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L E<br />

T O U R<br />

20<br />

19<br />

JOURNAL<br />

ETAPPE 18<br />

VALLOIRE<br />

25.07.<strong>2019</strong><br />

KOLUMBIEN<br />

TOTAL<br />

GESPANNT<br />

eden Tag nimmt eine lautstarke Gruppe von<br />

J<br />

Ein-Mann-Bands aus lateinamerikanischen<br />

Radiosendern ihre Position vor einem Fernseher<br />

in einem kleinen weißen Pavillon direkt<br />

hinter der Ziellinie ein. Jeder Journalist ist mit kaum mehr<br />

als einem Mikrofon und einer starken, unverwechselbaren<br />

Stimme ausgestattet. Wenn einer ihrer Landsmänner im<br />

Peloton angreift, ist es, als hätte eine Gänseschar einen<br />

Fuchs erblickt: Alle sprechen auf einmal los, um die Fans<br />

zu Hause live auf dem Laufenden zu halten.<br />

Am Ende der 18. Etappe, als der Teer fast schmolz und<br />

die Ohren in der Sonne kribbelten, die auf die Avenue de<br />

la Vallée d’Or in Valloire brannte, nahm die Lautstärke zu,<br />

als Nairo Quintana die Überlebenden der Ausreißergruppe<br />

an den Oberhängen des Galibier, weit oberhalb des<br />

Col du Lauteret, angriff. Kurz darauf wurde das Dach des<br />

Pavillons praktisch heruntergerissen, als der Golden Boy<br />

des Landes, Egan Bernal, die Gruppe um das Gelbe Trikot<br />

angriff und niemand, nicht Thibaut Pinot, nicht Steven<br />

Kruijswijk, nicht Emanuel Buchmann und nicht sein<br />

Teamkollege Geraint Thomas, folgen konnte – auch wenn<br />

der Waliser es versuchte. Ein Kolumbianer für den Etappensieg<br />

und ein anderer, der in der Gesamtwertung vom<br />

fünften auf den zweiten Platz marschiert … für die Radioreporter<br />

gab es viel zu berichten.<br />

Quintana kam mit einem purpurroten Fleck auf seinem<br />

Trikot über die Linie. Blut, flüsterten alle. Woher sollte es<br />

kommen? Ein verschüttetes Energiegel erwies sich als<br />

wahrscheinlicher. Thomas zog die Medien so stark an,<br />

wie ein schwarzes Loch Materie anzieht. Seine Betreuer<br />

drängten und kämpften, um die Reporter und Fernsehkameras<br />

davon abzuhalten, ihren Fahrer zu zermalmen. Es<br />

gab vor allem nur eine Frage: Warum hatte er angegriffen?<br />

George Bennett, der zweimal auf der Etappe gestürzt<br />

war, wehrte Interviews mit einem wackelnden Finger und<br />

einem sauren Gesichtsausdruck ab. Er wurde zur Dopingkontrolle<br />

geführt, wo er seinen Kopf unter Schmerzen<br />

und Müdigkeit gegen die Kabinenwand lehnte, das gelbschwarze<br />

Jumbo–Visma-Trikot über seine Schultern gehängt,<br />

seine Beine blutverschmiert und von Schweiß und<br />

Öl benetzt.<br />

Und dann, einfach so, gingen heftige Regenfälle nieder<br />

und die Hitze in Valloire verflüchtigte sich. Nicht so unsere<br />

kolumbianischen Freunde vom Radio. Mit Bernal als<br />

stärkstem Fahrer in den Alpen würden ihre nächsten Tage<br />

noch aufregender werden.<br />

SEPTEMBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 111

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