch nicht mehr<br />
ausüben kann.<br />
Allerdings ist die konkrete Behandlung der Kosten des Umgangsrechts bei der Festsetzung des<br />
Unterhalts noch nicht abschließend geklärt. Nach den Hinweisen des BGH bieten sich zwei<br />
Lösungswege an (STAUDINGER/KLINKHAMMER [2018] BGB § 1603 Rn 222), wobei eine Festlegung des<br />
BGH auf eine dieser beiden Varianten bislang nicht erfolgt ist. Ist der Umgangsberechtigte durch den<br />
Umgang mit weiteren Kosten belastet, die er nicht aus seinem Einkommen aufbringen kann, ist<br />
entweder der Selbstbehalt angemessen zu erhöhen oder bei der Berechnung des Unterhalts vorweg<br />
ein entsprechender Abzug vom unterhaltsrelevanten Einkommen vorzunehmen (BGH, Urt. v.<br />
29.1.2003 – XII ZR 289/01, FamRZ 2003, 445; BGH, Urt. v. 9.11.2005 – XII ZR 31/03, FamRZ 2006, 108).<br />
aa) Abzug der Kosten vom Einkommen<br />
Wenn die in Zusammenhang mit der Ausübung des Umgangsrechts anfallenden Kosten (ganz oder<br />
teilweise) als Abzugsposten beim unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen berücksichtigt werden<br />
(OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.10.2012 – 10 UF 10/12, FamFR 2012, 535; OLG Schleswig, Urt. v. 5.9.2005 –<br />
15 UF 63/05, OLGR Schleswig 2005, 695-696; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.5.2001 – 8 UF 46/01,<br />
FamRZ 2001, 1096; OLG Hamm FamRZ 2013, 1146 beim Elternunterhalt; GERHARDT in WENDL/DOSE; a.a.O. § 1<br />
Rn 1085) werden Unterhaltsschuldner, die hohe Umgangskosten aufbringen müssen, unabhängig von der<br />
Höhe ihres Einkommens entlastet.<br />
Diese Lösung über den Abzug der Umgangskosten vom Einkommen hat folgende Schwächen:<br />
• Durch den Abzug vom unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen wird der Unterhalt für Kind und<br />
Ehegatten vermindert. De facto bekommen damit die Umgangskosten einen Vorrang vor dem<br />
Barunterhaltsanspruch des Kindes.<br />
• Der Abzug vom unterhaltsrelevanten Einkommen kann dazu führen, dass die Kosten des Umgangsrechts<br />
de facto das Kind und der Ehegatte (ganz oder überwiegend) tragen.<br />
• Denkbar wäre auch, die Anrechnung nur beim Ehegattenunterhalt zuzulassen, damit auf jeden Fall<br />
der Basisunterhalt des Kindes sichergestellt wird. Dies hätte den Vorteil, dass über die 3/7-Quote eine<br />
anteilige Haftung beider Eltern erreicht wird. Allerdings dürfte die unterschiedliche Einkommensbemessung<br />
beim Kindes- und Ehegattenunterhalt – zumindest in bestimmten Fallkonstellationen –<br />
zu Berechnungsproblemen führen.<br />
Der BGH schränkt ein, dass ein solcher Abzug nicht erfolgen könne, wenn der barunterhaltspflichtige<br />
Elternteil nach Abzug der Umgangskosten noch über ausreichendes Einkommen verfügt (BGH, Beschl. v.<br />
12.3.2014 – XII ZB 234/13, FamRZ 2014, 917 = NJW 2014, <strong>19</strong>58; BGH, Urt. v. 21.12.2005 – XII ZR 126/03,<br />
FamRZ 2006, 1015, 1018; KLINKHAMMER in WENDL/DOSE; a.a.O. § 2 Rn 273).<br />
bb) Erhöhung des Selbstbehalts gegenüber dem Ehegattenunterhaltsanspruch<br />
Konsequenterweise ist nach der Rechtsprechung des BGH der Selbstbehalt ggü. dem Ehegattenunterhaltsanspruch<br />
um einen Anteil der Umgangskosten zu erhöhen. Dem Unterhaltspflichtigen<br />
blieben damit die notwendigen Mittel, um die Umgangskosten aufbringen zu können (BGH, Beschl.<br />
v. 12.3.2014 – XII ZB 234/13, FamRZ 2014, 917 = NJW 2014, <strong>19</strong>58; so auch OLG Schleswig, Beschl.<br />
v. 20.12.2013 – 15 WF 414/13, MDR 2014, 477).<br />
1010 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>19</strong> 10.10.<strong>20<strong>19</strong></strong>