ZAP-2019-19

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Fach 11, Seite 1540 Leistungsfähigkeit im Unterhaltsrecht Familienrecht 2. Kosten der Kinderbetreuung Die für den Kindergartenbesuch anfallenden Kosten, und zwar gleichgültig, ob die Einrichtung halb- oder ganztags besucht wird, sind zum Bedarf eines Kindes zu rechnen und stellen grds. keine berufsbedingten Aufwendungen des betreuenden Elternteils dar (BGH, Urt. v. 5.3.2008 – XII ZR 150/05, FamRZ 2008, 1152 mit Anm. BORN = FPR 2008, 299 mit Anm. SÖPPER; BGH, Urt. v. 26.11.2008 – XII ZR 65/07, FamRZ 2009, 962 mit Anm. BORN). Für den Mehrbedarf des Kindes haften beide Eltern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen. Bei der Berechnung des Ehegattenunterhaltes können diese Kosten – soweit sie vom unterhaltspflichtigen Ehegatten getragen werden – ebenso wie der Barunterhalt für das Kind in Abzug gebracht werden. Dagegen sind die sonstigen Betreuungskosten als berufsbedingter Aufwand des betreffenden Elternteils einzustufen. Wird die Betreuung eines Kindes durch Dritte allein infolge der Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils erforderlich, stellen die Betreuungskosten keinen Mehrbedarf des Kindes dar, sondern gehören zur allgemeinen Betreuung, die vom betreuenden Elternteil im Gegenzug zur Barunterhaltspflicht des anderen allein zu leisten ist. Dafür entstehende Betreuungskosten können mithin lediglich als berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils Berücksichtigung finden (BGH, Urt. v. 4.10.2017 – XII ZB 55/17, NJW 2017, 3786; vgl. auch OLG Bremen, Beschl. v. 23.11.2017 – 5 UF 54/17, FamRZ 2018, 685). 3. Kosten des Umgangsrechts Grundsätzlich hat der Umgangsberechtigte die „üblichen Kosten“, die ihm bei Ausübung des Umgangsrechts entstehen, allein zu tragen (BGH, Urt. v. 9.11.1994 – XII ZR 206/93, FamRZ 1995, 215). Darunter fallen: • Fahrtkosten, • Kosten etwaiger Übernachtungen des Kindes und des Umgangsberechtigten, • Verpflegungskosten des Kindes und des Umgangsberechtigten und • Kosten etwaiger privater Betreuungspersonen. Diese Regelung gilt auch bei gemeinsamem Sorgerecht (BGH FamRZ 1995, 717). a) Berücksichtigung besonders hoher Umgangskosten Während die „normalen“ Kosten unterhaltsrechtlich keine Bedeutung haben, kann bei einem höheren Aufwand aufgrund einer größeren örtlichen Entfernung die Frage der unterhaltsrechtlichen Abzugsfähigkeit der besonders hohen Kosten stellen. Jedoch sind dabei allenfalls unterhaltsrechtlich abzugsfähig diejenigen Kosten, die notwendigerweise anfallen. Der Umgangsberechtigte muss sich folglich ggf. einschränken und darf nur möglichst niedrige Kosten bei der Ausübung seines Umgangsrechtes auslösen. Dies ergibt sich schon aus dem allgemeinen unterhaltsrechtlichen Grundsatz der Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen am Unterhaltsverhältnis beteiligten Personen. Praxistipp: In der Praxis sollte vorgetragen werden, wie oft der Umgang mit den Kindern stattfindet und welche Fahrtkosten für das Holen und Wegbringen der Kinder anfallen. Die einzelnen Kostenpositionen sollten, damit sie berücksichtigt werden können, detailliert und nachvollziehbar dargelegt werden. Anlassbezogene Kosten, die zwar dem Umgang dienen, aber nicht notwendig sind, sind nicht berücksichtigungsfähig. Dazu zählen z.B. Kosten für angemessene Freizeitaktivitäten mit dem Kind und Spielzeug, für eine kindgerechte Ausstattung der Wohnung bzw. des Fahrzeugs (Kindersitz), aber auch Kosten für Kleidung des Kindes, die der Umgangsberechtigte zur Nutzung während des Umgangs anschafft (SCHMIDT/ KOHNE in ESCHENBRUCH/SCHÜRMANN/MENNE, Der Unterhaltsprozess, 6. Aufl. 2013, Kap. 2 Rn 513). 1008 ZAP Nr. 19 10.10.2019

Familienrecht Fach 11, Seite 1541 Leistungsfähigkeit im Unterhaltsrecht b) Reduzierung der Kosten Generell gilt in allen Fällen, dass der in wirtschaftlich beengten Verhältnissen lebende Umgangsberechtigte sich ggf. einschränken muss und möglichst wenig Kosten bei der Ausübung des Umgangsrechts auslösen darf. aa) Maßnahmen auf Seiten des umgangsberechtigten Elternteils So muss insbesondere der barunterhaltspflichtige Elternteil, der ist in wirtschaftlich beengten Verhältnissen lebt, die Kosten des Umgangsrechts so niedrig wie möglich halten. Die Kosten können z.B. dadurch reduziert werden, dass die Umgangskontakte stärker als sonst üblich zeitlich zusammengefasst werden, also während mehrerer zusammenhängender Tage ausgeübt werden, dafür aber in geringeren Intervallen (also z.B. alle 3 Wochen statt 14-täglich; vgl. KLINKHAMMER in: WENDL/ DOSE; Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 8. Aufl. 2015, § 2 Rn 273; OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.9.2013, 3 UF 49/13). Dies lässt sich allerdings in der Praxis nur bei Kindern realisieren, die noch nicht zur Schule gehen. Bei der Ausübung des Umgangs müssen öffentliche Verkehrsmittel (OLG Jena, Beschl. v. 18.5.2016 – 1UF 142/16, FuR 2017, 462, OLG Schleswig, Beschl. v. 20.12.2013 – 15 WF 414/13, FuR 2014, 371; KLINKHAMMER in: WENDL/DOSE; a.a.O. § 2 Rn 273), direkte Verbindungen sowie Sondertarife und besonders günstige Angebote (OLG Koblenz, Beschl. v. 29.6.2017 – 13 UF 72/17, FuR 2018, 592 m.w.N., OLG Jena, Beschl. v. 18.5.2016 – 1 UF 142/16, FuR 2017, 462) genutzt werden, um jedenfalls den ungeschmälerten Mindestkindesunterhalt sicherzustellen (OLG Schleswig, Beschl. v. 20.12.2013 – 15 WF 414/13, MDR 2014, 477; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.10.2007 – 15 WF 229/07, FamRZ 2008, 1273; OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.10.2012 – 10 UF 10/12, FamFR 2012, 535; SCHMIDT/KOHNE in ESCHENBRUCH/SCHÜRMANN/MENNE, Kap. 2 Rn 512). Auch ist das Angebot der Kinder, mit einem Wochenendticket zum niedrigen Preis allein zum Vater fahren, zu beachten; der Vater kann dann keine höheren Umgangskosten mit dem Auto oder dem Zug anrechnen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.8.2011 – 18 WF 130/11, FamFR 2011, 464). bb) Maßnahmen auf Seiten des betreuenden Elternteils Zu denken ist aber auch an die Mitwirkung des betreuenden Elternteils, die zu einer Reduzierung des Aufwands führen können. Auch dies folgt aus dem allgemeinen unterhaltsrechtlichen Gebot, Belastungen des anderen Unterhaltsbeteiligten möglichst gering zu halten. Folglich können dem anderen Elternteil Mitwirkungspflichten bei der Durchführung der Umgangskontakte auferlegt werden wie z.B. Abholen des Kindes am Flughafen, Bahnhof oder an einer Autobahnraststätte (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 21.2.2019 – 6 UF 145/18 NZFam 2019, 498; OLG Schleswig, Beschl. v. 3.2.2006 – 13 UF 135/05, FamRZ 2006, 881; OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.11.2013 – 10 UF 173/13, FamRZ 2014, 858; RAKETE-DOMBECK/KRETSCHMAR in: Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht, 4. Aufl. 2014, § 14 Rn 36 m.w.N..), um die zeitlichen und finanziellen Belastungen für den umgangsberechtigten Elternteil zu reduzieren (OLG Naumburg, Beschl. v. 26.3.2010 – 8 UF 53/10, FamRZ 2011, 308; OLG Bremen, FamRZ 2008, 1274, OLG Dresden, Beschl. v. 7.2.2005 – 20 UF 896/04, FamRZ 2005, 927; OLG Schleswig, Beschl. v. 3.2.2006 – 13 UF 135/05, FamRZ 2006, 881; AG Detmold, Beschl. v. 2.2.2006 – 15 F 449/05, FamRZ 2006, 880; OLG Naumburg, Beschl. v. 26.3.2010 – 8 UF 53/10, FamRZ 2011, 308; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 5.2.2002 – 1 BvR 2029/00, FamRZ 2002, 809; PESCHEL/ GUTZEIT in: NK-BGB, 2014, § 1684 BGB Rn 24 m.w.N..; RAKETE-DOMBECK/KRETSCHMAR in: a.a.O. § 14 Rn 36). cc) Inanspruchnahme öffentlicher Mittel In bestimmten Fällen lässt sich auch eine Reduzierung der Umgangskosten durch die Beantragung öffentlicher Hilfen erreichen (s. dazu BSG, Urt. v. 17.2.2016 – B 4 AS 2/15 R, FamRZ 2016, 904, BSG, Urt. v. 4.6.2014 – B 14 AS 30/13 R, FamRZ 2014, 2003, BSG, Urt. v. 12.6.2013 – B 14 AS 50/12 R, FamRZ 2014, 124, BSG, Urt. v. 2.7.2009 – B 14 AS 75/08 R, FamRZ 2009, 1997, ROGGATZ, FuR 2015, 680; SCHÜRMANN, jurisPR-FamR 19/2014 Anm. 1 m.w.N.; KARL, jM 2014, 467; BERLIT, jurisPR-SozR 9/2015 Anm. 2). Aus unterhaltsrechtlicher Sicht wird die Obliegenheit zu bejahen sein, solche öffentlichen Hilfen vorrangig in Anspruch zu nehmen. ZAP Nr. 19 10.10.2019 1009

Fach 11, Seite 1540<br />

Leistungsfähigkeit im Unterhaltsrecht<br />

Familienrecht<br />

2. Kosten der Kinderbetreuung<br />

Die für den Kindergartenbesuch anfallenden Kosten, und zwar gleichgültig, ob die Einrichtung halb- oder<br />

ganztags besucht wird, sind zum Bedarf eines Kindes zu rechnen und stellen grds. keine berufsbedingten<br />

Aufwendungen des betreuenden Elternteils dar (BGH, Urt. v. 5.3.2008 – XII ZR 150/05, FamRZ 2008, 1152<br />

mit Anm. BORN = FPR 2008, 299 mit Anm. SÖPPER; BGH, Urt. v. 26.11.2008 – XII ZR 65/07, FamRZ 2009, 962<br />

mit Anm. BORN). Für den Mehrbedarf des Kindes haften beide Eltern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen.<br />

Bei der Berechnung des Ehegattenunterhaltes können diese Kosten – soweit sie vom<br />

unterhaltspflichtigen Ehegatten getragen werden – ebenso wie der Barunterhalt für das Kind in Abzug<br />

gebracht werden.<br />

Dagegen sind die sonstigen Betreuungskosten als berufsbedingter Aufwand des betreffenden<br />

Elternteils einzustufen. Wird die Betreuung eines Kindes durch Dritte allein infolge der Berufstätigkeit<br />

des betreuenden Elternteils erforderlich, stellen die Betreuungskosten keinen Mehrbedarf des Kindes<br />

dar, sondern gehören zur allgemeinen Betreuung, die vom betreuenden Elternteil im Gegenzug zur<br />

Barunterhaltspflicht des anderen allein zu leisten ist. Dafür entstehende Betreuungskosten können<br />

mithin lediglich als berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils Berücksichtigung<br />

finden (BGH, Urt. v. 4.10.2017 – XII ZB 55/17, NJW 2017, 3786; vgl. auch OLG Bremen, Beschl. v. 23.11.2017 –<br />

5 UF 54/17, FamRZ 2018, 685).<br />

3. Kosten des Umgangsrechts<br />

Grundsätzlich hat der Umgangsberechtigte die „üblichen Kosten“, die ihm bei Ausübung des Umgangsrechts<br />

entstehen, allein zu tragen (BGH, Urt. v. 9.11.<strong>19</strong>94 – XII ZR 206/93, FamRZ <strong>19</strong>95, 215).<br />

Darunter fallen:<br />

• Fahrtkosten,<br />

• Kosten etwaiger Übernachtungen des Kindes und des Umgangsberechtigten,<br />

• Verpflegungskosten des Kindes und des Umgangsberechtigten und<br />

• Kosten etwaiger privater Betreuungspersonen.<br />

Diese Regelung gilt auch bei gemeinsamem Sorgerecht (BGH FamRZ <strong>19</strong>95, 717).<br />

a) Berücksichtigung besonders hoher Umgangskosten<br />

Während die „normalen“ Kosten unterhaltsrechtlich keine Bedeutung haben, kann bei einem höheren<br />

Aufwand aufgrund einer größeren örtlichen Entfernung die Frage der unterhaltsrechtlichen Abzugsfähigkeit<br />

der besonders hohen Kosten stellen.<br />

Jedoch sind dabei allenfalls unterhaltsrechtlich abzugsfähig diejenigen Kosten, die notwendigerweise<br />

anfallen. Der Umgangsberechtigte muss sich folglich ggf. einschränken und darf nur möglichst niedrige<br />

Kosten bei der Ausübung seines Umgangsrechtes auslösen. Dies ergibt sich schon aus dem allgemeinen<br />

unterhaltsrechtlichen Grundsatz der Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen am Unterhaltsverhältnis<br />

beteiligten Personen.<br />

Praxistipp:<br />

In der Praxis sollte vorgetragen werden, wie oft der Umgang mit den Kindern stattfindet und welche<br />

Fahrtkosten für das Holen und Wegbringen der Kinder anfallen.<br />

Die einzelnen Kostenpositionen sollten, damit sie berücksichtigt werden können, detailliert und nachvollziehbar<br />

dargelegt werden.<br />

Anlassbezogene Kosten, die zwar dem Umgang dienen, aber nicht notwendig sind, sind nicht berücksichtigungsfähig.<br />

Dazu zählen z.B. Kosten für angemessene Freizeitaktivitäten mit dem Kind und Spielzeug,<br />

für eine kindgerechte Ausstattung der Wohnung bzw. des Fahrzeugs (Kindersitz), aber auch Kosten für<br />

Kleidung des Kindes, die der Umgangsberechtigte zur Nutzung während des Umgangs anschafft (SCHMIDT/<br />

KOHNE in ESCHENBRUCH/SCHÜRMANN/MENNE, Der Unterhaltsprozess, 6. Aufl. 2013, Kap. 2 Rn 513).<br />

1008 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>19</strong> 10.10.<strong>20<strong>19</strong></strong>

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