PC_09_2019_FINAL_X1
- Keine Tags gefunden...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ETAPPE<br />
5<br />
MITTWOCH, 10. JULI<br />
SAINT-DIÉ-DES-VOSGES ›<br />
COLMAR<br />
175,5 KM<br />
Zu flach für eine Bergetappe, zu bergig<br />
für eine Flachetappe. Der fünfte Tag der<br />
Tour <strong>2019</strong> hätte nicht besser für die<br />
neue Generation von Allround-Sprintern<br />
konzipiert werden können, die in den<br />
letzten Jahren die Klassiker und diese<br />
Art von Etappen bei den großen<br />
Rundfahrten dominiert haben.<br />
Natürlich ist der König der Allrounder<br />
Peter Sagan, und er hat die Etappe<br />
ordnungsgemäß gewonnen, nachdem<br />
das Feld durch die beiden Steigungen<br />
der zweiten Kategorie auf etwa die<br />
Hälfte seiner ursprünglichen Größe<br />
reduziert wurde. Eine gute Auswahl<br />
weiterer Allround-Sprinter – Wout Van<br />
Aert, Matteo Trentin, Sonny Colbrelli und<br />
Michael Matthews (plus dem Führenden,<br />
Julian Alaphilippe) – füllte die Top Ten<br />
hinter Sagan. Es war eine typische Tour<br />
für Sagan: Ein Etappensieg liegt im<br />
Schnitt seiner üblichen Trefferquote,<br />
aber neben dem Sieg in Colmar<br />
erreichte er bei der Tour <strong>2019</strong> auf<br />
weiteren acht Etappen die Top fünf. Das<br />
bedeutet, dass er im Rennen um das<br />
Grüne Trikot fast unschlagbar ist – er ist<br />
der einzige Fahrer, der Massensprints,<br />
hügelige Sprints und alle Bonussprints<br />
dazwischen holen kann. Der Zweite in<br />
Colmar, Wout Van Aert, zeigt jedoch<br />
Anzeichen dafür, dass er sich zu einem<br />
starken Rivalen für Sagan entwickelt hat.<br />
Er kann sprinten und klettern – und<br />
könnte Sagan 2020 schlagen.<br />
Am Square Eddy Merckx, einem kleinen<br />
Monument auf dem Place des Bouvreuils<br />
im Brüsseler Vorort Woluwé-Saint-Pierre,<br />
ist es am Sonntagmorgen fast still – obwohl<br />
die Teams nur ein paar Blocks weiter<br />
ihre Übungsrunden auf dem Kurs des<br />
Mannschaftszeitfahrens drehen. Am Place<br />
des Bouvreuils ist Eddy Merckx aufgewachsen,<br />
und hier hatte seine Familie ein<br />
Geschäft. Es ist daher überraschend, dass<br />
außer einem Einheimischen niemand hier<br />
ist, als das größte Rennen der Welt dem<br />
größten Radsportler der Welt seine Ehre<br />
erweist.<br />
Einzig ein Mann schlendert umher. Es<br />
stellt sich heraus, dass Carl, so sein Na <br />
me, auf dieselbe Schule gegangen ist wie<br />
Merckx, und er erklärt, dass die Belgier<br />
Merckx zwar verehren, aber nicht so viel<br />
Aufhebens davon machen wollen. „Er war,<br />
glaube ich, in der Klasse von 1957, und<br />
ich war Ende der 1960er-Jahre dort. Aber<br />
als er die Tour gewann, hat uns die Schule<br />
nie richtig gesagt, dass er einst ebenfalls<br />
hier war. Das mag überraschend sein,<br />
aber so sind wir Belgier – wir sind nie auf<br />
etwas stolz.“<br />
L E<br />
T O U R<br />
20<br />
19<br />
BELGIEN<br />
Der Belgier<br />
Firmin Lambot<br />
gewann die Tour<br />
1919 – die erste<br />
Auflage mit dem<br />
Gelben Trikot.<br />
Das Team Jumbo–Visma<br />
im Ziel<br />
des Mannschaftszeitfahrens.<br />
2005 wurden zwei Umfragen in Belgien<br />
durchgeführt: eine namens „De grootste<br />
Belg“ in Flandern und eine weitere namens<br />
„Le plus grand Belge“ in der Wallonie.<br />
Das Land wählte in seinen linguistischen<br />
Blöcken den größten Belgier der<br />
Geschichte, wobei Jacques Brel die französischsprachige<br />
Umfrage gewann und der<br />
wohltätige Pater Damian die flämische.<br />
Merckx war neben dem Geistlichen der<br />
Einzige, der es in die Top Vier beider Erhebungen<br />
geschafft hatte.<br />
Merckx hat sich immer als Belgier<br />
bezeichnet, und die Tour de France hat<br />
bei ihrem Besuch <strong>2019</strong> sorgfältig darauf<br />
geachtet, beiden Seiten der sprachlichen<br />
Trennlinie ihre Aufwartung zu machen,<br />
Flandern und die Wallonie zu besuchen<br />
und beide Schreibweisen von Brüssel zu<br />
verwenden.<br />
Die Tour de France hält sich aus der<br />
Politik möglichst raus. Aber die Tour ist<br />
von Natur aus geografisch, und das Geografische<br />
ist das Politische. Das Rennen<br />
findet in der echten Welt statt, nicht in<br />
dem künstlichen und abgeschirmten<br />
Raum eines Sportstadions, und die echte<br />
ETAPPENERGEBNIS<br />
1 Peter Sagan Bora–hansgrohe 4:02:33<br />
2 Wout Van Aert Jumbo–Visma gl. Zeit<br />
3 Matteo Trentin Mitchelton-Scott gl. Zeit<br />
© Getty Images (groß, Sagan), Offside L’Equipe<br />
GESAMTWERTUNG<br />
1 Julian Alaphilippe Deceuninck–QS 18:44:12<br />
2 Wout Van Aert Jumbo–Visma +0:14<br />
3 Steven Kruijswijk Jumbo–Visma +0:25<br />
NACHWUCHSWERTUNG<br />
1 Wout Van Aert Jumbo–Visma 18:44:26<br />
2 Egan Bernal Team Ineos +0:26<br />
3 Enric Mas Deceuninck–QS +0:32<br />
66 PROCYCLING | SEPTEMBER <strong>2019</strong>