PC_09_2019_FINAL_X1
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L E<br />
T O U R<br />
20<br />
19<br />
CALEB EWAN<br />
Ein glücklicher<br />
Caleb Ewan<br />
umarmt seine<br />
Teamkollegen<br />
nach dem Erfolg<br />
bei Etappe 11.<br />
das falsch. Das haben wir an dem Tag,<br />
als er in Chalon Zweiter wurde, besser gemacht.<br />
Ich habe ihn bis auf die letzten drei<br />
bis vier Kilometer in einer guten Position<br />
gehalten, auf der Höhe von Jumbo oder<br />
Quick-Step. Fast 1,5 Kilometer vor der<br />
letzten Kurve war ich fertig, aber ich war<br />
eigentlich nicht am Limit, ich musste ein -<br />
fach nicht mehr tun.“ Auf der Linie war<br />
Groenewegen einen Bruchteil schnel ler<br />
und Ewans Streben nach einem ersten<br />
Tour-Etappensieg ging einen vierten, dann<br />
einen fünften Tag weiter. Es wurde ernst.<br />
MR. MOTIVATOR<br />
Am Ruhetag in Albi am Vorabend des<br />
Sprints in Toulouse nahm Lotto-Soudal-Teammanager<br />
Marc Sergeant Ewan<br />
beiseite und hielt ihm eine Aufmunterungsrede.<br />
Ewan wollte sich über den Inhalt<br />
des Gesprächs nicht äußern, sondern<br />
sagte nur: „Marc hat so eine beruhigende<br />
Art. Ich habe mich anschließend gefühlt,<br />
als stünde ich überhaupt nicht unter<br />
Druck. Er hat mit vielen Sprintern gearbeitet<br />
und weiß, dass wir uns selbst unter<br />
Druck setzen. Er weiß, wie er uns diesen<br />
Druck nimmt“, fügte der Australier hinzu.<br />
Auf einem nicht kategorisierten Hügel<br />
kurz vor dem Ziel und der Ringstraße auf<br />
dem Weg in die platanengesäumte Altstadt<br />
von Toulouse ließ sich der Fahrer aus<br />
Sydney nicht aufhalten. Selbst als Viviani<br />
ihn vom besten Hinterrad des Rennens<br />
– dem von Groenewegen – verdrängen<br />
wollte, ließ Ewan den Italiener nicht rein<br />
und auch keinen anderen gewinnen. Er<br />
bezwang den Holländer mit derselben<br />
hauchdünnen Differenz, mit der er in<br />
Chalon verloren hatte. Und was auch immer<br />
Wirkung zeigte – Sergeants weiser<br />
Rat, die Ankunft von Ewans Frau und der<br />
neugeborenen Tochter bei dem Rennen<br />
oder die schiere Entschlossenheit, sich zu<br />
holen, wovon er geträumt hatte –, der Sieg<br />
fühlte sich unausweichlich an. Gegen<br />
Ende der Tour sollte er diese Siegesausbeute<br />
verdreifacht und den prestigeträchtigen<br />
Sprint auf den Champs-Elysées gewonnen<br />
haben.<br />
„ZU BEGINN DER TOUR WAREN WIR AUFGEREGT<br />
UND MOTIVIERT, EINEN PERFEKTEN SPRINTZUG<br />
AUFZUBAUEN. VIELLEICHT WAR DAS FALSCH.“<br />
Roger Kluge, Lotto Soudal<br />
1. ETAPPE<br />
4. ETAPPE 7. ETAPPE 10. ETAPPE 11. ETAPPE 16. ETAPPE 21. ETAPPE<br />
© Getty Images (Leiste)<br />
Ewan vermeidet<br />
einen Sturz in der<br />
Schlussphase,<br />
bei dem Groenewegen<br />
zu Fall<br />
kommt. Doch auf<br />
den letzten Metern<br />
ist der Weg vor ihm<br />
versperrt. „Ich war<br />
eingeklemmt. Ich<br />
kam am Ende nicht<br />
raus und musste<br />
aufhören, in die<br />
Pedale zu treten.<br />
Aber so geht das im<br />
Sprint. Das kommt<br />
vor“, sagte er.<br />
Rund 500 Meter<br />
vor dem Ziel es -<br />
kor tiert De Buyst<br />
Ewan zur Gruppe<br />
der Sprinter. Ewan<br />
hängt sich an<br />
Vivianis Hinterrad,<br />
kommt aber nicht<br />
klar und wird Dritter.<br />
„Wenn du einen<br />
Kilometer vor der<br />
Linie von so weit<br />
hinten kommst,<br />
verbrauchst du zu<br />
viel Energie, um<br />
nach vorn zu kommen“,<br />
sagte er.<br />
Ewan hängt sich an<br />
Peter Sagans Hinterrad<br />
hinter dem De -<br />
ceuninck-Team. Im<br />
leicht ansteigenden<br />
Finale schert er<br />
rechts aus, um sich<br />
in Vivianis Windschatten<br />
zu saugen,<br />
wird aber um Millimeter<br />
von Groenewegen<br />
abgefangen.<br />
„Ich glaube, ich bin<br />
einen fast perfekten<br />
Sprint gefahren, aber<br />
Dylan war einfach ein<br />
bisschen schneller.“<br />
Ewan wählt den<br />
Sunweb-Zug als zu<br />
verfolgende Hinterräder<br />
aus, aber<br />
Sunweb-Anfahrer<br />
Cees Bol gerät ins<br />
Stottern und sein<br />
Kapitän Michael<br />
Matthews geht un -<br />
ter. Ewan rettet sich<br />
auf den dritten Platz.<br />
„Er [Bol] hätte gehen<br />
sollen, als die Straße<br />
steiler wurde, aber<br />
er zögerte und wir<br />
alle verloren Ge -<br />
schwindigkeit.“<br />
Drei Kilometer lang<br />
bleibt Ewan an Groenewegens<br />
Hinterrad.<br />
Nach einer gewaltigen<br />
Ablösung von<br />
Teunissen eröffnet<br />
Groenewegen seinen<br />
Sprint 250 Meter vor<br />
der Linie. Ewan wartet,<br />
bevor er beschleunigt<br />
und sich in den<br />
Windschatten des<br />
Holländers saugt.<br />
„Ich bin an sein Hin -<br />
terrad gesprintet,<br />
um in seinen Windschatten<br />
zu gehen.“<br />
De Buyst hält das<br />
Tempo hoch, bis De -<br />
ceuninck beschleunigt<br />
und Ewan ans<br />
siebte Hinterrad zu -<br />
rückfällt. Rund 230<br />
Meter vor der Linie<br />
eröffnet Ewan seinen<br />
Sprint und setzt sich<br />
gegen Vi viani und<br />
Groenewegen durch.<br />
„Ich ging vom Hinterrad<br />
weg, nahm einen<br />
echten Anlauf und<br />
eröffnete meinen<br />
Sprint vor den anderen<br />
Jungs“, sagte er.<br />
Die formellen Sprintzüge<br />
kehren zurück.<br />
Irgendwie. Auf dem<br />
letzten Kilometer ist<br />
Ewan an den Hinterrädern<br />
von Kluge<br />
und De Buyst, löst<br />
sich aber von ihnen,<br />
um sich an den<br />
Quick-Step-Zug zu<br />
hängen. Vom siebten<br />
Hinterrad in einer<br />
Kurve schießt er von<br />
links nach rechts und<br />
fängt Groenewegen<br />
und Niccolò Bonifazio<br />
auf der Linie ab.<br />
92 PROCYCLING | SEPTEMBER <strong>2019</strong>