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L E<br />

T O U R<br />

20<br />

19<br />

JULIAN<br />

ALAPHILIPPE<br />

ETAPPE<br />

18<br />

verteidigte er das Gelbe Trikot von vorn<br />

– attackierte in La Planche des Belles<br />

Filles, wo man damit rechnete, dass er<br />

eine Minute oder mehr verlieren würde;<br />

attackierte erneut mit Thibaut Pinot auf<br />

der Etappe nach Saint-Étienne. Er war<br />

genau an der richtigen Stelle, als der Seitenwind<br />

das Peloton auf dem Weg nach<br />

Albi zerriss. Und obwohl die Beobachter<br />

sich fragten, um wie viele verzweifelte<br />

Sekunden er sein Gelbes Trikot beim Zeitfahren<br />

in Pau verteidigen würde, wenn<br />

überhaupt, tat Julian Alaphilippe das Undenkbare<br />

und gewann es.<br />

Die Experten revidierten ihre Prognose<br />

und berücksichtigen die Tatsache, dass<br />

dies keine Strecke für einen Rouleur war<br />

– die flachen, breiten Straßen des traditionellen<br />

Zeitfahrens der Tour wurden ersetzt<br />

durch Kurven und knackige Hügel;<br />

kein Wunder also, dass Alaphilippe gewann.<br />

Aber zu diesem Zeitpunkt des Rennens,<br />

nach gut der Hälfte, hatte es der<br />

Franzose geschafft, einen Vorsprung von<br />

1:26 Minuten auf Geraint Thomas aufzubauen.<br />

Nur drei weitere Fahrer hatten weniger<br />

als drei Minuten Rückstand.<br />

Die Berge würden es zeigen, hieß es am<br />

Vorabend der ersten großen Pyrenäen-<br />

Etappe. Doch auch das blieb Spekulation,<br />

nichts und niemand zeigte es Alaphilippe.<br />

Er war Zweiter am Col du Tourmalet hinter<br />

Pinot, womit er in der Gesamtwertung<br />

zwei Minuten Vorsprung auf den zweitplatzierten<br />

Thomas hatte, und jetzt hatten<br />

nur noch Thomas und Steven Kruijswijk<br />

weniger als drei Minuten Rückstand. Erst<br />

KARRIERE-<br />

HIGHLIGHTS<br />

GROSSE SIEGE<br />

Tour of California<br />

2016<br />

Flèche Wallonne<br />

2018, <strong>2019</strong><br />

Tour de France<br />

Bergwertung 2018<br />

4 x Tour de France<br />

Etappen<br />

1 x Vuelta a<br />

España Etappe<br />

Clásica San<br />

Sebastián 2018<br />

Tour of Britain<br />

2018<br />

Strade Bianche<br />

<strong>2019</strong><br />

Mailand–San<br />

Remo <strong>2019</strong><br />

PLATZIERUNGEN<br />

Lüttich–Bastogne–<br />

Lüttich, 2., 2015<br />

Critérium du<br />

Dauphiné, 6., 2016<br />

Paris–Nizza,<br />

5., 2017<br />

Lombardei-<br />

Rundfahrt, 2., 2017<br />

Tirreno–Adriatico,<br />

6., <strong>2019</strong><br />

Amstel Gold Race,<br />

4., <strong>2019</strong><br />

am nächsten Tag am Prat d’Albis begann<br />

Alaphilippes Gesamtführung, die ein Nebenerzeugnis<br />

seines ursprünglichen Plans<br />

war, jeden Tag so gut wie möglich zu fahren,<br />

zu bröckeln.<br />

Und selbst danach überlebte er die<br />

Etappe nach Valloire über drei mächtige<br />

Cols dank einer superben Abfahrt vom<br />

Galibier. „Noch am Leben“, lautete die<br />

Überschrift der L’Équipe am folgenden<br />

Tag. Alaphilippe erwischte es schließlich<br />

am Col de l’Iseran und im Anstieg nach<br />

Val Thorens, er verlor einen Platz auf der<br />

19. Etappe und rutschte, als das Rennen<br />

die Alpen verließ, um weitere drei Ränge<br />

auf den fünften Platz ab. Wie sein Manager<br />

Patrick Lefevere sagte: „Selbst Duracell-Batterien<br />

sind irgendwann mal leer.“<br />

Ein Toursieger? Nur unter sehr speziellen<br />

Umständen und in einem Maße, dass<br />

es nicht wirklich wichtig ist, wenn es ihm<br />

so viel Spaß macht, das Rennen aufzumischen.<br />

Julian Alaphilippe hat die taktischen<br />

Regeln des größten Rennens der<br />

Welt <strong>2019</strong> neu geschrieben. Selbst wenn<br />

er nicht gewonnen hat, hat er vielleicht<br />

Möglichkeiten eröffnet, damit andere Fahrer<br />

etwas Ähnliches versuchen können.<br />

DER GRÖSSTE ENTERTAINER<br />

Es gibt Videos von Alaphilippe im Internet,<br />

wie er nach dem einen oder anderen<br />

Rennen im Mannschaftswagen tanzt und<br />

singt. Die Kamera liebt ihn und er liebt sie<br />

zurück. Er unterlegt sein Talent als Rennfahrer<br />

mit einem unglaublichen Charisma<br />

und war ohne Zweifel die dominante Persönlichkeit<br />

der diesjährigen Tour. Alaphilippe<br />

ist ein positives, medienfreundliches<br />

Yin zum distanzierten und düsteren Yang<br />

seines Landsmanns Thibaut Pinot.<br />

Man kann einen interessanten Vergleich<br />

ziehen nicht nur mit Pinot, sondern auch<br />

mit Peter Sagan. Sagan war bei der Tour in<br />

den letzten Jahren ebenso dynamisch und<br />

präsent – er hat viele Etappen und sieben<br />

Grüne Trikots gewonnen, und das mit<br />

ebenso viel Stil und Klasse wie Alaphilippe.<br />

Aber Sagan wirkte in der Mixed Zone<br />

der Tour erschöpft, tat sich sichtbar schwer,<br />

auf Fragen zu reagieren, und murmelte seine<br />

Antworten, während Alaphilippe auf<br />

Alaphilippes Abfahrtsstärke<br />

rettete ihm Zeit am Galibier auf<br />

der 18. Etappe.<br />

DONNERSTAG, 25. JULI<br />

EMBRUN › VALLOIRE<br />

208 KM<br />

Das war sie: die Königsetappe. Von<br />

Embrun nach Valloire, über den Col de<br />

Vars, Izoard und Galibier. Dieses Trio mit<br />

jeweils über 2.000 Meter Höhe formte<br />

die schwerste Bergetappe dieser Tour.<br />

Nach dem Feuerwerk in den Pyrenäen<br />

waren die Hoffnungen groß, dass die<br />

Fahrer so weitermachen würden. Doch<br />

das taten sie nicht. Zumindest nicht<br />

sofort. Mehr als 30 Fahrer taten sich an<br />

der Côte des Demoiselles Coiffées<br />

zusammen, darunter große Namen wie<br />

Nairo Quintana, Adam Yates und Romain<br />

Bardet, deren GC-Hoffnungen sich in<br />

den Pyrenäen erledigt hatten. Am<br />

Galibier erwachte die Etappe dann zum<br />

Leben: Bardet griff die Spitzengruppe<br />

an, was Quintana provozierte. Und nun<br />

kam auch Action in die Gruppe um das<br />

Gelbe Trikot. Egan Bernal griff drei<br />

Kilometer vom Galibier entfernt an. Etwa<br />

zwei Kilometer später attackierte sein<br />

Teamkollege Geraint Thomas, was eine<br />

Verfolgungsjagd auslöste, die Bernal zur<br />

Führung verhalf. Thomas sagte später,<br />

dass er versucht habe, Alaphilippe<br />

abzuschütteln. Diese Ausrede hätte<br />

vielleicht geklappt, wenn er von jemand<br />

anderem als dem besten Abfahrer des<br />

Pelotons gesprochen hätte. Tatsächlich<br />

fuhr Loulou auf halbem Weg nach unten<br />

wieder in die Gruppe und ging nach<br />

vorne. Ineos’ Teamzusammenhalt ist<br />

eine unbestreitbare Stärke, aber auf dem<br />

Galibier sah es so aus, als würden zwei<br />

seiner Fahrer die Tour gewinnen wollen.<br />

ETAPPENERGEBNIS<br />

1 Nairo Quintana Movistar Team 5:34:15<br />

2 Romain Bardet AG2R La Mondiale +1:35<br />

3 Alexey Lutsenko Astana Pro Team +2:28<br />

GESAMTWERTUNG<br />

1 Julian Alaphilippe Deceuninck–QS 75:18:49<br />

2 Egan Bernal Team Ineos +1:30<br />

3 Geraint Thomas Team Ineos +1:35<br />

BERGWERTUNG<br />

1 Romain Bardet AG2R La Mondiale 86<br />

2 Tim Wellens Lotto Soudal 74<br />

3 Damiano Caruso Bahrain Merida 60<br />

© Getty Images, Yuzuru Sunada (Quintana)<br />

SEPTEMBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 115

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