Printmagazin TECHNIK und WISSEN - Ausgabe 004
Technik und Wissen // www.technik-und-wissen.ch // berichtet in moderner Form für Fachleute aus der Industrie. Die Themen reichen vom 3D-Druck, neuen Materialien über Robotik, Montage und Zulieferindustrie bis hin zu Konstruktions- und den ganzen Digitalisierungsthemen.
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MODERNE AUTOMATIONSKONZEPTE<br />
Von Markus Back<br />
Wie viele Produkte entstehen an einem typischen<br />
Arbeitstag im Werk Maulburg?<br />
Bei uns entstehen täglich bis zu 5000 verschiedene<br />
Produkte. Viele davon gehen als Komponenten in unsere<br />
internationalen Fertigungsstätten. Dies sind gespiegelte<br />
Endmontagen für die lokale Produktion. In Maulburg<br />
haben wir die klassische Vorfertigung mit mechanischen<br />
Teilen <strong>und</strong> Sensoren, zudem entstehen bei uns elektronische<br />
Komponenten. Diese fertigen wir ausschliesslich<br />
in Deutschland.<br />
Wie lange dauert es vom Bestelleingang bis zur Auslieferung<br />
eines Produktes?<br />
Bei Sonderanfertigungen sind es fünf bis acht Arbeitstage,<br />
da wir ausschliesslich auf K<strong>und</strong>enbestellung fertigen,<br />
also make to order. Standardprodukte liefern wir innerhalb<br />
von 24 bis 48 St<strong>und</strong>en.<br />
Worin liegen die Herausforderungen von MTO 1 ?<br />
Bei einem Standort dieser Grösse <strong>und</strong> der Komplexität<br />
muss man die Vorfertigung entkoppeln <strong>und</strong> mit Lagerbeständen<br />
arbeiten. In unserem Fall sind das Millionenbeträge,<br />
die auf Lager liegen. Für einen Lean-Menschen<br />
wie mich ist das zwar nicht schön, aber anders lässt<br />
sich diese Varianz nicht beherrschen.<br />
Inwieweit erschwert Losgrösse 1 bis 2 MTO?<br />
Bei dieser Varianz <strong>und</strong> diesen Losgrössen ist die Teileverfügbarkeit<br />
das Thema schlechthin. Es muss nur ein<br />
Dichtungsring fehlen, schon bleibt der Auftrag liegen!<br />
Und das geht dann auf Kosten unserer Lieferzuverlässigkeit,<br />
die heute stabil bei 97 Prozent liegt. Wir sind bei<br />
Endress+Hauser zum Glück finanziell so gut aufgestellt,<br />
dass die Lieferfähigkeit vor der Kapitalbindung steht.<br />
Dennoch versuchen wir, möglichst wenig Material in den<br />
Fertigungslinien zu binden, <strong>und</strong> stellen dafür unter<br />
anderem die Kommissionierung um, weil die Varianz eher<br />
ansteigen als sinken wird.<br />
Wie halten Sie Ihre Fertigungsprozesse effizient <strong>und</strong><br />
schlank, wenn permanent neue Produkte hinzukommen?<br />
Indem wir, wie eben schon gesagt, beispielsweise unser<br />
Kommissionierungssystem weiter optimieren. Zusätzlich<br />
setzen wir Fahrerlose Transportsysteme ein, die benötigtes<br />
Material direkt an die Arbeitsplätze liefern, damit unsere<br />
Mitarbeiter weniger laufen müssen. Ein weiteres Thema ist<br />
der Einsatz von Assistenzsystemen, die zum Beispiel<br />
signalisieren, wenn ein Bauteil falsch eingesetzt wurde<br />
oder die mit einem Licht anzeigen, welche Komponente als<br />
nächstes einzubauen ist. Gerade bei unseren Losgrössen<br />
ist das nicht zu unterschätzen, da viele unserer Produkte<br />
ähnlich aussehen <strong>und</strong> sich mitunter nur durch kleinste<br />
Details unterscheiden. Mit diesen Themen befassen wir<br />
uns derzeit sehr intensiv <strong>und</strong> ich sehe uns auf einem recht<br />
guten Weg.<br />
Und was sind die ersten Erkenntnisse dieser Neuausrichtung?<br />
Unsere Abläufe sind dadurch deutlich effizienter geworden.<br />
Unser automatisiertes Bestellsystem zeigt der Fertigung<br />
an, welche Variante eines Geräts gebaut werden soll <strong>und</strong><br />
zeigt jeden Arbeitsschritt in leicht verständlichen Bildern<br />
an. Das erleichtert die Einlernphase für neue Mitarbeiter<br />
<strong>und</strong> erhöht die Flexibilität, da Mitarbeiter schnell auf<br />
verschiedene Produktionslinien umgeschult werden<br />
können. Zusätzlich führen wir Kaizen-Workshops in allen<br />
Bereichen durch, welche der Lean-Philosophie folgen <strong>und</strong><br />
als übergeordnetes Ziel die Verkürzung der Durchlaufzeit<br />
<strong>und</strong> Reduzierung von Verschwendung haben. Zusätzlich<br />
haben wir durch Andons die Transparenz in der Fertigung<br />
extrem gesteigert <strong>und</strong> können so unsere Schwachstellen<br />
identifizieren <strong>und</strong> analysieren.<br />
In Ihrer Fertigung kommen ebenfalls Cobots zum<br />
Einsatz. Wie klappt denn die Zusammenarbeit zwischen<br />
Mensch <strong>und</strong> Roboter?<br />
Diese direkte Zusammenarbeit findet bei uns noch nicht<br />
statt, da verschiedene Fragen, darunter arbeits- <strong>und</strong><br />
sicherheitsrechtliche Themen, bislang nicht ausreichend<br />
geklärt sind. Wir setzen Cobots separiert ein, um beispielsweise<br />
Mitarbeitende von eintönigen <strong>und</strong> ergonomisch<br />
kritischen Arbeiten zu entlasten. Bevor wir die Cobots in<br />
der Produktion eingeführt haben, konnten die Mitarbeitenden<br />
an Informationstagen die Anwendungen sehen <strong>und</strong><br />
Fragen stellen. Wir haben ihnen versichert, dass aufgr<strong>und</strong><br />
der Cobots keiner seine Arbeit verlieren wird. ››<br />
«Mit Andons in der<br />
Fertigung können<br />
wir unsere<br />
Schwachstellen<br />
identifizieren<br />
<strong>und</strong> analysieren.»<br />
Gespräch mit:<br />
Holger H. Stephan,<br />
Director Operations<br />
bei Endress+Hauser<br />
#<strong>004</strong> 23