PC_09_2019_FINAL_X1
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L E<br />
T O U R<br />
20<br />
19<br />
WOCHE 1<br />
FROOME<br />
FEHLTE<br />
K<br />
önnte man argumentieren,<br />
dass das Team Ineos nicht so<br />
stark war wie in früheren Jahren<br />
und dass das zu einem<br />
besseren Rennen beitrug? Möglicherweise.<br />
Im Anstieg nach Planche des Belles<br />
Filles schrumpfte ihr burgunderroter<br />
Bergzug früh auf drei Fahrer zusammen<br />
– und zwei davon waren mutmaßliche<br />
Co-Kapitäne. Wie Astana-Fahrer Pello<br />
Bilbao sagte, konnte Ineos das Rennen<br />
nicht so kontrollieren wie in früheren Jahren.<br />
Er konkretisierte: „Wir haben in der<br />
Mannschaft darüber gesprochen, und<br />
Ineos kann das Rennen offensichtlich<br />
nicht so leicht dominieren. Vielleicht ist<br />
der Unterschied zwischen Ineos und anderen<br />
Teams nicht mehr so groß.“<br />
Das Team Astana bekam dann bei Seitenwind<br />
auf dem Weg nach Albi eine bö -<br />
se Abreibung verpasst. Eine ungünstig<br />
platzierte Verpflegungszone ließ sie im<br />
Windkantenrennen den Anschluss verpassen<br />
– eine Situation, die Jakob Fuglsang<br />
1:40 Minuten kostete. Eine hitzige<br />
Auseinandersetzung zwischen Fuglsangs<br />
Masseur Christian Valente und dem<br />
Sportlichen Leiter im Auto kochte in Al -<br />
bi über. „Es war bitter, 1:40 Minuten zu<br />
verlieren, wenn du jeden Tag um fünf Sekunden<br />
kämpfst“, sagte Bilbao. „Ineos<br />
hat nicht die Power gezeigt, die das Team<br />
in den vergangenen Jahren hatte, aber<br />
dann hat es im richtigen Moment, wie<br />
gestern, beide Kapitäne vorn, und fuhr<br />
sehr, sehr stark.“<br />
Aber Bilbao versicherte, dass etwas<br />
anders war. Vielleicht war es das Fehlen<br />
von Chris Froome, der verletzungsbedingt<br />
nicht teilnehmen konnte. „Wenn Froome<br />
bei einem Rennen ist, scheinen alle auf<br />
ihn zu warten und darauf, wann er sei -<br />
nen Angriff setzt“, sagte Bilbao. „Er ist<br />
der Fahrer, der den größten Ausschlag<br />
geben kann, wie er letztes Jahr am Finestre<br />
beim Giro d’Italia gezeigt hat. In gewisser<br />
Weise blockiert er vielleicht das Rennen,<br />
besonders, wenn er ein starkes Team<br />
hat, das den Verlauf des Rennens kontrollieren<br />
kann.“<br />
DAS ZENTRALMASSIV<br />
D<br />
ie diesjährige Route führte<br />
durch das wellige Terrain der<br />
Champagne mit ihren Weinbergen,<br />
die Vogesen, dann<br />
weiter südlich durch das Beaujolais, die<br />
Monts du Lyon, das Zentralmassiv und<br />
seine südlichen Ausläufer in Aveyron und<br />
Tarn. Der aus der Gegend – genauer gesagt<br />
aus Rodez – stammende AG2R-La-Mondiale-Fahrer<br />
Alexandre Geniez, der das<br />
Rennen von einem Trainingslager in den<br />
Alpen aus verfolgte, sagte: „Ich glaube,<br />
die wenigsten Teams haben mit einem<br />
so schweren Rennen gerechnet.“<br />
Er fügte hinzu: „Ich glaube, es ist eine<br />
gute Idee, früh ins Zentralmassiv zu gehen,<br />
denn normalerweise, wenn das Rennen<br />
später dorthin kommt, sind Berge wie<br />
die Pyrenäen und Alpen schon vorbei und<br />
die Gesamtwertung ist schon etabliert.“<br />
Bei den letzten drei Besuchen wurde<br />
das Zentralmassiv auf der 14. Etappe<br />
(2018), der achten Etappe (2017) und<br />
der fünften Etappe (2016) befahren. Ein<br />
Unterschied: das Fehlen einer Hügelankunft.<br />
Stattdessen entwarf Streckenchef<br />
Thierry Gouvenou hügelige Etappen mit<br />
flachen Finalen.<br />
Welliges Terrain zu finden in der Hoffnung,<br />
die Klassementfahrer aus der Reserve<br />
zu locken, ist nicht neu, aber in<br />
diesem Jahr war auf dem Plateau des Zentralmassivs<br />
ein Großteil der Route zwischen<br />
400 und 850 Meter hoch, was<br />
viel hügeliger ist als das Terrain, das man<br />
antrifft, wenn die Tour de France in den<br />
Westen führt. „Die meiste Zeit geht es<br />
über schmale Straßen und es ist nie flach“,<br />
sagte Geniez weiter. „Die Straßen führen<br />
immer im Zickzack und es kann heiß und<br />
windig sein.“<br />
Hat die Tour vielleicht ein Rezept gefunden,<br />
um ein hypertrainiertes Peloton<br />
aufzubrechen, in dem, wie Lotto-Fahrer<br />
Jens Keukeleire sagte, „alle bei 100 Prozent“<br />
sind? Im letzten Jahr hatten am<br />
ersten Ruhetag nach der neunten Etappe<br />
nur zwei Fahrer mehr als eine Stunde<br />
Rückstand auf das Gelbe Trikot. In diesem<br />
Jahr kam der Ruhetag einen Tag später,<br />
aber stolze 86 Fahrer wiesen mehr als<br />
60 Minuten Rückstand auf Gelb auf.<br />
Das Zentralmassiv hielt zahlreiche giftige<br />
Anstiege für das Peloton bereit.<br />
SEPTEMBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 79