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RA 10/2019 - Entscheidung des Monats

Ein vereinsamter Senior verspricht mündlich einem „Kümmerer“, dieser solle nach seinem Tod einen Gegenstand erhalten. Der Senior stirbt, der Kümmerer ist in Besitz der Sache, die Erben verklagen ihn auf Herausgabe. Wer denkt jetzt nicht an die typischen Fallgestaltungen rund um § 2301 BGB? Das Urteil des Brandenburgischen OLG verdeutlicht einmal mehr, dass in der Praxis die Probleme oft im Faktischen statt im Rechtlichen liegen.

Ein vereinsamter Senior verspricht mündlich einem „Kümmerer“, dieser solle nach seinem Tod einen Gegenstand erhalten. Der Senior stirbt, der Kümmerer ist in Besitz der Sache, die Erben verklagen ihn auf Herausgabe. Wer denkt jetzt nicht an die typischen Fallgestaltungen rund um § 2301 BGB? Das Urteil des Brandenburgischen OLG verdeutlicht einmal mehr, dass in der Praxis die Probleme oft im Faktischen statt im Rechtlichen liegen.

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<strong>10</strong>/<strong>2019</strong><br />

ENTSCHEIDUNGDESMONATS<br />

ZIVILRECHT<br />

VolziehungderSchenkungzuLebzeitendurch<br />

überdenTodhinauswirkendeVolmacht


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<strong>RA</strong> <strong>10</strong>/<strong>2019</strong><br />

Zivilrecht<br />

517<br />

Problem: Vollziehung der Schenkung zu Lebzeiten durch<br />

über den Tod hinaus wirkende Vollmacht<br />

Einordnung: BGB AT, Schuldrecht, Erbrecht<br />

Brandenburgisches Oberlan<strong>des</strong>gericht, Urteil vom 04.09.<strong>2019</strong><br />

4 U 128/17 (leicht verkürzt sowie leicht abgewandelt)<br />

EINLEITUNG<br />

Ein vereinsamter Senior verspricht mündlich einem „Kümmerer“, dieser<br />

solle nach seinem Tod einen Gegenstand erhalten. Der Senior stirbt, der<br />

Kümmerer ist in Besitz der Sache, die Erben verklagen ihn auf Herausgabe.<br />

Wer denkt jetzt nicht an die typischen Fallgestaltungen rund um<br />

§ 2301 BGB? Das Urteil <strong>des</strong> Brandburgischen OLG verdeutlicht einmal mehr,<br />

dass in der Praxis die Probleme oft im Faktischen statt im Rechtlichen liegen.<br />

SACHVERHALT<br />

K ist Erbe der 2014 verstorbenen, kinderlosen Erblasserin (W) und verlangt<br />

von B die Herausgabe eines Betrages von 191.774,65 €, hilfsweise die Zahlung<br />

von Schadensersatz, bzw. Wertersatz in gleicher Höhe. Bei dem Geldbetrag<br />

handelt es sich um Mittel, die sich B nach dem Tod der W von deren drei<br />

Sparkonten vor folgendem Hintergrund hat auszahlen lassen. W lebte bis zu<br />

ihrem Tod allein in ihrer Wohnung. Am 07.02.2014 erteilte W der Beklagten<br />

mit notariell beurkundeter Erklärung eine General- und Vorsorgevollmacht,<br />

die u. a. auch die Berechtigung umfasste, von den auf den Namen der W<br />

lautenden „Konten bei Banken und Sparkassen Geldbeträge abzuheben<br />

und Überweisungen vorzunehmen sowie Konten aufzulösen“, wobei Schenkungen<br />

nur in dem Rahmen erlaubt sein sollten, der auch einem Betreuer<br />

nach §§ 1908i, 1804 BGB gestattet ist. Die Vollmacht galt über den Tod<br />

hinaus, sollte aber von W oder nach ihrem Ableben von ihren Erben widerrufen<br />

werden können. Die Urkunde enthielt keine Hinweise darauf, dass<br />

B nach dem Tod der W hinaus persönliche Vorteile sollte ziehen dürfen.<br />

Nachdem W verstorben war, schloss B unter Vorlage der Vollmacht im<br />

Namen der noch unbekannten Erben im Wesentlichen im Zeitraum zwischen<br />

dem 29.07.2014 und dem 14.11.2014 die Sparkonten der W bei der Bank<br />

und ließ sich die jeweiligen Guthabenbeträge auszahlen. K behauptet, B habe<br />

die Sparbücher erst nach dem Tod der W an sich genommen.<br />

B behauptet, sie sei in den letzten 14 Lebensjahren die einzige Bezugsperson<br />

der W gewesen. Es habe deren Willen entsprochen, dass sie und ihre in die Versorgung<br />

der W einbezogenen Kinder als Dank für die Unterstützung und Pflege<br />

letztlich das gesamte Vermögen der Erblasserin erhalten sollten. Die Sparbücher<br />

seien ihr von der Erblasserin bereits im Januar 2014 übergeben worden. Dies sei<br />

jeweils mit dem Hinweis erfolgt, dass die Beklagte hierüber frei verfügen dürfe.<br />

K verlangt von B Zahlung von 191.774,65 €. Zu Recht?<br />

LEITSATZ DER REDAKTION<br />

Fehlt es bereits an einem, und sei<br />

es auch formunwirksamen, (schuldrechtlichen)<br />

Schenkungsversprechen<br />

im Sinne <strong>des</strong> § 516 BGB oder § 2301<br />

BGB, kommt es auf die Frage, ob<br />

eine Vollziehung i.S.d. § 2301 Absatz 2<br />

mithilfe einer über den Tod hinaus<br />

wirkenden Vollmacht möglich ist,<br />

nicht mehr an.<br />

Beachten Sie diesen entscheidenden<br />

Aspekt <strong>des</strong> Falles. Die Bank hat<br />

das Geld aufgrund dieser Vollmacht<br />

an B ausgezahlt.<br />

LÖSUNG<br />

A. Anspruch <strong>des</strong> K gegen B auf Herausgabe <strong>des</strong> Eigentums und <strong>des</strong><br />

Besitzes der erlangten Bargeldsumme in Höhe von 191.774,65 € gem.<br />

§ 812 I 1 1. Fall. BGB<br />

K könnte gegen B einen Anspruch auf Herausgabe <strong>des</strong> Eigentums und<br />

Besitzes an der erlangten Bargeldsumme haben.<br />

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518 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>10</strong>/<strong>2019</strong><br />

Das besprochene Urteil ist ein<br />

Berufungsurteil. Wie genau die<br />

Auszahlung erfolgte, ergibt sich<br />

nicht aus den Gründen. Wenn B<br />

statt Bargeld durch Überweisung<br />

eine Gutschrift auf ihrem Girokonto<br />

erlangt hat, wäre sie um einen<br />

Anspruch aus der Gutschrift gem.<br />

§ 675t BGB bereichert.<br />

Ein Sparbuch ist ein qualifiziertes<br />

Namenspapier mit Inhaberklausel.<br />

Die Forderung wird gem. § 398 BGB<br />

abgetreten und das Recht am Papier<br />

folgt gem. § 952 BGB. Die Bank kann<br />

gem. § 808 I BGB mit befreiender<br />

Wirkung an den leisten, der das<br />

Sparbuch vorlegt.<br />

B hat die Abtretung der Sparbuchforderung<br />

behauptet, K dies bestritten.<br />

Letztlich konnte B die Abtretung vor<br />

Gericht nicht beweisen. § <strong>10</strong>06 I BGB<br />

half B nicht, denn der Besitz an den<br />

Sparbüchern führt nicht zur Beweislastumkehr,<br />

weil § <strong>10</strong>06 I BGB beim<br />

Sparbuch nicht greift – es ist ein<br />

Namenspapier!<br />

Palandt/Sprau, BGB, § 808 Rn 2.<br />

Eine solche sprachliche Vermengung<br />

„unter Abtretung…. geschenkt“,<br />

sollten Sie sich in der Klausur nicht<br />

leisten. Es macht Sie erstens verdächtig,<br />

das Trennungs- und das<br />

Abstraktionsprinzip nicht verstanden<br />

zu haben. Zweitens ist der<br />

Erwerb der Forderung unter „etwas<br />

erlangt“ zu prüfen, die Frage, ob eine<br />

Schenkung vorliegt, gehört zum<br />

Prüfungspunkt „ohne Rechtsgrund“.<br />

Das LG hatte die Abtretung bejaht,<br />

eine gem. §§ 125 S. 1, 2301 I BGB<br />

formunwirksame Schenkung der<br />

W an B bejaht und den Erben einen<br />

Anspruch aus Leistungskondiktion<br />

zugesprochen. Eine Heilung nach<br />

§ 2301 II BGB sah es nicht. Das<br />

OLG verwarf die Lösung aber aus<br />

tatsächlichen Gründen, weil es<br />

weder eine Abtretung unter Überlebensbedingung,<br />

noch einen<br />

Schenkungsvertrag erkennen wollte.<br />

I. Etwas erlangt<br />

B muss etwas erlangt haben. Etwas ist jeder vermögenswerte Vorteil. B hat<br />

Eigentum und Besitz am ausgezahlten Bargeld erlangt.<br />

II. Durch Leistung der Erblasserin W<br />

Wenn die Erblasserin eine Leistung an die B erbracht hätte, würde K gem. § 1922<br />

BGB in die Stellung als Kondiktionsgläubiger eintreten. Unter Leistung versteht<br />

man eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Hier<br />

steht fest, dass W der B weder Eigentum und Besitz am Bargeld noch durch einen<br />

veranlassten Zahlungsauftrag eine Gutschrift auf deren Konto verschafft hat.<br />

B. Anspruch <strong>des</strong> K gegen B auf Leistung von Wertersatz wegen Unmöglichkeit<br />

der Herausgabe einer Forderung gem. §§ 812 I 1 1. Fall, 818 II BGB<br />

I. Etwas durch Leistung der Erblasserin W erlangt<br />

B könnte die gegen die Bank gerichteten Forderungen aus §§ 700 I, 488 I 2<br />

BGB haben. Der Sparbuchvertrag begründet eine unregelmäßige Verwahrung<br />

gem. § 700 I BGB. Der Anspruch auf Auszahlung richtet sich durch<br />

Verweisung nach Darlehensrecht.<br />

Fraglich ist, ob W zu Lebzeiten der B diese Forderungen abgetreten hat. In<br />

Betracht käme auch gem. §§ 398, 158 I BGB eine Abtretung unter der aufschiebenden<br />

Bedingung, dass B die W überlebt. Indem B die W überlebte,<br />

wären die Forderungen mit dem Tod der W aus der Erbmasse ausgeschieden<br />

und hätten sich B zugeordnet.<br />

[28] Eine Berechtigung der Beklagten lässt sich nicht allein daraus herleiten,<br />

dass sie jedenfalls nach dem Tod der Erblasserin im Besitz der<br />

Sparbücher war. Die Vermutung <strong>des</strong> § <strong>10</strong>06 BGB wegen <strong>des</strong> Besitzes<br />

der Sparbücher greift schon <strong>des</strong>halb nicht zugunsten der Beklagten,<br />

weil das Eigentum an dem Sparbuch gemäß § 952 BGB dem Recht<br />

aus dem Sparbuch folgt. Auch wenn dem Sparbuch gemäß § 808 BGB<br />

Legitimationswirkung zukommt, so hat dies nur zur Folge, dass das aus<br />

dem Sparvertrag verpflichtete Finanzinstitut mit befreiender Wirkung<br />

an den jeweiligen Inhaber <strong>des</strong> Sparbuches leisten kann. Inhaber der in<br />

dem Sparbuch verbrieften (Darlehensrückzahlungs-) Ansprüche ist derjenige,<br />

der mit dem Finanzierungsinstitut den Sparvertrag geschlossen<br />

hat; diesem steht gemäß § 952 BGB auch das Eigentum an dem Sparbuch<br />

zu. Die Rechte aus dem Sparbuch werden durch Abtretung übertragen.<br />

[29] Die Erblasserin hat der Beklagten die Sparbücher auch nicht unter<br />

Abtretung der mit den Sparbüchern verbrieften Darlehensrückzahlungsforderungen<br />

unter der aufschiebenden Bedingung <strong>des</strong> To<strong>des</strong> der Erblasserin<br />

geschenkt. Eine solche Form der Schenkung hat die Beklagte zwar<br />

in ihrer persönlichen Anhörung schlüssig vorgetragen, letztlich aber nicht<br />

beweisen können.<br />

Die Forderungsrechte aus den Sparverträgen hat W zu Lebzeiten nicht an B<br />

abgetreten. Folglich hat B kein Forderungsrecht durch Leistung der Erblasserin<br />

erlangt.<br />

II. Zwischenergebnis<br />

K hat gegen B keinen Anspruch auf Wertersatz aus einer Leistungskondiktion<br />

gem. §§ 812 I 1 1. Alt. BGB, 818 II BGB wegen Unmöglichkeit der Herausgabe<br />

erlangter Forderungsrechte.<br />

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<strong>RA</strong> <strong>10</strong>/<strong>2019</strong><br />

Zivilrecht<br />

519<br />

C. Anspruch <strong>des</strong> K gegen B auf Herausgabe der ausgezahlten Geldsumme<br />

aus § 816 II BGB<br />

K könnte gegen B einen Anspruch auf Herausgabe der ausgezahlten<br />

Geldsumme aus § 816 II BGB haben. Dann muss erstens die Bank als<br />

Schuldnerin aus §§ 700 I, 488 I 2 BGB an einen Nichtberechtigten ausgezahlt<br />

haben und muss zweitens diese Leistung mit befreiender Wirkung<br />

gegenüber dem wahren Gläubiger erfolgt sein. Es steht fest, dass nicht B<br />

durch Abtretung gem. § 398 BGB Forderungsgläubigerin wurde, sondern<br />

der Erbe der W im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 das<br />

Forderungsrecht erhalten hat. Hätte die Bank an B ausgezahlt, um B als<br />

neue Gläubigerin zu befriedigen, hätte sie an einen Nichtberechtigten<br />

geleistet und wäre diese Leistung gegenüber dem Erben K gem. § 808 I 1<br />

BGB wirksam und mithin ein Anspruch aus § 816 II BGB gegeben. Jedoch<br />

steht hier fest, dass die Bank aufgrund der von B vorgelegten Vollmacht,<br />

die über den Tod der W hinaus gültig und von Erben der W widerruflich<br />

war, an die Erben, vertreten durch B, ausgezahlt hat. Deshalb hat K gegen B<br />

keinen Anspruch aus § 816 II BGB.<br />

D. Anspruch <strong>des</strong> K gegen B auf Herausgabe <strong>des</strong> Eigentums und <strong>des</strong><br />

Besitzes der erlangten Bargeldsumme in Höhe von 191.774,65 € aus<br />

§ 812 I 1 2. Alt. BGB<br />

K könnte gegen B einen Anspruch auf Herausgabe <strong>des</strong> Eigentums und<br />

<strong>des</strong> Besitzes an der erlangten Bargeldsumme in Höhe von 191.774,65 € aus<br />

§ 812 I 1 2. Alt. BGB haben.<br />

Hätte die Bank an den Inhaber <strong>des</strong><br />

Sparbuchs ausgezahlt, wäre hier<br />

§ 816 II BGB die richtige Anspruchsgrundlage.<br />

Die unten aufgeworfenen<br />

Fragen zur Schenkung hätten<br />

dennoch geprüft werden müssen.<br />

Hätte W der B eine formunwirksame<br />

Schenkung gemacht, wäre aber mit<br />

dem Tod der W eine Heilung eingetreten<br />

- entweder gem. § 518 II BGB<br />

oder gem. §§ 2301 II, 518 II BGB, hätte<br />

B gegen den oder die Erben einen<br />

Verschaffungsanspruch gehabt.<br />

Diesen hätte sie dem Anspruch aus<br />

§ 816 II BGB per dolo-agit-Einwand<br />

gem. § 242 BGB entgegenhalten<br />

können. Die aufgeworfene Frage der<br />

Heilung der Schenkung hätte also<br />

in jedem Fall beantwortet werden<br />

müssen.<br />

I. Etwas erlangt<br />

Wie bereits geprüft wurde, hat B das Eigentum und den Besitz am Bargeld<br />

erlangt.<br />

II. In sonstiger Weise auf Kosten <strong>des</strong> Anspruchsstellers<br />

B müsste in sonstiger Weise auf Kosten <strong>des</strong> K bereichert sein.<br />

Wie bereits festgestellt, hat B das Erlangte nicht durch eine Leistung erhalten.<br />

Die Nichtleistungskondiktion ist nicht wegen <strong>des</strong> Vorrangs einer Leistungsbeziehung<br />

ausgeschlossen.<br />

Fraglich ist, ob B das Erlangte durch Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines<br />

Rechts <strong>des</strong> K erlangt hat. K wurde gem. § 1922 BGB Inhaber der Auszahlungsforderungen<br />

gem. §§ 700 I, 488 I 2 BGB.<br />

Unter Zuweisungsgehalt versteht man die wirtschaftliche Nutzungs- und<br />

Verwertungsbefugnis <strong>des</strong> Rechts. Hierzu gehört das Recht eines Forderungsinhabers<br />

aus § 700 I BGB, das Guthaben auf dem Sparkonto zu belassen.<br />

Indem B das Auszahlungsguthaben in Empfang nahm, griff sie in die wirtschaftliche<br />

Verwertungsbefugnis ein.<br />

III. Ohne rechtlichen Grund<br />

Unter Rechtsgrund versteht man jeden materiell-rechtlichen Grund zum<br />

Behaltendürfen. Als Rechtsgrund für das Behalten käme zum einen die der<br />

B durch die über den Tod der W hinauswirkende Bevollmächtigung in<br />

Betracht. Diese war jedoch nach dem klaren Willen der W widerruflich und<br />

ist von K mit dem Herausgabeverlangen konkludent widerrufen worden.<br />

Damit käme als Rechtsgrund nur ein Schenkungsvertrag zwischen W und B<br />

in Betracht. Einen solchen mit W geschlossen zu haben, hat B behauptet.<br />

Stellung als Bevollmächtigte als<br />

Rechtsgrund aufgrund eines Auftragsverhältnisses<br />

war widerruflich<br />

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520 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>10</strong>/<strong>2019</strong><br />

Schenkungsvertrag als Rechtsgrund<br />

Der OLG-Senat verneint, dass die<br />

Beklagte den Abschluss eines<br />

Schenkungsvertrags bewiesen hat.<br />

Folglich hält es dafür, dass es auf<br />

die Form und die Heilung von vornherein<br />

nicht ankommt.<br />

BGH, Urteil vom 19.<strong>10</strong>.1983, IVa ZR<br />

71/82, Rn 8<br />

B hatte nur die Vollmachtsurkunde,<br />

die aber keine Hinweise auf einen<br />

Schenkungswillen enthielt. Ihre von<br />

K bestrittenen Behauptungen, was W<br />

zu Lebzeiten angeblich gesagt habe,<br />

konnte sie nicht beweisen. Deshalb<br />

verneinte das Gericht den Abschluss<br />

eines Schenkungsvertrages.<br />

Es ist ohne die Einhaltung der Form<br />

<strong>des</strong> § 2301 I nicht möglich, mit der<br />

postmortalen Vollmacht nach dem<br />

Tod, einen Schenkungsvertrag<br />

zu schließen, BGH, Urteil vom<br />

18.05.1988, IVa ZR 36/87.<br />

Wenn es bereits an einer Schenkung<br />

fehlt, kommt eine Vollziehung i.S.d.<br />

§ 2301 II BGB nicht in Betracht.<br />

[31] Eine Schenkung scheitert auf der Grundlage <strong>des</strong> so verstandenen<br />

Vortrages der Beklagten nicht daran, dass das behauptete Schenkungsversprechen<br />

nicht - wie nach § 518 Abs. 1 BGB erforderlich -<br />

notariell beurkundet wurde. Denn der Mangel der Form wird nach § 518<br />

Abs. 2 BGB durch die Bewirkung der Leistung geheilt. Bei einer unentgeltlichen<br />

Begünstigung kommt im allgemeinen nur eine Schenkung<br />

in Betracht. Hierzu bedarf es einer Einigung <strong>des</strong> Begünstigten mit<br />

dem Schenker über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung gemäß<br />

§ 516 BGB, wobei es ausreicht, wenn diese erst nach dem Tode<br />

<strong>des</strong> Schenkers zustande kommt (§§ 130, 153 BGB). Selbst wenn es<br />

sich auf Seiten <strong>des</strong> Schenkers lediglich um ein Schenkungsversprechen<br />

handelt, und sei es auch nur ein durch das Überleben <strong>des</strong> Beschenkten<br />

bedingtes Versprechen, ist dieses nicht schon <strong>des</strong>halb unwirksam, weil<br />

es gemeinhin weder den Formvorschriften für Verfügungen von To<strong>des</strong><br />

wegen (§ 2301 Abs. 1 Satz 1 BGB) noch denjenigen für Schenkungsversprechen<br />

(§ 518 Abs. 1 Satz 1 BGB) genügt. Denn die Rechtsprechung<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichtshofes nimmt in diesen Fällen im Hinblick auf den<br />

sogenannten “Von-Selbst-Erwerb” <strong>des</strong> Begünstigten sowohl Vollziehung<br />

im Sinne von § 2301 Abs. 2 BGB als auch Heilung <strong>des</strong> Formmangels<br />

gemäß § 518 Abs. 2 BGB an<br />

[33] Die Beklagte hat entgegen ihrer Auffassung nicht nur die Darlegungs-,<br />

sondern auch die Beweislast für die behauptete Übergabe<br />

der Sparbücher im Januar 2014 und die in diesem Zusammenhang<br />

abgegebenen Erklärungen. (…) Denn soweit sich der Leistungsempfänger<br />

gegenüber einem Bereicherungsanspruch mit einem nicht<br />

notariell beurkundeten Schenkungsversprechen als Rechtsgrund<br />

verteidigt, trifft ihn die Beweislast, dass die zu seinen Gunsten<br />

erfolgte Vermögensmehrung auf einer den Formmangel heilenden<br />

Leistungserbringung gemäß § 518 Abs. 2 BGB beruht,<br />

die Vermögensmehrung also mit einem konkreten Willen <strong>des</strong> Leistenden<br />

an ihn erbracht wurde.<br />

[34] Dass die Verstorbene hier mit der Übergabe der Sparbücher zugleich<br />

eine Vermögensverschiebung bewirken wollte, hat die Beklagte nicht<br />

bewiesen.<br />

[40] Die Beklagte konnte die von ihr behauptete Schenkung auch nicht<br />

mit Hilfe einer trans- oder postmortalen Vollmacht der Verstorbenen<br />

noch nach deren Tod bewirken. Dies ist bei einer nicht vor dem Tod <strong>des</strong><br />

Schenkers vollzogenen Schenkung von To<strong>des</strong>wegen nicht möglich, da<br />

sich eine solche nach § 2301 Abs. 1 BGB richtet. (…) Fehlt es aber bereits<br />

an einem, und sei es auch formunwirksamen, (schuldrechtlichen)<br />

Schenkungsversprechen im Sinne <strong>des</strong> § 516 BGB oder § 2301 BGB,<br />

kommt es auf die Frage einer Vollziehung mithilfe der über den Tod<br />

hinaus wirkenden Vollmacht nicht mehr an.<br />

Ferner war B auch nicht von den Beschränkungen <strong>des</strong> § 181 BGB befreit und<br />

durfte auch nur Anstandsschenkungen im Sinne von § 1804 BGB vornehmen.<br />

B hat das Erlangte folglich ohne Rechtsgrund erlangt.<br />

ERGEBNIS<br />

K kann von B die Herausgabe der Bargeldsumme in Höhe von 191.774,65 €<br />

aus § 812 I 1 2. Alt. BGB verlangen.<br />

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