PC_09_2019_FINAL_X1
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L E<br />
T O U R<br />
20<br />
19<br />
CALEB EWAN<br />
2017, gewann Ewan vier Etappen. Aber<br />
das Orica-Team nahm Veränderungen am<br />
Sprintzug vor, um ihn noch schneller zu<br />
machen. Beim nächsten WorldTour-Rennen<br />
in Abu Dhabi wurde Luka Mezgec<br />
als letzter Mann eingearbeitet. „Luka hat<br />
mehr Punch, ist mehr Sprinter als ich, ich<br />
kann das Tempo länger halten, also bin ich<br />
eine Position nach hinten gerutscht“, sagte<br />
Kluge. Aber wer welchen Job machte, hing<br />
vom Kurs ab. Wenn der Sprint leicht bergauf<br />
führte, war Mezgec der letzte Mann;<br />
bergab wurden Kluges Geschwindigkeit,<br />
Gewicht und Kraft priorisiert.<br />
Von 2017 bis zum Ende dieser Tour<br />
hat Ewan in Partnerschaft mit Kluge<br />
31 zweite und dritte Plätze geholt, darunter<br />
einen zweiten Platz bei Mailand–San<br />
Remo 2018. Im selben Zeitraum gewann<br />
er 19-mal. So viele knappe Niederlagen<br />
könnten am Selbstwertgefühl eines Sprinters<br />
nagen, doch Kluge versichert, dass<br />
Ewan mental stark genug war, um mit diesen<br />
Podiumsplätzen umzugehen. „Wir teilen<br />
uns bei den meisten Rennen ein Zimmer<br />
und ich habe ihn ein paarmal beim<br />
Trainingslager in Monaco besucht. Er hatte<br />
viele Podiumsplätze in den letzten anderthalb<br />
Jahren, wahrscheinlich mehr als jeder<br />
andere Sprinter, aber ich glaube, ich unter-<br />
stütze ihn ein bisschen und sage ihm, dass<br />
er es weiter versuchen muss.“<br />
SEIN GLÜCK BEI(M) LOTTO SUCHEN<br />
Ewan sagt, er wäre als Neuprofi in die<br />
Tour gegangen, wenn es bei der Auswahl<br />
des Teams nach ihm gegangen wäre.<br />
„Vielleicht war es am Ende gut, dass es<br />
nicht so kam“, ergänzt der Australier.<br />
„Aber ich denke nicht, dass dies meine<br />
erste Tour de France hätte sein sollen. Ich<br />
hatte schon vor drei oder vier Jahren das<br />
Gefühl, bereit zu sein.“ An wen die spitze<br />
Bemerkung gerichtet ist, ist klar.<br />
Ewan war letztes Jahr für einen Tour-<br />
Start am Ende eines Mitchelton-Scott-<br />
Sprintzugs vorgesehen. „Im letzten Jahr<br />
haben wir die ganze Saison mit Luka und<br />
Mat Hayman und anderen, die in die<br />
Tour-Vorbereitung involviert waren, trainiert“,<br />
sagte Kluge. „Wir waren bei der Kalifornien-Rundfahrt,<br />
dann haben wir ein<br />
wirklich gutes Team aufgebaut und plötzlich<br />
wurde entschieden, nur Kletterer mitzunehmen.“<br />
Dass er übergangen wurde,<br />
lag teils daran, dass Ewan seinen Wechsel<br />
zu Lotto Soudal bereits perfekt gemacht<br />
hatte, und teils daran, dass Mitchelton-<br />
Ewan bezwingt<br />
Groenewegen in<br />
Toulouse und holt<br />
sich seinen ersten<br />
Tour-Etappensieg.<br />
3Etappen<br />
gewann Ewan<br />
bei dieser Tour<br />
– mehr als<br />
jeder andere<br />
Sprinter<br />
Scott sich mit Adam Yates auf die Gesamtwertung<br />
konzentrieren wollte.<br />
Obwohl Kluge zu Beginn der Saison<br />
als Teil des Ewan-Pakets zu Lotto kam<br />
– was für ihre enge Verbindung spricht –,<br />
brachte der Wechsel noch mehr Umbauten<br />
im Sprintzug mit sich. Die Frage war<br />
insbesondere, wie man mit Jasper De<br />
Buyst umgeht, der wie Kluge einen starken<br />
Bahnhintergrund hatte. Er wurde als<br />
Ersatz für Mezgec eingesetzt. „Wir haben<br />
nicht bei null angefangen, aber einen<br />
neuen Anfahrer wie Jasper zu bekommen<br />
und sich an unterschiedliches Material<br />
zu gewöhnen, braucht Zeit“, sagte Kluge.<br />
„Wir sind noch in einem neuen Team und<br />
finden noch heraus, was das Beste für<br />
Caleb ist.“<br />
Beim Giro, wo die drei zusammen gefahren<br />
sind, wurde Ewan bei den Sprints<br />
Dritter, Zweiter und Vierter. Dann gewann<br />
er die Etappen 8 und 11. Der Code,<br />
einmal geknackt, war, aus dem Windschatten<br />
seines Rivalen Pascal Ackermann<br />
herauszusprinten. Ackermann, in<br />
der Maglia Ciclamino, war der beste<br />
Sprin ter des Rennens.<br />
Aber irgendwie vergaß Lotto Soudal die<br />
Formel. Laut Kluge ging das Team in diesem<br />
Sommer mit der Absicht in die Tour,<br />
Ewan einen formaleren Sprintzug zu geben.<br />
„Wenn man zurückschaut, hat er<br />
meistens, wenn man ihn auf den letzten<br />
Kilometern eskortiert hat, gewonnen, aber<br />
das ist nicht, was er will“, erklärte der<br />
Deutsche. „Zu Beginn der Tour haben wir<br />
das vergessen und waren ganz aufgeregt<br />
und motiviert, einen perfekten und großen<br />
Sprintzug aufzubauen. Vielleicht war<br />
GLÜCKSBRINGER<br />
C<br />
aleb Ewans Etappensieg war die Wohlfühlgeschichte<br />
des Rennens. Sechs Wochen vor Beginn der Tour kam<br />
seine Tochter Lily zu Hause in Monaco zu früh zur<br />
Welt. Er musste zum Rennen reisen, bevor Lily das Krankenhaus<br />
verlassen durfte. „Es war wohl das Schwerste, was ich je machen<br />
musste: zu einem Rennen zu fahren und meine Tochter im<br />
Krankenhaus zurückzulassen. Ich bin so froh, dass ich meiner<br />
neuen Familie das mit so einer großen Sache zurückzahlen konnte“,<br />
sagte er nach seinem Sieg in Toulouse. Seine Frau Ryann flog<br />
mit Lily zum Ruhetag in Nîmes ein und konnte Ewan begrüßen,<br />
als er seinen Etappensieg holte. „Wenn meine Tochter alt genug<br />
ist, wird es ziemlich cool, ihr zu erzählen, dass das allererste<br />
Rennen, bei dem sie mich gesehen hat, die Tour de France war<br />
und ich auch noch eine Etappe gewonnen habe.“<br />
SEPTEMBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 91