PC_09_2019_FINAL_X1
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An der Planche des<br />
Belles Filles fuhren<br />
Alaphilippe und<br />
Pinot wertvolle<br />
Sekunden auf die<br />
Konkurrenz heraus.<br />
Die Fahrt über die Südseite<br />
des Col de l’Iseran hoch<br />
nach Tignes ist eine lange<br />
und langsame. Sie lässt<br />
einem Mann Zeit zum<br />
Nachdenken, vielleicht zu<br />
viel. Während Thibaut<br />
Pinot am frühen Nachmittag des 26. Juli<br />
fassungslos im Wagen des Sportlichen Leiters<br />
Thierry Bricaud saß, war vor ihm Egan<br />
Bernal im Begriff, Pinots Tour de France<br />
zu gewinnen, und ein unerwarteter Erdrutsch<br />
begrub die Aussicht auf den Alpen-<br />
Showdown, den die Organisatoren für das<br />
Ende des Rennens geplant hatten.<br />
Ebenso schnell waren auch Pinots Ambitionen<br />
beerdigt. Ein vages Empfinden<br />
auf der 17. Etappe nach Gap, dass etwas<br />
mit seinem linken Oberschenkel nicht<br />
stimmte, wurde am nächsten Tag zu dem<br />
Gefühl, dass er nur mit einem Bein über<br />
den Galibier nach Valloire fuhr, und morgens<br />
in Tignes zur qualvollen Unfähigkeit,<br />
das Knie zu beugen. Die Verletzung, ein<br />
Muskelfaserriss im linken Oberschenkel,<br />
kommt bei einem Rennfahrer ebenso selten<br />
vor wie ein Erdrutsch bei der Tour. Wie<br />
der Mannschaftsarzt Jacky Maillot sagte,<br />
Im Alter von 22<br />
fuhr Pinot bei der<br />
Tour 2012 mit einem<br />
Etappensieg<br />
und Platz 10 im GC<br />
ins Rampenlicht.<br />
ist es eine typische Verletzung für einen<br />
Fußballspieler oder Leichtathleten, nicht<br />
für einen Radsportler.<br />
Pinot war um drei Uhr nachmittags,<br />
35 Kilometer nach dem Start in Saint-<br />
Jean-de-Maurienne, unter Tränen vom<br />
Rad gestiegen. Es dauerte mehr als drei<br />
Stunden, bis er der klaustrophobischen<br />
Stille des Groupama-FDJ-Mannschaftswagens<br />
entkam, als er schließlich das<br />
Hotel L’Ecrin du Val Claret erreichte,<br />
200 Meter von der Ziellinie in Tignes entfernt,<br />
wo er in einem anderen Universum<br />
die Etappe gewonnen und sich das Gelbe<br />
Trikot übergezogen hätte. Sein Generalmanager<br />
Marc Madiot war den ganzen<br />
Nachmittag oben im Zielbereich gewesen<br />
und hatte so viel Gleichmut bewahrt, wie<br />
er unter diesen Umständen nur konnte.<br />
„C’est le sport. C’est la vie“, sagte er wartenden<br />
Journalisten. Pinot war der vierte<br />
Groupama-Fahrer, der ins Hotel kam, ein<br />
fassungsloser und zutiefst erschütterter<br />
Ausdruck auf seinem Gesicht, seine Augen<br />
geschwollen und rot. Er lief klackernd<br />
zum Eingang, noch in seinen Radschuhen.<br />
Warum auch nicht? Seine Turnschuhe<br />
waren wahrscheinlich noch im Bus wie<br />
sonst auch – schließlich plant niemand,<br />
eine Tour-Etappe im Mannschaftswagen<br />
„THIBAUT HAT HART GEARBEITET, UM DIESE<br />
TOUR IN GUTER FORM IN ANGRIFF ZU NEHMEN.<br />
ES WAR SCHICKSAL, DASS ER NICHT GEWINNEN<br />
KONNTE, ABER WIR KOMMEN ZURÜCK.“<br />
Marc Madiot, Groupama-FDJ-Teammanager<br />
98 PROCYCLING | SEPTEMBER <strong>2019</strong>