PC_09_2019_FINAL_X1
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L E<br />
T O U R<br />
20<br />
19<br />
ETAPPE<br />
13<br />
FREITAG, 19. JULI<br />
PAU › PAU<br />
27,2 KM EZF<br />
THIBAUT<br />
PINOT<br />
zu beenden. Aber man hätte trotzdem<br />
denken können: Er ist nicht bereit, sich<br />
einzugestehen, dass seine Tour vorbei ist,<br />
deswegen trägt er noch seine Radschuhe.<br />
Pinot stellte sich wenig später in einer<br />
gemütlichen, mit abgenutztem rotem Teppich<br />
ausgelegten Lounge im ersten Stock<br />
seines Hotels den Medien, was man ihm<br />
hoch anrechnen muss.<br />
„Ich habe es satt“, sagte er ruhig, und<br />
es sah aus, als hätte das letzte bisschen<br />
Energie seinen Körper verlassen.<br />
„Ich habe weitergekämpft und es gab<br />
immer die kleine Chance, dass mein<br />
Bein heilt, aber es kam nicht so.“<br />
Draußen fand durch unglückliche Umstände<br />
die hastig improvisierte Siegerehrung<br />
für die Trikots statt, und der Lärm<br />
der Musik und Hochrufe für Egan Bernal,<br />
als er das Gelbe Trikot überreicht bekam,<br />
drangen durch die Fenster herein, eine<br />
unpassende Party-Kulisse für die Totenwache,<br />
die innen gehalten wurde.<br />
Pinots Daumen tippten einander an,<br />
als er weitersprach.<br />
„Ich hätte gewinnen können. Davon<br />
bin ich überzeugt“, sagt er. Dann weinte<br />
er wieder, und niemandem fiel etwas ein,<br />
was er noch hätte fragen können.<br />
Madiot sagte: „Wir müssen uns auskurieren,<br />
und dann kommen wir wieder<br />
auf die Beine. Thibaut hat hart gearbeitet,<br />
um diese Tour in guter Form in Angriff<br />
zu nehmen. Es war Schicksal, dass<br />
er nicht gewinnen konnte, aber wir kommen<br />
zurück.“<br />
Pinot, der bei dieser Tour große Erwartungen<br />
hatte, hatte unter einer Uhr gesessen,<br />
die um 8:40 Uhr stehen geblieben<br />
war. Madiot sagte auch, dass Pinot jetzt<br />
Zeit brauche, aber die stehengebliebene<br />
PINOTS<br />
GRAND-<br />
TOUR-<br />
MÜHEN<br />
12<br />
GRAND-TOUR-<br />
STARTS<br />
6 x DNF<br />
4 x Tour de<br />
France<br />
1 x Giro d’Italia<br />
1 x Vuelta a<br />
Espana<br />
2012 10. der Tour<br />
2013 DNF, Tour,<br />
7. der Vuelta<br />
2014 DNF, 3. der Tour<br />
Tour, Vuelta<br />
2015 16. der Tour<br />
2016 DNF, Tour<br />
2017 DNF, Tour,<br />
4. des Giro<br />
2018 DNF, Giro,<br />
6. der Vuelta<br />
<strong>2019</strong> DNF, Tour<br />
Mit einem starken<br />
Mannschaftszeifahren<br />
auf der<br />
2. Etappe eröff ne -<br />
te Groupama-FDJ<br />
das Rennen.<br />
Uhr war ein Symbol der Tatsache, dass<br />
seine Zeit – zumindest bei der Tour <strong>2019</strong><br />
– abgelaufen war.<br />
GEWINNE UND VERLUSTE<br />
Weniger als eine Woche vor Tignes hatte<br />
sich Pinot im Glutofen eines Hotel-Innenhofs<br />
in Nîmes hingesetzt, um eine<br />
Pressekonferenz zu geben, nachdem er<br />
einen Etappensieg am Col du Tourmalet<br />
und einen zweiten Platz am Prat<br />
d’Albis geholt hatte – an einem Tag, an<br />
dem er sämtliche Tour-Favoriten abgeschüttelt<br />
hatte.<br />
Dass Pinot noch nicht im Gelben Trikot<br />
war, lag an zwei Dingen: erstens an den<br />
100 Sekunden, die er bei Seitenwind in<br />
Albi verloren hatte – auf einer Etappe, auf<br />
die er vielleicht eines Tages zurückblickt<br />
und sie als den maßgeblichen Faktor betrachtet,<br />
dass er die Tour nicht gewonnen<br />
hat; und zweitens an der dynamischen<br />
und störenden Aggression von Julian Alaphilippe,<br />
dessen Spritzigkeit in den kürzeren<br />
Anstiegen keine Überraschung war,<br />
aber dessen Langlebigkeit im Hochgebirge<br />
der Pyrenäen und Alpen sehr gefährlich<br />
auszusehen begann.<br />
Bis Albi war für Pinot alles gut gelaufen.<br />
Groupama-FDJ hatte das Mannschaftszeitfahren<br />
in Brüssel im Griff gehabt,<br />
nicht zuletzt dank des Neuzugangs Stefan<br />
Küng, der half, das Team auf den 8. Platz<br />
zu befördern, aber vor allem nur zwölf Sekunden<br />
hinter dem zweitplatzierten Ineos.<br />
Bei der Hügelankunft in Épernay wurde<br />
Pinot wie alle anderen von Alaphilippes<br />
Soloangriff und Etappensieg überrascht,<br />
aber er war auf der richtigen Seite eines<br />
Risses im Peloton, das die nächsten elf<br />
Fahrer vom Rest des Feldes, darunter Titelverteidiger<br />
Geraint Thomas, um fünf<br />
Sekunden trennte. Er war Fünfter in La<br />
Planche des Belles Filles, seinem „Heim“-<br />
Anstieg – Thomas, Alaphilippe und Pinot<br />
nahmen hier allen anderen Favoriten Zeit<br />
ab. Und er ging bei einer weiteren spektakulären<br />
Schlussattacke von Alaphilippe<br />
auf der Etappe nach Saint-Étienne mit<br />
und holte 20 Sekunden plus einen Sechs-<br />
Sekunden-Bonus auf den Rest seiner<br />
Rivalen heraus. Er war Gesamt-Dritter,<br />
53 Sekunden hinter Alaphilippe, aber<br />
19 vor Thomas, 23 vor Bernal und 34 vor<br />
Steven Kruijswijk, seinen schärfsten Rivalen<br />
in der Gesamtwertung.<br />
Albi hatte Sand ins Getriebe gestreut,<br />
aber er hatte die Pyrenäen-Etappen<br />
Trotz der hohen Decke und der<br />
Tatsache, dass der Konferenzraum groß<br />
genug war, um endlose Tischreihen<br />
aufzunehmen, konnte man das Echo des<br />
Erstaunens im Palais Beaumont von Pau<br />
deutlich hören, als Julian Alaphilippe<br />
nach dem Zeitfahren die Ziellinie mit<br />
einer neuen Bestzeit überquerte. Zur<br />
Überraschung aller Experten hatte der<br />
Franzose diese Etappe vor allen anderen<br />
Zeitfahrspezialisten gewonnen.<br />
Alaphilippe selbst hüpfte – komplett in<br />
Gelb gekleidet, samt gelbem Aerohelm<br />
– im Ziel von seinem Fahrrad, beugte die<br />
Knie und streckte die Arme so weit aus<br />
wie das Grinsen in seinem Gesicht, bevor<br />
er seine Teamkollegen umarmte, die im<br />
Zielbereich auf ihn warteten. Eigentlich<br />
war erwartet worden, dass er an diesem<br />
Tag sein Gelbes Trikot würde abgeben<br />
müssen. Doch stattdessen begann nun,<br />
nach 13 Tagen, der wahre Kampf um den<br />
Gesamtsieg. Niemand hatte mit<br />
Alaphilippe gerechnet, der förmlich<br />
über den Stadtkurs flog und sein Rad<br />
perfekt durch alle Kurven manövrierte.<br />
Ebenso rechnete niemand damit, dass er<br />
den letzten, 100 Meter langen Anstieg<br />
derart schnell fahren würde, dass er<br />
Geraint Thomas weitere acht Sekunden<br />
abnahm. Ein großer Tag für Alaphilippe,<br />
ein großer Tag für Frankreich.<br />
ETAPPENERGEBNIS<br />
1 Julian Alaphilippe Deceuninck–QS 35:00<br />
2 Geraint Thomas Team Ineos +0:14<br />
3 Thomas De Gendt Lotto Soudal +0:36<br />
GESAMTWERTUNG<br />
1 Julian Alaphilippe Deceuninck–QS 53:01:<strong>09</strong><br />
2 Geraint Thomas Team Ineos +1:26<br />
3 Steven Kruijswijk Jumbo–Visma +2:12<br />
PUNKTEWERTUNG<br />
1 Peter Sagan Bora-Hansgrohe 277<br />
2 Sonny Colbrelli Bahrain Merida 191<br />
3 Elia Viviani Deceuninck-QS 184<br />
SEPTEMBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 99