PC_09_2019_FINAL_X1
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ETAPPE 1<br />
NICHT<br />
ZU<br />
STOPPEN<br />
MIKE TEUNISSEN<br />
Mike Teunissen hielt sich mit dem linken<br />
Zeigefinger das Ohr zu, während er das<br />
Telefon fester an sein rechtes drückte. Die<br />
Mikrofone und Kameras schoben sich näher<br />
an ihn heran. Er trug ein Gelbes Trikot,<br />
aber eben nicht das normale seines<br />
Jumbo–Visma-Teams. Seine Augen hatten<br />
Fältchen an der Seite, verursacht durch<br />
das Lächeln, das über sein Gesicht huschte,<br />
als er seinem Gesprächspartner lauschte.<br />
Vor Mai <strong>2019</strong> hatte der Holländer nur<br />
ein einziges Profirennen für sich entschieden<br />
– den Prolog der Tour de l’Ain 2015.<br />
Jetzt stand er in der Mixed Zone der Tour<br />
de France und hatte gerade die Eröffnungsetappe<br />
des diesjährigen Rennens für sich<br />
entschieden und war damit ins Maillot<br />
Jaune geschlüpft. Ungläubigkeit traf seinen<br />
Gesichtsausdruck wohl am besten.<br />
Kein Wunder, dass das Lächeln nicht<br />
mehr aus Teunissens Gesicht gewichen<br />
war, seit er die Ziellinie überquert hatte.<br />
„Es war mein Vater“, sagte Teunissen,<br />
nachdem er das Telefongespräch beendet<br />
hatte und seine Aufmerksamkeit wieder<br />
der Wand aus Reportern widmete. „Er<br />
wollte mir sagen, dass er stolz auf mich ist.“<br />
Viele hatten in Brüssel mit einem niederländischen<br />
Sieger gerechnet – aber<br />
eben nicht mit Teunissen. Die gesamte<br />
Aufmerksamkeit lag auf seinem Teamkollegen<br />
Dylan Groenewegen, aber als er zwei<br />
Kilometer vor der Linie in einen Sturz verwickelt<br />
wurde, war der Sprintanfahrer<br />
Teunissen in einer kleinen Gruppe von<br />
In einem engen<br />
Sprint schlägt Teunissen<br />
Topfavorit<br />
Peter Sagan auf<br />
der Linie.<br />
Fahrern weiter vorn. Noch bevor klar war,<br />
dass Groenewegen in einem Pulk auf dem<br />
Boden saß, befand sich Teunissen in einem<br />
Kopf-an-Kopf-Sprint mit Peter Sagan.<br />
„War das Van Aert?“ „Mike wer?“,<br />
fragte man sich im Medienzelt.<br />
In neun von zehn Fällen hätte Teunissen<br />
gegen Sagan die schlechteren Chancen.<br />
Aber dieses Mal war alles anders. Im<br />
Sport reicht es eben manchmal auch, dass<br />
man nur einmal die besseren Chancen<br />
hat, um zu gewinnen.<br />
Nachdem er 2015 bei LottoNL–Jumbo<br />
Profi geworden war, wechselte Teunissen<br />
zwei Jahre später zu Sunweb. Er wollte<br />
mehr Verantwortung tragen, aber er kam<br />
in dem deutschen Team nicht zurecht und<br />
ging vor dieser Saison zu Jumbo zurück.<br />
Das holländische Team hat den Ruf, Talente<br />
zu fördern und aus Fahrern mit ordentlichem<br />
Potenzial A-Promis zu machen;<br />
Groenewegen und Primož Roglic<br />
sind die einschlägigen Beispiele. Und mit<br />
Teunissen haben sie <strong>2019</strong> begonnen,<br />
dasselbe zu machen. Zwei Etappensie-<br />
© Gruber Images<br />
SEPTEMBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 71