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FINE Das Weinmagazin - 03/2019

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Themenschwerpunkte der 46. Ausgabe sind unter anderem: COS D’ESTOURNEL - DER PRÄCHTIGE VON SAINT-ESTÈPHE BORDEAUX Château Cos d’Estournel CHAMPAGNE Lebendiges Erbe: Die Maison Bollinger TASTING Gipfeltreffen: Château Lafleur und Château Ausone GEORGIEN Uraltes Weinland am Kaukasus GEORGIEN Family Winery Teleda Orgo GEORGIEN Telavi Wine Cellar GEORGIEN Khareba Winery BURGENLAND Das Weingut Birgit Braunstein WEIN UND SPEISEN Jürgen Dollase im Restaurant Fritz & Felix in Baden-Baden DAS GROSSE DUTZEND Der Unico von Vega-Sicilia SARDINIEN Die Welt von Siddùra PORTRÄT Stiller Riese: Wein-Plus FRAUEN IM WEIN Bettina Rogosky und ihr Caberlot VINOTHEK Die Wein & Glas Compagnie in Berlin SHERRY Jerez im Aufbruch SHERRY Die fünf Hauptstile SHERRY Die Bodegas Tradición in Jerez DIE PIGOTT KOLUMNE Die Krug Grande Cuvée Edition 167 WEIN UND ZEIT Warum der Zweigelt Zweigelt heißt WORTWECHSEL Warum immer Château Irgendwas statt Großes Gewächs? BADEN Die frischen Burgunder von Julian Huber GENIESSEN Eiskalt serviert

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Themenschwerpunkte der 46. Ausgabe sind unter anderem:
COS D’ESTOURNEL - DER PRÄCHTIGE VON SAINT-ESTÈPHE

BORDEAUX Château Cos d’Estournel
CHAMPAGNE Lebendiges Erbe: Die Maison Bollinger
TASTING Gipfeltreffen: Château Lafleur und Château Ausone
GEORGIEN Uraltes Weinland am Kaukasus
GEORGIEN Family Winery Teleda Orgo
GEORGIEN Telavi Wine Cellar
GEORGIEN Khareba Winery
BURGENLAND Das Weingut Birgit Braunstein
WEIN UND SPEISEN Jürgen Dollase im Restaurant Fritz & Felix in Baden-Baden
DAS GROSSE DUTZEND Der Unico von Vega-Sicilia
SARDINIEN Die Welt von Siddùra
PORTRÄT Stiller Riese: Wein-Plus
FRAUEN IM WEIN Bettina Rogosky und ihr Caberlot
VINOTHEK Die Wein & Glas Compagnie in Berlin
SHERRY Jerez im Aufbruch
SHERRY Die fünf Hauptstile
SHERRY Die Bodegas Tradición in Jerez
DIE PIGOTT KOLUMNE Die Krug Grande Cuvée Edition 167
WEIN UND ZEIT Warum der Zweigelt Zweigelt heißt
WORTWECHSEL Warum immer Château Irgendwas statt Großes Gewächs?
BADEN Die frischen Burgunder von Julian Huber
GENIESSEN Eiskalt serviert

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3| <strong>2019</strong> Deutschland € 15 Österreich € 16,90 Italien € 18,50 Schweiz chf 30,00<br />

4197772 515002 <strong>03</strong><br />

COS D’ESTOURNEL<br />

DER PRÄCHTIGE VON SAINT-ESTÈPHE<br />

Champagne Georgien Sardinien Andalusien Baden<br />

Die Maison Uraltes Weinland <strong>Das</strong> Weingut Der Sherry Die frischen Burgunder<br />

Bollinger im Aufbruch Siddùra erfindet sich neu von Julian Huber


ALPINA ALPINA & TENUTA & SAN SAN GUIDO GUIDO<br />

ZwEI ZwEI wEINrEfErENZEN EfE ENZEN SchrEIbEN EIbEN GESchIchTE


<strong>FINE</strong><br />

DAS WEINMAGAZIN 3|<strong>2019</strong><br />

WEIN AUS GEORGIEN 34 TELEDA ORGO 38 TELAVI WINE CELLAR 44 KHAREBA WINERY 50<br />

DIE MAISON BOLLINGER 22<br />

CHÂTEAU COS D’ESTOURNEL 10<br />

BIRGIT BRAUNSTEIN 58 SIDDÙRA 80 BETTINA ROGOSKY 92<br />

SHERRY 102 DIE SHERRY-STILE 106 BODEGAS TRADICIÓN 112 JULIAN HUBER 132<br />

LAFLEUR VERSUS AUSONE 30<br />

DER UNICO VON VEGA-SICILIA 76<br />

7 <strong>FINE</strong> EDITORIAL ________________Thomas Schröder<br />

10 <strong>FINE</strong> BORDEAUX ________________Château Cos d’Estournel<br />

22 <strong>FINE</strong> CHAMPAGNE ______________Lebendiges Erbe: Die Maison Bollinger<br />

30 <strong>FINE</strong> TASTING ___________________Gipfeltreffen: Château Lafleur und Château Ausone<br />

34 <strong>FINE</strong> GEORGIEN ________________Uraltes Weinland am Kaukasus<br />

38 <strong>FINE</strong> GEORGIEN ________________Family Winery Teleda Orgo<br />

44 <strong>FINE</strong> GEORGIEN ________________Telavi Wine Cellar<br />

50 <strong>FINE</strong> GEORGIEN ________________Khareba Winery<br />

58 <strong>FINE</strong> BURGENLAND ____________<strong>Das</strong> Weingut Birgit Braunstein<br />

66 <strong>FINE</strong> WEIN UND SPEISEN _______Jürgen Dollase im Restaurant Fritz & Felix in Baden-Baden<br />

76 <strong>FINE</strong> DAS GROSSE DUTZEND __Der Unico von Vega-Sicilia<br />

80 <strong>FINE</strong> SARDINIEN ________________Die Welt von Siddùra<br />

88 <strong>FINE</strong> PORTRÄT __________________Stiller Riese: Wein-Plus<br />

92 <strong>FINE</strong> FRAUEN IM WEIN __________Bettina Rogosky und ihr Caberlot<br />

98 <strong>FINE</strong> VINOTHEK _________________Die Wein & Glas Compagnie in Berlin<br />

102 <strong>FINE</strong> SHERRY ___________________Jerez im Aufbruch<br />

106 <strong>FINE</strong> SHERRY ___________________Die fünf Haupt stile<br />

112 <strong>FINE</strong> SHERRY ___________________Die Bodegas Tradición in Jerez<br />

122 <strong>FINE</strong> DIE PIGOTT KOLUMNE ____Die Krug Grande Cuvée Edition 167<br />

126 <strong>FINE</strong> WEIN UND ZEIT ___________Warum der Zweigelt Zweigelt heißt<br />

130 <strong>FINE</strong> WORTWECHSEL ___________Warum immer Château Irgendwas statt Großes Gewächs?<br />

132 <strong>FINE</strong> BADEN ____________________Die frischen Burgunder von Julian Huber<br />

142 <strong>FINE</strong> GENIESSEN _______________Eiskalt serviert<br />

146 <strong>FINE</strong> ABGANG __________________Ralf Frenzel<br />

4 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> INHALT INHALT <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> 5


VEREHRTE LESERIN, LIEBER LESER,<br />

»Wein ist das Blut Christi« – wann hätte man<br />

einen solchen Satz wohl aus dem Mund eines<br />

deutschen Winzers, eines deutschen Weinfreunds<br />

gehört? Aber Gogi Dakishvili, meisterlicher<br />

Weinmacher im georgischen Telavi, sagte<br />

ihn jüngst unserem Autor Rainer Schäfer, als sie<br />

bei einem Rundgang durch sein Gut Teleda Orgo<br />

den Fasskeller verließen – mit Demut und einer<br />

ihm ganz selbstverständlichen Frömmigkeit. Die<br />

sakramentale Bilderwelt des kaukasischen Weinbauern<br />

muss hier im säkularen Westen niemand<br />

teilen. Und doch können wir darin etwas spüren,<br />

das in uns selbst durchaus noch lebt: die mythische<br />

Dimension des Weins. In einer archaischen Welt war Wein geheiligt,<br />

wie sonst nur das Quellwasser. Und darum ist Wein uns auch<br />

heute noch mehr als nur ein alkoholisches Getränk, sondern<br />

vitaler Ausdruck unseres kulturellen Erbes.<br />

Wie sehr gilt dies auch wieder in Georgien! <strong>Das</strong> uralte Land,<br />

das mit seiner mehr als acht Jahrtausende alten Weinbaugeschichte<br />

vielen als die dionysische Wiege gilt, hatte unter der sowjetischen<br />

Oppression bluten müssen, und ein weiteres Mal, als Russland in<br />

die gerade erst frei gewordene einstige Satrapie einmarschierte.<br />

Doch nun erholen sich auch hier Weinbau und Weinwirtschaft<br />

zusehends, und die Winzer wenden ihren Blick westwärts in die<br />

önologische Moderne, ohne dabei die spezifischen Prägungen ihrer<br />

eigenen Weinkultur aus den Augen zu verlieren. Rainer Schäfer<br />

hat mit unserem Fotografen Johannes Grau drei exemplarische<br />

Betriebe besucht; ihr anrührender Bericht erzählt von Zukunftsglaube,<br />

Wagemut und Prinzipientreue.<br />

Nun leben freilich auch in unseren Breiten die Winzer nicht<br />

immer auf sicherem Boden. Auch bei uns zählt Risikofreude mit<br />

Augenmaß zur notwendigen Ausstattung eines Weinmachers.<br />

Erfolg und Scheitern liegen oft nicht weit voneinander, auf dem<br />

Unglück des einen baut der nächste sein Glück. Beispiel Cos<br />

d’Estournel: Gegründet von einem gewieften Pferdehändler,<br />

gehört das Château heute zum Luxusimperium eines Mannes<br />

mit weitgespannten Interessen, der in Lyon einst als »König der<br />

Würste« gefeiert wurde; dazwischen liegen zwei Jahrhunderte<br />

höchst wechselvoller Geschichte. Doch nun schon lange liefert<br />

es Jahrgang um Jahrgang prachtvolle Rote, die entscheidend<br />

auch zum Ruhm der kleinen Appellation Saint-Estèphe beitragen.<br />

Armin Diel hat das spannende Weingut mit dem etwas rätselhaft<br />

exotischen Touch besucht, Marco Grundt hat ihn mit der<br />

Kamera begleitet.<br />

Immer ein wenig geheimnisumwittert sind auch die Inselweine<br />

– etwa von Madeira, von Mallorca oder Korsika. Urlaub,<br />

Sonne, Strand und südliches Flair machen für viele deren Reiz<br />

aus, leichte Sommerweine, meist ohne Reue zu trinken. Genießer<br />

freilich wissen zu schätzen, was ehrgeizige Weinmacher auf den<br />

besonderen insularen Lagen erzeugen: Premiumgewächse, die<br />

sich mit eigenem Rang jenseits aller Ferienseligkeit behaupten.<br />

Dies gilt gewiss auch für die Vermentinos und Cannonaus der<br />

noch immer wilden Insel Sardinien. In der Gluthitze der Region<br />

Gallura hat Kristine Bäder zum Auftakt einer kleinen Reihe über<br />

sardische Winzer und ihre Weine die Cantina Siddúra besucht –<br />

ein lohnendes Ziel, wie sich erwies.<br />

<strong>Das</strong> gilt ganz sicher auch für den südlichsten Südwesten<br />

Spaniens. Aber Hand aufs Herz: Wann hatten Sie zuletzt einen<br />

Sherry im Glas? Sie können sich kaum erinnern? Verständlich,<br />

denn in der Tat war das Nationalgetränk der Iberer ermüdet und<br />

auf ein beklagenswertes Niveau gesunken. Um so erstaunlicher<br />

das Bild, das sich Stefan Pegatzky und dem Fotografen Rui Camilo<br />

auf einer Erkundungstour durch Jerez und Umgebung bot: Die<br />

Last der Jahre ist der Lust an überraschender, an Spitzenqualität<br />

gewichen, das weiße Sherry-Land vibriert förmlich vor Kreativiät,<br />

große Weine entstehen wieder, nach traditioneller Methode,<br />

neuesten Erkenntnissen und mit modernster Technik. Sherry,<br />

das darf man schon am Beginn unserer Serie sagen, wird seinen<br />

Preis haben, aber – vielleicht auch eben damit – eine neue Ära<br />

des Erfolgs erleben.<br />

Um Erfolg geht es auch in den vielen anderen Geschichten<br />

dieser Ausgabe, und natürlich drehen sich alle um Wein –<br />

geschrieben in packender Sprache und bebildert mit schönen<br />

Fotos von einer Sinnlichkeit, die Sie glauben lässt, den Wein<br />

sofort riechen und schmecken zu können – und zu beurteilen.<br />

Falls Ihnen so geschieht, wären Sie der zweite Mensch auf Erden,<br />

dem die Gabe zuteil wurde, den Rang eines Weins allein mit<br />

einem Blick zu konstatieren. Der erste ist, wie kürzlich zum Vorteil<br />

kalifornischer Kreszenzen offenbart wurde, der 45. Präsident<br />

der Vereinigten Staaten von Amerika.<br />

Thomas Schröder<br />

Chefredakteur<br />

EDITORIAL <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> 7


234 | FRITZ KELLER AUF DEM PLATZ | 235<br />

<strong>FINE</strong>AUTOREN<br />

KRISTINE BÄDER Als Winzertochter aus Rhein hessen<br />

freut sie sich über die positive Entwicklung dieser Weinregion,<br />

als ehemalige Chefredakteurin des Sommelier<br />

Magazins über die der deutschen Weine im Allgemeinen.<br />

Darüber hinaus hat die studierte Germanistin<br />

eine besondere Beziehung zu den Weinen aus Portugal.<br />

DANIEL DECKERS Die Lage des deutschen Weins<br />

ist sein Thema – wenn er nicht gerade als Politik-<br />

Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über<br />

Gott und die Welt, über Lateinamerika oder Rauschgift<br />

zur Feder greift. An der Hochschule Geisenheim lehrt er<br />

Geschichte des Weinbaus und -handels. In seinem Buch<br />

»Wein. Geschichte und Genuss« beleuchtet er durch<br />

mehr als dreitausend Jahre die Rolle dieses unschätzbaren<br />

Kulturguts als Spiegel der Zeitläufte.<br />

ARMIN DIEL Diel Einerseits ist er Winzer – seine<br />

Weine von der Nahe, die nun in der Verantwortung<br />

seiner Tochter Caroline entstehen, spielen im nationalen<br />

wie im internationalen Ranking eine Rolle. Andererseits<br />

ist er Publizist. Als einstiger Mitherausgeber des<br />

Wein-Gault-Millau hat er den Guide an die Spitze der<br />

weinkritischen Publikationen in Deutschland gebracht.<br />

JÜRGEN DOLLASE Kunst, Musik und Philosophie<br />

hat er in Düsseldorf und Köln studiert. Er war Rockmusiker<br />

und Maler. Heute ist er der bei weitem einflussreichste<br />

Kritiker der kulinarischen Landschaft in<br />

Deutschland und Europa. Vielbeachtet sind seine Bücher<br />

über die Kunst des Speisens; zuletzt erschien der Band<br />

»Geschmacksschule« in der Reihe SZ Gourmet Edition<br />

(bei Tre Torri). Sein visionäres Kochbuch »Pur, präzise,<br />

sinnlich« widmet sich der Zukunft des Essens.<br />

URSULA HEINZELMANN Die Gastronomin und<br />

gelernte Sommelière schreibt unter anderem für die<br />

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, für Efflee<br />

und Slow Food sowie Bücher zum Thema Essen und<br />

Trinken. <strong>Das</strong> jüngste Buch, »China – Die Küche des<br />

Herrn Wu«, (bei Tre Torri) gibt tiefe Einblicke in die<br />

vielfältige Kochkunst der Chinesen.<br />

SIGI HISS Auch nach einigen zehntausend Weinen<br />

ist das Verkosten immer noch seine große Leidenschaft<br />

– sei es in internationalen Jurys, im Auftrag<br />

renommierter Weinpublikationen oder für Weingüter.<br />

Bei der Bewertung der Weine sind ihm Unabhängigkeit<br />

und Neutralität unabdingbarer Grundsatz. Seine<br />

Publikationen erscheinen in den wichtigen Fachmedien.<br />

Für alles außer Spirituosen ist er zu begeistern, seine<br />

besondere Liebe gilt allem, was gereift ist.<br />

UWE KAUSS In Weinkellern kennt er sich aus: Der<br />

Autor und Journalist schreibt seit zwanzig Jahren über<br />

Wein, etwa für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung,<br />

das <strong>Weinmagazin</strong> Enos, für wein.pur und<br />

Genuss-Magazin in Wien sowie das Internetportal weinplus.eu.<br />

Daneben hat er sechzehn Sach- und Kindersachbücher,<br />

einen Roman und zwei Theaterstücke publiziert.<br />

Titel-Foto: Cos d’Estournel, GUIDO BITTNER<br />

8 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> IMPRESSUM<br />

DIRK NOTHEIS, geboren und aufgewachsen im<br />

Badischen. Obgleich der berufliche Weg ihn in die<br />

Finanzwirtschaft führte, gilt seine Liebe doch der<br />

wahren Liquidität, dem Wein. Den sammelt, degustiert<br />

und rezensiert er seit mehr als zwei Jahrzehnten.<br />

STEFAN PEGATZKY Der promovierte Germanist<br />

kam 1999 nach Berlin und erlebte hautnah mit, wie sich<br />

die Metropole von der Bier- zur Weinstadt wandelte.<br />

Seit einigen Jahren schreibt er regelmäßig über Wein<br />

und Genuss. In der Tre-Torri-Reihe »Beef!« erschien<br />

der Band »Raw. Meisterstücke für Männer«, in der<br />

»Gourmet Edition – Kochlegenden« die Bücher zu<br />

Hans Haas, Harald Wohlfahrt und Marc Haeberlin.<br />

STUART PIGOTT In der gehobenen Weinwelt ist er<br />

ein Begriff. Seit der 1960 in London geborene studierte<br />

Kunsthistoriker und Maler im Wein, im deutschen Wein<br />

zumal, sein Lebensthema fand, hat er sich mit unkonventioneller<br />

Betrachtungsweise in die Ränge der weltweit<br />

geachteten Autoren und Kritiker geschrieben. Sein<br />

Buch »Planet Riesling« erschien bei Tre Torri.<br />

RAINER SCHÄFER wuchs in Oberschwaben auf und<br />

lebt seit zwanzig Jahren in Hamburg, wo er über die<br />

Dinge schreibt, die er am meisten liebt: Wein, gutes<br />

Essen und Fußball, stets neugierig auf schillernde<br />

Persönlich keiten, überraschende Erlebnisse und<br />

unbekannte Genüsse. Als Ko-Autor hat er über »100<br />

Länder, 100 Frauen, 100 Räusche« berichtet.<br />

LUZIA SCHRAMPF Sie weiß alles – zumindest<br />

über den österreichischen Wein. Über ihr Lieblingsthema<br />

berichtet die Journalistin regelmäßig im Wiener<br />

Standard wie in der Süddeutschen, in World of Fine<br />

Wine und Decanter. In ihrem Buch »Weinmacher«<br />

hat sie alle wichtigen Winzer ihres Landes porträtiert.<br />

CHRISTIAN VOLBRACHT Der Journalist, Autor<br />

und Antiquar schreibt über Wein und Gastronomie, seit<br />

er für die Deutsche Presse-Agentur in Paris gearbeitet<br />

hat. Seine besondere Leidenschaft gehört neben Wein<br />

und gutem Kochen den Pilzen und Trüffeln. Er ist<br />

Sammler und Inhaber des Buchantiquariats MykoLibri,<br />

als Buchautor ergründete er das Thema »Trüffeln –<br />

Mythos und Wirklichkeit« (bei Tre Torri).<br />

DIRK WÜRTZ Der Winzer war über Jahre Kellermeister<br />

in den Rheingauer Weingütern Robert Weil und<br />

Balthasar Ress. Seit 2018 ist er in einer Beteiligungsgesellschaft<br />

zuständig für die Wein-Sparte; zudem wurde<br />

er zum Betriebsleiter des Weinguts St. Antony in Nierstein<br />

ernannt. In seinem Blog schreibt er seit zehn Jahren<br />

über alles rund um den Wein. Mit Uwe Kauss streitet<br />

er in unserer Kolumne »Wortwechsel« über aktuelle<br />

Themen der Weinszene.<br />

Editorial-Foto: PEKKA NUIKKI<br />

VERLEGER UND HERAUSGEBER<br />

Ralf Frenzel<br />

ralf.frenzel@fine-magazines.de<br />

CHEFREDAKTEUR<br />

Thomas Schröder<br />

thomas.schroeder@fine-magazines.de<br />

REDAKTION<br />

Carola Hauck<br />

ART DIRECTION<br />

Guido Bittner<br />

MITARBEITER DIESER AUSGABE<br />

Kristine Bäder, Dr. Daniel Deckers,<br />

Armin Diel, Jürgen Dollase,<br />

Ursula Heinzelmann, Sigi Hiss,<br />

Uwe Kauss, Dr. Dirk Notheis,<br />

Dr. Stefan Pegatzky, Stuart Pigott,<br />

Rainer Schäfer, Luzia Schrampf,<br />

Christian Volbracht, Dirk Würtz<br />

FOTOGRAFEN<br />

Guido Bittner, Rui Camilo,<br />

Johannes Grau, Marco Grundt,<br />

Alex Habermehl, Arne Landwehr,<br />

Marc Volk<br />

VERLAG<br />

Tre Torri Verlag GmbH<br />

Sonnenberger Straße 43<br />

65191 Wiesbaden<br />

www.tretorri.de<br />

Geschäftsführer: Ralf Frenzel<br />

ANZEIGEN<br />

Judith Völkel<br />

Tre Torri Verlag GmbH<br />

+49 611-57 990<br />

anzeigen@fine-magazines.de<br />

DRUCK<br />

Eversfrank Berlin GmbH<br />

<strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> <strong>Weinmagazin</strong> erscheint<br />

vierteljährlich zum Einzelheft-Preis<br />

von € 15,– (D), € 16,90 (A),<br />

CHF 30,– (CH), € 18,50 (I)<br />

VERTRIEB<br />

DPV Deutscher Pressevertrieb GmbH<br />

www.dpv.de<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht<br />

unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Der<br />

Verlag haftet nicht für unverlangt eingereichte<br />

Manuskripte, Dateien, Datenträger und Bilder.<br />

Alle in diesem Magazin veröffentlichten Artikel<br />

sind urheberrechtlich geschützt.<br />

A<br />

uf 256 Seiten führt dieser opulente Band durch die einmaligen Weinberge des Kaiserstuhls direkt in Küche<br />

und Weingut des Fritz Keller. Im Dialog mit seiner Familie und seinen zahlreichen Wegbegleitern, wirft das<br />

Buch einen Blick auf das Phänomen Fritz Keller, auf die badische Küche und Weinkultur und auf eine in diesen<br />

Tagen wertvoller denn je gewordene Bekenntnis zu Genuss, Gemeinschaft und zu durchgegorenem Burgunderwein.<br />

FRITZ KELLER<br />

WEIN & GENUSS<br />

AM KAISERSTUHL<br />

256 SEITEN<br />

ZAHLR. FARBFOTOS<br />

28,0 × 29,0 CM<br />

€ 49,90 (D)<br />

ISBN 978-3-96<strong>03</strong>3-049-3<br />

Tre Torri Verlag GmbH | Sonnenberger Straße 43 | 65191 Wiesbaden | info@tretorri.de | www.tretorri.de


IMPULS GEBER<br />

SEIT FAST ZWANZIG JAHREN GEHÖRT<br />

COS D’ESTOURNEL ZUM LUXUS-<br />

IMPERIUM DES FRANZÖSISCHEN<br />

UNTERNEHMERS MICHEL REYBIER<br />

Von ARMIN DIEL<br />

Fotos MARCO GRUNDT<br />

Die Geschichte von Louis-Gaspard Estournel, der im Jahr 1811 in Caux, einem Flecken unweit von Château<br />

Lafite, ein Weingut gründete und es später Cos d’Estournel nannte, ist in Fachkreisen hinlänglich bekannt. Der<br />

Pferdehändler reiste regelmäßig mit dem Schiff in den Nahen Osten und nach Indien, um dort arabische Pferde<br />

zu kaufen. Einen Teil des Preises pflegte er in Naturalien zu begleichen, mit seinem Wein. Als er einmal nicht genügend<br />

Pferde erstehen konnte und die übriggebliebenen Fässer zurück ins heimische Saint-Estèphe brachte, stellte er fest, wie<br />

gut dem Wein die Seereise bekommen war: Er schmeckte viel besser. Daraufhin beschloss er, künftig all seine Fässer mit<br />

an Bord zu nehmen, und markierte sie danach mit einem werbewirksamen »R« wie Retour aus Indien. Schnell brachte<br />

der umtriebige Gutsbesitzer die Kunde dieser wundersamen Qualitätsverbesserung an den Mann, und sein Wein ging in<br />

den folgenden Jahren weg wie die berühmten warmen Semmeln.<br />

Exponierte Lage: Eingebettet in seinen<br />

einundneunzig Hektar großen Weinberg<br />

krönt Château Cos d’Estournel die kleine<br />

Anhöhe bei Saint-Estèphe.<br />

10 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> BORDEAUX BORDEAUX <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> 11


LEBENDIGES<br />

ERBE<br />

DIE MAISON<br />

BOLLINGER IN AŸ<br />

Unter den Grandes Marques gehört Champagne Bollinger zu den letzten Familienunternehmen.<br />

Vielleicht erklärt dies seinen charakteristischen Stil, der vor allem auf der<br />

Dominanz des Pinot Noir, dem Ausbau im Holzfass und der Bedeutung der Reserve-<br />

Weine beruht. Jedenfalls stellt sich Bollinger wie kein zweites Champagnerhaus in<br />

die lange Tradition der Region – und verkörpert zugleich die Avantgarde von heute.<br />

Von STEFAN PEGATZKY<br />

Fotos JOHANNES GRAU<br />

22 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> CHAMPAGNE CHAMPAGNE <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> 23


Ein Grund zum Anstoßen findet sich<br />

in Georgien immer, und der passende<br />

Trinkspruch ist ebenfalls stets parat.<br />

<strong>Das</strong> trifft auch für den Winzer Gogi<br />

Dakishvili und seine Freunde zu.<br />

FAMILY<br />

WINERY<br />

TELEDA<br />

ORGO<br />

» SAPERAVI IST SEHR SPEZIELL<br />

UND SEHR GEORGISCH«<br />

Von RAINER SCHÄFER<br />

Fotos JOHANNES GRAU<br />

Nach getaner Arbeit läutet Gogi Dakishvili das Supra ein, ein Festessen, bei dem<br />

Speisen und Getränke im Übermaß aufgetragen werden. Den Gästen soll es an<br />

nichts mangeln: <strong>Das</strong> ist eine eherne Grundregel der georgischen Gastfreundschaft,<br />

die der Hausherr besonders ernst nimmt. Ein Supra dauert meist mehrere<br />

Stunden, kann sich aber auch über Tage hinziehen; dann werden Pausen eingelegt,<br />

um sich zu erholen. An der Tafel in seinem Weingut Teleda Orgo in<br />

der ostgeorgischen Region Kachetien sitzen auch seine beiden Söhne Temuri<br />

und Davit. Es dauert nicht lange, bis Gogi Dakishvili einen der obligatorischen<br />

Trinksprüche ausbringt und auf den Frieden anstößt. Mit seinen achtundvierzig<br />

Jahren hat er schon drei Kriege erlebt: den Bürgerkrieg nach dem Austritt aus der<br />

Sowjetunion 1991, in dem sich verfeindete Clans bekämpften, in den folgenden<br />

Jahren den Konflikt in den Provinzen Abchasien und Südossetien, und schließlich<br />

2008 den Fünftagekrieg gegen das übermächtige Russland, in dem Georgien<br />

unterlag. Eine Zeitlang ging Gogi Dakishvili nur mit der Kalaschnikow aus dem<br />

Haus, selbst beim Einkaufen auf dem Markt war er bewaffnet. »Ich musste meine<br />

Familie beschützen«, sagt er. Inzwischen hätten sich die Verhältnisse in Georgien<br />

aber grundlegend geändert, »heute ist es ein Paradies«, sagt Dakishvili, einer<br />

der bekanntesten Winzer des Landes und ein Mann mit Prinzipien.<br />

36 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> GEORGIEN GEORGIEN <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> 37


Versteckt im Tal liegt das Gutsgebäude, das Verwaltung<br />

und Vinothek beherbergt. In dem langgestreckten Flachbau<br />

daneben sind Maschinen und Gerätschaften für die Weinberge<br />

untergebracht. Von hier führt ein Weg nach oben in<br />

den neuen Keller, der fast im Berghang verschwindet. Im<br />

Haus auf dem Hügel können Gäste die vorzüglichen Erzeugnisse<br />

vor Ort verkosten – mit Blick auf die Welt von Siddùra.<br />

ERHABEN, MAGISCH<br />

AUF SIDDÙRA IN DER HEISSEN SARDISCHEN REGION<br />

GALLURA ENTSTEHEN WEINE VON ÜBERRASCHENDER<br />

FRISCHE UND HOHER QUALITÄT<br />

Von KRISTINE BÄDER<br />

Fotos JOHANNES GRAU<br />

Ende Juni steht auf Sardinien die brütende Hitze in den Rebzeilen, der Boden ist schon jetz trocken und<br />

hart. Den Reben scheint dies nichts anzuhaben. <strong>Das</strong> satte Grün der Blätter und die ersten kleinen grünen<br />

Beeren trotzen unbeirrt Trockenheit und Hitze in der Region Gallura im Norden der Insel. Der mit uralten<br />

Korkeichen und Macchia bewachsene Hang gleicht in seiner Form einem Pferdesattel, das gallurische Wort<br />

dafür: Siddùra. Im Tal liegt das Weingut des sardischen Unternehmers Massimo Ruggero und des deutschen<br />

Modemachers Nathan Gottesdiener. Aus der zufälligen Begegnung der beiden Weinbegeisterten entstand<br />

ein einzigartiges Projekt, in dem sich Zielstrebigkeit und Anspruch mit der Leidenschaft für Qualität verbinden.<br />

Dessen Name: Siddùra.<br />

80 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> SARDINIEN SARDINIEN <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> 81


JEREZ IM AUFBRUCH<br />

WIE SICH DER SHERRY NEU ERFINDET<br />

Alles beginnt mit dem weißen Land, dem stark kalkhaltigen<br />

Albariza-Boden, der sich auch nördlich von<br />

Jerez in der Lage Macharnudo Alto findet. Als einer<br />

der ersten Kleinwinzer hatte sich Diego Villanueva aus<br />

Trebujena für die Idee des Ökoweinbaus begeistert.<br />

Er gilt als Getränk mit einer großen Vergangenheit und einer offenen Zukunft. Zu erklärungsbedürftig,<br />

zu komplex, heißt es. Dabei bietet Sherry aus dem südlichen Andalusien ein<br />

wunderbares Kontrastprogramm zur anhaltenden Inflation kitschiger Bonbonweine. Tatsächlich<br />

bildet er eine eigene Welt für sich: Wer sich auf sie einlässt, wird fasziniert durch<br />

Vielfalt, Authentizität und das Lebensgefühl einer der aufregendsten Kulturlandschaften<br />

Europas. Zumal der Süden Spaniens mit einer Vielzahl von Weinnovitäten auf sich aufmerksam<br />

macht.<br />

Von STEFAN PEGATZKY Fotos RUI CAMILO<br />

José »Pepe« Cabral grinst ein wenig, als er<br />

uns die nur einen Hektar große Viña Meseta<br />

des sechsundsiebzigjährigen Winzers Diego<br />

Villanueva in Trebujena präsentiert: »Als seine Frau<br />

starb, wurde der Weinberg zu seiner neuen Geliebten.«<br />

Die Anlage ist gepflegt wie ein Garten – und ein Vorzeigeprojekt<br />

des Ökoweinbaus in der Region. Der<br />

Pionier Cabral hatte 2010 mit ersten Rebanlagen<br />

experimentiert und bald darauf zunächst einige Kleinwinzer,<br />

schließlich auch große Erzeuger für seine Idee<br />

begeistern können. Mit dem Entusiástico steht heute<br />

die erste Bio-Manzanilla aus Trauben von Pepe Cabral<br />

im Angebot der Bodegas Delgado Zuleta.<br />

Wer die Region um Jerez de la Frontera und<br />

ihre großen Weingüter besucht, kommt nur selten in<br />

deren Weinberge: Tatsächlich drehte sich lange alles<br />

um die gewaltigen Keller der großen Bodegas und<br />

um die dort gepflegte Kunst der Sherry- Bereitung.<br />

Wenn sich der Blick heute zunehmend auf die Weinberge<br />

richtet, ist dies nur eins von vielen Zeichen<br />

für den tiefgreifenden Wandel, der die Welt des<br />

Sherrys erfasst hat: Bio-Weine, Jahrgangs-Sherrys,<br />

Single-Cask-Editionen, ungefilterte (»En Rama«)<br />

Abfüllungen, Weine aus vergessenen Rebsorten und<br />

Versuche in Richtung unverstärkter (»non fortified«)<br />

Sherrys stehen für eine neue Vielfalt neben den<br />

Klassikern.<br />

Tradition und Vergangenheit freilich sind in<br />

diesem Teil Spaniens besonders präsent. Den Weinbau<br />

hatten hier die Phönizier begründet. Der Wein<br />

aus Ceret, dem heutigen Jerez, genoss im antiken<br />

Rom einen guten Ruf, und weinbaukundige Autoren<br />

wie Plinius der Jüngere und der aus Cádiz stammende<br />

Columella erwähnten schon im 1. Jahrhundert den<br />

weißen Schaum (lateinisch: flos) auf jungem Wein,<br />

den wir heute als Flor kennen. Der Weinbau in der<br />

ehemals römischen Provinz Baetica überlebte die<br />

Eroberungen durch die Vandalen, die Westgoten<br />

und selbst die Araber: Im toleranten al-Andalus<br />

war Alkoholkonsum zumindest aus medizinischen<br />

Gründen gestattet, ansonsten waren getrocknete<br />

Weintrauben als Rosinen beliebt.<br />

Mit der Reconquista von 1264, der christlichen<br />

Wiedereroberung von Jerez durch den König von<br />

Kastilien, begann der Aufstieg der Provinz zu einer<br />

der führenden Weinbauregionen der Welt. Alfons X.<br />

förderte die Anlage neuer Weinberge. Die seit<br />

1445 residierenden Herzöge von Medina-Sidonia<br />

lockten mit einer Proklamation von 1491 über die<br />

102 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> SHERRY SHERRY <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> 1<strong>03</strong>


DANIEL DECKERS<br />

WEIN UND ZEIT XXXII<br />

ALTE KAMERADEN,<br />

NEUE REBEN<br />

WARUM DER ZWEIGELT ZWEIGELT HEISST<br />

Foto: Thomas Leithner<br />

Abbildung: Privatbesitz<br />

Man schrieb den Sommer 1945. Sieben Jahre nach der Annexion durch Nazi-Deutschland<br />

war Österreich wieder ein eigener Staat, wenngleich noch lange kein souveräner. Bis zum<br />

März war in der Höheren Bundeslehranstalt und Bundesversuchsstation für Wein-, Obst-<br />

und Gartenbau in Klosterneuburg bei Wien mehr oder weniger regelmäßig unterrichtet<br />

worden. Dann wurde auch die 1860 gegründete und damit älteste Weinbaulehranstalt<br />

im deutschen Sprachraum in den Sog des »Endkampfes« hineingezogen. Doch bis auf<br />

einige Artillerietreffer an dem nun als Volkssturmkaserne dienenden Schulgebäude blieb<br />

sie verschont. Allerdings gereichten der Durchzug der Roten Armee, Einquartierungen<br />

und Plünderungen den Forschungseinrichtungen und Versuchsflächen zum Schaden.<br />

Sollte es in Klosterneuburg eine Stunde<br />

Null gegeben haben, dann war es gefühlt<br />

eine Minute. Umgehend wurde der Unterricht<br />

wiederaufgenommen. Doch mit wem?<br />

»Die Akademiker, also Professoren, die alle<br />

Pg. [NSDAP-Mitglied] waren, waren alle verschwunden«,<br />

stellte der zum kommissarischen<br />

Leiter bestellte Professor Emil Planckh lakonisch<br />

fest. Für ihn war es ein Wiedersehen mit seiner<br />

alten Wirkungsstätte. Zusammen mit den anderen<br />

»christ-sozialen« und »klerikalen« Mitarbeitern<br />

der Lehranstalt war der Professor für Obstbau und<br />

Obstverwertung nach der Annexion Österreichs im<br />

Sommer 1938 aus Klosterneuburg entfernt worden.<br />

Glühende Nationalsozialisten, an denen es im österreichischen<br />

Weinbau ebenso wenig fehlte wie in der<br />

Ministerialbürokratie, hatten ganze Arbeit geleistet.<br />

Allen voran Friedrich Zweigelt, der langjährige Leiter<br />

der in Klosterneuburg angesiedelten Bundes-Rebenzüchtungsstation.<br />

Der 1888 in der Nähe von Graz geborene Sohn<br />

sudetendeutscher Eltern war als Steiermärker gleich<br />

doppelt ein »Grenzlandbewohner« und schon seit<br />

Kindertagen »streng national« und »antiklerikal«<br />

eingestellt. 1933 trat er unter dem Eindruck der<br />

Machtübertragung an Hitler in die österreichische<br />

NSDAP ein. <strong>Das</strong> Verbot der Partei im Juni ließ ihn<br />

nicht zweifeln. 1938 konnte er sich rühmen, in der<br />

»Verbotszeit« ein »illegaler Kämpfer« gewesen zu<br />

sein. Als er im März 1938 kommissarischer Leiter<br />

der Klosterneuburger Anstalt wurde, war er am<br />

Ziel – wenn auch nur fast. Direktor durfte er sich<br />

erst ab 1942 nennen. Im Berliner Reichsministerium<br />

für Ernährung und Landwirtschaft und unter den<br />

Funktionären des »Reichsnährstandes« hatte der<br />

Österreicher nicht nur Freunde. Sein Ehrgeiz,<br />

Klosterneuburg in wissenschaftlicher Hinsicht der<br />

»Schwesteranstalt« in Geisenheim am Rhein ebenbürtig<br />

werden zu lassen, war den alteingesessenen<br />

Nazis nicht geheuer.<br />

In Klosterneuburg hatte Friedrich Zweigelt<br />

seit 1938 keine Widersacher mehr. An seiner<br />

Seite wirkten der Klosterneuburg-Absolvent und<br />

Bundeskellereiinspektor Heinrich Konlechner, der<br />

1936 Mitglied der damals in Österreich verbotenen<br />

NSDAP geworden war, und Otto Kramer, seit 1932<br />

»Pg.« und Schulungsredner der württembergischen<br />

SS; seinen Posten als Vorstand der Weinbauversuchsanstalt<br />

in Weinsberg hatte er zum 1. Januar 1939<br />

zugunsten einer Lehr- und Forschungstätigkeit in<br />

Klosterneuburg aufgegeben. Ja, Klosterneuburg war<br />

innerhalb von wenigen Jahren zu einer »nationalsozialistischen<br />

Hochburg« geworden, wie im März<br />

1942 jedermann in der von Zweigelt redigierten Zeitschrift<br />

»<strong>Das</strong> Weinland« nachlesen konnte.<br />

Drei Jahre später war das Tausendjährige<br />

Reich vorbei. Friedrich Zweigelt war verhaftet<br />

und in ein »Anhaltelager« gebracht<br />

worden. Bei der Durchsuchung seiner Direktorenwohnung<br />

fand die Staatspolizei allerhand belastendes<br />

Material, darunter die Manuskripte dreier Reden, die<br />

er als Direktor jeweils am 13. März aus Anlass der<br />

»Befreiung« Österreichs durch die Nazis vor der versammelten<br />

Schülerschaft gehalten hatte: Rollenprosa<br />

eines eingefleischten Nationalsozialisten, vermischt<br />

mit Kriegshetze. Und so wie er 1938 alles erdenklich<br />

Schlechte über seine Kollegen ausgebreitet hatte,<br />

ließen nun viele von ihnen gegenüber der Staatspolizei<br />

kein gutes Haar an ihm.<br />

Auch Heinrich Konlechner hatte in Klosterneuburg<br />

nach 1945 nichts mehr zu suchen – zunächst.<br />

Als Beamter durch die Zugehörigkeit zur NSDAP<br />

kompromittiert, suchte er sein Auskommen in der<br />

Privatwirtschaft. 1954 wurde er reaktiviert – und 1961<br />

sogar Direktor von Klosterneuburg. Otto Kramer<br />

wiederum, nach Württemberg zurückgekehrt,<br />

traf es am härtesten. Seine Internierung in einem<br />

amerikanischen Lager in Ludwigsburg endete erst<br />

1947. Eine Anstellung fand er nicht mehr. Friedrich<br />

Zweigelt hingegen war schon an Weihnachten 1945<br />

wieder auf freiem Fuß.<br />

In Klosterneuburg hatten derweil diejenigen<br />

wieder das Sagen, die schon in den dreißiger Jahren<br />

den Ton angeben hatten. Doch wie nicht nur im<br />

Unterricht an die Zeit vor 1938 anknüpfen, sondern<br />

auch in der Forschung, vor allem in der für Österreich<br />

so wichtigen Rebenzüchtung? Von den Ausleseund<br />

Neuzüchtungsbestrebungen in Deutschland<br />

hatten die Österreicher schon in der Zwischenkriegszeit<br />

kaum profitieren können. Während hierzulande<br />

bei den Weißweinreben Riesling und Silvaner, bei<br />

den roten Sorten Spätburgunder und Portugieser<br />

im Vordergrund standen, setzten die Österreicher<br />

auf Grünen Veltliner und Blaufränkisch. Und sie<br />

hoffen auf Neuzüchtungen aus ihren einheimischen,<br />

da standortangepassten Rebsorten. So hatte es sich<br />

Friedrich Zweigelt 1921 als Leiter der Bundesrebenzüchtung<br />

auf die Fahnen geschrieben.<br />

Doch zumindest für die züchterischen<br />

Bemühungen wäre 1945 fast die Stunde Null<br />

geworden. 1950 hielt Paul Steingruber, der erste<br />

Assistent Zweigelts, fest: »Auf dem Gebiete der Neuzüchtungen<br />

ist leider wenig Erfreuliches zu berichten,<br />

da 1945 festgestellt werden musste, daß der größte<br />

Teil der Neuzüchtungen, mit deren weingartenmäßigem<br />

Auspflanzen der Berichterstatter bereits<br />

1929 begonnen hatte, aus den beiden Versuchsanlagen<br />

in Langenlois und Krems-Gneixendorf verschwunden<br />

waren. Nach den Angaben des dortigen<br />

Personals wurden die Anlagen einfach gerodet.«<br />

Anders gesagt: Ein erheblicher Teil dessen, was seit<br />

Im März 1938, dem Jahr der Annexion Österreichs, wurde der streng<br />

national gesinnte Friedrich Zweigelt, seit fünf Jahren Mitglied der<br />

NSDAP, kommissarischer Leiter der Höheren Bundeslehranstalt für<br />

Wein- und Obstbau Klosterneuburg. Wenige Monate später wehten<br />

über dem Forschungszentrum die Hakenkreuzfahnen.<br />

126 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> WEIN UND ZEIT WEIN UND ZEIT <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> 127


Im Verkostungsraum öffnet Julian Huber eine unetikettierte Flasche<br />

2012er Chardonnay, den noch sein Vater gemacht hat. Auch wenn der<br />

Generationswechsel im Weingut Bernhard Huber früher als geplant<br />

vollzogen werden musste, ist ihm der Sohn ein würdiger Nachfolger.<br />

Mit seinen wasserblauen Augen und dem rötlichen Störtebeker-Bart könnte<br />

Julian Huber am Ruder eines Windjammers in der Nordsee stehen. Doch nach<br />

dem Tod seines Vaters fand er sich im Alter von vierundzwanzig Jahren auf der<br />

Kommandobrücke des badischen Familienweinguts Bernhard Huber im Rheintal<br />

wieder, das er nun zusammen mit seiner Mutter Barbara leitet.<br />

Es war eine schwierige, aber gelungene Transition, auf die<br />

Julian Huber bei der Degustation zurückblickt. Als sein<br />

Vater 2012 plötzlich schwer erkrankte, blieben gerade<br />

noch zwei Jahre Zeit, dem Sohn das wichtigste Wissen weiterzugeben.<br />

Ein großes Schwarz-Weiß-Porträt von Bernard Huber<br />

hängt an der Wand des Probenraums. Es ist Mitte Juni, dreißig<br />

Grad Wärme. Draußen die sattgrünen Hänge des Breisgaus<br />

bei Emmendingen. Der Blick von den Höhen der auf mehrere<br />

Gemeinden verteilten Weinberge des Gutes reicht vom Schwarzwald<br />

rechts des Rheins bis zum Kaiserstuhl und den Vogesen<br />

auf der anderen Seite des Stroms.<br />

Bernhard Huber hatte sich 1987 bei der Winzergenossenschaft<br />

abgemeldet und begonnen, anders als sein Vater, seine<br />

Trauben selbst zu keltern. Er eiferte den großartigen Pinot<br />

Noirs der Bourgogne nach, die er während seines Studiums<br />

besucht hatte. Der Muschelkalk bei Beaune oder Morey-Saint-<br />

Denis ähnelt dem von daheim, wo einst Zisterzienser-Mönche<br />

die ersten französischen Rebstöcke gepflanzt und den »Malterdinger«<br />

bekannt gemacht hatten.<br />

Bernhard Huber hat das Gut umfassend modernisiert(siehe<br />

<strong>FINE</strong> 1/2012). In dem 1999 vollendeten, ungemein sachlichen<br />

und funktionellen Kellerraum reihen sich große Stahltanks<br />

auf, in der Mitte einige Holzbottiche. In den Nebenräumen<br />

stapeln sich eng die Barrique-Fässer. Vom Chardonnay zum<br />

Spätburgunder intensiviert sich der Gärungsduft.<br />

Julian Huber will mit mir die Chardonnays und Spätburgunder<br />

vom Schlossberg verkosten, für ihn die »forderndste«<br />

der vier Lagen mit Großen Gewächsen – neben Bienenberg,<br />

Sommerhalde und Wildenstein. Die Flaschen kommen aus der<br />

Schatzkammer, die der Vater angelegt hatte. Alle sind handbeschriftet,<br />

die Korken mit etwas Bienenwachs versiegelt.<br />

Huber-Weine sind besonders langlebig, fünf bis sechs Jahre<br />

Flaschenreife sind für die Weißen stets zu empfehlen, je nach<br />

Jahrgang auch mehr. Noch langlebiger sind die Spätburgunder.<br />

Der Schlossberg wird von einer alten Burgruine am alten<br />

Vier-Burgen-Handelsweg zwischen Offenburg und Freiburg<br />

gekrönt. Vier Hektar der steilen Rebhänge sind als Große<br />

Gewächse klassifiziert. Elftausend Stöcke pro Hektar sorgen<br />

für viel Konkurrenz unter den Rebstöcken, die tief wurzeln<br />

und dichte Weine liefern. Hier ist alles Handarbeit, die Steigung<br />

beträgt einhundert Prozent, was einem Gefälle von fünfundvierzig<br />

Grad entspricht. Die Arbeiter eines seit vielen Jahren aus<br />

Polen kommenden Teams nennen die steilste Lage Golgatha.<br />

»Viel Aufwand, aber eine super Lage«, sagt Julian Huber, »sehr<br />

heller Muschelkalk, fast ohne Auflage.«<br />

Gerade der Chardonnay fühlt sich hier sehr wohl. <strong>Das</strong><br />

Jahr 2008 war recht kühl. In der Nase und am Gaumen zeigt<br />

der Jahrgang viel Frische, aber ganz im sehr burgundischen<br />

Stil des Vaters, der die Weine ohne große Vorklärung in kleine<br />

neue Fässer abfüllte, sie lange auf der Hefe stehen ließ und dreizehn<br />

oder dreizehneinhalb Prozent Alkoholgehalt erreichte.<br />

»Sehr frankophil von der Machart her«, sagt Julian Huber,<br />

»im Schlossberg ist aber immer Exotik drin, eine ganz kühle<br />

Passionsfrucht.« Der 2009er ist reifer, klassisch, barock.<br />

<strong>Das</strong> Bild ist bei den Spätburgundern ähnlich. Der 2008er<br />

ist schlank und etwas reduziert, mit einer leicht grünen<br />

Note. Danach folgen die großartigen Weine von 2009<br />

und 2010. »Da hat sich eine Wahnsinnsfrucht entwickelt, so<br />

etwas wie 2009 gab es von der Aromatik her bisher nicht mehr«,<br />

schwärmt Julian Huber. Der vielgelobte 2010er ist weniger<br />

vollmundig, zeigt dafür<br />

mehr Struktur, Spannung<br />

und Länge. »Da bin ich<br />

echt gespannt, welches Jahr<br />

weiterkommen wird. Im<br />

Moment favorisiere ich den<br />

2009er«, sagt er.<br />

Diese Jahrgänge wurden<br />

erzeugt, als die Welt im<br />

Familienweingut Bernhard<br />

Huber noch in Ordnung war.<br />

Der damals zwanzigjährige<br />

Julian hatte bis zum Sommer<br />

2011 ein Jahr auf dem Weingut<br />

Dudet-Naudin in Savignylès-Beaune<br />

an der Côte d’Or<br />

gearbeitet und dann Önologie<br />

in Geisenheim studiert.<br />

Dann kam der Schock, als der Vater plötzlich erkrankte. Der<br />

Sohn hatte das Studium gerade abgeschlossen, wollte noch in<br />

die Champagne, noch einen Herbst ins Burgund, ein paar Jahre<br />

draußen bleiben. »Mein Vater hat immer gesagt: ‚Kommst mal<br />

heim, wenn du dreißig bist’«. <strong>Das</strong> wäre im Jahr 2020 gewesen, so<br />

aber musste Julian die Leitung des Gutes zusammen mit seiner<br />

Mutter sechs Jahre früher übernehmen. »Ich hatte unheimliches<br />

Glück, dass meine Mutter gesagt hat, wir machen das<br />

weiter. Und auch die Mitarbeiter, ein ganz tolles Team. <strong>Das</strong><br />

spürt man auch heute noch, es ist eine super Dynamik drin.«<br />

Erlebt man Mutter und Sohn nebeneinander, ist man berührt<br />

134 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> BADEN BADEN <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> 135


In den Steillagen des Hecklinger<br />

Schlossbergs mit der Burgruine<br />

Lichteneck ist alles Handarbeit.<br />

Hier stehen die Reben für die<br />

Großen Gewächse von Chardonnay<br />

und Spätburgunder des Weinguts<br />

Bernhard Huber.<br />

reifende Klone aufgepfropft, damit das Mostgewicht nicht zu<br />

stark steigt. »Es wird noch eine Weile dauern, bevor es hier zu<br />

warm wird für Chardonnay und Spätburgunder«, lacht Julian<br />

Huber. »Für mich bleiben sie die größten Rebsorten überhaupt.«<br />

Er setzt seine neuen Weinstöcke inzwischen noch<br />

dichter, meist vierzehntausend pro Hektar. Ein Versuch mit<br />

zwanzigtausend Rebstöcken pro Hektar läuft.<br />

von der fröhlichen Harmonie der beiden. Julian Huber ist froh,<br />

dass sie ihm viel Arbeit im Büro abnimmt.<br />

In den letzten beiden Jahren mit dem Vater hatte es einen<br />

intensiven Austausch gegeben. Julian verbrachte mehr Zeit<br />

zuhause, die beiden probierten viel zusammen: »Aber es<br />

wären natürlich noch viele Fragen gewesen.« Die komplizierten<br />

Übergangsjahre schmeckt Julian Huber in den Weinen beim<br />

Verkosten. Offen erzählt er, wie der Vater den Jahrgang 2012<br />

noch vollendete, ihm aber dann mehr und mehr die Kräfte<br />

schwanden, bis er im Juni 2014 starb. »Er hat bis zum letzten<br />

Moment mitgearbeitet«, erinnert er sich. »Ich habe versucht,<br />

ihn möglichst zu unterstützen, aber bei den Roten merkt man,<br />

dass mir ein bisschen Erfahrung gefehlt hat – und ihm die Zeit.«<br />

2012 war ein sehr reifes Jahr. Für den Spätburgunder<br />

benutzte man noch einhundert Prozent neues Holz. Der Wein<br />

zeigt die buttrigen Nuancen, die sich aus den Eichenfässern entwickeln.<br />

Im Jahr 2013 wurde der Anteil neuer Barriques dann<br />

schon auf etwa siebzig Prozent reduziert. Der Wein schmeckt<br />

im Moment noch sehr jung, wirkt etwas unruhig. Julian Huber<br />

meint, dass die Tanninstruktur durch das kräftige Anpressen<br />

von Trauben mit Stielen zu ausgeprägt sei.<br />

Als Weinmacher sieht er das Jahr 2013 als seine Generalprobe<br />

vor dem Soloauftritt: »2014 war dann das erste Konzert.«<br />

Zum Glück spielte die Natur mit: „Ein sehr schöner Weißweinjahrgang,<br />

Weine mit wahnsinniger Frische und schöner<br />

Gerbstoffstruktur, die sehr lange lagern können.“ Der Spätburgunder<br />

erwies sich dagegen als ein eher schlanker Jahrgang.<br />

Ganz anders der mächtige 2015er, der einige Wochen zur<br />

Gärung brauchte, bei manchen Fässern bis ins folgende Frühjahr.<br />

»Lange Zuckerketten«, erläutert Julian Huber, das im<br />

Studium erworbene Wissen stets präsent. <strong>Das</strong> Jahr 2015 habe<br />

viel Wärme in den Wein gebracht, wegen der frühen Lese sei<br />

er aber sehr elegant und schlank geblieben.<br />

<strong>Das</strong> ist das Ziel. »Wir müssen mehr auf die Frische achten,<br />

dafür sorgen, dass der Alkoholgehalt nicht zu hoch ist«, sagt<br />

Julian Huber. »Ich bin mehr von einem weniger barocken Stil<br />

in Burgund inspiriert. Man erntet die Trauben früher, um<br />

Frische und Leichtigkeit zu bewahren und die Weine purer<br />

zu halten.« Der Einsatz neuer Eichenfässer wird inzwischen<br />

für den Chardonnay und den Spätburgunder auf zwanzig bis<br />

dreißig Prozent zurückgefahren. Je nach Jahrgang benutzt er<br />

Fässer aus Burgund mit stärkerer oder bei wärmeren Jahren<br />

leichterer Toastung. Versuche mit Fässern aus deutscher Eiche<br />

hatte bereits sein Vater aufgegeben.<br />

Die frühe Lese sorgt beim Chardonnay für mehr Zitrus-<br />

Anklänge, die Farbe wird etwas grünlicher, der Alkoholpegel<br />

bleibt bei meist zwölfeinhalb Prozent. Die neuen Spätburgunder<br />

zeigen eine hellere Farbe und Aromatik, Himbeertöne. Nicht<br />

jeder Freund schwerer Burgunder wird diesen Stil auf Anhieb<br />

mögen. Der 2016er ist filigran und verspielt, mit Noten von<br />

Sauerkirschen. »Diese Sorten haben hier ein Reifeplateau<br />

von drei Tagen, und wir versuchen, am ersten dieser Tage zu<br />

ernten.« Julian Hubers Hoffnungen für den Schlossberg liegen<br />

jetzt beim Jahrgang 2018, da in den beiden Jahren zuvor kein<br />

Großes Gewächs aus der Lage abgefüllt wurde. Die Fässer mit<br />

dem 2016er hätten sich nicht wie erwartet entwickelt, sagt er,<br />

der 2017er wurde schwer vom Frost getroffen.<br />

Auch die Folgen des Klimawandels gleicht die frühe Lese<br />

aus. Zudem werden auf alte Rebstöcke jetzt neue, langsamer<br />

Julian Huber gibt zu, dass sein Stilwechsel zum Zeitgeist<br />

passt. Als Gourmet, der gern mit Freunden in den Spitzenrestaurants<br />

der Umgebung wie etwa bei Franz Keller am<br />

Kaiserstuhl isst, zieht er einen Vergleich zur Küche: „Man hat ja<br />

das Gefühl, dass die Küchen auch hierzulande viel purer werden,<br />

man geht weg von der Buttersauce, weg vom Üppigen. Es wird<br />

viel mehr auf das einzelne Produkt geschaut, mehr mit Extraktion<br />

gearbeitet. <strong>Das</strong> ergibt einen weniger sättigenden, frischeren,<br />

belebenderen Stil. Dem passen sich die Weine irgendwie an.“<br />

Zum Schlossberg hat Julian Huber ein ganz besonderes Verhältnis.<br />

In den Steillagen zählt jeder Arbeitsschritt: »Man steht da<br />

drin. Es ist eine Lage, die man richtig interpretieren muss, um im<br />

Keller keine Fehler zu machen. Ich habe am längsten gebraucht,<br />

den zu verstehen. <strong>Das</strong> ist eine sehr emotionale Beziehung.«<br />

Am Rand des Weinbergs stehen alte Feigenbäume, die<br />

der Großvater gepflanzt hat. Unter der alten Burgruine zeigt<br />

Julian Huber, wie sich gerade die Traubenansätze entwickeln.<br />

Sein Vater hatte alle Stiele kurz abschneiden lassen. Bei der<br />

Selektion nach der Lese wurde dann eine gewisse Menge als<br />

Ganztrauben ausgesondert, die bei der Vergärung mit den<br />

Stielen zugegeben wurden, für mehr Gerbstoffe. Julian Huber<br />

lässt die Ganztrauben in einem besonderen Lesedurchgang<br />

schon im Weinberg aussuchen. Dabei werden solche mit verholzten<br />

Stielen ausgewählt. »<strong>Das</strong> ergibt andere, reifere Tannine«,<br />

sagt er, »und eine schönere Aromatik. Dann schmeckt es nicht<br />

138 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> BADEN BADEN <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2019</strong> 139


Weingut Robert Weil – Riesling Großes Gewächs.<br />

Einer der Großen Weine der Welt.<br />

www.weingut-robert-weil.com

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