08.10.2019 Aufrufe

PC_09_2019_FINAL_X1

  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

L E<br />

T O U R<br />

20<br />

19<br />

ANALYSE<br />

Julian Alaphilippe<br />

kämpfte bis zum<br />

Ende um sein hart<br />

erarbeitetes Gelbes<br />

Trikot.<br />

Unwetter sorgten<br />

in den Alpen dafür,<br />

dass die Strecke<br />

der Tour verändert<br />

werden musste.<br />

m frühen Morgen des 26. Juli setzte sich<br />

Dave Brailsford mit Egan Bernal und Geraint<br />

Thomas zusammen und sagte ihnen:<br />

Ihr habt 37 Minuten Zeit, die Tour de<br />

France zu gewinnen.<br />

Die 19. Etappe sollte das Tour-Peloton<br />

am Nachmittag desselben Tages über eine<br />

Reihe von kleinen Anstiegen auf einer welligen,<br />

aber stetig ansteigenden Straße in<br />

den Ort Bonneval-sur-Arc führen, dann<br />

über den Col de l’Iseran, hinunter ins Isère-Tal<br />

und hoch zum Skigebiet in Tignes.<br />

Der Preis für die Passage des höchstens<br />

Punkts der Tour, das Souvenir Henri Desgrange,<br />

der dieses Jahr am Iseran lag, betrug<br />

5.000 Euro. Aber für Brailsford stand<br />

mehr auf dem Spiel als fünf Riesen in bar.<br />

Laut Brailsfords Plänen sollte die Ziellinie<br />

nicht nur der Etappe, sondern der gesamten<br />

Tour am Gipfel des Iseran liegen.<br />

Nach seiner Berechnung würden an dem<br />

Punkt nur noch drei bis vier Fahrer übrig<br />

sein und logischerweise würden ein oder<br />

zwei von ihnen Ineos-Fahrer sein. Und er<br />

war sich sicher, dass Julian Alaphilippe,<br />

der Spitzenreiter des Rennens, nicht mehr<br />

da sein würde. Natürlich würden noch die<br />

lange Abfahrt und dann der Anstieg nach<br />

Tignes folgen, aber der am Iseran herausgefahrene<br />

Vorsprung würde halten oder<br />

am Ende noch wachsen. Es war eine wilde<br />

und anarchische Tour de France gewesen,<br />

bei der Ineos’ traditioneller Würgegriff auf<br />

das Geschehen durch die Angriffslust von<br />

Alaphilippe und Thibaut Pinot (und durch<br />

die Schwäche der Bergleutnants des britischen<br />

Teams, verglichen mit den letzten<br />

Jahren) deutlich gelockert worden war.<br />

Aber wenn Ineos etwas wusste, dann<br />

sicherlich, wer was an einem einzelnen<br />

Anstieg ausrichten konnte. Der Iseran,<br />

12,9 steile einspurige Kilometer von Bonneval-sur-Arc<br />

mit einem Höhengewinn<br />

von knapp einem Kilometer und einem<br />

Hochgebirgsgipfel – 2.770 Meter – sollte<br />

Ineos’ ausgewähltes Schlachtfeld sein.<br />

Brailsford irrte sich in mehr als einem<br />

Punkt. Egan Bernal, sein kolumbianisches<br />

Wunderkind, brauchte weniger als 37 Minuten,<br />

erreichte den Gipfel in 35:42 (obwohl<br />

Geraint Thomas 1:03 Minuten mehr<br />

brauchte, fast genau nach Plan). Und der<br />

Ineos-Generalmanager hatte unmöglich<br />

wissen können, dass die Ereignisse in der<br />

Abfahrt – ein unvorhersehbarer Hagelsturm<br />

und ein noch unvorhersehbarer<br />

Erdrutsch – das Rennen schließlich ebenso<br />

definieren würden wie der Anstieg. Es<br />

war, als hätte sich die anarchische Tour<br />

<strong>2019</strong> dagegen wehren wollen, von<br />

32 PROCYCLING | SEPTEMBER <strong>2019</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!