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Otto Grim - Institut für Entwerfen von Schiffen und Schiffssicherheit

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März 2012<br />

SCHRIFTENREIHE SCHIFFBAU<br />

Festschrift anlässlich des 100. Geburtstages<br />

<strong>von</strong> Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong>


Festschrift anlässlich des 100. Geburtstages<br />

<strong>von</strong> Prof. Dr.-Ing. E.h. <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong><br />

© Technische Universität Hamburg-Harburg<br />

Schriftenreihe Schiffbau<br />

Schwarzenbergstraße 95c<br />

D-21073 Hamburg<br />

http://www.tuhh.de/vss


Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong><br />

22. Dezember 1911 – 21. Juni 1994


<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> – Wissenschaftler <strong>und</strong> Ingenieur<br />

Prof. Dr.-Ing. Harald Keil<br />

Seite 3<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> <strong>und</strong> die Festigkeit der Schiffe<br />

Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing.E.h. Dr.h.c. Eike Lehmann<br />

Seite 8<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> <strong>und</strong> die Vibrationen<br />

Prof. Dr.-Ing. Heinrich Söding<br />

Seite 24<br />

Dynamik des Seeverhaltens <strong>und</strong> statische Stabilitätsbetrachtungen -<br />

Versuch einer Synthese<br />

Prof. Dr.-Ing. Stefan Krüger<br />

Seite 37<br />

Voraussage des Seeverhaltens <strong>von</strong> <strong>Schiffen</strong> in schwerer See mit RANSE<br />

Prof. Dr.-Ing. Ould el Moctar<br />

Seite 52<br />

Das <strong>Grim</strong>sche Leitrad – Chronik einer Innovation<br />

Dipl.-Ing. Michael vom Baur, Dr.-Ing. Klaus Meyne<br />

Seite 69<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> <strong>und</strong> das Manövrieren<br />

Prof. Dr.-Ing. Andrés Cura Hochbaum<br />

Seite 81<br />

Nicht verzagen, <strong>Otto</strong> fragen!<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> <strong>und</strong> das Verhältnis <strong>von</strong> Theorie <strong>und</strong> Praxis<br />

Dipl.-Ing. Peter Schenzle<br />

Seite 83


<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> – Wissenschaftler <strong>und</strong> Ingenieur<br />

<strong>von</strong> Harald Keil<br />

Wir wollen heute das Leben <strong>von</strong> Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing.E.h. <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> kurz skizzieren <strong>und</strong><br />

einen Einblick in die wesentlichen Gebiete seines Schaffens geben.<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> wurde am 22. Dezember 1911 in Groißenbrunn in Niederösterreich geboren. Um es<br />

vorweg zu sagen: Obwohl der Geburtsort mitten im damals mächtigen k.u.k.-Reich lag, vereinte<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> in sich alle Eigenschaften, die man „preußische Tugenden“ nennt.<br />

Nach dem Besuch der Technisch-gewerblichen B<strong>und</strong>esanstalt in Mödling bei Wien ab 1925 <strong>und</strong> der<br />

Reifeprüfung 1929 studierte er Schiffbau <strong>und</strong> Schiffsmaschinenbau an der Technischen Hochschule<br />

Wien. Das Studium schloß er im Dezember 1934 mit der zweiten Staatsprüfung ab <strong>und</strong> erhielt den<br />

Titel „Ingenieur“, was ihm später Probleme bereitete, da in Deutschland der entsprechende Titel<br />

„Diplom-Ingenieur“ hieß.<br />

Anschließend war er arbeitslos, bis er 1936 eine Anstellung bei der Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven<br />

in der Abteilung <strong>für</strong> Messungen <strong>und</strong> wissenschaftliche Untersuchungen fand. 1937 wechselte<br />

er als Sachbearbeiter <strong>für</strong> Schwingungen <strong>und</strong> Vibrationen in das Oberkommando der Kriegsmarine<br />

in Berlin, wo er 1939 die Baumeister-Prüfung ablegte. 1940 wurde er Marinebaurat <strong>und</strong><br />

Referent <strong>für</strong> den Entwurf kleiner Uboote.<br />

Das Kriegsende erlebte er unter Wasser in einem Uboot, kam nach dem Auftauchen in norwegische<br />

<strong>und</strong> ab Oktober 1945 in französische Kriegsgefangenschaft. Von 1947 bis 1949 arbeitete er<br />

als Konstrukteur in einem Ingenieurbüro in Kressbronn am Bodensee <strong>für</strong> die französische Marine.<br />

1950 trat er als Leiter der Forschungsabteilung <strong>und</strong> später stellvertretender Direktor in die Hamburgische<br />

Schiffbau-Versuchsanstalt HSVA ein. Am 24. Juni 1953 promovierte er mit einer Arbeit<br />

über die „Berechnung der durch Tauchbewegungen eines prismatischen Körpers erzeugten hydrodynamischen<br />

Kräfte“ als erster Schiffbauer in Deutschland nach dem Krieg mit Auszeichnung zum<br />

Doktor-Ingenieur. Prof. Weinblum sagte dazu: „Ich betrachte es als eines der besten Auspizien unserer<br />

neuen Schiffbau-Abteilung Hannover-Hamburg, daß sie mit einer so glanzvollen Arbeit ihr Leben<br />

begonnen hat.“ Mit dieser Arbeit wurden nicht nur in Deutschland Maßstäbe gesetzt; sie stand<br />

am Beginn einer weltweiten sprunghaften Entwiclung der Kenntnis über Bewegungen <strong>und</strong> Belastungen<br />

<strong>von</strong> <strong>Schiffen</strong> im Seegang.<br />

Am 16. Januar 1957 habilitierte er sich an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der<br />

Universität Hamburg <strong>und</strong> lehrte <strong>von</strong> da ab als Privatdozent am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Schiffbau. 1962 wurde<br />

er nach einer Tätigkeit am Stevens <strong>Institut</strong>e of Technology in Hoboken/USA als Nachfolger <strong>von</strong><br />

Prof. Weinblum auf den Lehrstuhl <strong>für</strong> Schiffstheorie am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Schiffbau berufen. Prof. Wehausen<br />

<strong>von</strong> der University of California in Berkley schrieb dabei in seinem Gutachten: „Ohne<br />

Zweifel ist <strong>Grim</strong> der geeigneteste Kandidat in Deutschland, wahrscheinlich auch in der ganzen<br />

Welt.“<br />

Von 1969 bis 1974 übernahm er in wirtschaftlich sehr schwerer Zeit zusätzlich die Leitung der<br />

HSVA. Manche meinten, es wäre immer sein Traum gewesen, Direktor der HSVA zu sein. Dies<br />

halte ich <strong>für</strong> einen Irrtum. Es war pures Pflichtbewußtsein, das ihn dazu veranlaßte. Als ich ihn in<br />

der HSVA besuchte, um ihm meine Dissertation zu erklären <strong>und</strong> ihn zu bitten, sie in der Fakultät<br />

zu vertreten – eine intensive Betreuung, wie sie heute gefordert <strong>und</strong> praktiziert wird, gab es damals<br />

nicht; schließlich war ja eine selbständige Leistung verlangt. -, sagte er, nachdem wir zwei<br />

St<strong>und</strong>en zusammen gesessen hatten: „Sehen Sie, das macht mir Spaß!“<br />

3


So hat er eine ganze Generation <strong>von</strong> Schiffbauern als Studenten begabt <strong>und</strong> an die Schiffstheorie<br />

herangeführt <strong>und</strong> als junge Wissenschaftler zur Blüte gebracht. Die <strong>von</strong> ihm verkörperte Verbindung<br />

<strong>von</strong> tiefen theoretischen Kenntnissen mit einem ausgeprägten Gefühl <strong>für</strong> die praktische Machbarkeit,<br />

ja einer intuitiven Sicherheit <strong>für</strong> das Ergebnis machten ihn zum unerreichbaren Vorbild seiner<br />

Schüler. Dazu kam ein hohes Maß an Kreativität <strong>und</strong> Beharrlichkeit in der Umsetzung seiner<br />

Ideen.<br />

Überall waren sein Rat <strong>und</strong> seine Mitarbeit gefragt, nie hat er sich verweigert. So war er zwölf<br />

Jahre Mitglied des Forschungsrates der Freien <strong>und</strong> Hansestadt Hamburg, da<strong>von</strong> fünf Jahre als Präsident<br />

oder Vizepräsident. Sechs Jahre hat er als stellvertretender Sprecher den Sonderforschungsbereich<br />

„Schiffstechnik <strong>und</strong> Schiffbau“ geleitet. 45 Jahre gehörte er der Schiffbautechnischen Gesellschaft<br />

an, zehn Jahre als Leiter eines Fachausschusses <strong>und</strong> sechzehn Jahre als Mitglied des<br />

Vorstandsrates.<br />

In keinem Verhältnis zu seinen Leistungen stand sein Habitus. Extreme Zurückhaltung <strong>und</strong> Bescheidenheit<br />

zeichneten ihn aus. Nichts war ihm mehr zuwider als die erste Reihe <strong>und</strong> das Rampenlicht.<br />

Und dennoch hat er alle Auszeichnungen erhalten, die <strong>für</strong> einen Schiffbauer denkbar sind. Im<br />

November 1959 erhielt er die Silberne <strong>und</strong> 1986 die Goldene Denkmünze der Schiffbautechnischen<br />

Gesellschaft "Für Verdienste um den Deutschen Schiffbau". 1979 verlieh ihm die Hannoversche<br />

Hochschulgemeinschaft die Karmarsch-Gedenkmünze, die alle zwei Jahre <strong>für</strong> außerordentliche<br />

Ingenieurleistungen vergeben wird, <strong>und</strong> am 19. Dezember 1986 das Deutsche <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Erfindungswesen<br />

in Nürnberg die Diesel-Medaille in Silber. Dabei stand er in Hannover neben Prof. Walter<br />

Bruch, dem Erfinder des PAL-Farbfernsehens, <strong>und</strong> in Nürnberg neben Dr. Felix Wankel <strong>und</strong><br />

Prof. Artur Fischer. Ihm schien das zuviel der Ehre. Er schrieb an das Deutsche <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Erfindungswesen,<br />

als dies ihm die Ehrung ankündigte: „Natürlich würde ich mich über die Verleihung<br />

der Diesel-Medaille freuen <strong>und</strong> mich sehr geehrt fühlen; jedoch kenne ich viele Kollegen, die<br />

ebensoviel geleistet haben wie ich <strong>und</strong> nicht so hoch geehrt wurden.“<br />

Die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen hatte bereits am 29. Oktober 1982 das<br />

wissenschaftliche Gesamtwerk durch die Verleihung des Doktor-Ingenieurs Ehren halber gewürdigt.<br />

Die Gutachter in dem Verfahren waren die Professoren Wehausen in Berkley, Gerritsma in<br />

Delft <strong>und</strong> Pestel in Hannover, der zu der Zeit auch in Kalifornien weilte. Und der B<strong>und</strong>espräsident<br />

hatte ihm im gleichen Jahr das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland verliehen, eine <strong>für</strong> einen hamburgischen Beamten außergewöhnliche Auszeichnung.<br />

Ende des Wintersemesters 1977/78 ließ er sich emeritieren, nicht weil er keine Lust mehr hatte,<br />

sondern aus Konsequenz. Er hielt den damals <strong>von</strong> uns betriebenen Hochschulübergreifenden<br />

Studiengang nicht <strong>für</strong> richtig <strong>und</strong> wollte ihn nicht mittragen.<br />

1992 hat er angefangen, Gedanken über sein Leben <strong>und</strong> sein Verhältnis zur Moderne aufzuschreiben.<br />

Leider hat ihn die Ende 1993 aufgetretene schwere Krankheit, gegen die er mit eisernem<br />

Willen angekämpft hat, auch hieran gehindert. Am 21. Juni 1994 verstarb er in seinem<br />

Haus in Meiendorf.<br />

"Sie sind ein Vertreter des Teiles unserer Gesellschaft, der durch Begabung sowie harte <strong>und</strong> abermals<br />

harte Arbeit <strong>und</strong> ewiges Lernen in Freiheit schöpferisch zum Fortschritt beigetragen hat." Diese<br />

Worte des Laudators Ludwig Bölkows bei der Übergabe der Diesel-Medaille charakterisieren den<br />

Wissenschaftler <strong>Grim</strong>. Vielen <strong>von</strong> uns bedeutete <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> jedoch viel mehr. Seine Offenheit,<br />

sein Verständnis, seine Geduld <strong>und</strong> seine menschliche Wärme haben ihm einen festen Platz in unseren<br />

Herzen gesichert.<br />

4


Veröffentlichungen <strong>von</strong> Prof. <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong><br />

1951 Das Schiff in <strong>von</strong> achtern auflaufender See HSVA-Bericht 972<br />

Jahrb. STG 45<br />

Sept. 1952 Rollschwingungen, Stabilität <strong>und</strong> HSVA-Bericht 1002<br />

Sicherheit im Seegang Schiffstechnik 1952<br />

1952/53 Berechnung der Festigkeit eines Schiff + Hafen 1952<br />

Schalenschiffes Schiff + Hafen 1953<br />

Jan. 1953 Berechnung der durch Tauchschwingungen Dissertation TH Hannover<br />

eines prismatischen Körpers erzeugten<br />

hydrdynamischen Kräfte<br />

1953 Über den Einfluß der mitschwingenden Wasser- Schiff + Hafen 1953<br />

masse auf die Schwingungseigenschaften<br />

lokaler schwingungsfähiger Systeme<br />

1953 Berechnung der durch Schwingungen eines Jahrb. STG 47<br />

Schiffskörpers erzeugten hydrodynamischen<br />

Kräfte<br />

1954 Zur Stabilität der periodischen erzwungenen Ing.-Archiv 1954, Heft 1<br />

Rollschwingungen eines Schiffes<br />

1955 Das Schiff <strong>und</strong> der Dalben Schiff+Hafen 1955<br />

1956 Die hydrodynamischen Kräfte beim Rollversuch Schiffstechnik 1956<br />

1956 Über das Eisbrechen HSVA-Bericht 1089<br />

1956 Die Schwingungen <strong>von</strong> schwimmenden HSVA-Bericht 1090<br />

zweidimensionalen Körpern<br />

Dez. 1956 Durch eine Oberflächenwelle erregte HSVA-Mitt. 298<br />

Tauchbewegung Schiffstechnik 1957<br />

Jan. 1957 Die Schwingungen <strong>von</strong> schwimmenden HSVA-Bericht 1117<br />

zweidimensionalen Körpern<br />

Berechnung der hydrodynamischen Kräfte<br />

1957 Durch Wellen an einem Schiffskörper Proc. Symposium on<br />

erregte Kräfte Behavior of Ships in a<br />

Seaway, Wageningen<br />

Sept. 1958 Erzwungene Querschwingungen des Jahrb. STG 52, Hansa 51/52<br />

Schiffskörpers Schiff + Hafen, Heft 12<br />

Jan. 1959 Die Berechnung <strong>von</strong> hydrodynamischen HSVA-Bericht 1122<br />

Kräften an dreidimensionalen Schiffskörpern<br />

Sept. 1959 Die Schwingungen <strong>von</strong> schwimmenden zwei- HSVA-Bericht 1171<br />

dimensionalen Körpern. Berechnung der<br />

hydrodynamischen Kräfte<br />

1959 Untersuchung der Wasserbewegung in einem HSVA-Bericht 1119<br />

Kesselwagen<br />

Okt. 1959 The Influence of Speed on Heaving and HSVA-Bericht 1197<br />

Pitching Motions in Smooth Water and on<br />

the Forces Generated in Head Waves<br />

5


- 2 -<br />

1960 Eisbrechen in Helsinki HSVA-Bericht 1213<br />

Febr. 1960 Elastische Querschwingungen des Schiffskörpers Schiffstechnik 35<br />

Juni 1960 Eine Methode <strong>für</strong> eine genauere Berechnung der HSVA-Bericht 1217<br />

Tauch- <strong>und</strong> Stampfbewegungen in glattem<br />

Wasser <strong>und</strong> in Wellen<br />

1960 Reduktionsfaktor <strong>für</strong> die Berücksichtigung der Schiffstechnik 7<br />

räumlichen Strömung bei der Berechnung der<br />

hydrodynamischen Masse<br />

Sept. 1960 A Method for a More Precise Computation of Third Symposium on Naval<br />

Heaving and Pitching Motions Both in Smooth Hydrodynamics,<br />

Water and in Waves Scheveningen<br />

1960 Lagerung der Propellerwelle in einem Jahrb. STG 54<br />

elastischen Stevenrohr<br />

1961 Beitrag zum Problem der Sicherheit des Schiffes Schiff + Hafen Nr. 6<br />

im Seegang<br />

1961 The Influence of the Main Parameters of the Ship HSVA-Bericht 1253<br />

Form on the Heaving and Putching Motions in<br />

Waves<br />

1962 Die Deformation eines regelmäßigen, in Längs- IfS-Bericht 109,<br />

richtung laufenden Seegangs durch ein fahrendes Schiffstechnik 9, Nr. 46<br />

Schiff<br />

1963 Surging Motion and Broaching Tendencies in a Dt. Hydrogr. Zeitschrift,<br />

Severe Irregular Sea Heft 5<br />

März 1965 Hydrdynamische Kräfte bei Quer- <strong>und</strong> Roll- IfS-Schrift 2054<br />

bewegungen<br />

Juli 1965 Das Rollmoment in schräglaufenden Wellen IfS-Bericht 148,<br />

(gemeinsam mit Y. Takaishi) Schiffstechnik 10<br />

Okt. 1965 Gutachterliche Stellungnahme zur Frage der IfS-Schrift 1074<br />

Beeinträchtigung der Schiffahrt durch eine<br />

Doppel-S-Schlag-Ausbiegung einer „geraden“<br />

Kanalstrecke (gemeinsam mit H. Thieme)<br />

Juli 1966 Propeller <strong>und</strong> Leitrad IfS-Bericht 164,<br />

Jahrb. STG 60<br />

1967 Propeller <strong>und</strong> Leitrad – Weitere Ergebnisse Schiffstechnik 70<br />

1967 Der Einfluß der hydrdynamischen Größen beim Schiff + Hafen 12<br />

Rollversuch (gemeinsam mit H. Keil)<br />

1967 Die Bewegungen <strong>und</strong> Belastungen des Schiffes IfS-Bericht 182,<br />

im Seegang Jahrb. STG 61<br />

1968 Berechnung der Torsionsbelastung eines FDS-Bericht 5,<br />

Schiffes im Seegang (gemeinsam mit P. Schenzle) IfS-Bericht 236<br />

1969 The Prediction of Torsional Moment, Horizontal IMAS 69, London<br />

Bending Moment, and Horizontal Shear Forces<br />

on a Ship in Waves (gemeinsam mit P. Schenzle)<br />

6


1969 Der Einfluß der Fahrgeschwindigkeit auf die FDS-Bericht 7,<br />

Torsionsbelastung eines Schiffes im Seegang IfS-Bericht 237<br />

(gemeinsam mit P. Schenzle)<br />

1969 Untersuchung eines Vortriebsorgans Propeller FDS-Bericht 10<br />

<strong>und</strong> Leitrad auf einer Barkasse<br />

(gemeinsam mit J.V. Chirila)<br />

1970 Das Schiff im Seegang Interocean 70, Düsseldorf<br />

1971 Schiffsschraubenanordnung Auslegeschrift 1756 889<br />

1971 Propeller <strong>und</strong> Leitrad – Propulsionsversuche FDS-Bericht 22<br />

mit einem völligen Modell<br />

1971 Propeller <strong>und</strong> Leitrad – Einfluß <strong>und</strong> Flügelzahl HSVA-Bericht 1465<br />

<strong>und</strong> Reynolds-Zahl<br />

1971 Forces on a Two-Dimensional Body Jubiläumsschrift<br />

Excited ba an Oblique Wave W.P.A. van Lammeren,<br />

Wageningen<br />

1975 Resistance Tests of Two Models with the 14. ITTC, Ottawa 1975<br />

same Area Curve<br />

1975 A Second Order Effect on Wave Bending Moment 14. ITTC <strong>Otto</strong>wa 1975<br />

(gemeinsam mit P. Schenzle)<br />

März 1975 Elastische Schwingungen des Schiffes erregt durch IfS-Bericht 325<br />

nichtlineare Kräfte des natürlichen unregelmäßigen<br />

Seegangs<br />

Sept. 1975 Hydrodynamische Masse bei lokalen Schwingun- Wiss. Zeitung der<br />

gen, insbesondere bei Schwingungen im Bereich Universität Rostock,<br />

des Maschinenraums Schiff + Hafen 11<br />

Okt. 1975 Hydrodynamische Trägheits- <strong>und</strong> Dämpfungs- VIII. Kontaktstudium<br />

kräfte. Hydrodynamische schwingungserregende IfS – STG, Hamburg<br />

Kräfte<br />

Juni 1977 „Sea Troll“ – Grenzbedingungen eines Kran- IfS-Bericht 355<br />

schiffs im Seegang<br />

Jan. 1978 Tauch- <strong>und</strong> Stampfbewegung 2: Bewegungen, IfS-Bericht 363<br />

Kräfte <strong>und</strong> Druckverteilungen<br />

Juli 1978 Berechnung der hydrodynamischen Kräfte, die auf IfS-Bericht 372<br />

einen eine Rollbewegung mit großer Amplitude<br />

ausführenden schwimmenden Körper wirken<br />

Juli 1978 Belastungen <strong>und</strong> Beanspruchungen der tragenden Sonderforschungsbereich 98<br />

Schiffskonstruktion Abschlußbericht<br />

1979 Propeller <strong>und</strong> Leitrad als mögliches Antriebsorgan 2. Georg-Weinblum<strong>für</strong><br />

Schiffe Gedächtnisvorleung,<br />

IfS-Bericht 388<br />

1980 Ship Structure Loads and Stresses Ocean Engineering vol. 7,<br />

(gemeinsam mit anderen) Pergamon Press<br />

1980 Forschungsschiff Gauss – Erprobung des Antriebs- BMFT-Statusseminar 1980,<br />

organs Propeller <strong>und</strong> Leitrad Hamburg<br />

1980 Propeller and Vane Wheel Journal of Ship Research 24<br />

7


Prof. <strong>Grim</strong> <strong>und</strong> die Festigkeit der Schiffe<br />

Vortrag zum Festkolloquium anlässlich des 100. Geburtstages <strong>von</strong><br />

Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong><br />

Eike Lehmann<br />

Vorwort<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> gehört mit Recht zu der kleinen elitären Gruppe <strong>von</strong> exzellenten deutschen Schiffstheoretikern,<br />

die nach dem Zweiten Weltkrieg mit wesentlichen Beiträgen zur Schiffshydrodynamik<br />

den Anschluss Deutschlands an die internationale Entwicklung der Schiffstheorie<br />

wieder ermöglicht hat. Es ist aber weitestgehend unbekannt, das <strong>Grim</strong> als junger Ingenieur<br />

sich nicht mit hydrodynamischen, sondern vorzugsweise mit Festigkeitsproblemen, vorzugsweise<br />

mit Festigkeitsfragen des Ubootbaus, beschäftigt hat. So erklärt sich vielleicht, dass<br />

eine Reihe <strong>von</strong> späteren Arbeiten <strong>Grim</strong>s eine auffallende Nähe zu Fragen der Fluid/Struktur-Interaktion<br />

besitzen. Ein Beispiel sind die Modellversuche <strong>Grim</strong>s zum Verhalten <strong>von</strong><br />

Stahldalben <strong>und</strong> sonstigen Hafenbauwerken bei Kollision mit <strong>Schiffen</strong> 1955 in der HSVA. Ich<br />

darf auch an die <strong>Grim</strong>sche Welle, deren Entwicklung eine vertiefte Kenntnis des Vibrationsverhaltens<br />

<strong>von</strong> Strukturen im Wasser voraussetzt, erinnern. Auch die Arbeiten zum Torsionsverhalten<br />

<strong>von</strong> <strong>Schiffen</strong> im Seegang mit Peter Schenzle gehören dazu.<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> als Uboot-Konstrukteur<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> war nach Studium an der TH Wien <strong>und</strong> vergeblicher Suche nach geeigneter Arbeit<br />

in das Amt <strong>für</strong> Kriegsschiffbau der Deutschen Kriegsmarine eingetreten, wo er etwa ab 1942<br />

Referatsleiter KIUe geworden war. Das Referat war <strong>für</strong> die Entwicklung <strong>von</strong> Klein- <strong>und</strong><br />

Kleinst- Ubooten sowie <strong>für</strong> allgemeine wissenschaftliche Fragen zuständig. Unter den wissenschaftlichen<br />

Fragestellungen waren naturgemäß auch vorzugsweise solche die die Festigkeit<br />

der Boote betrafen.<br />

So war die gewünschte Erhöhung der Tauchtiefe des Typ VIIC durch Verwendung höherfester<br />

Stähle <strong>und</strong> bestimmter struktureller Maßnahmen aber auch die Festigkeit der ungewöhnlichen<br />

Rumpfform des Typs XXI mit schwierigen Fragen der Festigkeit verb<strong>und</strong>en, die <strong>Grim</strong><br />

mit Hilfe der Schalentheorie bearbeitet hat 1 .<br />

Achtförmiger Druckkörpersektion des Ubootes vom Typ XXI<br />

1 Über die Einzelheiten des Baues <strong>von</strong> Ubooten während des Zweiten Weltkrieges, insbesondere der<br />

Sektionsbauweise haben Kurt Arendt <strong>und</strong> Heinrich Oelfken unter dem Titel Die Baumethoden der<br />

deutschen U-Boote 1935-1945 in 100 Jahre Verbandsgeschichte des Verbandes der Deutschen<br />

Schiffbauindustrie 1984 berichtet.<br />

8


<strong>Grim</strong> war an Bord der berühmten Testfahrt vor Hela mit dem Walter Uboot V 80, welches<br />

dem Großadmiral Reader 1941 vorgeführt worden war <strong>und</strong> 26 kn unter Wasser erreichte 2 .<br />

<strong>Grim</strong> hat noch 1993 da<strong>von</strong> berichtet <strong>und</strong> dass er fasziniert <strong>von</strong> der Idee (des Unterwasserschnellbootes<br />

<strong>von</strong> Walter) war <strong>und</strong> es immer bedauert hätte, das es nicht schneller realisiert<br />

werden konnte, schrieb <strong>Grim</strong> Eberhard Rössler in einem Brief vom 11.9.1993 3 .<br />

Walter Uboot vom Typ V80 auf der Testfahrt vor Hela 1941<br />

Wie sorgfältig <strong>Grim</strong> bei allen seinen Berechnungen vorgegangen ist zeigt eine weitere Äußerung<br />

aus obigem Brief, in dem er berichtet, dass man die mittragende Breite der Haut, durch<br />

die das Trägheitsmoment des Spantprofiles verstärkt wird, erst ab 1942 zu 1, 55 ⋅ s ⋅ R eingesetzt<br />

hat. Vorher wurde 5 ⋅ s eingesetzt. <strong>Grim</strong> schreibt weiter: Dieser Änderung lagen eine<br />

(offenbar eigene) wissenschaftliche Arbeit <strong>und</strong> Druckversuche bei den Deutschen Werken in<br />

Kiel mit Modellen <strong>von</strong> 2 m Durchmesser <strong>und</strong> 2,5 m Länge zugr<strong>und</strong>e.<br />

Die Formel <strong>Grim</strong>s erschien mir nicht sehr zuverlässig, denn der Grenzwert der mittragenden<br />

Breite be zum Spantabstand b zu einem ungekrümmten Gurt wird 1, <strong>und</strong> nicht wie bei <strong>Grim</strong>s<br />

Formel unendlich. Da ich in meinem Kolleg auch Ausdrücke <strong>für</strong> gekrümmte Gurte abgeleitet<br />

habe, erlaube ich mir einen Vergleich.<br />

Es stellt sich heraus, dass in dem <strong>für</strong> U Boote geltendem Bereich beide Formeln nahezu identische<br />

Ergebnisse liefern. Mit<br />

erhält man<br />

be/b<br />

be b<br />

α b =<br />

2<br />

b<br />

s ⋅ R<br />

3<br />

2 coshα<br />

b − cosα<br />

b<br />

=<br />

α b sinhα<br />

b + sin α b<br />

2 <strong>Grim</strong> hat zumindest auch einmal an einer Kriegsfahrt 1942 eines U-Tankers, U 459 vom Typ XIV,<br />

Kommandant Korv. Kpt <strong>von</strong> Wilamowitz-Möllendorf, südlich <strong>von</strong> Neuf<strong>und</strong>land teilgenommen. Siehe<br />

Geschichte der U-Boote <strong>von</strong> E. Rößler.<br />

3 Brief vom 11.9.1993 an E. Rößler<br />

9


1<br />

0,9<br />

0,8<br />

0,7<br />

0,6<br />

0,5<br />

0,4<br />

0,3<br />

0,2<br />

0,1<br />

0<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

2<br />

b<br />

s ⋅ R<br />

Von einer weiteren Aktion hat <strong>Grim</strong> mir selbst erzählt. <strong>Grim</strong>s Berechnungen der ungewöhnlichen<br />

achtförmigen Rumpfform des Typs XXI traute man nicht, zumal es <strong>für</strong> die Berechnung<br />

solcher Rumpfformen, insbesondere der unteren Rumpfschale, keine gesicherten Berechnungsgr<strong>und</strong>lagen<br />

gab, <strong>und</strong> so führte man Tauchversuche vor der norwegischen Küste noch<br />

kurz vor Kriegsende durch4 , denn es waren Zweifel aufgekommen, ob die Boote die erforderliche<br />

Konstruktionstauchtiefe erreichen können. Als Konstruktionstauchtiefe waren 135 m<br />

vorgesehen; damit ergab sich eine Zerstörungstauchtiefe bei einer Sicherheit <strong>von</strong> 2,5 <strong>von</strong> 330<br />

m <strong>und</strong> eine Prüftauchtiefe mit einer Sicherheit <strong>von</strong> 1,5 <strong>von</strong> 200 m5 .<br />

Den letzten solcher Versuche hat <strong>Grim</strong> als Versuchsleiter am 8. Mai 1945 vor Christiansand<br />

mit U 2529 vom Typ XXI, Kommandant Olt. z. See Fritz Kallipke, durchgeführt. Nach mehreren<br />

Tauchversuchen, bei denen zunächst 210 m erreicht wurden, hat <strong>Grim</strong> bei einem erneuten<br />

Tauchversuch 220 m erreicht, dann war der Krieg vorbei.<br />

In dem erwähnten Brief an Eberhard Rössler erinnert sich <strong>Grim</strong>: Es macht mich betroffen, zu<br />

lesen <strong>und</strong> erinnert zu werden, was sich 1945 abgespielt hat. Erstens, weil die Druckfestigkeit<br />

nicht ausreichend war 6 , <strong>und</strong> zweitens, weil ich vermutlich nicht vollständig informiert war, als<br />

ich den Tieftauchversuch am 8.5.1945 mitmachte. Hierzu:<br />

1. Für die Berechnung war eine Streckgrenze <strong>von</strong> 3500 kg/cm 2 sowie eine Zerstörungstauchtiefe<br />

<strong>von</strong> 135x2,5=337,5 m vorgegeben. In Ihrem Buch steht 330 m. Ich bin sicher, dass<br />

ich mich hier nicht irre <strong>und</strong> auch nichts vergessen habe.<br />

2. Für die Berechnung der Zweikreisform lagen keine Unterlagen vor. Haut <strong>und</strong> insbesondere<br />

die Spanten konnten nicht wie <strong>für</strong> einen zylindrischen Druckkörper bestimmt werden;<br />

sie wurden zusätzlich auf Biegung berechnet. Zusätzlich waren da noch die Stütze zwischen<br />

den beiden Kreisschalen, die eine Druckkraft <strong>von</strong> rd. 9 000 kg/cm standhalten musste. Natürlich<br />

wäre rechtzeitig ein Druckversuch notwendig gewesen. Der Versuch im Februar kam zu<br />

spät. Die erreichten 30 kg/cm 2 (entsprechend 300 m Zerstörungstauchtiefe) waren um 9,4 %<br />

zu wenig. Was der KIU ( Min. Rat. Christof Aschmoneit) bei den folgenden Besprechungen<br />

Dönitz <strong>und</strong> dem K-Chef (Adm. Friedrich Ruge) erklärte, ist mir damals nicht bekannte geworden.<br />

4 Das <strong>für</strong> solche Versuche <strong>von</strong> der Kriegsmarine betriebene Druckdock war <strong>für</strong> die XXI U-Boote zu<br />

klein.<br />

5 Rößler, E.: Geschichte des deutschen U-Bootbaus, Bd.2, S. 432. Bernhard & Graefe Verlag, 1996.<br />

6 Der Druckversuch mit einem Modell einer Sektion bei der Germaniawerft in Kiel im Feb. 1945 hatte<br />

gezeigt, das bei einem Druck <strong>von</strong> 30 kg/cm2 , entsprechend 300 m Tauchtiefe, im Bereich der Schotte<br />

im unteren Schalenbereich Einbeulungen entstanden, die bei 31,5 kg/cm2 zu Rissen führten, was eine<br />

Reduktion des Konstruktionstauchtiefe <strong>von</strong> 135 auf 120 bedeutet.<br />

10<br />

1)<br />

2)


3. Über die Tieftauchversuche <strong>von</strong> Herrn Diestelmeier 7 <strong>und</strong> über seine Ergebnisse war<br />

ich in etwa unterrichtet, ebenso über die sehr schweren Vorwürfe, die KIU gemacht wurden.<br />

4. Als Herr Aschmoneit <strong>von</strong> seinem Tieftauchversuch zurückkehrte, war ich schon unterwegs<br />

nach Kristiansand 8 . Ich wußte daher am 8. 5. nicht, dass Herr Aschmoneit 220 m erreichte<br />

<strong>und</strong> daß Oberdecksbehälter implodierten. Die Oberdecksbehälter wurden nicht <strong>von</strong><br />

mir <strong>und</strong> wahrscheinlich auch <strong>von</strong> keinem anderen in KIU dimensioniert.<br />

Die Schwierigkeiten beim Bau des Typs XXI, die geforderte Druckfestigkeit zu erreichen, ist<br />

aus heutiger Sicht nicht durch fehlerhafte Berechnung, sondern durch die Wirren am Ende des<br />

Krieges zu erklären. Änderungen während des Baus, wegen Zeitmangel unterlassene Festigkeitsteste<br />

sowie sehr begrenzte Möglichkeiten der numerischen Berechnung <strong>und</strong> mangelhafte<br />

Informationen sowie die ständige Bedrohung durch Bomben sind die Ursachen gewesen.<br />

Dennoch ist es fast unglaublich, dass es unter diesen Bedingungen innerhalb <strong>von</strong> wenigen<br />

Monaten gelungen ist, ein neues <strong>und</strong> zukunftweisendes Boot in größeren Serien zu bauen.<br />

<strong>Grim</strong>s Referat war zuständig <strong>für</strong> Klein- <strong>und</strong> Kleinst-Uboote, die bis 1943 wenig Beachtung in<br />

der Kriegsmarine gef<strong>und</strong>en hatten, obwohl z. B. Heinrich Dräger in Lübeck bereits 1942 genaue<br />

Vorstellungen zum serienmäßigen Bau solcher Boote entwickelt hatte. Am 23. Sept.<br />

1943 war es den zwei britischen Klein- Ubooten X6 <strong>und</strong> X7 in Norwegen gelungen, am Boden<br />

des Schlachtschiffes Tirpitz Sprengladungen anzubringen, die das Schiff schwer beschädigten.<br />

Bei einem Angriff auf Bergen war dann wenig später der Kriegsmarine ein britisches<br />

Klein-U-Boot vom Typ WELMANcraft in die Hände gefallen.<br />

Beide Ereignisse bewogen nun das K- Amt, beschleunigt ebenfalls Klein-Uboote zu entwickeln,<br />

<strong>und</strong> zwar unter der Leitung <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> zunächst den Typ XXVII (Hecht) <strong>und</strong> 1944 mit<br />

der Bezeichnung Seeh<strong>und</strong> 9 den Typ XXVII B 5, <strong>von</strong> denen immerhin dann 285 Boote gebaut<br />

worden sind.<br />

Kleinst-Uboot XXVII B 5 später 127 Seeh<strong>und</strong><br />

Die Boote waren klassische Tauchboote mit einer Besatzung <strong>von</strong> 2 Mann <strong>und</strong> hatten eine<br />

Konstruktionstauchtiefe <strong>von</strong> 30 m. Mit dem Seeh<strong>und</strong> wurde ein Druckversuch im Druckdock<br />

7 Der MOBR Diestelmeyer hatte im März 1945 die ersten Tauchversuche durchgeführt <strong>und</strong> nach verschiedenen<br />

Verstärkungen Anfang April einen zweiten Versuch durchgeführt, der bei 170 m abgebrochen<br />

werden musste. Daraufhin hat Aschmoneit selbst, offensichtlich nach erheblichen Vorwürfen<br />

<strong>von</strong> Dönitz <strong>und</strong> Ruge, am 14. April Tauchversuche mit einem weiter verstärken Boot durchgeführt, bei<br />

dem er bis auf 220m tauchte. <strong>Grim</strong> hatte dann den Auftrag <strong>von</strong> Aschmoneit, den Dönitz offensichtlich<br />

gefordert hatte, mit jedem Boot, welches in den Fronteinsatz gehen sollte, Tieftauchversuche durchzuführen.<br />

Hierzu Einzelheiten in Wenzel, E.: U 2540 , S. 105, 143,199, Karl Müller Verlag, Erlangen<br />

1996.<br />

8 <strong>Grim</strong> war mit einem U-Boot <strong>von</strong> Kiel nach Kristiansand gelangt.<br />

9 Mattes, K.: Die Seeh<strong>und</strong>e, Klein-U-Boote, Verlag E. S. Mittler & Sohn, Hamburg, 1995.<br />

11


durchgeführt. Der Versuch zeigte, dass das Versagen des Druckkörpers im mittleren Bereich<br />

mit dem Turm seinen Ausgang genommen hat. Bei welchem Druck, ist mir nicht bekannt. Er<br />

müsste bei etwa 8 bar gelegen haben.<br />

Druckversuch mit einem Seeh<strong>und</strong> im Druckdock<br />

12


Kleinst-Uboot XXVII B 5 später 127 Seeh<strong>und</strong><br />

Wie weit <strong>Grim</strong> bei der Entwicklung der zahlreichen anderen Kleinst-Uboote beteiligt gewesen<br />

ist, konnte nicht festgestellt werden.<br />

<strong>Grim</strong> kam nach dem Ende des Krieges zunächst in britische Gefangenschaft <strong>und</strong> ist <strong>von</strong> den<br />

Engländern als „belasteter“ Kriegsgefangener dem französischen Heer übergeben worden <strong>und</strong><br />

zu Zwangsarbeit in Kohlengruben gezwungen worden. Eberhard Rößler schrieb mir, dass der<br />

Marinebaudirektor Heinrich Oelfken, <strong>von</strong> dem die Idee stammte, kurzfristig aus dem Walter<br />

Uboot Typ XVIII ein Elektroboot zu entwickeln, seit 1946 <strong>für</strong> die französische Marine in<br />

Kressbronn gearbeitet hat <strong>und</strong> den schwer erkrankten <strong>Grim</strong> aus der Gefangenschaft nach<br />

Kressbronn geholt hat. Dort hat <strong>Grim</strong> umfangreiche theoretische Berechnungen <strong>für</strong> Druckkörper<br />

mit unterschiedlichen Aussteifungen durchgeführt.<br />

Das Beispiel der Berechnung der Beullast der Kreisplatte möge zeigen, wie ernsthaft <strong>Grim</strong><br />

sich theoretisch beschäftigt hat. Für die genaue Berechnung des elastischen Beulversagens der<br />

ebenen, frei aufgelegten oder auch eingespannten Kreisplatte, <strong>und</strong> zwar nicht nur unter radialer,<br />

sondern auch tangentialer Belastung, hat <strong>Grim</strong> 1948 eine geschlossene Lösung erarbeitet<br />

<strong>und</strong> in dem Buch Drang <strong>und</strong> Zwang Bd. II <strong>von</strong> Prof. Ludwig Föppl - berühmter Ordinarius <strong>für</strong><br />

Mechanik an der TU München - eine Formel entdeckt, die zu anderen Ergebnissen führt.<br />

<strong>Grim</strong> hat dann Föppl auf diesen Unterschied hingewiesen, nicht ohne eine umfangreiche theoretische<br />

Ableitung seiner Formel zu geben. Föppl hat <strong>Grim</strong> dann umgehend geantwortet <strong>und</strong><br />

seinen Fehler unumw<strong>und</strong>en auch eingeräumt, nicht ohne zu erwähnen, dass eine geschlossene<br />

analytische Lösung bereits <strong>von</strong> Bryan 189110 publiziert worden ist <strong>und</strong> auch <strong>von</strong> Nádai 191511 <strong>und</strong> <strong>von</strong> Timoshenko 1940. Es war nun reizvoll, die Ergebnisse <strong>von</strong> Föppl <strong>und</strong> <strong>Grim</strong> <strong>und</strong> die<br />

analytische Lösung mit modernen Mitteln der Numerik, sprich FE- Methode, zu überprüfen.<br />

Man kann die teilweise sehr anspruchsvollen Berechnungen, die auf die Lösung einer Besselschen<br />

Differenzialgleichung hinausläuft, in einfacher Weise vergleichen, da die kritische<br />

Beulspannung pki außer vom E-Modul <strong>und</strong> der Querkontraktionszahl ν letztlich nur vom<br />

Quadrat des Verhältnisses der Plattendicke zum Radius der Platte abhängig ist. Die kritische<br />

Beulspannung ist dann <strong>für</strong> ν = 0,<br />

3<br />

⎛ t ⎞<br />

pki = C ⋅ E ⋅ ⎜ ⎟<br />

⎝ R ⎠<br />

Die unterschiedlichen Lösungen zeigen sich nur in den Konstanten C<br />

10 Bryan: Proc. Math. Soc. Vol. 22, S. 45, London 1891<br />

11 Nádai, A.: Das Ausbeulen <strong>von</strong> kreisförmigen Platten, Zeitschrift des VDI, 1915, S. 169<br />

13<br />

2


C<br />

frei gelagert fest eingespannt<br />

Föppl 0,222 0,778<br />

<strong>Grim</strong> 0,316 1,42<br />

analytisch 0,389 1,34<br />

FE 0,389 1,35<br />

Als gr<strong>und</strong>sätzlicher Mangel haftet allen diesen Lösungen natürlich an, dass ein lineares Werkstoffverhalten<br />

vorausgesetzt wird, denn mit der kritischen elastischen Beulspannung kann die<br />

Tragfähigkeit der Platte schon lange überschritten sein, beziehungsweise in einer realen Konstruktion<br />

durch Lastumlagerungen bzw. bestimmte Konstruktive Randbedingungen der Unverschieblichkeit<br />

noch lange nicht erreicht sein. Analytische Berechnungen, die ein nichtlineares<br />

Werkstoffverhalten berücksichtigen, sind wegen unüberwindbarer mathematischer<br />

Schwierigkeiten damals <strong>und</strong> auch heute unmöglich. Hier helfen heute aber die Numerik <strong>und</strong><br />

das in atemberaubender Vollkommenheit.<br />

Erstaunlich ist eigentlich, dass <strong>Grim</strong> die Lösungen <strong>von</strong> Bryan, Nádai <strong>und</strong> Timoshenko offensichtlich<br />

nicht gekannt hat. Ein Gr<strong>und</strong> könnte gewesen sein, dass man im K- Amt nur geringes<br />

Interesse an theoretischen Arbeiten der Festigkeit besaß <strong>und</strong> demgemäß nicht über entsprechende<br />

Literatur verfügte. Nach dem Krieg könnte der Gr<strong>und</strong> die schlechte Zugangsmöglichkeit<br />

zu einschlägigen Lehrbüchern gewesen sein.<br />

Dennoch hat <strong>Grim</strong> sehr interessante Arbeiten z. B. über den Einfluss der Formänderung der<br />

Spanten auf den Einbeuldruck der Haut nach <strong>von</strong> Mises 1947 in Kressbronn angefertigt. Veranlassung<br />

war die Suche nach dem Gr<strong>und</strong>, warum die Versuche der Kriegsmarine kleinere<br />

Beuldrücke, als nach <strong>von</strong> Mises zu erwarten gewesen sind, ergeben hatten. So untersucht<br />

<strong>Grim</strong> das Stabilitätsverhalten der Spanten <strong>und</strong> weist darauf hin, dass außer dem bekannten<br />

Kreisringbeulen auch ein Kippen der Spanten entstehen kann, insbesondere wenn das Spantprofil<br />

ein sehr kleines Flächenträgheitsmoment in Bezug auf die radial gerichtete Schwerachse<br />

besitzt, was bei den Wulstprofilen der Spanten der Weltkriegs-Uboote gegeben war.<br />

Auch den meist nie untersuchten Fall des Dockens <strong>von</strong> Ubooten, bei dem unzulässige lokale<br />

Verformungen des Druckkörpers auf jeden Fall verhindert werden müssen, war Gegenstand<br />

einer Untersuchung <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> 1949.<br />

Eine umfangreiche Arbeit hat <strong>Grim</strong> ebenfalls 1949 in Kressbronn zu der Frage einer Längsversteifung<br />

des Druckkörpers durch Längsträger (Ballastkiel), Decks oder Aufbauten angefertigt.<br />

Er belegt mit umfangreichen Berechnungen die schädliche Wirkung auf das Beulen eines<br />

Druckkörpers, der durch Längsträger oder ebene Decks <strong>und</strong> Aufbauten, beabsichtigt oder<br />

auch unbeabsichtigt, versteift ist. Hier werden die Erfahrungen beim UBoot Typ XXI Pate gestanden<br />

haben.<br />

Insgesamt hat <strong>Grim</strong> mit Berechnungsmodellen auf der Basis der klassischen Elastizitätstheorie<br />

gekrümmter Strukturen wichtige Erkenntnisse zu sehr praktischen Problem, vorzugsweise<br />

des Ubootbaus, behandelt. Bew<strong>und</strong>ern kann man nur <strong>Grim</strong>s Fähigkeit, <strong>für</strong> geometrisch<br />

schwierige Festigkeitsprobleme entsprechende Gleichgewichtsdifferenzialgleichungssysteme<br />

aufzustellen, mit praktischem Sachverstand die relevanten Randbedingungen zu formulieren<br />

<strong>und</strong> das Ganze dann mathematisch glänzend zu lösen <strong>und</strong> - ganz wichtig - aus den Lösungen<br />

die prinzipiellen, ingenieurmäßigen Konsequenzen zu ziehen.<br />

In den Jahren der Vorbereitung der Wiederbewaffnung zwischen 1950 <strong>und</strong> 1955 war das Amt<br />

Blank <strong>für</strong> den ministeriellen Aufbau eines Verteidigungsministeriums tätig. Da dieses Interes-<br />

14


se an U-Booten zum schnellen Aufbau einer akustischen Überwachung der westlichen Ostsee<br />

zeigte, schlugen die Atlas-Werke dem Amt Blank vor, ein kleines Jäger- <strong>und</strong> Aufklärungs-<br />

Uboot zu entwickeln, was in den Jahren 1955/56 dann auch geschah. Unter der Leitung des<br />

Torpedofachmannes Dipl.-Ing. Werner Thomsen12 <strong>und</strong> der Mitarbeit des erfahrenen Ortungsspezialisten<br />

Dr. Howey <strong>und</strong> Sonarspezialist Dr. Maaß, sowie den schiff- <strong>und</strong> schiffsmaschenbaulichen<br />

Mitarbeitern des ehemaligen K-Amts des OKM Dipl.-Ing. Heinrich Waas <strong>und</strong> Dr.-<br />

Ing. <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> <strong>und</strong> den erfahrenen U-Bootkommandanten wie Freg. Kpt. a. D. Reinhard Suh-<br />

ren <strong>und</strong> Kptl. a. D. Helmut Manseck wurde ein ↑ 50 t 58<br />

↓ t Boot <strong>für</strong> eine max. Tauchtiefe<br />

<strong>von</strong> 100 m <strong>und</strong> entworfen. Das 14,3 m lange <strong>und</strong> 2,35 m breite Boot sollte mit 2 Torpedos<br />

<strong>und</strong> einer dieselelektrische Antriebsanlage <strong>von</strong> 85 PS eine Geschwindigkeit <strong>von</strong> ↓ 10,5 kn erreichen.<br />

Die Besatzung sollte sechs Mann betragen.<br />

Die eigentliche baureife Durcharbeitung war dann <strong>für</strong> das Ingenieurkontor Lübeck <strong>von</strong> Ulrich<br />

Gabler der erste Auftrag 1957 <strong>und</strong> wurde unter der internen Bezeichnung IK 6 in Lübeck bearbeitet.<br />

Studie <strong>von</strong> <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> <strong>für</strong> ein Jäger- U Boot <strong>für</strong> die B<strong>und</strong>esmarine 1956<br />

Dieses Boot sollte wesentlich kleiner als der Typ XXIII (kleines Walter UBoot), aber deutlich<br />

größer als der Typ XXVII B 5 (127, Seeh<strong>und</strong>) werden.<br />

So wie beim Seeh<strong>und</strong> sollte es aus dem Wasser gehoben werden, um das Boot mit Torpedos<br />

zu beladen. Durch die Anordnung außerhalb des Druckkörpers, dessen Berechnung wegen der<br />

nicht kreisförmigen Gestaltung ein besonderer Leckerbissen ist, war eine optimale Anordnung<br />

der Horchanlagen im Bug möglich. Die Gestaltung des Hinterschiffes sollte nach dem Gesichtspunkt<br />

möglichster Geräuschlosigkeit erfolgen. Der Antrieb des Propellers sollte über ein<br />

Keilriemengetriebe erfolgen, damit ein großer (1,4m Durchmesser), möglichst langsam drehender<br />

Verstellpropeller (200 Upm) verwendet werden kann. Das Sehrohr <strong>und</strong> der Schnorchel<br />

sind fest installiert, was eine strömungsgünstige Ausführung ermöglicht. Ein besonderer Turm<br />

ist nicht vorgesehen, da keine ↑ Fahrt vorgesehen ist. Auch ein vorderes Tiefenruder ist nicht<br />

vorgesehen, da das Fahrprofil ein solches entbehrlich macht. Interessant ist, dass man an den<br />

Einsatz einer <strong>Grim</strong>schen Welle dachte, um Geräusche erzeugende Vibrationen damit zu vermeiden.<br />

Damit das Nachstromfeld möglichst gleichmäßig wird, ist keine Ruderhacke vorgesehen,<br />

sondern ein an einem Arm befestigtes Ruder.<br />

12 Rössler, E.: Die Torpedos der deutschen U-Boote, Koehler Verlagsgeselschaft, Herfort, 1984<br />

15


Das IKL hat dann detaillierte Pläne angefertigt. Durch die Veränderung der politischen Verhältnisse<br />

des Eintritts der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland in die Nato veränderte sich die Situation,<br />

so dass die junge B<strong>und</strong>esmarine kein Interesse mehr an einer solchen Waffe hatte.<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong>s Behandlung <strong>von</strong> Festigkeitsfragen des zivilen Schiffbaus<br />

Anfang der 50er Jahre kam <strong>Grim</strong> nach Hamburg zur HSVA, wo er sich mit verschiedenen<br />

Problemen des zivilen Schiffbaus beschäftigte. Bekannt wurde <strong>Grim</strong> damals mit der sog.<br />

<strong>Grim</strong>schen Welle. Heinrich Waas, den <strong>Grim</strong> gut aus der Zeit im K-Amt kannte <strong>und</strong> der im<br />

B<strong>und</strong>esverkehrsministerium zuständig <strong>für</strong> die Vielzahl <strong>von</strong> Behördenfahrzeugen war, ermöglichte<br />

eine Reihe <strong>von</strong> technischen Neuerungen in diesen Behördenfahrzeugen zu erproben, die<br />

später dann in größerem Umfang auch in den allgemein Schiffbau Eingang gef<strong>und</strong>en haben.<br />

So ließ er das kleine Messschiff Kugelbake auf der Teltow-Werft in Berlin bauen <strong>und</strong> zur<br />

Dämpfung <strong>von</strong> propellererregtem Drücken mit einer elastisch gelagerten Welle nach der Idee<br />

<strong>von</strong> <strong>Grim</strong> bauen. Waas, der selbst sich intensiv mit Vibrationen an Bord <strong>von</strong> <strong>Schiffen</strong> beschäftigt<br />

hat, erkannte die weitreichende Idee <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> <strong>und</strong> propagierte diese schon 1952 13 .<br />

Die Funktionsweise der <strong>Grim</strong>schen Welle hat dieser dann selbst erst 1960 publiziert 14 .<br />

Elastische Propellerlagerung nach der Idee <strong>von</strong> <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> 1952<br />

Waas hat sich des Sachverstandes <strong>Grim</strong>s auf dem Gebiet der Festigkeit noch bei einem anderen<br />

Neubau der Wasserstraßenverwaltung bedient 15 . Diese wünschte einen Prahm <strong>für</strong> Massengut,<br />

den man leicht mit einem Greifer entladen könne. Man erinnerte sich der Erfindung <strong>von</strong><br />

Eberhard Westphal 1617 , dessen Lastrohrfloß ganz ohne Spanten auskam. Auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

dieses Westpfahlrohres wurde ein 32 m langer <strong>und</strong> 4,50 breiter Prahm zum Transport <strong>von</strong> 200<br />

13 Waas, H.: Technischer Fortschritt bei den Schiffsneubauten der Wasser- <strong>und</strong> Schiffahrtsverwaltung,<br />

J. STG. Bd. 46, Springer-Verlag, Berlin 1952.<br />

14 <strong>Grim</strong>, O.: Die Lagerung der Propellerwellen in einem elastischen Rohr, J. STG. Bd. 54, Springer-<br />

Verlag, Berlin 1960.<br />

15 Heinrich Waas schreibt dazu im J. STG, 46. Bd. 1952 sinngemäß: In der Zeit nach diesem Krieg, als<br />

es bei uns keinen nennenswerten Schiffbau gab, konnten wir, weil es keine Verbote <strong>für</strong> die Fahrzeuge<br />

der Wasserschiffahrtsverwaltung gab, bei unseren zahlreichen Fahrzeugen neuartige Ideen verwirklichen,<br />

um so den technischen Fortschritt <strong>und</strong> somit technische Fachkräfte zu fördern.<br />

16 Westphal, E.: Das Westphal - Floss, Ferd. Dümmlers Verlag, Bonn,1947.<br />

17 Wessel. H.A.: Das Lastrohrfloss - Die Wurzel der Schub- <strong>und</strong> Containerschiffahrt, Deutsches Schif-<br />

fahrtsarchiv, Bd. 12, Kabel, 1989<br />

16


t Massengütern entwickelt. Hier<strong>für</strong> hat <strong>Grim</strong> dann mit der Schalentheorie die Festigkeitsrechnung<br />

durchgeführt, die durch die Eleganz der Berechnung auch heute noch besticht.<br />

Schalenförmiger Prahm der Wasserschifffahrtsverwaltung des B<strong>und</strong>es,<br />

gebaut bei der Hilger A.G. Rheinbroel<br />

Die Schalenkonstruktion war gewählt worden, damit ein bequemes Entladen mit dem Greifer<br />

ohne Trimmarbeit ermöglicht wird <strong>und</strong> der 39 t schwere Prahm mit einem Kran bewegt werden<br />

kann.<br />

Ohne in die Einzelheiten der <strong>Grim</strong>schen Berechnung einzusteigen, möchte ich aber doch seine<br />

Vorgehensweise skizzieren. Zunächst berechnet <strong>Grim</strong> ganz konventionell durch Integration<br />

der Belastung die Querkraft <strong>und</strong> die Biegemomente. Mit Hilfe der Widerstandsmomente unten<br />

<strong>und</strong> am Dennebaum erhält er die klassischen Längsfestigkeitsspannungen, wenn man den<br />

Schiffskörper als Bernoullibalken ansieht.<br />

Konventionelle Berechnung der Querkräfte <strong>und</strong> Biegemomente als Bernoulli-Balken<br />

Üblich ist nun eine Querfestigkeitsrechnung, die üblicherweise entkoppelt <strong>von</strong> der Längsfestigkeitsrechnung<br />

zweidimensional ausgeführt wird.<br />

17


Belastung des Schalenschiffes durch Schüttgut <strong>und</strong> den Wasserdruck<br />

In dem vorliegenden Fall wird man aber der Natur des Schalenschiffes nur gerecht, wenn man<br />

ein räumliches Schalenmodell zugr<strong>und</strong>e legt. Damit gilt es, sowohl tangentiale als auch<br />

Längsspannungen, <strong>und</strong> bei der Art der nicht mehr rotationssymmetrischen Geometrie <strong>und</strong> Belastung<br />

durch Schüttgut <strong>und</strong> Wasserdruck, auch Schubspannungen zu berechnen. Hier orientiert<br />

sich <strong>Grim</strong> an der Vorgehensweise <strong>von</strong> Vater <strong>und</strong> Sohn Föppl in ihrem Lehrbuch Drang<br />

<strong>und</strong> Zwang Bd. II. Dort wird ein beidseitig eingespanntes Rohr mit einer Teilfüllung Wasser<br />

mit Hilfe der Membrantheorie der rotationssymmetrischen Schale behandelt.<br />

Der Ladungsdruck <strong>und</strong> Wasserdruck erzeugt eine tangentiale Umfangsspannung, die sich<br />

leicht berechnen lässt.<br />

p ⋅ R<br />

σ =<br />

T<br />

s<br />

Dieser Zusammenhang zwischen Druck auf die Schale <strong>und</strong> Tangentialspannung gilt auch in<br />

guter Nährung <strong>für</strong> das hier vorliegende Problem. Mit den beiden Gleichgewichts-Differenzialgleichungen<br />

eines differenziellen Schalenelements<br />

∂ σ T +<br />

∂ t<br />

∂ τ<br />

=<br />

∂ z<br />

∂ σ z 0 <strong>und</strong> +<br />

∂ z<br />

∂ τ<br />

=<br />

∂ t<br />

0<br />

erhält man sofort<br />

∂ σ T τ = − z ⋅ +<br />

∂ t<br />

z ∂ ( p ⋅ R)<br />

f ( z)<br />

= −<br />

+<br />

s ∂ t<br />

f ( z)<br />

bzw. σ z =<br />

2 2<br />

z ∂ ( p ⋅ R)<br />

+ z ⋅<br />

2<br />

s ∂ t<br />

f ( z)<br />

+ f ( t)<br />

Die Konstante f(z) setzt <strong>Grim</strong> mit der Bedingung z=0 auf Mitte Laderaum zu Null. Die zweite<br />

Konstante f(t) wird so bestimmt, dass die aus der Längsfestigkeit ermittelten Momente mit<br />

einbezogen werden. Für die Schubspannung erhält <strong>Grim</strong> im Bereich der Unstetigkeiten des<br />

Drucks p <strong>und</strong> der Hautdicke s natürlich keine brauchbaren Ergebnisse, da die Tangentialspannung<br />

σ T unstetig wird. Um die Tangentialspannungen dennoch zu bestimmen, nimmt er in<br />

diesen Bereichen stetige Verläufe der Schubspannungen an, ohne diese in diesen Bereichen zu<br />

quantifizieren. Dennoch kann das Ergebnis sich sehen lassen, auch wenn die Spitzenwerte auf<br />

Mitte Schiff <strong>und</strong> an der unstetigen Stelle der Außenhaut, wo die Hautdicke bzw. der Druck<br />

sich ändert, nicht zuverlässig sind.<br />

18


Ergebnisse der Berechnung als Membranschale<br />

Dieses unbefriedigende Ergebnis an den Störstellen lässt <strong>Grim</strong> nun nicht ruhen. Aus einer,<br />

wie er schreibt, ausführlichen Arbeit, die nicht veröffentlicht ist, zitiert er die Ergebnisse <strong>für</strong><br />

rotationssymmetrische Schalen unter Berücksichtigung der Biegung der Haut. Da es sich nur<br />

um lokale Effekte handelt, verwendet <strong>Grim</strong> die Ergebnisse, um das vorliegende Problem zu<br />

lösen, wobei er die Geometriewerte am Kiel des Schalenschiffes <strong>und</strong> an der unstetigen Stelle<br />

der Außenhaut, wo die Hautdicke bzw. der Druck sich ändert, als rotationssymmetrische<br />

Schale annimmt.<br />

Durch die Biegetheorie der Schale korrigierte Normalspannungsverteilung<br />

Wir haben uns den Spaß gemacht <strong>und</strong> einmal diesen Prahm mit Hilfe der FE - Methode berechnet<br />

18 . Natürlich kann man bequem die Randbedingungen am Schott durch Einmodellierung<br />

in das FE-Modell berücksichtigen. Auch kann man ohne Schwierigkeiten die exakte<br />

18 Gäbler,H: Berechnung eines Schalenschiffes, Studienarbeit TUHH, 2012.<br />

19


Schalengeometrie, einschließlich der unterschiedlichen Plattenstärken der Außenhaut, berücksichtigen.<br />

Die ermittelten Spannungen lassen sich bequem als reine Normalspannungen einschließlich<br />

oder auch ohne Biegeanteil ermitteln. Die Ergebnisse bestätigen im Prinzip die Ergebnisse<br />

<strong>von</strong> <strong>Grim</strong> qualitativ recht gut. Quantitativ erhielten wir durch die genauere Modellierung<br />

etwas abweichende Ergebnisse, die die prinzipiellen Aussagen <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> aber durchaus<br />

bestätigen, so dass die höchsten Spannungen Unterkante Kielpunkt mit folgenden Ergebnissen<br />

entstehen.<br />

Spannungen auf der Innenseite der Schale<br />

Spannungen auf der Außenseite der Schale<br />

Z=0 <strong>Grim</strong> FE-Rechnung Längsfestigkeit<br />

20


Normalspannungen N/mm 2 +65 +80 +20<br />

Biegespannungen N/mm 2 ± 35 ± 40 -<br />

Max. Summe N/mm 2 +100 +120 +20<br />

Spannungen am Kielpunkt der Schale<br />

Es ist sofort festzustellen, dass die moderne Numerik die Ermittlung der Spannungen nicht<br />

nur wesentlich genauer ermöglicht, sondern dass es heutzutage wesentlich weniger Kenntnisse<br />

der Elastizitätstheorie bedarf. Mit den klassischen Methoden war man gezwungen, sehr genaue<br />

Überlegungen anzustellen, um mit Hilfe der Mathematik auch mit sehr idealisierten Modellen<br />

ein tiefes Verständnis <strong>für</strong> die Dinge zu erlangen. Dagegen hat man heute mit den Finiten<br />

Elementen ein Handwerkzeug zur Verfügung, welches zwar ermöglicht, leicht - um nicht<br />

zu sagen leichtsinnige - Ergebnisse zu erzeugen, der Mangel an mechanischer Durchdringungsmöglichkeit<br />

der Ergebnisse aber eine große Gefahr <strong>für</strong> die Gewährleistung der Zuverlässigkeit<br />

der Ergebnisse ist.<br />

Ich hatte selbst die Gelegenheit, bei der Diskussion einer Doktorarbeit <strong>Grim</strong>s echte Verzweiflung<br />

mitzuerleben, als der Doktorand eine nichtlineare FE - Rechnung einer Kabelschwingung<br />

im Wasser darlegte:" Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, ob das richtig ist, was Sie<br />

da gerechnet haben, es ist gar kein mathematisch-mechanisches Modell zu erkennen. Wenn<br />

Sie schon nur Numerik betreiben, dann müssen Sie auch ein Experiment machen, damit Sie<br />

erkennen können, ob das, was Sie da gerechnet haben, der Wirklichkeit nahe kommt oder<br />

nicht."<br />

<strong>Grim</strong> war immer besorgt, dass die Ergebnisse theoretischer Überlegungen auch die Wirklichkeit<br />

treffen oder nicht. Das hat mir damals an <strong>Grim</strong> sehr imponiert.<br />

Zum Schluss, gewissermaßen als Übergang zu der eigentlichen Würdigung <strong>Grim</strong>s als Hydrodynamiker,<br />

darf ich <strong>Grim</strong>s Arbeit zum Verhalten <strong>von</strong> Stahldalben <strong>und</strong> sonstigen Hafenbauwerken<br />

bei Kollision mit <strong>Schiffen</strong> in der HSVA aus dem Jahr 1955 erwähnen.<br />

Die Bemessung der nunmehr stählernen Dalben <strong>und</strong> Leitwerke im Rahmen des Wiederaufbaus<br />

des Hamburger Hafens machten es notwendig die Beanspruchung durch Anlegestöße<br />

<strong>von</strong> <strong>Schiffen</strong> zu untersuchen.<br />

Da die Mannesmann Röhrenwerke A. G. ihre nahtlosen Rohre in Hamburg in Einsatz bringen<br />

wollte, erteilte diese der HSVA einen entsprechenden Untersuchungsauftrag zur Wechselwirkung<br />

zwischen Dalben bzw. Leitwerken <strong>und</strong> <strong>Schiffen</strong>, den <strong>Grim</strong> als Projektleiter durchführte<br />

19 .<br />

Die bodenmechanischen Einflüsse sollten dabei außerhalb der Betrachtung bleiben, weil diese<br />

modellversuchsseitig kaum realistisch durchzuführen waren. Auf der Gr<strong>und</strong>lage des Froude-<br />

3<br />

schen Gesetzes ergeben sich die Maßstäbe <strong>für</strong> die Längen mit λ , <strong>für</strong> die Kräfte λ <strong>und</strong> <strong>für</strong><br />

die Zeit <strong>und</strong> die Geschwindigkeit λ . Damit ergibt sich <strong>für</strong> die Federkonstante c ein Umrechnungsmaßstab<br />

<strong>von</strong> 2<br />

λ . Mit diesen Maßstäben wurden <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> Modellversuche durchgeführt.<br />

19 <strong>Grim</strong>, O.: Das Schiff <strong>und</strong> der Dalben, Schiff <strong>und</strong> Hafen, Jg. 7, 1955, S. 535<br />

21


Modellversuch zur Ermittlung der Kollisionskräfte zwischen einem Schiff <strong>und</strong> einem Dalben<br />

Modellversuch zur Ermittlung der Kollisionskräfte<br />

zwischen einem Schiff <strong>und</strong> einem Leitwerk<br />

22


Linien eines bei den Versuchen verwendeten Binnenschiffes<br />

<strong>Grim</strong> hat aber nicht nur Modellversuche durchgeführt, sondern auch theoretische Berechnungen<br />

der Kollisionskräfte unter Berücksichtigung der Formgebung <strong>von</strong> <strong>Schiffen</strong> angestellt <strong>und</strong><br />

mit den Versuchsergebnissen verglichen. Eine auch heute noch anspruchsvolle Arbeit, die ich<br />

jedem empfehle, der sich mit solchen Problemen vertieft beschäftigen will.<br />

Jetzt werden Sie vielleicht auch verstehen, dass <strong>Grim</strong> so hohes Ansehen genoss <strong>und</strong> die Erinnerung<br />

an ihn so lebhaft ist <strong>und</strong> mich zu dieser kleinen Würdigung bewegt hat.<br />

23


1 Persönliches<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> <strong>und</strong> die Schiffsvibrationen<br />

<strong>von</strong> Heinrich Söding<br />

Ich gehörte zu den ersten Studenten, die bei Professor <strong>Grim</strong> Vorlesungen hörten, ja genossen.<br />

Deshalb lag es <strong>für</strong> mich nahe, Prof. <strong>Grim</strong> um Rat zu fragen, als ich während meiner Tätigkeit<br />

beim Germanischen Lloyd die Druckbelastung auf Schiffe im Seegang berechnen sollte. <strong>Grim</strong><br />

hatte kurz zuvor eine Sondervorlesung über Schiffe im Seegang gehalten, die vor allem <strong>für</strong><br />

Ingenieure aus der Praxis bestimmt war <strong>und</strong> zu der mir mein Studienfre<strong>und</strong> Hans Gutzke, der<br />

die Vorlesung besucht hatte, eine Mitschrift überließ. Sie hat mir sehr geholfen, mich in das<br />

Gebiet einzuarbeiten.<br />

Als ich <strong>Grim</strong> um Rat <strong>und</strong> Literatur zu dem Thema Druckbelastung im Seegang fragte,<br />

sagte er gleich ungefragt zu, sein Programm zur Berechnung der Bewegungen <strong>von</strong> <strong>Schiffen</strong> im<br />

Seegang, zusammen mit seiner Assistentin Dr. Maria Kirsch, entsprechend zu erweitern. Mit<br />

diesem Programm (<strong>und</strong> späteren Nachfolgeprogrammen) wurden die Querverbände etlicher<br />

Großtanker dimensioniert (Abb. 1).<br />

Wenig später wandte ich mich wieder an <strong>Grim</strong>, diesmal wegen der im Seegang auftretenden<br />

Torsionsmomente, die zuvor an etlichen der neu aufgekommenen Containerschiffe zu Rissen im<br />

Bereich der Lukenecken geführt hatten. Auch hier erstellte <strong>Grim</strong>, diesmal zusammen mit Peter<br />

Schenzle, in kurzer Zeit ein Programm [8,9], das dann viele Jahre lang zur Dimensionierung <strong>von</strong><br />

Containerschiffen benutzt wurde. Wichtigstes Ergebnis dieser Arbeit war: Die Torsionsmomente<br />

waren zwischen 3 <strong>und</strong> 5 mal so groß, wie bis dahin angenommen worden war, <strong>und</strong> bildeten <strong>für</strong><br />

Containerschiffe die wichtigste Belastungsart (Abb. 2).<br />

Für beide Probleme waren die <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> ausgearbeiteten Berechnungsmethoden seinerzeit<br />

einmalig. Die heute besonders starke Position des Germanischen Lloyd bei der Klassifikation <strong>von</strong><br />

Containerschiffen dürfte zum großen Teil auf <strong>Grim</strong>s Arbeiten <strong>und</strong> Hilfestellung zurückzuführen<br />

sein.<br />

2 Hydrodynamische Masse bei Plattenschwingungen<br />

Bei elastischen Platten, die Biegeschwingungen ausführen <strong>und</strong> <strong>von</strong> einer oder auch beiden<br />

Seiten mit Flüssigkeit benetzt sind, wirkt die erzwungene Bewegung der Flüssigkeit wie eine<br />

zusätzliche Masse. Zunächst behandelt <strong>Grim</strong> in [1] den Fall einer unendlich ausgedehnten ebenen<br />

Platte, deren Schwingungsform Knotenlinien in gleichmäßigem Abstand a in x-Richtung <strong>und</strong><br />

b in y-Richtung hat (Abb. 3). Z.B. lassen sich ebene Boden- oder Seitenplatten <strong>von</strong> <strong>Schiffen</strong><br />

durch diesen Fall gut approximieren; auch leichte Krümmungen der Platte haben kaum Einfluss,<br />

solange die Platte abwickeltbar bleibt. <strong>Grim</strong> schreibt in [1]: “Es ist mir nicht bekannt, dass in<br />

diesem Zusammenhang der Einfluss der mitschwingenden Wassermasse, der, wie gleich gezeigt<br />

wird, außerordentlich groß ist, beachtet wird.”<br />

Die Aussage erstaunt, denn das Problem ist praktisch relevant <strong>und</strong> leicht geschlossen lösbar.<br />

<strong>Grim</strong> schreibt: “Die entstehende Strömung besitzt ein Potenzial, das leicht angeschrieben werden<br />

kann.” Er schreibt es dann tatsächlich ohne Herleitung an, da – wenn man die Lösung sieht<br />

– die Richtigkeit leicht gezeigt werden kann. Ich habe versucht, frühere Arbeiten zu dem Thema<br />

zu finden; aber es scheint, dass <strong>Grim</strong> auch dies Problem als erster gelöst hat. Da <strong>Grim</strong>s Arbeiten<br />

zu Plattenschwingungen alle in deutscher Sprache veröffentlicht sind, werden seine Arbeiten<br />

24


Abb. 1. Maximale dynamische Druckhöhen hi <strong>und</strong> ha <strong>für</strong> einen Tanker in Ballast (10 6<br />

Amplituden im Nordatlantik; Fn = 0.1). Aus {1}.<br />

Abb. 2. Verteilung des Torsionsmoments MT über die Schiffslänge <strong>für</strong> ein 200m-Containerschiff<br />

(Regelmäßiger Seegang unter 60 ◦ <strong>von</strong> vorn; λ = 100m, h = 12m, Fn = 0.2. Nach de Wilde:<br />

Maximalwerte in natürlichem Seegang Aus {1}.<br />

25


y<br />

a<br />

Abb. 3. Rechteckiges Feld in einer unendlich ausgedehnten schwingenden Platte<br />

außerhalb <strong>von</strong> Deutschland kaum wahrgenommen. Statt dessen wird international meist eine<br />

Untersuchung <strong>von</strong> Lamb {2} zitiert, die eine schwingende kreisförmige Platte (ein Hydrophon)<br />

in einer starren ebenen Wand behandelt. Dies ergibt ganz andere, komplizierte Ausdrücke.<br />

<strong>Grim</strong> kommt <strong>für</strong> den beschriebenen Fall zu einer einfachen Kennzeichnung des Masseneffekts<br />

der Flüssigkeit: Sie wirkt so, als ob die Massenbelegung der Platte vergrößert würde um die<br />

Masse in einer Flüssigkeitsschicht der Dicke d. Für den beschriebenen Fall findet <strong>Grim</strong>:<br />

d =<br />

1<br />

�<br />

π 1/a2 + 1/b2. Für den häufig vorliegenden Fall, dass ein Knotenlinienabstand (z.B. b) wesentlich größer ist<br />

als der andere, ergibt sich die unübertrefflich elegante Formel<br />

x<br />

(1)<br />

d = a/π. (2)<br />

In [1] wendet <strong>Grim</strong> die Lösung auch an auf den Fall eines Motors, der infolge <strong>von</strong> Drehmomentschwankungen<br />

an der Propellerwelle Kippschwingungen macht <strong>und</strong> dabei den Doppelboden<br />

<strong>und</strong> die Seitenplatten mit ihren Steifen verformt. Zur damaligen Zeit waren die Motoren<br />

meist im Mittelschiff angeordnet, so dass der Schiffsboden über die volle Schiffsbreite mit verformt<br />

wurde. Offensichtlich spielt dabei die unter dem Boden mitbewegte Wassermasse eine<br />

wichtige Rolle. In Resonanz kam bei dem untersuchten Fall aber die Seitenbeplattung. Auch<br />

<strong>für</strong> diesen Fall, also <strong>für</strong> Schwingungen <strong>von</strong> versteiften Plattenfeldern, ist (1) geeignet.<br />

3 Reduktion hydrodynamischer Massen bei Schwingungen <strong>von</strong> Schiffsrümpfen<br />

Für Analysen des Schwingverhaltens ganzer Schiffe wurde seinerzeit – <strong>und</strong> wird manchmal<br />

auch heute noch – das <strong>von</strong> Lewis {3} entwickelte Verfahren angewendet: Die hydrodynamischen<br />

Massen <strong>von</strong> Schiffsquerschnitten bei zweidimensionaler Umströmung werden mit einem<br />

Reduktionsfaktor J <strong>für</strong> dreidimensionale Umströmung (zwischen Halbwellen nach oben <strong>und</strong><br />

nach unten sowie um Bug <strong>und</strong> Heck) multipliziert. Während Lewis diesen Reduktionsfaktor<br />

<strong>für</strong> zwei spezielle Biegeformen <strong>von</strong> Rotationsellipsoiden bestimmt <strong>und</strong> komplizierte Ausdrücke<br />

erhält, fand <strong>Grim</strong> ein elegantes Verfahren, indem er einen unendlich langen Kreiszylinder vom<br />

Durchmesser B untersuchte, der Querschwingungen der Wellenlänge λ ausführt. Da<strong>für</strong> ergibt<br />

sich ein ganz einfacher Ausdruck <strong>für</strong> den Reduktionsfaktor, der – im Gegensatz zu dem <strong>von</strong><br />

26


Lewis berechneten Ergebnis – <strong>für</strong> beliebig hohe Schwingungsgrade gilt:<br />

mit<br />

J =<br />

1<br />

1 − αH (1)<br />

0 (α)/H (1)<br />

1 (α)<br />

(3)<br />

α = iπB/λ. (4)<br />

Dabei sind H (1)<br />

0 <strong>und</strong> H (1)<br />

1 die Hankelfunktionen (1. Gattung) nullter bzw. 1. Ordnung. Auch<br />

dies Ergebnis scheint international unbekannt zu sein.<br />

4 Hydrodynamische Massen; andere Fälle<br />

In der Schrift [6] <strong>für</strong> einen ‘Kontakt-Kurs’ <strong>für</strong> Ingenieure aus der Praxis hat <strong>Grim</strong> die hydrodynamische<br />

Massenwirkung <strong>für</strong> eine Vielzahl <strong>von</strong> Fällen untersucht <strong>und</strong> <strong>für</strong> weitere Fälle<br />

Arbeiten anderer Autoren zusammengefasst. Auch heute noch dürfte diese Schrift hilfreich sein,<br />

zumindest um abzuschätzen, ob aufwändige numerische Analysen notwendig sind. Die folgenden<br />

Fälle werden dort behandelt:<br />

• Eine Platte in seitlich begrenztem Flüssigkeitsraum (z.B. schwingendes Schott zwischen<br />

starren Seitenwänden)<br />

• Ein rechteckiges elastisches Feld umgeben <strong>von</strong> einer starren Platte (der <strong>von</strong> Lamb behandelte<br />

Fall, jedoch <strong>für</strong> ein Rechteckfeld)<br />

• Der Einfluss endlicher Wassertiefe <strong>für</strong> Schwingungen des Schiffsbodens<br />

• Schwingungen (einschließlich Starrkörper-Verschiebungen) <strong>von</strong> zylindrisch gebogenen<br />

Platten (Abb. 4)<br />

• Wie oben, jedoch wenn nur einzelne Plattenfelder schwingen <strong>und</strong> der Rest starr bleibt<br />

• Verschiebungen <strong>von</strong> Kreiszylindern in Rohren (Welle im Stevenrohr). An diesem Beispiel<br />

zeigt sich ein allgemeines Prinzip in besonders krasser Weise: Je enger begrenzt der<br />

Flüssigkeitsraum ist, der einen schwingenden Körper umgibt, desto größer ist die Massenwirkung<br />

der Flüssigkeit. Der Gr<strong>und</strong> ist, dass die Flüssigkeit, im Stevenrohr das die<br />

Welle umgebende Öl, weite Wege zurücklegen muss, um der schwingenden Welle Platz zu<br />

machen, wenn das Stevenrohr nicht mitschwingt.<br />

• Einfluss einer überlagerten konstanten Strömung (Fahrt voraus) auf ebene oder zylindrische<br />

Platten<br />

• Translation (vertikal <strong>und</strong> horizontal) <strong>und</strong> Rotation <strong>von</strong> Lewis-Spanten<br />

• Reduktionsfaktor <strong>für</strong> 3-dimensionale Umströmung<br />

• Schwingungen <strong>von</strong> starren, elastisch in einer Flüssigkeit gelagerten Platten <strong>und</strong> Tragflügeln<br />

(Rudern), auch mit überlagerter konstanter Strömung<br />

• Schwingungen <strong>von</strong> Propellern <strong>und</strong> einzelnen Propellerflügeln<br />

5 Schwingungserregung durch den Propeller<br />

Die Schrift [6] behandelt außerdem hydrodynamische Schwingungserregungen durch<br />

• Periodische Propellerkräfte, erregt durch ungleichförmigen Nachstrom<br />

• Druckschwankungen an der Außenhaut verursacht durch den Propeller, insbesondere<br />

durch Kavitation<br />

• Schwingungserregung durch den Seegang<br />

Ungewohnt könnte der <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> häufig benutzte Ausdruck ‘Querschwingungen’ sein: <strong>Grim</strong><br />

bezeichnet damit sowohl vertikale als auch horizontale Schwingungen z.B. eines Rumpfes oder<br />

einer Propellerwelle.<br />

27


_<br />

+<br />

Abb. 4. Rechteckige Schwingungs-Felder in einer endlosen zylindrischen Platte<br />

Durch den Propeller erregte Schiffskörperschwingungen untersucht <strong>Grim</strong> in [2] in origineller<br />

Weise. Damals kam nur ein Balkenmodell <strong>für</strong> den Schiffskörper in Frage. <strong>Grim</strong> hat dazu ein<br />

Programm <strong>für</strong> die erzwungenen Schwingungen eines gedämpften Timoshenko-Balkens erstellt.<br />

Dies benutzte er, um die gr<strong>und</strong>legenden Erkenntnisse zu überprüfen, die er analytisch am<br />

Beispiel eines homogenen Schubstabs gewonnenen hatte. Er kommt zu folgenden, vielleicht<br />

auch heute noch nützlichen Erkenntnissen:<br />

_<br />

• Der Propeller sollte so weit vorn wie möglich angeordnet werden. Der Gr<strong>und</strong> da<strong>für</strong> ist,<br />

dass er dann näher am hintersten Knotenpunkten der sich einstellenden Schwingungsform<br />

liegt <strong>und</strong> damit eine kleinere Erregerleistung in das System einleitet. (Bei Zweischraubern<br />

hat man ja eventuell etwas Freiheit in der Längs-Position der Propeller.)<br />

• Die Massenbelegung zwischen hinterem Schiffsende <strong>und</strong> hinterstem Schwingungsknoten<br />

sollte so groß wie möglich sein. Durch Füllen <strong>von</strong> Tanks möglichst weit hinten im Schiff<br />

kann man also die propeller-erregten Schwingungen verringern.<br />

• Wenn man Änderungen der Stahlstruktur zulässt: Die Schubsteifigkeit des Rumpfes sollte<br />

hinter dem Propeller so klein wie möglich sein, <strong>und</strong> zwischen dem Propeller <strong>und</strong> dem<br />

hintersten Knoten der relevanten Eigenformen sollte sie möglichst groß sein.<br />

Allerdings sind die mit diesen Maßnahmen erzielbaren Änderungen der Schwingungsamplituden<br />

gering: In einem <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> untersuchten Beispiel (etwa 1% der Schiffsmasse wurde um etwa<br />

20%L verschoben; zusätzlich geringe Änderungen der Schubsteifigkeit) betrug die Verringerung<br />

der Amplituden im Hinterschiff etwa 20%, davor viel weniger. (Bei Frachtschiffen interessieren<br />

die Schwingungen hauptsächlich hinten, weil dort das Deckshaus steht.)<br />

6 <strong>Grim</strong>sche Welle<br />

Viel stärkere Verringerungen der propeller-erregten Schwingungen lassen sich durch die<br />

‘<strong>Grim</strong>sche Welle’ [3] erzielen. Wegen des ungleichförmigen Nachstroms erfährt ein Propellerblatt<br />

etwa in der 12-Uhr-Stellung einen größeren Widerstand gegen die Drehrichtung als in<br />

anderen Stellungen. Dadurch entstehen an einem Propeller mit z Flügeln periodische horizontale<br />

Kräfte, die mit der Frequenz z mal Drehzahl schwanken (Erregerordnung z) <strong>und</strong> die bei<br />

starrer Lagerung des Propellers über das hinterste Wellenlager in den Rumpf eingeleitet werden.<br />

Lagert man den Propeller dagegen elastisch, entweder an einem hinter dem Rumpfaustritt<br />

frei kragenden Stück der Schwanzwelle oder in einer frei kragenden Wellenhose (Abb. 5), so<br />

28<br />

+<br />

_<br />

+


Abb. 5. <strong>Grim</strong>sche Welle bei dem Seebäderschiff “Hein Godenwind”. Aus Jahrb. STG 1960.<br />

Abb. 6. Propellerwelle <strong>und</strong> Stevenrohr bei “Hein Godenwind”. Aus Jahrb. STG 1960<br />

29


Abb. 7. <strong>Grim</strong>sche Welle auf dem Forschungsschiff “Meteor”<br />

bewirken die Wechselkräfte am Propeller im Wesentlichen eine Beschleunigung des Propellers<br />

<strong>und</strong> der ihn umgebenden festen <strong>und</strong> hydrodynamischen Massen, <strong>und</strong> nur ein kleiner Teil der<br />

Erregerkraft wird über das Schwanzwellenlager in den Rumpf eingeleitet. Auch Einschrauber<br />

lassen sich mit <strong>Grim</strong>scher Welle bauen (Abb. 7).<br />

In <strong>Grim</strong>s Veröffentlichung [3] <strong>von</strong> 1960 wird berichtet, dass 13 Schiffe mit elastisch gelagertem<br />

Propeller gebaut worden sind <strong>und</strong> sich 6 weitere im Bau befinden. Über das verbleibende<br />

Vibrations-Niveau schreibt <strong>Grim</strong>, dass die benutzten mechanischen Messaufnehmer wegen<br />

der extrem kleinen Schwinungsamplituden “kaum messbare Ergebnisse” lieferten. Auch bei<br />

Hartruder-Manövern sowie beim Umsteuern blieben die Schwingungen sehr klein. Und zur<br />

Betriebs-Sicherheit schreibt er, “dass bislang in keinem Fall durch diese elastische Lagerung<br />

bedingte Schäden oder Schwierigkeiten bekannt geworden sind. Es kann sogar erwähnt werden,<br />

dass die elastische Lagerung mehrfach Gr<strong>und</strong>berührungen, bei denen die Propellerflugel<br />

beschädigt wurden, ohne Schaden zu nehmen widerstanden hat.” Etwa 40 Jahre später schreibt<br />

Siebeneicher {4}: “Die Ergebnisse waren so ausgezeichnet, dass inzwischen viele Schiffe der<br />

WSV mit der sogenannten <strong>Grim</strong>schen Welle gebaut wurden.”<br />

Die Auslegung des Systems nimmt <strong>Grim</strong> so vor, dass die unterste Eigenfrequenz zwischen der<br />

Frequenz der ersten <strong>und</strong> der z-ten Ordnung (bezogen auf die Propellerdrehzahl) liegt. Die erste<br />

Ordnung ist wichtig <strong>für</strong> den <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> benutzten Bemessungs-Lastfall, <strong>für</strong> den angenommen<br />

wird, dass ein Propellerflügel fehlt. Die Anlage muss die dadurch verursachte Unwucht, die mit<br />

der ersten Ordnung oszilliert, ohne Schaden ertragen können.<br />

Man fragt sich, warum die <strong>Grim</strong>sche Welle nicht viel häufiger angewendet wird. Bei Einschraubern<br />

zeigt Abb. 7 einen Gr<strong>und</strong>: Bei gegebener Form des Unterwasserschiffs wird das<br />

Schiff mit <strong>Grim</strong>scher Welle einige Meter länger. Das ist bei einem Forschungsschiff, bei dem<br />

Vibrationsarmut eine entscheidende Rolle spielt <strong>und</strong> bei dem – bezogen auf die Decks- <strong>und</strong><br />

Aufbaufläche – eine kleine Verdrängung ausreicht, eher vertretbar als bei vielen anderen Schiffstypen.<br />

Bei Zweischraubern dürfte dies aber kein Gegengr<strong>und</strong> gegen die <strong>Grim</strong>sche Welle sein. Im<br />

Gegenteil: Wenn man bei Zweischraubern die Wellenböcke ganz weglassen kann, oder – falls sie<br />

erforderlich sind – wenn man sie weiter vorn anordnet, so wird (bei korrekter Auslegung) nicht<br />

30


Abb. 8. Heckbereich eines Schiffes wie üblich (gestrichtelte Hinterstevenkontur) <strong>und</strong> wie<br />

vorgeschlagen (ausgezogen). Gepunktet: Unverformte <strong>und</strong> durch Heckwelle verformte<br />

Wasserlinie.<br />

nur die Propellerlagerung verbessert, sondern auch der Nachstrom, was zu kleineren erregenden<br />

Kräften am Propeller führt.<br />

7 Propeller-erregte Druckschwankungen<br />

Ein Gr<strong>und</strong> da<strong>für</strong>, dass <strong>Grim</strong>sche Wellen heute selten (oder vielleicht gar nicht mehr?) gebaut<br />

werden, dürfte sein, dass man heute durchweg Propeller mit großer Rücklage (‘highskew-propeller’)<br />

benutzt, bei denen die oszillierenden Propellerkräfte kleiner sind. Vermutllich<br />

noch wichtiger ist aber, dass sich das Hauptinteresse verlagert hat: Nicht die Kräfte am Propeller<br />

stehen heute <strong>für</strong> Vibrationsprognosen im Vordergr<strong>und</strong>, sondern die vom Propeller an<br />

der Schiffsaußenhaut, vor allem über dem Propeller, erzeugten Druckschwankungen. Von Ausnahmen<br />

abgesehen, werden diese Druckschwankungen überwiegend durch die Kavitation am<br />

Propeller verursacht. Und die Kavitation am Propeller dürfte zugenommen haben, weil die<br />

Mehrzahl der Schiffe heute schneller fährt als 1960.<br />

Um die propellererregten Druckschwankungen klein zu halten, bemüht man sich einerseits,<br />

den Zustrom zum Propeller so gleichmäßig wie möglich zu machen. Das erfordert schlanke<br />

Hinterschiffe, geht also zu Lasten der Tragfähigkeit. Eine andere Maßnahme besteht darin,<br />

die Propeller-Flügelspitzen zu entlasten, was aber den Propellerwirkungsgrad verringert. Eine<br />

dritte Möglichkeit wird manchmal darin gesehen, den ‘Freischlag’, also den Abstand der Außenhaut<br />

vom oberen Rand des Propellerkreises, zu vergrößern. Diese Maßnahme verringert den<br />

Maximaldruck der Druckschwankungen an der Außenhaut genau über dem Propeller; sie hat<br />

aber auf die gesamte Erregerkraft nur geringen Einfluss, denn der Hauptteil der Erregerkraft<br />

entsteht nicht im Bereich des Druckmaximums über dem Propeller, sondern in der weiteren<br />

Umgebung um diesen Punkt. (Eine Vergrößerung des ‘Freischlages’ hinter dem Propeller hat<br />

fast keine Wirkung, <strong>und</strong> eine Vergrößerung vor dem Propeller bringt nur dann eine merkliche<br />

Wirkung, wenn sie den Zustrom zum Propeller gleichmäßiger macht.)<br />

Abb. 8 zeigt eine andere, bisher überhaupt nicht genutzte Möglichkeit, um die Vibrationserregung<br />

durch propeller-erregte Druckschwankkungen auf der Außenhaut fast vollständig auszuschalten:<br />

Wenn man die Heckkontur über die Wasserlinie anhebt, erreichen die Druckschwankungen<br />

nicht die Außenhaut; vielmehr werden die Druckwellen an der freien Wasseroberfläche<br />

reflektiert. Das Ruder, die Flosse oberhalb des Ruders <strong>und</strong> der Hintersteven werden zwar noch<br />

31


durch Druckschwankungen beaufschlagt, aber dort heben sich die an Backbordseite erzeugten<br />

Kräfte mit den an der Steuerbordseite erzeugten fast vollständig auf. (Die vom Propeller erregten<br />

Druckwellen haben eine Wellenlänge im Bereich <strong>von</strong> 100m, sind also wesentlich länger als<br />

die hier maßgebenden Abmessungen <strong>von</strong> Ruder, Flosse <strong>und</strong> Hintersteven.Es gibt daher kaum<br />

‘Druckwellenschatten’, selbst wenn das schwankende Kavitationsvolumen überwiegend auf einer<br />

Seite der Mittschiffsebene liegt.)<br />

8 Durch Seegang erregte Rumpfschwingungen<br />

1975 hat <strong>Grim</strong> vom Seegang erregte vertikale Schiffsbiegeschwingungen behandelt [7]. Das<br />

Thema ist bis heute aktuell. Vorhersagen sind heute möglich mit hilfe <strong>von</strong> Finite-Volumen-<br />

Verfahren <strong>und</strong> der Volume-of-fluid-Methode <strong>für</strong> die freie Wasseroberfläche, z.B. {5}. Die dort<br />

berechneten Ergebnisse scheinen recht gut zu sein, aber leider ist die Rechenzeit so lang, dass<br />

dies Verfahren nur <strong>für</strong> ausgewählte Kurzzeit-Untersuchungen anwendbar ist, nicht als Methode<br />

<strong>für</strong> die Dimensionierung auf gr<strong>und</strong> der Langzeit-Schwingbelastung. Für den Teil der seegangserregten<br />

Biegeschwingungen, der durch lineare Seegangswirkungen entsteht, gibt es ausreichend<br />

schnelle <strong>und</strong> vermutlich ebenfalls genaue Rechenverfahren, z.B. {6}. Aber es scheint, dass –<br />

zumindest bei vielen <strong>Schiffen</strong> – die lineare Schwingungserregung relativ klein im Vergleich zur<br />

Erregung zweiter <strong>und</strong> vielleicht dritter Ordnung in der Wellenamplitude ist.<br />

Die Arbeit [7] <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> widmet sich der Erregung zweiter <strong>und</strong> dritter Ordnung. Das Haupt-<br />

Augenmerk liegt auf der Statistik der Schwingamplituden in einem stationären Seegang. Die<br />

Schiffsstruktur verhält sich hierbei wie ein lineares System mit schwacher Dämpfung. Für lineare<br />

Erregung ergeben sich deshalb normalverteilte Schwingungsausschläge <strong>und</strong> mit guter Näherung<br />

Rayleigh-verteile Amplituden. Für nichtlineare Erregungen könnte man den Vorgang simulieren.<br />

Da das seinerzeit viel aufwändiger war als heute, versucht <strong>Grim</strong>, die Verteilung direkt, ohne<br />

Simulation, zu approximieren.<br />

<strong>Grim</strong> betrachtet dazu die Relativbewegung s(t) zwischen Wasseroberfläche <strong>und</strong> Schiffsrumpf<br />

an irgendeiner Stelle der Wasserlinie. In natürlichem Seegang, der als Überlagerung vieler harmonischer<br />

Wellen aufgefasst wird, ist s mit guter Näherung ein Gauß-Prozess, also eine lineare<br />

Wellenwirkung. <strong>Grim</strong> leitet zunächst aus dem Spektrum Ss(ω) das Spektrum der Größe s2 ab.<br />

Er erhält da<strong>für</strong> ein einfaches Faltungsintegral:<br />

S s 2(Ω) = 2<br />

� Ω/2<br />

0<br />

Ss(ω) · Ss(Ω − ω)dω + ... (5)<br />

Die Punkte deuten einen weiteren Term an, der bei dem vorliegenden Problem zahlenmäßig<br />

keine Rolle spielt. Auch <strong>für</strong> das Spektrum <strong>von</strong> s 3 leitet <strong>Grim</strong> eine entsprechende, allerdings viel<br />

kompliziertere Formel her.<br />

Für die Schwingungserregerkraft erster bis dritter Ordnung, die an einem Schiffsspant angreift,<br />

benutzt <strong>Grim</strong> einfache Ansätze, welche die Kraft abhängig <strong>von</strong> der Relativbewegung<br />

s sowie abhängig <strong>von</strong> s 2 <strong>und</strong> s 3 angeben. <strong>Grim</strong> schreibt dazu, die Ansätze müssten “noch<br />

überprüft <strong>und</strong> gegebenenfalls ersetzt werden”. Ich habe die Ansätze mit meinen heutigen Kenntnissen<br />

überprüft <strong>und</strong> gef<strong>und</strong>en, dass sie nicht zutreffen <strong>und</strong> tatsächlich ersetzt werden müssen<br />

<strong>und</strong> wohl auch können.<br />

Wenn man die Kraft abhängig <strong>von</strong> s, s 2 <strong>und</strong> s 3 kennt, <strong>und</strong> wenn man außerdem das Spektrum<br />

<strong>von</strong> s, s 2 <strong>und</strong> s 3 kennt, könnte man nach den Regeln <strong>für</strong> Gauß-Prozesse die Verteilung der<br />

Schwingamplituden berechnen. <strong>Grim</strong> tut dies, aber mit großen Vorbehalten. In einem Nachtrag<br />

zu der Arbeit schreibt er: “Die <strong>für</strong> die nichtlinearen Größen berechneten Spektren können nicht<br />

so behandelt werden wie die Spektren linearer stochastischer Prozesse.” Und etwas später fährt<br />

32


er fort: “Vielleicht spielt das keine Rolle <strong>für</strong> die sehr schmalen Spektren der erregten, elastischen<br />

Schwingungen. Der Beweis hier<strong>für</strong> müsste jedoch erbracht werden.”<br />

Dies habe ich überprüft, indem ich das Quadrat eines Gauß-Prozesses s auf ein schwach (3%)<br />

gedämpftes lineares Ein-Freiheitsgrad-Schwingsystem habe wirken lassen:<br />

kz + d ˙z + m¨z = s 2 − s 2 (6)<br />

(der Überstrich bezeichnet das Zeitmittel). In einer Simulation <strong>von</strong> etwa 40 000 Schwingperioden<br />

habe ich die in Abb. 9 gezeichneten Verteilungen <strong>für</strong> die Maxima <strong>und</strong> Minima ausgezählt.<br />

Gestrichelt sind die Rayleigh-Verteilungen eingezeichnet, die man bei einem schmalbandigen<br />

Gaußprozess mit demselben Spektrum erwarten würde. Man sieht deutliche Unterschiede zwischen<br />

den Verteilungen der Maxima <strong>und</strong> der Minima. Ursache da<strong>für</strong> ist die Unsymmetrie<br />

der Verteilung der Erregergröße: s2 − s2 kann beliebig groß werden, aber der Kleinstwert ist<br />

−s2 . Außerdem weichen die tatsächlichen Verteilungen deutlich <strong>von</strong> den Rayleigh-Verteilungen<br />

ab; insbesondere treten betragsgroße Extremwerte deutlich häufiger auf als in der Rayleigh-<br />

Verteilung. Letztere ist also nicht geeignet, um Extremwerte z.B. <strong>für</strong> Maximalspannungen in<br />

den Längsverbänden abzuleiten. Für die Untersuchung der Betriebsfestigkeit dürften die Unterschiede<br />

zwischen beiden Verteilungen aber wenig ausmachen. Wenn auch die <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> in seinem<br />

Beispiel abgeschätzten, <strong>von</strong> ihm selbst als unsicher bezeichneten Zahlenwerte nicht zutreffen, so<br />

hat er doch, meines Wissens erstmalig, eine <strong>für</strong> viele Anwendungen ausreichende Methode zur<br />

direkten Abschätzung der Statistik nichtlinear erregter Rumpf-Biegeschwingungen angegeben.<br />

-2.5 -2.0 -1.5 -1.0 -0.5 0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5<br />

Abb. 9. Rayleigh-Verteilung (gestrichelt) <strong>und</strong> simulierte Verteilung der Maxima (rechts) <strong>und</strong><br />

der Minima (links) <strong>von</strong> z<br />

9 Heutiger Stand<br />

<strong>Grim</strong> hat stets betont, um Schwingungen klein zu halten, müsse man die Erregerkräfte klein<br />

halten. Vielfach wird dagegen empfohlen, zumindest zusätzlich Resonanz zu vermeiden, d.h.<br />

die Übereinstimmung der Erregerfrequenz mit einer Eigenfrequenz des schwingenden Systems.<br />

Bei lokalen Schwingungen, etwa <strong>von</strong> Masten oder noch leichteren Teilen, ist es erfolgreich <strong>und</strong><br />

wirtschaftlich vertretbar, das schwingende System steifer zu machen, wenn große Amplituden<br />

33


auftreten. Solche Kleinteile werden oft mit der untersten (oder einer der untersten) Eigenfrequenzen<br />

angeregt. In dem Fall treten im Resonanzfall erheblich größere Schwingungsamplituden<br />

auf als außerhalb der Resonanzfrequenz. Eine Vergrößerung der Steifigkeit ist nicht sehr teuer<br />

<strong>und</strong> bringt die unterste Eigenfrequenz über die Erregerfrequenz, womit Resonanz verhindert<br />

<strong>und</strong> das Problem behoben ist.<br />

Ganz anders liegt der Fall jedoch bei Schwingungen des gesamten Schiffskörpers. Der Seegang<br />

erregt den Schiffsrumpf hauptsächlich mit der untersten Eigenfrequenz, aber die Erregung<br />

umfasst einen weiten Frequenzbereich, so dass man Resonanz, also das Übereinstimmen <strong>von</strong><br />

Erregerfrequenz <strong>und</strong> Eigenfrequenz, <strong>für</strong> seegangserregte Schwingungen nicht vermeiden kann.<br />

Erregungen durch einen langsamlaufenden Motor haben dagegen ein Vielfaches (oft das 6bis<br />

8-fache) der untersten Rumpf-Eigenfrequenz. Noch höher liegen die Erregerfrequenzen durch<br />

den Propeller. In diesem Bereich gibt es keine ausgeprägten Resonanzspitzen, wie Abb. 10 am<br />

Beispiel eines Containerschiffs <strong>von</strong> etwa 200m Länge zeigt (entnommen aus {7}). Wichtig ist<br />

in diesem Zusammenhang auch:<br />

• Die Erregerfrequenz durch Propeller <strong>und</strong> Motor ist wegen der veränderlichen Motor- <strong>und</strong><br />

Propellerdrehzahl nicht konstant.<br />

• Die Rumpf-Eigenfrequenzen sind, zumindest bei Frachtschiffen, wegen wechselnder Ladefälle<br />

veränderlich.<br />

• Maxima <strong>und</strong> Minima können in diesem Frequenzbereich nicht zuverlässig vorhergesagt<br />

werden, selbst wenn man großen Aufwand <strong>für</strong> die Modellierung der Struktur <strong>und</strong> der<br />

Massenverteilung treibt.<br />

Abb. 10 wurde mit etwa 30 000 Freiheitsgraden berechnet; in {7} werden aber auch Modelle mit<br />

über 300 000 Freiheitsgraden untersucht, ohne dass sich eine eindeutig bessere Übereinstimmung<br />

mit den Messergebnissen gezeigt hätte.<br />

Neben Resonanzspitzen gibt es (in Abb. 10 nur bei der berechneten Kurve, in anderen<br />

Fällen aber ebenso bei Messkurven) ausgeprägte Minima der erzwungenen Schwingungen. Deren<br />

Nutzung ist aber aus denselben Gründen nicht praktikabel. Trotz großer Fortschritte in der<br />

schwingungstechnischen Modellierung <strong>von</strong> Schiffsrümpfen bestehen daher immer noch große<br />

Unsicherheiten bei der Prognose <strong>von</strong> Schwingungsamplituden. Ob sich die schwingungstechnische<br />

Modellierung <strong>von</strong> Schiffsrümpfen überhaupt lohnt, scheint mir deshalb zweifelhaft.<br />

Es gilt daher immer noch das, was <strong>Grim</strong> vor etwa 50 Jahren schrieb [2]: Klein halten lassen<br />

sich Schiffsschwingungen fast ausschließlich durch eine Verringerung der Erregerkraft. Eine<br />

erhöhte Dämpfung würde sich ebenfalls positiv auswirken, aber bisher sind keine wirksamen <strong>und</strong><br />

ausreichend praktikablen Maßnahmen zur Erhöhung der Dämpfung <strong>von</strong> Schiffsrumpfschwingungen<br />

bekannt. Vielleicht lohnte es sich, hierüber nachzudenken.<br />

10 Literatur<br />

Eckige Klammern bezeichnen Publikationen <strong>von</strong> <strong>Grim</strong>, geschweifte Klammern die anderer Autoren.<br />

[1] <strong>Grim</strong>, O. (1953), Über den Einfluss der mitschwingenden Wassermasse auf die Schwingungseigenschaften<br />

lokaler schwingungsfähiger Systeme. Schiff <strong>und</strong> Hafen 1953, Heft 11.<br />

[2] <strong>Grim</strong>, O. (1958), Erzwungene Querschwingungen des Schiffskörpers. Jahrbuch STG Band<br />

52, 203-219<br />

[3] <strong>Grim</strong>, O. (1960), Lagerung der Propellerwelle in einem elastischen Stevenrohr. Jahrbuch<br />

34


Abb. 10. Amplitude der vertikalen Schwinggeschwindigkeits seitlich an Vorderkante Aufbau<br />

bei horizontaler Erregung abhängig <strong>von</strong> der Erregerfrequenz. Entnommen aus {7}.<br />

35


STG Band 54, 106-116<br />

[4] <strong>Grim</strong>, O. (1960), Elastische Querschwingungen des Schiffskrörpers. Reduktionsfaktor <strong>für</strong> die<br />

Berücksichtigung der räumlichen Strömung bei der Berechnung der hydrodynamischen Masse.<br />

Schiffstechnik 7,1-3 (Die Arbeit behandelt vertikale Biegeschwingungen.)<br />

[5] <strong>Grim</strong>, O. (1972), Vibrationen auf <strong>Schiffen</strong>, Vorlesungsskript Nr. 4<br />

[6] <strong>Grim</strong>, O. (1975), Hydrodynamische Trägheits- <strong>und</strong> Dämpfungskräfte; hydrodynamische<br />

schwingungserregende Kräfte. 8. Fortbildungskurs im <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Schiffbau<br />

[7] <strong>Grim</strong>, O. (1975), Elastische Schwingungen des Schiffes, erregt durch nichtlineare Kräfte des<br />

natürlichen, unregelmäßigen Seegangs. Bericht Nr. 325 des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> Schiffbau<br />

[8] <strong>Grim</strong>, O. <strong>und</strong> Schenzle, P. (1968), Berechnung der Torsionsbelastung eines Schiffes im Seegang.<br />

Bericht 5 des Forschungszentrums des Deutschen Schiffbaus<br />

[9] <strong>Grim</strong>, O. <strong>und</strong> Schenzle, P. (1969), Der Einfluss der Fahrgeschwindigkeit auf die Torsionsbelastung<br />

eines Schiffes im Seegang. Bericht 7 des Forschungszentrums des Deutschen Schiffbaus<br />

{1} Schultz, H.-G. (1969), Festigkeitsprobleme im Großschiffbau. Jahrbuch STG 63, 171-190<br />

{2} Lamb, H. (1921), On the vibrations of an elastic plate in contact with water, Proc. Royal<br />

Society A98, 205-216<br />

{3} Lewis, F.M. (1929), The inertia of the water surro<strong>und</strong>ing a vibrating ship, Tr.SNAME<br />

{4} Siebeneicher, “Entwicklungen in der Schiffstechnik <strong>und</strong> ihre Anwendung in der Wasser<strong>und</strong><br />

Schiffahrtsverwaltung”, Mitteilungsblatt der B<strong>und</strong>esanstalt <strong>für</strong> Wasserbau Nr. 78 (1998)<br />

{5} Moctar, O.el, Oberhagemann, J., Schellin, T.E., “Free surface RANSE method for hull<br />

girder springing and whipping”, Proc. SNAME Transactions 2011, 286-300<br />

{6} Söding, H., “Computation of springing transfer functions”, Proc. IMechE Vol. 223 Part M,<br />

291-304<br />

{7} Behrens,U., Cabos,C., Eisen,H., Ihlenburg,F., Kreinath,H., Mumm,H. (1999), Verbesserung<br />

der Dämpfungsansätze <strong>für</strong> die Berechnung <strong>von</strong> Schiffsschwingungen. Teilvorhaben A5.1 des<br />

Verb<strong>und</strong>vorhabens Life Cycle Design, Germanischer Lloyd<br />

36


Dynamik des Seeverhaltens <strong>und</strong> statische Stabilitätsbetrachtungen<br />

- Versuch einer Synthese<br />

S. Krüger, TU- Hamburg- Harburg<br />

Einleitung<br />

Es gibt wohl kein Gebiet der Schiffstechnik, auf dem Prof. <strong>Grim</strong> nicht Gr<strong>und</strong>legendes geleistet<br />

<strong>und</strong> gleichzeitig Nachhaltiges hinterlassen hat. Selbst das Thema, mit dem ich mich in<br />

diesem Aufsatz beschäftigen möchte, ist doppelt <strong>von</strong> Prof. <strong>Grim</strong> bearbeitet worden: Wenn<br />

man den Begriff <strong>Grim</strong>’sche Welle hört, dann denken die meisten sicherlich zunächst an<br />

ein Verbindungselement zwischen Propeller <strong>und</strong> Maschine, welches Gegenstand <strong>Grim</strong>’scher<br />

Verbesserungen war. Nein, hier soll es um die vielleicht nicht so bekannte Ersatzwelle nach<br />

<strong>Grim</strong> gehen. Bezüglich der <strong>Schiffssicherheit</strong>, welches das Generalthema meines Aufsatzes<br />

sein sollte, fiel mir als herausragender Beitrag <strong>von</strong> Prof. <strong>Grim</strong> eben seine Ersatzwelle<br />

ein. Diese hat uns ermöglicht, heute praktische Seegangsberechnungen zu Fragestellungen<br />

durchführen zu können, die ohne das brilliante Modell der Ersatzwelle nach <strong>Grim</strong> trotz<br />

aufwändigster Numerik so nicht möglich wären. Dabei handelt es sich um eine extrem intelligente<br />

Konzeption, die Aufrichthebel des Schiffes im natürlichen Seegang berechnen zu<br />

können. Heute mag das vielen angesichts numerischer Methoden trivial erscheinen, gleichwohl<br />

ist bis heute der Engpass in der numerischen Seegangsberechnung - egal ob viskos<br />

oder nicht - die Berechnung des Aufrichtmomentes aus der Integration über den Rumpf<br />

in der Welle. Diese kostet sehr viel Rechenzeit, <strong>und</strong> erst Recht dann, wenn wir natürliche<br />

Seegänge mit sehr vielen Komponenten betrachten wollen (<strong>und</strong> in der <strong>Schiffssicherheit</strong><br />

wollen wir das) <strong>und</strong> man die eben genannte Druckintegration noch <strong>für</strong> jede Komponente<br />

durchführen muss. Leider kennt auf internationaler Ebene kaum jemand die Ersatzwelle<br />

nach <strong>Grim</strong>, <strong>und</strong> deshalb stoßen wir auf große Schwierigkeiten, wenn wir vor internationalem<br />

Publikum über praktsiche Anwendungen des <strong>Grim</strong>’schen Modelles referieren. Liest man die<br />

gr<strong>und</strong>legende Arbeit <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> dazu, <strong>und</strong> auch die Diskussion, dann findet man exakt die<br />

Fragestellungen, über die wir heute auch noch diskutieren, obwohl <strong>Grim</strong> schon damals alles<br />

Wesentliche klar erkannt hatte. Leider beschränkt sich die <strong>Schiffssicherheit</strong> heute fast nur<br />

auf relativ triviale hydrostatische Gr<strong>und</strong>probleme, obwohl heute Einiges mehr berechenbar<br />

ist. Ich möchte daher zunächst einen historischen Aufriss der Entwicklung in Deutschland<br />

aufzeigen, um dann die <strong>Grim</strong>’sche Welle <strong>und</strong> deren Bedeutung aufzuzeigen. Dann versuche<br />

ich einen Ansatz, der die hydrostatische Stabilitätswelt <strong>und</strong> die dynamische Seegangswelt<br />

zusammenbringt. Daher habe ich bewusst in der Überschrift das Wort Synthese verwendet.<br />

Historischer Überblick<br />

Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg kam es in Deutschland zu einer Häufung <strong>von</strong> Kenterunfällen.<br />

Diese fanden meist im nachlaufenden Seegang statt, <strong>und</strong> es waren nicht nur<br />

Schiffe aller Größen da<strong>von</strong> betroffen, sondern vor allem auch praktisch werftneue Schiffe.<br />

Als Gr<strong>und</strong> wurde später angegeben, dass die deutschen Werften wegen der durch das Potsdamer<br />

Abkommen auferlegten Schiffbaubeschränkungen ihre Entwürfe bis an die Grenze<br />

der Vorschriften ausgereizt haben, um trotz Beschränkungen noch eine gewisse Wirtschaftlichkeit<br />

zu gewährleisten. Die Unfälle wurden immer durch die zuständigen Seeämter untersucht,<br />

die sich wiederum auf technischen Gutachtern abstützten. So war gewährleistet,<br />

dass Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis in ausreichend enger Abstimmung die Unfälle bearbeiteten.<br />

Nach meinen Recherchen hat sich <strong>Grim</strong> zum ersten Mal um 1950 mit einem seegangsbedigten<br />

Stabilitätsproblem beschäftigt. <strong>Grim</strong> war damals noch in der HSVA, <strong>und</strong> 1949<br />

kenterte der Dampfer FIDAMUS mit einer Ladung Kali vor Langeoog. Kempf (HSVA)<br />

37


hatte ein Stabilitätsgutachten zu dem Fall angefertigt, <strong>und</strong> festgestellt, dass das Schiff nahe<br />

der 1:1 Rollresonanz unterwegs war. Man konnte das Kentern damals aber nicht restlos<br />

aufklären, vor allem nicht den starken vorlastigen Trimm, der während des Kenterns aufgetreten<br />

war. 1 Vermutlich war man damals der der Auffassung, dass die FIDAMUS nicht<br />

aus Stabilitätsgründen gekentert, sondern quergeschlagen <strong>und</strong> dann gekentert war. <strong>Grim</strong><br />

untersuchte daraufhin 1950/51 mittels einer brillianten Versuchstechnik ein Schiff im nachlaufenden<br />

Seegang so, dass er mittels eines vom Schleppwagen gezogenen Brettchens eine<br />

stehende Welle erzeugte <strong>und</strong> dann die Kursstabilität des Schiffes in der dadurch entstehenden<br />

stehenden Welle untersuchte. Auch wenn die eigentliche Kenterursache <strong>von</strong> <strong>Grim</strong><br />

damals nicht als Stabilitätsversagen auf dem Wellenberg erkannt wurde, löste er dabei -<br />

nebenbei - das Problem der Kursstabilität des Schiffes im nachlaufenden Seegang.<br />

Abbildung 1: Untersuchung der Kursstabilität des Schiffes im längslaufenden Seegang, <strong>Grim</strong> 1951<br />

Man ging später da<strong>von</strong> aus - <strong>und</strong> hier ist zunächst unbedingt der Name Wendel zu erwähnen<br />

- dass es sich beim Kentern im Seegang um ein Stabilitätsproblem handelte, <strong>und</strong> man versuchte,<br />

dies mit den damals üblichen hydrostatischen Mitteln zu bearbeiten. Spätestens seit<br />

dem Unfall der SS IRENE OLDENDORF war durch Wendels Arbeiten bekannt, dass die<br />

Stabilität eines Schiffes in der Wellenbergsituation erheblich herabgesetzt werden kann. In<br />

der Folge fanden sehr viele Forschungsarbeiten statt (Abels, Wendel, <strong>Grim</strong>, Kastner), die<br />

durch Berechnungen <strong>und</strong> Modellversuche nachwiesen, dass der Aufrichthebel eines Schiffes<br />

in der Wellenberg- oder Talsituation mit sehr guter Näherung durch einfache Hydrostatik<br />

mit der entsprechend verformten Wasseroberfläche berechnet werden kann. Dies wurde<br />

durch Großausführungsmessungen auf SSS Gorch Fock bestätigt. Gleichzeitig hatte man<br />

erkannt, dass auch eine gewisse Dynamik eine Rolle spielen müsste, weswegen systematische<br />

Kenterversuche mit ferngesteuerten Modellen im natürlichen Seegang des Plöner Sees<br />

2 durchgeführt wurden. Daraus wurden statistikbasierte Kenterkriterien entwickelt <strong>und</strong><br />

bei Unfalluntersuchungen angewendet (MV LOHENGRIN 1963). Gleichzeitig entwickelten<br />

<strong>Grim</strong> <strong>und</strong> Wendel mit den Konzepten <strong>für</strong> hydrodynamische Massen <strong>und</strong> Streifenmethoden<br />

die Gr<strong>und</strong>lagen moderner Seegangsrechnungen.<br />

Aus diesen Gr<strong>und</strong>lagenarbeiten entstanden nun in Deutschland ab Mitte der sechziger<br />

Jahre zwei verschiedene Denkrichtungen: Die einen fassten das Kentern eher als statisches<br />

Stabilitätsproblem (Wendel, Kastner, Roden, Arndt) auf, welches am ehesten durch eine<br />

genaue Erfassung <strong>und</strong> Gegenüberstellung der krängenden <strong>und</strong> aufrichtenden Momente zu<br />

lösen sei. Der Effekt des Seegangs wurde dabei durch Hebelarmkurven <strong>für</strong> Wellenberg <strong>und</strong><br />

Wellental erfasst. Dies führte zur Stabilitätsvorschrift der deutschen B<strong>und</strong>esmarine, die<br />

auf der Auswertung <strong>von</strong> Modellversuchen im natürlichen Seegang beruht. Eine weitere<br />

Entwicklung dieser Denkrichtung stellte der <strong>von</strong> Blume, Wagner <strong>und</strong> Hormann entwickelte<br />

C- Faktor dar, der heute noch im Intaktstabilitätscode empfohlen wird. Man hatte bei<br />

der Entwicklung der Containerschiffe erkannt, dass wegen neuer Abmessungen der Schiffe<br />

zusätzliche Stabilitätskriterien benötigt würden, <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Modellversuchen im<br />

unregelmäßigen, langkämmigen Seegang wurden statische Kenterkriterien entwickelt, die<br />

1 Heute wissen wir, dass sich der Trimm nach vorne durch die Gleichgewichtslagen bei geneigtem Schiff ergibt.<br />

2 Später wurden solche Versuche auch in der Eckernförder Bucht <strong>und</strong> in den USA <strong>von</strong> Kastner <strong>und</strong> Paulling in<br />

der San Francisco <strong>und</strong> Cheasapeake Bay durchgeführt.<br />

38


sich an der Glattwasserhebelarmkurve festmachen.<br />

Die andere Denkrichtung sah die Lösung der Probleme eher in der besseren Erfassung dynamischer<br />

Effekte im Seegang (<strong>Grim</strong>, Söding). <strong>Grim</strong> erkannte bereits 1961 die f<strong>und</strong>amentale<br />

Bedeutung parametrisch erregter Rollschwingungen im längslaufenden unregelmäßigen<br />

Seegang. Im Gegensatz zur damals üblichen Ansicht vertrat <strong>Grim</strong> <strong>von</strong> vorneherein<br />

die Auffassung, dass der unregelmäßige Seegang <strong>für</strong> das Schiff der kritischste Fall sein<br />

müsse. Liest man die berühmte Arbeit ’Beitrag zum Problem der Sicherheit des Schiffes<br />

im Seegang’ aufmerksam, dann stellt man fest, dass <strong>Grim</strong> schon damals alle wesentlichen<br />

Dinge klar erkannte. Im Gegensatz dazu haben sich vor allem in der angelsächsischen<br />

Welt bis heute hartnäckig Berechnungsverfahren <strong>für</strong> das Kentern <strong>von</strong> <strong>Schiffen</strong> mit der Mathieu’schen<br />

Diffrentialgleichung gehalten, obwohl diese eine Linearierung des Stabilitätsmonmentes<br />

bezüglich des Anfangs- GMs voraussetzt. Dabei hatte <strong>Grim</strong> 1961 glasklar aufgeschrieben:<br />

’ Die Bewegungsgleichungen ... sind rheolinear <strong>und</strong> die Gesetzmäßigkeit, die<br />

zwischen ∆MG <strong>und</strong> der Wellenform entsteht, ist nicht linear. Es ist daher nicht möglich,<br />

die Bewegungsgleichung anzuwenden, um die durch die Stabilitätsänderung erzeugte Bewegung<br />

des Schiffes im natürlichen, unregelmäßigen Seegang zu studieren.’ Mit der letzten<br />

Äußerung musste <strong>Grim</strong> sich damals zwangsläufig mit Kerwin anlegen. Dieser hatte ebenfalls<br />

die Bewegung des Schiffes im Seegang studiert, aber in einer regelmäßigen Welle: In<br />

seiner berühmten Arbeit ’Notes on rolling in longitudinal waves’ heißt es: ’However, the<br />

sea is never completely regular, and for this application this is probably a very fortunate<br />

fact. While conducting the experiments, three important properties were noted: First, that<br />

the resonance regions were extremely narrow, second, that the motion took several h<strong>und</strong>red<br />

swings to build up, and third, that if the phase of the motion was disturbed, it would damp<br />

out to zero and then build up again in the correct phase. It certainly does not seem possible<br />

that in an actual seaway a ship could encounter 200 waves whose period and phase did not<br />

vary more than 2 or 3 per cent. This would indicate that the solution for a regular sea<br />

is not of practical interest.’ <strong>Grim</strong> bemerkte dazu dagegen folgendes: ’Es ist <strong>von</strong> Kerwin<br />

im Modellversuch festgestellt worden, dass die durch eine periodische Stabilitätsänderung<br />

erzeugte Rollschwingung sehr rasch kleiner wird, wenn eine Störung in der Erregung eintritt,<br />

d. h. wenn der harmonische Verlauf der Stabilitätsänderung unterbrochen wird. Da<br />

im natürlichen Seegang die Stabilitätsänderung nicht harmonisch verläuft, könnte gedacht<br />

werden, dass keine nennenswerte Rollbewegung hierdurch erzeugt werden kann <strong>und</strong> eine<br />

Untersuchung dieser Möglichkeit daher ohne Interesse ist. Es können aber zwei Argumente<br />

vorgebracht werden, die dagegen sprechen:<br />

a) Das Spektrum der Amplitude ηeff .. [gemeint ist die Amplitude der Ersatzwelle, Annm.<br />

d. Autors] ist schmal, d. h. der Verlauf der Stabilitätsänderung ist auch im natürlichen<br />

Seegang nicht weit vom harmonischen entfernt.<br />

b) Wenn eine periodische Stabilitätsänderung zusammentrifft mit einem konstanten Krängungsmoment<br />

(etwa durch den Winddruck erzeugt) oder mit einem durch schräg laufende<br />

Wellen erzeugtem Moment, kann schon nach sehr kurzer Zeit eine starke Rollbewegung aufgeschaukelt<br />

werden.’ Heute wissen wir nach vielen Modellversuchen <strong>und</strong> Berechnungen,<br />

dass <strong>Grim</strong> mit seinen Vorstellungen uneingeschränkt Recht hatte, <strong>und</strong> dass in a) <strong>und</strong> b)<br />

schon eine brilliante Beobachtungsgabe steckt. <strong>Grim</strong> mag dabei zu Gute gekommen sein,<br />

dass er aufgr<strong>und</strong> seines Arbeitsumfeldes in die Bearbeitung praktischer Probleme eingeb<strong>und</strong>en<br />

war, denn es war (<strong>und</strong> ist) eine unbestreitbare Tatsache, dass Schiffe im achterlichen<br />

Seegang kentern können, auch wenn (oder gerade weil) der Seegang ein natürlicher ist.<br />

Weil die Schiffe alle mit sehr wenig Stabilität fuhren, war <strong>von</strong> vorneherein klar, dass speziell<br />

auf dem Wellenberg die Stabilität vollkommen abgebaut werden konnte, dann konnte<br />

man natürlich keine linearisierte Rollschwingung mehr ansetzen, das war <strong>Grim</strong> vollkommen<br />

klar. Aus praktischer Sicht spielte es <strong>für</strong> eine Rollschwingung - bei gegebener Amplitude -<br />

schon eine wichtige Rolle, ob man 50 Rollzyklen braucht oder nur 5, um diese Amplitude zu<br />

erreichen. Weiterhin erkennt man nach dem Studium <strong>von</strong> entsprechenden Modellversuchen<br />

sofort, dass man in regelmäßigen Wellen auch deswegen viel schwerer kentern kann als in<br />

39


unrelgelmäßigen Wellen, weil bei großer Neigung immer ein Wellenberg an den Schiffsenden<br />

vorhanden ist, der das Schiff wieder aufrichtet. Erst wenn dieser aufrichtende Berg einmal<br />

nicht mehr (in der Höhe) da ist, kentert das Schiff, wie wir heute wissen. Ein weiterer<br />

Punkt, den <strong>Grim</strong> damals nicht erwähnte ist die heute nach vielen Rechnungen bekannte<br />

Tatsache, dass das Schiff im Seegang seine Rolleingenfrequenz massiv ändert, <strong>und</strong> dass auch<br />

dadurch Spektrum scheinbar schmal wird. Summa summarum kommt heraus, dass <strong>Grim</strong><br />

alle wesentlichen Fakten in seiner Arbeit <strong>von</strong> 1961 schon klar formuliert <strong>und</strong> vorausgesehen<br />

hat.<br />

Abbildung 2: Messungen zum Aufrichthebel in der Welle durch Wendel et al.<br />

Um auf das Modell der Ersatzwelle zu kommen, war es einmal - wie <strong>Grim</strong> klar formuliert<br />

hat - nötig, eine Gesetzmäßigkeit <strong>für</strong> das sich periodisch ändernde Stabilitätsmoment zu<br />

finden. Dabei war <strong>Grim</strong> nicht entgangen, dass Wendel an vergleichbaren Fragestellungen<br />

geforscht hatte, denn es war spätestens nach dem Kentern der SS IRENE OLDENDORFF<br />

1950 in der Deutschen Bucht in Deutschland bekannt, dass achterlicher Seegang die Stabilität<br />

des Schiffes signifikant herabsetzen kann. Wendel, Abels, Kastner, Roden <strong>und</strong> Arndt<br />

haben nun durch Modellversuche (basierend auf der Technik <strong>von</strong> <strong>Grim</strong>) nachgewiesen,<br />

dass das Stabilitätsmoment in einer bekannten Welle mit ausreichender Genauigkeit auf<br />

die Berechnung eines hydrostatischen Aufrichthebels in dieser Welle zurückgeführt werden<br />

konnte. Dies erscheint uns heute trivial, denn wir sind mit der Berechnung <strong>von</strong> Wellenberg<strong>und</strong><br />

Wellentalhebeln groß geworden. Selbstverständlich ist das aber nicht, <strong>und</strong> es ist aus<br />

Sicht der <strong>Schiffssicherheit</strong> eine sehr wesentliche Entwicklung, die vielleicht nicht ausreichend<br />

gewürdigt worden ist.<br />

Nun hatte die Stabilitätsgruppe um Wendel aus dieser Erkenntnis aber den Schluss gezogen,<br />

dass allein die statische Berechnung <strong>von</strong> Aufrichthebeln - auch im Seegang - das Kenterproblem<br />

lösen würde, <strong>und</strong> man sah folgerichtig eher die statische Erfassung der krängenden<br />

<strong>und</strong> aufrichtenden Momente als Schlüssel zum Erfolg an. Die eigentliche Dynamik des<br />

Kenterns wurde eher vernachlässigt, auch wenn Wendel et. al. mit den Modellversuchen<br />

zum Kentern der Lohengrin (1963) eine Art dynamische Lösung <strong>für</strong> das Kenterproblem<br />

vorgelegt hatten. Inzwischen war nämlich durch die die Arbeiten <strong>von</strong> Pierson <strong>und</strong> St. Denis<br />

eine mathematische Beschreibung des natürlichen Seegangs als Zufallsereignis möglich<br />

geworden. Dabei wurde der natürliche Seegang aus vielen (deterministischen) Einzelkom-<br />

40


ponenten beschrieben, die aber mittels einer rein zufälligen Phasenlage überlagert werden.<br />

Dies machten sich Wendel et. al zunuzte, um aus Modellversuchen im natürlichen Seegang<br />

Kenterwahrscheinlichkeiten zu berechnen.<br />

Diese Entwicklungen bildeten nun den Rahmen <strong>für</strong> die <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> entwickelte Ersatzwelle:<br />

Auf der einen Seite stand die mathematische Beschreibung der Wasseroberfläche des<br />

natürlichen Seegangs. Am Ende stand die Tatsache, dass das Stabilitätsmoment in einer<br />

bekannten Welle aus dem hydrostatischen Aufrichthebel in dieser Welle berechnet werden<br />

konnte. Nun stellt die Ersatzwelle nach <strong>Grim</strong> genau die Verbindung zwischen diesen beiden<br />

Polen dar: <strong>Grim</strong> gelang es, die mathematische Darstellung des natürlichen Seegangs in der<br />

Umgebung des Schiffes (etwa <strong>von</strong> 0 bis L) in eine regelmäßige Ersatzwelle zu überführen,<br />

die mit guter Genauigkeit zum gleichen Stabilitätsmoment führt wie der natürliche Seegang.<br />

Diese Ersatzwelle ist durch ihre Länge, Amplitude <strong>und</strong> Phasenlage gekennzeichet.<br />

Hat man diese Ersatzwelle einmal gef<strong>und</strong>en, ergibt sich durch eine einfache hydrostatische<br />

Rechnung in dieser Welle sofort das Stabilitätsmoment. Das ist derartig einleuchtend, dass<br />

es uns heute nahezu trivial erscheint. Aus heutiger Sicht ermöglicht uns aber die Ersatzwelle<br />

nach <strong>Grim</strong> auf extrem effiziente (das heißt schnelle) Weise, das Stabilitätsmoment im<br />

Seegang <strong>für</strong> nahezu beliebig komplizierte Seegänge (diese bestehen dann aus beliebig vielen<br />

Einzelkomponenten) berechnen zu können. Alle Verfahren, die nicht auf die Ersatzwelle<br />

nach <strong>Grim</strong> zurückgreifen, verbrauchen bei dieser Fragestellung enorme Mengen an Rechenzeit,<br />

was entweder auf die Rechenzeit des Problems oder auf eine starke Vereinfachung des<br />

Seegangs hinausläuft.<br />

Abbildung 3: Prinzip der Ersatzwelle nach <strong>Grim</strong>, <strong>Grim</strong> 1961<br />

Trotz ihrer bestechenden Konsequenz wurde nach Auffassung des Autors die Bedeutung<br />

dieser Entwicklung zunächst nicht erkannt, <strong>und</strong> vermutlich auch <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> nicht. Das mag<br />

daran gelegen haben, dass es ohne geeignte rechnergestützte Verfahren nicht möglich gewesen<br />

ist, die Entwicklung nutzbringend anzuwenden. Es war ja schon extrem aufwändig,<br />

überhaupt Pantokareren zu berechnen, <strong>und</strong> das <strong>Grim</strong>sche Verfahren eignete sich praktisch<br />

nicht <strong>für</strong> eine Handrechnung. Gleichzeitig schien der praktische Nutzen zunächst nicht besonders<br />

groß, <strong>und</strong> auch <strong>Grim</strong> erwähnt in seinem Schlusswort lediglich Folgendes: ’Schließlich<br />

sollte diese Arbeit zeigen, wie wertvoll die Kenntnis des natürlichen Seegangs auch <strong>für</strong><br />

die Beurteilung der Sicherheit des Schiffes ist <strong>und</strong> dass es notwendig ist, möglichst umfangreiches<br />

statistisches Material über diesen natürlichen Seegang zu sammeln.’<br />

Und so wurde diese Entwicklung zunächst nicht weiterverfolgt. Nachdem auch mit der Entwicklung<br />

der BV 1033 <strong>für</strong> die Deutsche B<strong>und</strong>esmarine das Wendelsche Konzept der Stabilitätsbilanzen<br />

einen Eingang in die Stabilitätswelt gefinden hatte, wurde an Stabilitätsfragen<br />

eine zeitlang deutlich weniger geforscht. Das änderte sich erst mit dem Aufkommen der<br />

ersten Containerschiffe, als man den Verdacht hatte, dass die bisherigen Stabilitätsregeln<br />

nicht ausreichend waren. Das Stabilitätsproblem im Seegang rückte erneut in den Fokus,<br />

41


es wurden viele gr<strong>und</strong>legende Untersuchungen angestellt, die letztlich zur Verabschiedung<br />

des C- Faktors führten, allerdings nur als Empfehlung innerhalb des Intaktstabilitätscodes.<br />

Diese Untersuchungen basierten auf Kenterversuchen der HSVA, <strong>und</strong> hier sind die Namen<br />

Blume, Hattendorff, Wagner <strong>und</strong> Horrmann zu nennen. Modellversuche hielt man damals<br />

<strong>für</strong> das Mittel der Wahl, weil man numerische Berechnungen <strong>für</strong> nicht ausreichend zuverlässig<br />

hielt. 3 Es wurden aus diesen Entwicklungen aber ganz wesentliche Erkenntnisse<br />

generiert, die uns bei der unten geschilderten Entwicklung helfen werden.<br />

Für die weitere Entwicklung ist wiederum ein realer Stabilitätsunfall entscheidend: 1986<br />

kenterte das Containerschiff E.L.M.A. TRES vor der Küste Brasiliens. Alle Besatzungsmitglieder<br />

bis auf den Ladungsoffizier kamen dabei ums Leben. Zur Untersuchung des<br />

Unfallhergangs wurde Prof. Söding mit einem Gutachten beauftragt. Dazu entwickelten<br />

Söding <strong>und</strong> Kröger ein Rechenprogramm - ROLLS - welches die Idee der <strong>Grim</strong>schen Ersatzwelle<br />

aufgriff. ROLLS verwirklicht dabei die ursprünglich <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> entwickelte Idee,<br />

die Rollerregung im Seegang in ein Stabilitätsmoment aufzuteilen (das mit Hilfe der Ersatzwelle<br />

berechnet wird) <strong>und</strong> einem direkten Rollmoment (entspricht der schräg verlaufenden<br />

Komponente nach <strong>Grim</strong>), welches mittels der Streifenmethode berechnet wird. Weiterhin<br />

werden alle <strong>für</strong> die Rollbewegung relevanten Kopplungsterme berechnet. ROLLS ist also<br />

die konsequente numerische Umsetzung der <strong>Grim</strong>’schen Ideen nebst einigen wesentlichen<br />

Verbesserungen, die Söding angebracht hat. Die Entwicklung dieser Methode war <strong>für</strong> die<br />

Entwicklung der <strong>Schiffssicherheit</strong> ein richtig großer Wurf, wie ich schon in meinem Beitrag<br />

zum Festkolloquium 75 Jahre Prof. Söding ausgeführt habe. Es gelang damit nicht nur, die<br />

<strong>Grim</strong>’schen Annahmen in allen Punkten zu validieren, sondern es war damit überhaupt<br />

erst möglich, sicherheitstechnische Untersuchungen im großen Stil durchzuführen. Um den<br />

Umfang dieses Aufsatzes nicht über Gebühr anschwellen zu lassen, verweise ich auf meinen<br />

Beitrag zur Festschrift 75 Jahre Prof. Söding, in dem ich eine auf den Entwicklungen <strong>von</strong><br />

<strong>Grim</strong> <strong>und</strong> Söding basierende Methode angegeben habe, aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> numerischen Berechnungen<br />

mit ROLLS einen Kenterindex <strong>für</strong> Schiffe angeben zu können, mittels dessen man<br />

eine Bestimmung der nötigen Stabilität vornehmen kann. Diesen möchte ich im folgenden<br />

<strong>für</strong> den praktischen Gebrauch weiter vereinfachen.<br />

Ein praktisches Versagenskriterium im längslaufenden Seegang<br />

Kenterrate<br />

Definitiv Sicher Definitiv Unsicher<br />

H Lim<br />

sign. Wellenhöhe H1/3<br />

Abbildung 4: Prinzip des Versagenskriteriums als Sprungfunktion<br />

Betrachtet werde ein Schiff im natürlichen (unregelmäßigen <strong>und</strong> kurzkämmigen) Seegang.<br />

Dieser komme etwa <strong>von</strong> achtern <strong>und</strong> sei beschrieben durch die kennzeichnende Periode<br />

T1 <strong>und</strong> die signifikante Wellenhöhe H1/3. Betreibt man nun in diesem Seegang ein Schiff<br />

oder Modell etwa an seiner Stabilitätsgrenze, dann ist es wahrscheinlich, dass dieses Schiff<br />

(oder Modell) in diesem Seegang kentert. Für das Modell wäre es möglich, diesen Versuch<br />

beliebig oft zu wiederholen, <strong>und</strong> jeweils die Zeit zu messen, bis das Kentern eintritt.<br />

3 Heute wissen wir, dass es genau umgekehrt ist: Wegen der Ersatzwelle nach <strong>Grim</strong> können wir heute mit Leichtigkeit<br />

beliebige natürliche Seegänge rechnen, was wir im Modellversuch eben versuchtechnisch nicht hinbekommen.<br />

42


Daraus kann man eine mittlere Kenterrate bestimmen, die man in Kenterungen je Begegnungsperiode<br />

angeben kann. Das haben Kastner <strong>und</strong> Roden in den sechziger Jahren so mit<br />

Modellen durchgeführt. Heute kann man solche Modellversuche durch numerische Simulationen<br />

ersetzen <strong>und</strong> die während der Simulationen aufgetretenen Kenterungen zählen, um<br />

die Kenterrate ermitteln zu können. 4 Wenn man nun die signifikante Wellenhöhe bei sonst<br />

gleichem T1 herabsetzt, dann findet man heraus, dass dieses auch die Kenterrate reduziert.<br />

5 Unterhalb einer bestimmten (signifikanten) Wellenhöhe wird man irgendwann kein<br />

Kentern mehr feststellen können. Das liegt daran, dass Modellversuchszeiten endlich sind<br />

<strong>und</strong> dass auch in Simulationen nicht beliebig lange gerechnet werden kann. In der Theorie<br />

würde das Schiff aber irgendwann kentern, wenn nur der Betrachtungszeitraum ausreichend<br />

lang wäre. Daher kann man mit dem Verfahren <strong>von</strong> Söding in künstlich überhöhten<br />

Wellen noch Kenterraten in geringen Wellenhöhen bestimmen, wenn man diese durch Extrapolation<br />

aus Simulationen in höheren Wellen gewinnt. Bei sehr geringen Wellenhöhen<br />

geht die Kenterrate dann praktisch gegen 0. Umgekehrt geht die Kenterrate irgendwann<br />

gegen 1, nämlich dann, wenn das Schiff in jeder Welle des Seeganges kentern würde. Aus<br />

solchen Berechnungen erhält man den in Abb. 1 gezeigten prinzipiellen Verlauf der Kenterrate<br />

über der signifikanten Wellenhöhe H1/3 (durchgezogene dicke Linie). Nun haben<br />

mehrere Autorengruppen unabhängig <strong>von</strong>einander gef<strong>und</strong>en (Kastner <strong>und</strong> Roden 1963,<br />

Kastner <strong>und</strong> Paulling 1971, Krüger <strong>und</strong> Billerbeck 2003), dass der Verlauf der Kenterrate<br />

ausgehend <strong>von</strong> geringen Wellenhöhen zunächst nur ganz gering ansteigt, dann aber ab<br />

einer bestimmten Wellenhöhe sprunghaft sehr große Werte annimmt. 6 Dieser sprunghafte<br />

Anstieg der Kenterrate existiert nicht nur dann, wenn man die Wellenhöhe vergrößert,<br />

sondern auch dann, wenn man bei gegebener Wellenhöhe systematisch die Stabilität reduziert.<br />

Nimmt man nun in Kauf, dass ein gewisses Restrisiko beim Kentern unvermeidlich<br />

ist, weil es sich um statistisches Problem handelt, dann erscheint es aus technischer Sicht<br />

zulässig, dass sich ein Schiff immer ausreichend weit links des sprunghaften Anstieges der<br />

Kenterrate befinden muss. Aus Abb. 4 wird ersichtlich, dass es zulässig ist, den Verlauf der<br />

Kenterrate gr<strong>und</strong>sätzlich durch eine Sprungfunktion zu ersetzen (dick gestrichelte Kurve),<br />

wobei es aus technischer Sicht auch legitim ist, eine gewisse Sicherheitsreserve vorzusehen<br />

(dünn gestrichelte Kurve). 7 Dagegen mag man nun einwenden, dass ein Schiff auch in<br />

Grenzsituationen noch eine ausreichende Sicherheit haben muss, <strong>und</strong> dass es sehr schwierig<br />

ist, eben diese Grenzsituation zu ermitteln. Diesem Argument steht aus praktischer<br />

Sicht entgegen, dass wir keinen einzigen realen Kenterunfall haben finden können, der sich<br />

tatsächlich in einer solchen Grenzsituation 8 ereignet hat. Alle <strong>von</strong> uns untersuchten Kenterunfälle<br />

lagen bezüglich der Kenterraten (bis auf SS IRENE OLDENDORFF) tatsächlich<br />

im stark aufsteigenden Ast derselben. Bei SS IRENE OLDENDORFF lag der Auslaufzustand<br />

des Schiffes tatsächlich in einer Grenzsituation leicht links des steilen Anstieges, es<br />

traten während der Reise aber eine Reihe <strong>von</strong> Umständen ein, welche die Stabilität soweit<br />

vermindert haben, dass der eigentliche Unfall dann wieder im deutlich aufsteigenden<br />

Ast der Kurve stattfand. Daher zeigt auch dieser Unfall, dass es aus praktischer Sicht<br />

nicht sinnvoll ist, solchen Grenzzuständen eine übermäßige Bedeutung beizumessen, denn<br />

der eigentliche Kenterunfall wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in diesem Ast des steilen<br />

Anstieges stattfinden. Setzt man dies prinzipiell voraus, dann ist es aus praktischer Sicht<br />

zulässig, den Verlauf der Kenterrate durch eine Sprungfunktion zu idealisieren, die dann<br />

4 Es ist in mehreren öffentlich geförderten Vorhaben durch Billerbeck <strong>und</strong> Hennig eindeutig nachgewiesen worden,<br />

dass die Simulation mit ROLLS im längslaufenden Seegang mindestens so gut ist wie ein Modellversuch.<br />

5 Dazu muss vorausgesetzt werden, dass sowohl die Modellversuche als auch die Berechnungen so vernünftig<br />

gemacht werden, dass die Ergebnisse nicht <strong>von</strong> der zufälligen Anfangsbedingung abhängen. Das ist im natürlichen<br />

Seegang erheblich einfacher als in künstlichen Seegängen wie regelmäßigen oder rein langkämmigen Wellen.<br />

6 Dabei setzen wir voraus, dass der Versagensmodus im wesentlichen durch Stabilitätsversagen kombiniert mit<br />

Hebelarmschwankungen determiniert wird, so wie es <strong>für</strong> achterlichen Seegang etwa an der Stabilitätsgrenze des<br />

Schiffes bekannt ist.<br />

7 Der Ordinatenwert des idealisierten Anstiegs der Kenterrate lässt sich durch die Auswertung realer Unfälle<br />

sowie durch die Auswertung akzeptierter Stabilitätsstandards gewinnen, siehe dazu auch unten.<br />

8 Das wäre der Bereich <strong>von</strong> Kenterraten (oder Wellenhöhen) in Abb. 1, der zwischen sicher <strong>und</strong> unsicher liegt.<br />

43


nur noch zwischen den Zuständen sicher <strong>und</strong> unsicher unterscheidet. Dadurch wird das Problem<br />

erheblich vereinfacht, weil die Sprungfunktion jetzt nur noch durch die limitierende<br />

signifikante Wellenhöhe Hlim determiniert wird. Unterhalb <strong>von</strong> Hlim gilt das Schiff als sicher,<br />

oberhalb da<strong>von</strong> als unsicher. Damit kommt es im Folgenden nur noch darauf an, diese<br />

limitierende Wellenhöhe Hlim zu bestimmen. Dies ist prinzipiell leicht durch numerische Simulationen<br />

möglich, wie mehrere Autoren (Söding, Krüger, Billerbeck, Pereira, Kluwe oder<br />

Shigunov) gezeigt haben. Dabei können verschiedene Ansätze Verwendung finden: Manche<br />

Autorengruppen (Söding, Shigunov, Pereira) berechnen direkt die Kenterraten <strong>und</strong> ermitteln<br />

daraus die Grenze, ohne explizit auf eine limitierende Wellenhöhe einzugehen. Andere<br />

benutzen das <strong>von</strong> Blume aufgestellte Restflächenkriterium, um die Rechenzeit abzukürzen<br />

oder nehmen direkt einen bestimmten Rollwinkel in langen Simulationszeiten (Billerbeck,<br />

Kluwe, Krüger). Unabhängig <strong>von</strong> der gewählten Methode kommen aber alle Autorengruppen<br />

im Prinzip zu den gleichen Gr<strong>und</strong>ergebnissen. Damit ist spätestens seit 2005/6 ein<br />

konsolidierter Stand erreicht, so dass die Lösung des Kenterproblems auf numerischem<br />

Wege zweifelsfrei gelingt <strong>und</strong> auch Anwendung findet.<br />

Das Prinzip des Insufficient Stability Event Index - ISEI<br />

In der derzeitigen Konzeption der <strong>Schiffssicherheit</strong> steht weniger die Frage der Bewertung<br />

einer bestimmten Seegangssituation im Vordergr<strong>und</strong>, sondern wir möchten eine Grenzkurve<br />

<strong>für</strong> die Stabilität des Schiffes angeben, die mit den Kurven der bekannten Kriterien in<br />

Einklang zu bringen ist <strong>und</strong> die diese ggf. um einen weiteren Versagensmodus ergänzt.<br />

Dabei möchten wir das bereits <strong>für</strong> ältere Schiffe bewährte Sicherheitsniveau der derzeitigen<br />

Regeln fortschreiben. Dazu reicht es nicht mehr aus, eine einzelne Seegangssituation zu<br />

betrachten, sondern es muss sozusagen das gesamte Potential an gefährlichen Situationen<br />

bewertet werden. Um dies zu erreichen, hat Kluwe den sogenannten Insufficient Stability<br />

Event Index (kurz ISEI) eingeführt, der wie folgt definiert ist:<br />

� ∞ � ∞ � π � vmax<br />

ISEI =<br />

psea(H1/3, T1) · pµ(µ) · pv(vs | H1/3, T1, µ)·<br />

T1=0 H1/3=0 µ=−π vs=0<br />

(1)<br />

Cfail(H1/3, T1, µ, vs) · dvs · dµ · dH1/3 · dT1<br />

cfail entspricht dabei der Verteilungsfunktion des Versagens im Seegang mit H1/3, T1, die<br />

nach obigen Überlegungen wie folgt definiert ist:<br />

�<br />

0<br />

Cfail(H1/3, Hlim | T1, µ, vs) =<br />

1<br />

if<br />

if<br />

H1/3 < Hlim<br />

H1/3 ≥ Hlim<br />

(2)<br />

CF ail könnte aus einer numerischen Bestimmung <strong>von</strong> Kenterraten gewonnen werden, es<br />

kann aber auch die oben beschriebene Sprungfunktion sein, die Ergebnisse sind im Prinzip<br />

bezüglich ihrer Aussage <strong>für</strong> unsere Zwecke vergleichbar. Alle anderen Größen sind Auftretenswahrscheinlichkeiten<br />

der wichtigsten Parameter. Nun kommt es im wesentlichen<br />

darauf an, die sogenannte limitierende Wellenhöhe <strong>für</strong> die charakteristische Sprungstelle<br />

der Sprungfunktion zu finden. Das kann man - wie ich bereits im Aufsatz zu 75 Jahre<br />

Prof. Söding ausgeführt habe, durch numerische Simlationen mit der Methode ROLLS (also<br />

Ersatzwelle nach <strong>Grim</strong> plus direkte Rollmomente) machen. Man erhält als Ergebnuis <strong>für</strong><br />

jeden Kurs <strong>und</strong> jede Geschwindigkeit eine solche limitierende Wellenhöhe H1/3 <strong>für</strong> jeden<br />

aus T1 angenommenen Seegang. Die daraus entstehende Grenzfläche kann man in Form<br />

<strong>von</strong> sogenannten Polardiagrammen darstellen <strong>und</strong> dannn auswerten. Daraus gewinnt man<br />

den ISEI- Wert <strong>für</strong> einen bestimmten Beladungszustand, <strong>und</strong> nach Vergleich mit einem<br />

Grenzwert lässt sich daraus das nötige KG (oder GM) ermitteln, welches das Schiff fahren<br />

muss. Damit wäre das Problem im Prinzip gelöst, aber das Verfahren wäre aus klassifikatorischer<br />

Sicht nicht akzeptabel, weil es allein auf numerischen Simulationen beruht.<br />

44


Daher wird im folgenden ein deutlich vereinfachter Ansatz <strong>für</strong> den Versagenskoeffizienten<br />

CF ail aufgezeigt, der sozusagen einen Ersatz <strong>für</strong> die mit der Ersatzwelle durchgeführten<br />

Berechnungen darstellt (hier schließt sich der Kreis wieder).<br />

Vereinfachter Berechnungsansatz<br />

Abbildung 5: Prinzip der Bestimmung <strong>von</strong> Hlim aus den Hebelarmkurven <strong>für</strong> Wellenberg <strong>und</strong><br />

Wellental (links) sowie aus einer direkten Berechnung (rechts)<br />

Nun ist es <strong>für</strong> die allgemeine Anwendung unerläßlich, ein alternatives Versagenskriterium<br />

anzugeben, welches ohne Simulationen auskommt, aber trotzdem die relevanten Effekte<br />

brauchbar abbildet. Dazu muss ein Zusammenhang zwischen den wichtigsten Stabilitätsgrößen<br />

des Schiffes <strong>und</strong> der limitierenden Wellenhöhe Hlim hergestellt werden. Als die<br />

wichtigsten Größen wurden in der Vergangenheit die seegangsbedingten Schwankungen<br />

der Aufrichthebel sowie das Verhältnis der Rolleigenperiode im Seegang 9 zur Begegnungsperiode<br />

identifiziert. Es werden im Folgenden Aufrichthebel in einer Sinus- Ersatzwelle der<br />

Wellenlänge λ betrachtet, <strong>und</strong> zwar auf frei trimmender Basis. Der Zusammenhang zwischen<br />

der Wellenlänge der Ersatzwelle λ <strong>und</strong> der kennzeichnenden Periode des Seeganges<br />

T1 ergibt sich aus folgender Beziehung <strong>für</strong> Tiefwasserwellen:<br />

λ = g<br />

2π T 2 1<br />

Betrachtet werden die Wellenbergsituation (Wellenberg bei x = Lpp/2) sowie die Wellentalsituation<br />

10 (Wellenberg bei x = Lpp/2 + λ/2 ). Ein eventuelles Tauchen <strong>von</strong> Öffnungen<br />

wird bewusst nicht betrachtet, um die Physik nicht zu verfälschen. 11 Die Ersatzwelle habe<br />

die Wellenhöhe H. Eine Formulierung <strong>für</strong> die sogenannte limitierende Basiswellenhöhe<br />

Hlim,mean erhält man zunächst aus der in Abb. 5 dargestellten Energiebetrachtung, die<br />

im folgenden erläutert wird: Alle uns zugänglichen Modellversuche (Kastner <strong>und</strong> Roden<br />

1963, Kastner <strong>und</strong> Paulling 1971, Blume 1986, Billerbeck <strong>und</strong> Hennig 2006/2009) sowie<br />

alle <strong>von</strong> uns untersuchten Unfälle (siehe unten) haben eindeutig gezeigt, dass das Schiff<br />

immer auf dem Wellenberg kentert. Das muss nicht bedeuten, dass es sich dabei immer<br />

um reine Fälle <strong>von</strong> pure loss of stability handelt, sondern auch in jedem anderen Versagensmodus<br />

(parametrisches oder synchrones Rollen etc.) kentert das Schiff nach vorher<br />

angefachter Rollbewegung immer auf dem Wellenberg. Daher ist es zulässig, anzunehmen,<br />

dass das Kentern immer in der Wellenbergsituation eintritt, wenn dort ein bestimmter<br />

9 Es muss in diesem Zusammenhang unbedingt beachtet werden, dass das Schiff seine Rolleigenperiode im Seegang<br />

massiv ändert <strong>und</strong> dass daher die linearisierte Glattwasserrolleigenperiode auf keinen Fall verwendet werden<br />

darf.<br />

10 Es sei hierzu bemerkt, dass bewusst keine anderen Passierphasen der Welle betrachtet werden. Frühere Untersuchungen<br />

haben gezeigt, dass die Dynamik des Stampfens am besten abgebildet wird, wenn man Berg <strong>und</strong> Tal<br />

genau an die genannten Stellen legt <strong>und</strong> dann das Schiff frei trimmen lässt.<br />

11 Hier ist die dynamische Betrachtung im Widerspruch zur Hydrostatik, denn auch nicht wetterdichte Aufbauten<br />

bringen kurzfristig Aufrichthebel, wie alle untersuchten Unfälle gezeigt haben. Nicht geklärt ist noch, wie z. B.<br />

Decksladungen berücksichtgt werden müssen.<br />

45<br />

(3)


kritischer Winkel überschritten wird. Als sinnvolle Größe haben wir hier<strong>für</strong> einen Winkel<br />

<strong>von</strong> 40 Grad festgelegt 12 . Die Energie, die nötig ist, um diesen Winkel auf dem Wellenberg<br />

zu erreichen, entspricht der Fläche (einschließlich der eventuell negativen Anteile)<br />

unter der Wellenberghebelarmkurve bis dahin. Diese Fläche wird eindeutig bestimmt durch<br />

die Rumpfform des Schiffes sowie durch dessen Massenschwerpunkt. Durch den ständigen<br />

Wechsel zwischen Wellenberg- <strong>und</strong> Wellentalsituation wird dem Schiff periodisch Energie<br />

zugeführt. Diese dem Schiff zugeführte Energie kann als Differenzfläche der Hebelarmkurven<br />

Tal- Berg gedeutet werden. Alle ausgewerteten Modellversuche oder Simulationen <strong>von</strong><br />

Unfallsituationen haben nun eindeutig gezeigt, dass der Kentervorgang durch genannten<br />

Energieeintrag in das Schiff bei etwa aufrechter Lage beginnt, wobei dieser Energieeintrag<br />

durch die Differenzfläche Tal- Berg bis zu mäßigen Krängungswinkeln beschrieben werden<br />

kann. Als mäßigen Krängungswinkel haben wir 15 Grad 13 festgelegt. Dabei hängt diese<br />

Differenzfläche ausschließlich <strong>von</strong> der Rumpfform an <strong>und</strong> ist <strong>von</strong> der Stabilität an sich nahezu<br />

unabhängig. 14 Um nach unserer Modellvorstellung das Kentern zu verhindern, muss<br />

der Energieeintrag durch die periodisch wechselnde Stabilität bei mäßigen Winkeln kleiner<br />

sein als die Energie, die nötig ist, um auf dem Wellenberg den kritischen Winkel zu erreichen.<br />

Danach ergibt unsere Energiebilanz, dass die Differenzfläche zwischen Tal <strong>und</strong> Berg<br />

bis 15 Grad geringer sein muss als die auf dem Wellenberg vorhandene Fläche bis 40 Grad.<br />

Damit wird die auf dem Wellenberg benötige Stabilität bilanzartig mit dem in das Schiff<br />

durch die Hebelarmschwankungen eingetragenen Moment gleichgesetzt.<br />

ϕ e<br />

C L<br />

Abbildung 6: Prinzip der Erfassung der schräg laufenden Seegangskomponente(n).<br />

Nun wird die Seegangsenergie nicht nur durch den längslaufenden Seegang in das Schiff<br />

eingetragen, sondern auch durch etwaige Querkomponenten. Diese können durch einen<br />

Begegnungswinkel ungleich 0 oder einfach durch die Winkelstreuung der Welleneinfallsrichtung<br />

des natürlichen Seegangs erfolgen. Dieser Energiebeitrag kann näherungsweise<br />

dadurch erfasst werden, dass man zunächst den sich durch die Wellenschräge ergebenden<br />

(virtuellen) Krängungswinkel ϕe berechnet (vgl. Abb. 6: Dazu muss die gerade betrachtete<br />

Wellenhöhe H angesetzt werden, die Wellenlänge ergibt sich aus dem Begegnungswinkel <strong>für</strong><br />

die entstehende Querkomponente. Dieser Energiebeitrag ergibt sich dann näherungsweise<br />

als Fläche unter der Mittelwertkurve aus Wellenberg <strong>und</strong> Wellental bis zu diesem (virtuellen)<br />

Krängungswinkel ϕe. Daraus ergibt sich nun unsere vereinfachte Energiebilanz:<br />

A40Berg(H) = (A15T al(H) − A15Berg(H)) + AMittel(H, ϕe) (4)<br />

Dies ist eine eindeutige Bestimmungsgleichung <strong>für</strong> die limitierende Basiswellenhöhe Hlim,mean,<br />

denn die Gleichung kann <strong>für</strong> H = Hlim,mean eindeutig erfüllt werden. 15 Nun ist in dieser<br />

Betrachtungsweise noch keine Dynamik enthalten. Daher muss die limitierende Basiswellenhöhe<br />

noch <strong>für</strong> dynamische Effekte korrigiert werden. Aus allen Modellversuchen <strong>und</strong><br />

manchen Unfällen ist bekannt, dass die Resonanzen (1:1 <strong>und</strong> 2:1) besonders gefährlich sind,<br />

12 Dieser Wert ergab sich aus allen <strong>von</strong> uns untersuchten Unfällen.<br />

13 Dieser Winkel ergab die beste Korrelation mit den Ergebnissen der direkten numerischen Simulation.<br />

14 Wenn man den Einfluss des Höhenschwerpunktes auf den Trimm vernachlässigt.<br />

15 Man kann gegen diese Energiebilanz einwenden, dass die Rolldämpfung nicht berücksichtigt wird. Unsere<br />

Simulationen haben aber gezeigt, dass die limitierende Wellenhöhe einigermaßen unabhängig <strong>von</strong> der Rolldämpfung<br />

ist, solange diese einen bestimmten Mindestwert nicht unterschreitet <strong>und</strong> keine zusätzlichen Maßnahmen wie Tanks<br />

oder Flossen verwendet werden. Deren Effekte könnten dadurch erfasst werden, dass man anstelle des vereinfachten<br />

Versagenskriteriums auf direkte Berechnungen zurückgreift. Es erscheint aber fragwürdig, ob es generell zulässig<br />

ist, Stabilität gegen Rolldämpfung tauschen zu dürfen.<br />

46


weil wegen der Resonanz der Energieeintrag in das Schiff viel leichter in Bewegung umgesetzt<br />

wird. Es ist daher offensichtlich, dass die ertragbare Wellenhöhe Hlim vom Verhältnis<br />

der Rolleigenperiode zur Begegnungsperiode abhängen muss. Daher muss die limitierende<br />

Basiswellenhöhe Hlim,mean noch um einen Dynamikfaktor korrigiert werden, um die<br />

endgültige limitierende Wellenhöhe Hlim zu erhalten. Um diesen Zusammenhang herstellen<br />

zu können, ist es nützlich, die Verhältnisse weiter zu vereinfachen: Sowohl aufgr<strong>und</strong><br />

theoretischer Überlegungen als auch aufgr<strong>und</strong> der Auswertungen der Kenterunfälle ergibt<br />

sich eindeutig, dass der nachlaufende Seegang die bestimmende Situation ist, wenn es um<br />

die Frage der Mindeststabilität im Seegang geht. Das liegt an zwei wesentlichen Gründen:<br />

Zum einen sind die Begegnungsperioden lang, so dass das Schiff ausreichend lange auf dem<br />

Berg verbleiben kann. Zum anderen fallen die kritischen Resonanzen genau dann in den<br />

achterlichen Seegang, wenn die Stabilität des Schiffes relativ gering ist. Daher beschränken<br />

wir uns <strong>für</strong> den vereinfachten ISEI genau auf den achterlichen Seegang. 16<br />

Aus dem Vergleich der durch numerische Simulationen gewonnenen limitierenden Wellenhöhe<br />

Hlim im achterlichen Seegang <strong>und</strong> der nach Gleichung 4 gewonnenen limitierenden<br />

Basiswellenhöhe Hlim,mean lässt sich durch Korrelation mit Simulationsergebnissen folgende<br />

Regressionsformel <strong>für</strong> die Periodenabhängigkeit der limitierenden Wellenhöhe gewinnen:<br />

Hlim − Hlim,mean<br />

Hlim,mean<br />

= C1 · sin(2π ωe<br />

− C2π) +<br />

ωs<br />

C3 · sin(π ωe<br />

− C4π) +<br />

ωs<br />

C5 · sin(C6π ωe<br />

− C7π) + C8<br />

Die Gleichung gilt <strong>für</strong> ωe/ωs < 2.8. Für ωe/ωs > 2.8 ist der Wert <strong>von</strong> 2.8 zu nehmen <strong>und</strong><br />

um das lineare Glied C9 · ωe zu ergänzen. Weitere Einzelheiten können der Originalarbeit<br />

ωs<br />

<strong>von</strong> Kluwe entnommen werden. Die Koeffizienten lauten wie folgt:<br />

C1 −4.257E − 01<br />

C2<br />

9.311E − 01<br />

C3 −1.807E − 01<br />

C4<br />

C5<br />

C6<br />

C7<br />

1.511E + 00<br />

4.578E − 01<br />

1.912E + 00<br />

7.773E − 01<br />

C8 −6.200E − 02<br />

C9<br />

2.318E − 02<br />

In Gleichung bedeuten ωe die Begegnungskreisfrequenz <strong>und</strong> ωs die effektive Rolleigenfre-<br />

quenz des Schiffes im gerade betrachteten Seegang. Diese ist nach folgender Formel zu<br />

bestimmen:<br />

� gGMeff<br />

ωs =<br />

(6)<br />

i<br />

Dabei bedeuten i der Rollträgheitsradius <strong>und</strong> GMeff das im gerade betrachteten Seegang<br />

effektive GM, bezüglich dessen das Rückstellmoment der Rollschwingung linearisiert werden<br />

muss: Als Hebelarmkurve wird das Mittel aus Wellenberg <strong>und</strong> Wellental verwendet,<br />

<strong>und</strong> dann wird nicht die Anfangssteigung der Kurve verwendet, sondern es wird bezüglich<br />

des Energieäquivalentes bis zu der Rollamplitude linearisiert, die betrachtet wird, also 40<br />

Grad (vgl. dazu auch Abb. 7, links). Kluwe <strong>und</strong> Krüger haben gezeigt, dass man mit diesem<br />

16 Mittels der alternativ durchführbaren direkten Berechnungen kann natürlich der volle Umfang aller Kurse<br />

betrachtet werden.<br />

47<br />

ωs<br />

(5)


Verfahren die kritischen Resonanzen im Seegang recht gut trifft. Damit sind nun alle <strong>für</strong><br />

die Berechnung der limitierenden Wellenhöhe nötigen Schritte erläutert.<br />

Abbildung 7: Prinzip der Bestimmung <strong>von</strong> GMeff nach dem Flächengleicheitsprinzip der Berg-<br />

Tal- Mittelwertkurve (links) sowie Abgleich der Simulationen mit dem vereinfachten Verfahren<br />

(rechts) durch Regression. Kluwe 2009<br />

Die Berechnung des ISEI (Insufficient Stability Event Index)<br />

Es wird nicht nur eine einzige Situation betrachtet, sondern es werden alle <strong>für</strong> das Schiff<br />

relevanten Situationen erfasst. Weil der Seegang durch die Angabe der Größen T1 <strong>und</strong><br />

H1/3 eindeutig definiert ist, muss lediglich deren statistische Verteilung bekannt sein. Wir<br />

verwenden hierzu die Global Seayway Statistics <strong>von</strong> Söding, in denen die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion<br />

dieser Größen <strong>für</strong> verschiedene Seegebiete tabelliert ist. Benutzt werden<br />

die Werte <strong>für</strong> den Nordatlantik, diese sind unten angegeben. Als Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion<br />

pv <strong>für</strong> die Geschwindigkeitsverteilung verwenden wir eine lineare Funktion, deren<br />

Funktionswert 0 ist bei der Geschwindigkeit 0 <strong>und</strong> 2 bei der Entwurfsgeschwindigkeit des<br />

Schiffes vdes:<br />

pv(vs) = 2<br />

vs<br />

vdes<br />

Das trägt der Tatsache Rechnung, dass das Schiff am wahrscheinlichsten mit seiner Entwurfsgeschwindigkeit<br />

betrieben wird, <strong>und</strong> dass es mit einer bestimmten Mindestgeschwindigkeit<br />

betrieben werden muss, um steuerfähig zu bleiben. Wir beschränken uns auf den<br />

achterlichen Seegang mit Begegnungswinkeln zwischen -60 <strong>und</strong> 60 Grad. Damit ergibt sich<br />

<strong>für</strong> die Berechnung des ISEI folgende einfache Rechenvorschrift:<br />

• Man bearbeitet jede relevante Periode T1 <strong>und</strong> ermittelt nach Gl. 3 die dazu gehörige<br />

Ersatzwellenlänge. Für diese berechnet man <strong>für</strong> verschiedene Wellenhöhen die Hebelarmkurven<br />

<strong>für</strong> die Berg- <strong>und</strong> - Talbedingung.<br />

• Daraus berechnet man die Fläche unter der Wellenbergkurve bis 40 Grad, die Differenzfläche<br />

Berg- Tal bis 15 Grad, die Fläche unter der Mittelwertkurve bis zur<br />

aktuellen Wellenschräge sowie das effektive GM der Mittelwertkurve bis 40 Grad<br />

GMeff.<br />

• Man wertet damit Gl. 4 aus <strong>und</strong> ermittelt die limitierende Basiswellenhöhe, <strong>für</strong> die<br />

die Gl. 4 erfüllt ist. Diese Basiswellenhöhe Hlim,mean gilt jetzt <strong>für</strong> alle Seegänge der<br />

kennzeichnenden Periode T1.<br />

• Nun berechnet man <strong>für</strong> jede Wellenhöhe aus dem vorher berechneten effektiven GMeff<br />

die zugehörige Rolleigenkreisfrequenz. Dazu wird <strong>für</strong> jede Geschwindigkeit die Begegnungskreisfrequenz<br />

berechnet <strong>und</strong> mit Gl. 5 wird aus der limitierenden Basiswellenhöhe<br />

Hlim,mean die individuelle limitierende Wellenhöhe Hlim berechnet.<br />

48<br />

(7)


• Liegt die gerade betrachtete Wellenhöhe unterhalb der limitierenden Wellenhöhe,<br />

dann ist das Schiff in dieser Situation sicher, <strong>und</strong> dieser Zustand liefert keinen Teilbeitrag<br />

zum ISEI.<br />

• Liegt die betrachtete Wellenhöhe über der limitierenden Wellenhöhe, dann ist das<br />

Schiff gefährdet <strong>und</strong> es wird die Wahrscheinlichkeitsdichte der Geschwindigkeit aus<br />

Gl. 7 sowie die des Seegangs aus Tabelle 1 ermittelt. Das Produkt aus pv <strong>und</strong> psee<br />

<strong>und</strong> pµ wird dann entsprechend zum ISEI aufintegriert. Dabei ist pµ durchgehend mit<br />

1/3 anzusetzen 17 .<br />

• Die Berechnung des ISEI mittels numerischer Simulationen erfolgt praktisch genau<br />

so: Man berechnet zuerst mittels numerischer Simulationen die Hüllfläche der limitierenden<br />

Wellenhöhen 18 <strong>und</strong> wertet diese dann nach dem gleichen Verfahren aus,<br />

man kann dann aber verschiedene Kurse berücksichtigen. Das Verfahren ist bewusst<br />

so angelegt, dass es im Normalfall kaum einen Unterschied zwischen der direkten<br />

Berechnung <strong>und</strong> der Näherungsformel geben sollte.<br />

Grenzwerte <strong>für</strong> den ISEI<br />

Fidamus<br />

ONR Flare<br />

OPEN TOP<br />

Lohengrin Irene Old.<br />

TOR MAG. Cougar Ace Marianne Wehr<br />

Halstenbek<br />

Hoheneichen<br />

Hohenlinden<br />

Wilhelm<br />

FINNBIRCH<br />

ISEI- Value [log10]<br />

1E+00<br />

1E-01<br />

1E-02<br />

1E-03<br />

1E-04<br />

1E-05<br />

1E-06<br />

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1<br />

GM<br />

1.2 1.4 1.6 1.8 2<br />

Full Scale Accidents Model Test Capsizings<br />

Definitively Unsafe<br />

Definitively Safe<br />

SINBAD<br />

ONR Tumble<br />

ARATERE<br />

Abbildung 8: ISEI- Werte als Funktion der Stabilität (ausgedrückt durch GM) <strong>für</strong> alle untersuchten<br />

Schiffe <strong>und</strong> Modelle.<br />

Der ISEI stellt definitionsgemäss einen Indexwert dar, welcher die Wahrscheinlichkeit bewertet,<br />

dass ein Schiff in dem untersuchten Stabilitätszustand voraussichtlich einen Stabilitätsunfall<br />

erleiden wird. Nun kommt es darauf an, festzulegen, welche Indexwerte man<br />

noch als zulässig festlegen kann. Bei unseren Überlegungen sind wir zunächst da<strong>von</strong> ausgegangen,<br />

dass die Rahola- Kriterien ein vernünftiges Sicherheitsniveau gegen Stabilitätsunfälle<br />

<strong>für</strong> solche Schiffe beeinhalten, auf die diese Kriterien zweifelsfrei anwendbar waren.<br />

Das sind auf jeden Fall alle die Schiffe, <strong>für</strong> die in Deutschland zwischen 1950 <strong>und</strong> 1965<br />

17<br />

Weil der betrachtete Kurssektor in den Simulationen <strong>von</strong> -60 bis +60 Grad geht, <strong>und</strong> der vereinfachte Ansatz<br />

das Gleiche liefern soll wie die direkte Berechnung.<br />

18<br />

Diese entspricht etwa dem Inhalt der Polardiagramme, die wir in verschiedenen Veröffentlichungen gezeigt<br />

haben.<br />

49


vermehrt Kenterunfälle aufgetreten sind. Wir haben daher zunächst eine Reihe solcher<br />

Kenterunfälle untersucht <strong>und</strong> <strong>für</strong> diese Kenterunfälle systematisch die ISEI- Werte berechnet.<br />

Danach stellte sich heraus, dass alle Unfälle - bis auf SS IRENE OLDENDORFF 19<br />

- mit Stabilitätswerten erfolgt sind, die nicht den Anforderungen der Rahola- Kriterien<br />

genügt haben. Dann haben wir geprüft, ob sich die Unfälle auch in der spezifischen Unfallsituation<br />

ereignet hätten, wenn die Schiffe die Rahola- Kriterien erfüllt hätten. Auch <strong>für</strong><br />

diese Stabilitätszustände haben wir die ISEI- Werte berechnet.<br />

Nun sind gerade in den sechziger <strong>und</strong> achtziger Jahren in Deutschland einige Kenterkriterien<br />

entwickelt worden, <strong>und</strong> diese empirischen Erfahrungen wollten wir auf jeden Fall<br />

nutzen. Daher haben wir <strong>für</strong> jeden Unfall geprüft, welche Stabilitätsanforderungen diese<br />

Kenterkriterien an das Schiff gestellt hätten. Für diesen Stabilitätszustand haben wir ebenfalls<br />

überprüft, ob sich der Unfall dann in der spezifischen Situation noch ereignet hätte.<br />

Aus diesen Untersuchungen gewinnt man zwei wesentliche Erkenntnisse:<br />

• Man erhält zunächst <strong>für</strong> die Unfallzustände ISEI- Werte, die auf jeden Fall zu einem<br />

Stabilitätsunfall geführt haben. Wendet man diese Erkenntnis auf moderne Schiffsformen<br />

an, 20 dann kann man feststellen, ob ein bestimmter Stabilitätszustand, der<br />

ggf. nach den geltenden Regeln noch zulässig ist, nicht vermutlich doch zu einem<br />

Stabilitätsunfall führen wird.<br />

• Man erhält eine Aussage über das quantitative Sicherheitsniveau der Rahola- Kriterien.<br />

Geht man da<strong>von</strong> aus, dass dieses Sicherheitsniveau <strong>für</strong> die Schiffe ausreichend<br />

war, <strong>für</strong> welche die Kriterien entwickelt worden sind, dann läßt sich auf diese Weise<br />

das ursprüngliche Sicherheitsniveau der Rahola- Kriterien <strong>für</strong> moderne Schiffe fortschreiben.<br />

Danach haben wir auch neuere Kenterunfälle untersucht, <strong>für</strong> die die Rahola- Kriterien<br />

eingehalten worden waren. Mit Hilfe der zusätzlichen Kenterkritrien, deren Wirkung an<br />

den älteren <strong>Schiffen</strong> erprobt worden war, war es auch hier möglich, Stabilitätszustände zu<br />

finden, welche <strong>von</strong> allen Kriterien als sicher bewertet wurden. Für diese Stabilitätszustände<br />

konnte nun ermittelt werden, ob der Unfall dann noch stattgef<strong>und</strong>en hätte, <strong>und</strong> auch <strong>für</strong><br />

diese als sicher erachteten Zustände konnten dann wieder die ISEI- Werte errechnet werden.<br />

Unsere Untersuchungen haben wir grafisch in Abb. 8 zusammengestellt. Dort ist <strong>für</strong> jeden<br />

Unfall (oder Modellversuch) 21 der berechnete ISEI- Wert in Abhängigkeit des Stabilitätszustandes<br />

dargestellt. Jeweils der Zustand mit der geringsten Stabilität hat zu einem<br />

Unfall (oder Kentern im Modellversuch) geführt. Diese ISEI- Werte liegen in der Größenordnung<br />

<strong>von</strong> 0.1. Der Zustand mit der jeweils höchsten Stabilität ist derjenige, der nach<br />

den anwendbaren Stabilitätskriterien übereinstimmend als sicher angesehen wurde. Für<br />

diese Stabilitätszustände werden ISEI- Werte <strong>von</strong> 1.E-03 errechnet. Dazwischen findet sich<br />

ein Übergangsbereich, in dem ein Stabilitätsunfall immer noch relativ wahrscheinlich ist.<br />

Dabei kann ein Unfallzustand wie der <strong>von</strong> SS IRENE OLDENDORFF, die ein halbes<br />

Jahr nach Ablieferung gekentert ist, den gleichen ISEI- Wert erhalten wie der <strong>von</strong> MV<br />

FINNBIRCH, die 15 Jahre nach Ablieferung gekentert ist. Unser Kriterium macht ja -<br />

wie alle anderen Stabilitätskriterien auch - keine zeitliche Aussage, sondern wir bewerten<br />

nur die Wahrscheinlichkeit, mit der der untersuchte Beladungszustand voraussichtlich zu<br />

einem Stabilitätsunfall wegen mangelnder Stabilität führt. Denn die zentrale Aussage aller<br />

19 Das besondere an dem Unfall der SS IRENE OLDENDORFF lag darin, dass das Schiff gerade 0.2m Hebel bei<br />

30 Grad hatte, <strong>und</strong> dass gleichzeitig das Maximum des Hebels auch bei 30 Grad lag. Das Schiff erfüllte also die<br />

Kriterien gerade eben ohne Reserven, <strong>und</strong> eine Änderung dieses Stabilitätszustandes auf der Reise hat dann den<br />

Unfall ausgelöst.<br />

20 Weil zumindest das mit Hilfe <strong>von</strong> Simulationen direkt berechnete ISEI- Kriterium die relevante Physik korrekt<br />

wiedergibt, ist dieser Schluss zulässig. Das hier angegebene vereinfachte ISEI- Kriterium stellt ja lediglich eine<br />

Vereinfachung der numerischen Simulationen dar, die prinzipielle Aussage ist aber die gleiche.<br />

21 Wir haben die Untersuchungen ergänzt um die Modellversuche, welche wir im Rahmen öffentlicher Forschung<br />

durchgeführt haben, um die Bandbreite <strong>für</strong> moderne Schiffsformen zu erweitern.<br />

50


Berechnungen ist folgende: Eine Erhöhung der Stabilität führt in jedem Falle zu einer Verbesserung<br />

der Sicherheit im betrachteten Versagensmodus (die Graphen in der Abbildung<br />

zeigen alle einen abnehmenden ISEI mit zunehmender Stabilität). Daher ist genau der<br />

betrachtete Versagensmodus geeignet, um minimale Stabilitätswerte festlegen zu können.<br />

Zusammenfassend kommen wir zu folgenden Erkenntnissen:<br />

• Ein ISEI- Wert <strong>von</strong> etwa 0.1 ist absolut unzulässig, weil das einem Nichteinhalten der<br />

Rahola- Kriterien entspricht.<br />

• Ein ISEI- Wert <strong>von</strong> 1.E-3 entspricht dem Sicherheitsniveau der Rahola- Kriterien <strong>für</strong><br />

solche Schiffe, auf die diese Kriterien anwendbar waren <strong>und</strong> schreibt das Sicherheitsniveau<br />

der Rahola- Kriterien <strong>für</strong> moderne Schiffe fort.<br />

• ISEI- Werte zwischen 0.1 <strong>und</strong> 1.E-3 kennzeichnen Zustände, in denen Unfälle auftreten<br />

können, obwohl bei modernen <strong>Schiffen</strong> die Rahola- Kriterien erfüllt sind.<br />

Bei der praktischen Implementation des Stabilitätskriteriums haben wir einen ISEI- Wert<br />

1.E-3 als zu erreichendes Limit angesetzt. Daraus lässt sich leicht ein Algorithmus entwickeln,<br />

der eine eindeutige GMREQ oder KGMAX- Kurve unter der Bedingung errechnet,<br />

dass ISEI=1.E-03 gilt.<br />

Zusammenfassung<br />

Aufbauend auf dem Konzept der Ersatzwelle nach <strong>Grim</strong> ist es gelungen, mittels numerischer<br />

Simulationen des Bewegungsverhaltens <strong>von</strong> <strong>Schiffen</strong> im nachlaufenden Seegang einen<br />

Index zu berechnen, der die Sicherheit des betrachteten Beladungszustandes beschreibt. Es<br />

wurde da<strong>für</strong> ein Ersatzmodell entwickelt, welches das dynamische Versagen im Seegang mittels<br />

einer einfachen, auf Wellenberg- <strong>und</strong> Talhebeln beruhenden Energiebilanz beschreibt.<br />

Durch Vergleich mit Stabilitätsunfällen konnte ein Grenzwert dieses Indexes so gef<strong>und</strong>en<br />

werden, dass im Prinzip das Sicherheitsniveau der Rahola- Kriterien fortgeschrieben wird.<br />

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Gorch Fock Schiffstechnik 1960, Band 7<br />

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Heft 6<br />

KERWIN, J. E (1955) NOTES ON ROLLING IN LONGITUDINAL WAVES. ISP, VOl 2<br />

No. 16 1955<br />

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roll motions in following seas. Dissertation TU Hamburg- Harburg, 2009<br />

SOEDING, H. (1987) Ermittlung der Kentergefahr aus Bewegungssimulationen Schiffstechnik<br />

Band 34<br />

SOEDING, H. (2001) Global Seaway Statistics Report Nr. 610, TU Hamburg- Harburg,<br />

Schriftenreihe Schiffbau<br />

St. Denis, M. Pierson, W. J. (1953) On the Motions of Ships in Confused Seas. SNAME<br />

1953<br />

51


Prediction of Ship Response Statistics in Severe<br />

Sea Conditions using RANSE<br />

Jan Oberhagemann, Jens Ley, Bettar Ould el Moctar ∗<br />

Abstract<br />

The International Association of Classification Societies (IACS) promotes the paradigm shift<br />

in structural design rules for ships towards risk based approaches. This requires improvements<br />

in the assessment of structural design loads and new methods for estimation of wave loads and<br />

responses, amongst others with respect to extreme value distributions. In this paper we present<br />

a numerical method based on the solution of RANS equations to deal with large wave-induced<br />

ship motions and corresponding loads for different ship types. Nonlinearities of wave excitation<br />

and ship response are included. Short-term ship response distributions from time domain simulations<br />

are compared with model test data. Significant deviations from Rayleigh distribution of<br />

amplitudes are observed, especially for hull girder loads including effects of structural elasticity.<br />

INTRODUCTION<br />

The International Association of Classification Societies (IACS) promotes the paradigm<br />

shift in structural design rules for ships towards risk based approaches. This encourages<br />

classification societies to revise their rules and establish new procedures for ship structural<br />

reliability assessments. One of the key issues is the structural ultimate strength,<br />

i.e. of primary members of the hull structure or local structures. Corresponding loads are<br />

typically experienced in severe sea states, where full scale measurement data are scarce.<br />

Rational assessment of design loads for ultimate strength thus requires appropriate numerical<br />

tools to deal with such severe environmental conditions. Model tests become the<br />

method of choice for validation.<br />

The seakeeping analyses presented here are based on the solution of the RANS (Reynolds-<br />

Averaged Navier-Stokes) equations. The flow solver is coupled with a nonlinear motion<br />

solver for six degrees of freedom and a linear Finite Element (FE) solver to compute the<br />

motion response including structural elasticity. The fluid dynamics method provides a<br />

good means to capture nonlinear flow features relevant for time domain simulation of<br />

ships in severe or extreme environments. E.g., wave-wave interaction and wave breaking<br />

are implicitly accounted for. The coupled method allows to include nonlinearities of<br />

wave-structure interaction as well, which is essential for realistic simulations of slamming<br />

and green water effects on the structural response. Wave induced vibrations are fo<strong>und</strong> to<br />

remarkably amplify structural stresses.<br />

∗ University of Duisburg-Essen, Duisburg, Germany<br />

52


Time domain simulations are the method of choice, but they imply a high computational<br />

effort. Thus, prerequisite screening of relevant environmental conditions in terms of ship<br />

responses and their probability distributions is very important to keep the computational<br />

costs as low as possible. Various respective approaches have been discussed in the literature,<br />

see e.g. [1, 2, 3]. Once representative sea states are identified, corresponding ship<br />

responses can be computed with more involved numerical methods to obtain improved<br />

extreme ship response distributions.<br />

This paper addresses specific aspects of obtaining short-term ship response distributions<br />

from RANSE simulations in severe and extreme sea states; numerical approaches typically<br />

introduce large errors when the discretisation accuracy is insufficient. Fine grid and time<br />

step resolution, on the other hand, strongly increase the computational effort in terms of<br />

CPU and memory requirements. It is therefore mandatory to gain experience about sufficient<br />

and efficient spatial and temporal discretisations through grid sensitivity studies.<br />

Sectional loads for different ship types were computed and statistically analysed in extreme<br />

sea states. Comparisons between simulation results and model test data are presented,<br />

where available. Numerical approaches for rigid and elastic hull girder were applied to<br />

assess the relevance of structural dynamic amplifications. Respective experiments with<br />

flexible models used steel backbones to replicate the global structural behaviour of the<br />

ship.<br />

Measurements and simulations of relatively long time intervals allowed to assess short<br />

term statistical properties of the ship responses. Statistics of numerical results are in<br />

good agreement with model test data, both showing significant deviations from Rayleighdistributed<br />

response amplitudes, especially for hull girder loads including effects of structural<br />

elasticity.<br />

NUMERICAL METHOD<br />

We use the solver COMET for the solution of the RANS or Euler equations in an integral<br />

finite volume formulation. COMET implements the SIMPLE (Semi-Implicit Pressure-<br />

Linked Equations) coupling scheme for incompressible fluids and a Volume of Fluid (VOF)<br />

approach for free-surface flows [4]. The fluid equations solver is coupled with a nonlinear<br />

solver of the ship motions in six degrees of freedom (6DoF solver) [5]. Additionally, basic<br />

effects of ship hull girder elasticity can be included with a Timoshenko beam model. The<br />

coupled algorithm is described in [6], while representative code validation examples are<br />

published in [7].<br />

WAVE MODELLING<br />

Ship motions and hull girder loads in a seaway are a consequence of the fluctuating wave<br />

loads acting on the ship. Appropriate simulation of the wave process is hence necessary<br />

to obtain realistic wave-induced loads. It is therefore advisable to start with studying the<br />

ability of the applied method to reproduce severe irregular sea states including high and<br />

steep wave groups.<br />

Table 1 lists the investigated sea states, characterised by significant wave height Hs,<br />

peak period, Tp (or mean zero up-crossing period, Tz), peak enhancement factor γ, and<br />

53


characteristic steepness s = Hs<br />

T 2 z ·1.56.<br />

Tab. 1. Definition of sea state parameters<br />

Sea state Hs [m] Tp [s] γ [−] s [−]<br />

A 12.0 12.0 3.3 0.065<br />

B 9.0 10.0 3.0 0.096<br />

C 3.5 10.0 3.0 0.033<br />

D 10.5 13.2 3.3 0.075<br />

E 12.5 13.2 3.3 0.089<br />

F 14.5 13.2 3.3 0.103<br />

G 9.0 14.3 3.3 0.067<br />

H 14.5 16.2 1.0 0.070<br />

I 14.0 16.2 1.0 0.068<br />

Irregular wave processes are usually described by the spectral energy density distribution<br />

S as a function of wave frequency ω. Several theoretical models provide semi-empirical<br />

formulae for S(ω), the most common of these are the Pierson-Moskowitz spectrum only<br />

depending on wind speed [8] and the JONSWAP spectrum for limited fetch and wind duration<br />

[9]. The International Association of Classification Societies (IACS) recommends<br />

the application of Pierson-Moskowitz spectra for wave load predictions of ships, which<br />

corresponds to a JONSWAP spectrum with a reduced peak enhancement factor, γ = 1.<br />

Ocean waves are not unidirectional but have a directional spreading of wave energy aro<strong>und</strong><br />

the main direction of wind action. Often a cosine square distribution of wave energy over<br />

wave encounter angle is assumed, but the actual spreading strongly depends on wind conditions.<br />

In our studies we consider only unidirectional waves for the sake of simplicity.<br />

For field methods, gravity waves are generated by providing wave elevation, velocity field<br />

and pressure field at the fluid domain bo<strong>und</strong>aries. The wave process is here represented<br />

by the commonly used superposition of n linear harmonic component waves according to<br />

Airy theory. The surface elevation of unidirectional waves reads<br />

ζ(x, t) =<br />

n�<br />

Ai cos(kix − ωit), (1)<br />

i=1<br />

with the surface elevation ζ(x, t), complex component wave amplitudes Ai, wave frequencies<br />

ωi and corresponding wave numbers ki = ω2 i . Velocity and pressure field are composed<br />

g<br />

accordingly from component waves.<br />

NONLINEAR WAVE PROPAGATION<br />

Linear super-positioning of component waves with random amplitudes disregards wavewave<br />

interaction and is exact only for infinitely small wave amplitudes. However, generated<br />

waves propagate inside the fluid domain according to the discretised Navier-Stokes<br />

equations. Wave evolution and nonlinear wave-wave interaction are thus implicitly accounted<br />

for as well as trough-crest asymmetries, wave skewness and even wave breaking,<br />

see e.g. [10], provided the discretisation is sufficient. To exemplify the nonlinear evolution<br />

54


of a wave process as the waves propagate through the fluid domain, component waves<br />

according to sea state B with high steepness, s = 0.096, were linearly imposed at the inlet<br />

bo<strong>und</strong>ary. Sample skewness, γ1, and sample kurtosis, γ2, were then calculated from the<br />

surface elevation process using<br />

and<br />

γ2 =<br />

γ2 =<br />

1<br />

N · �Nts �<br />

1<br />

N · �Nts j=1(ζj − ¯ ζ) 2<br />

1<br />

j=1(ζj − ¯ ζ) 3<br />

�3/2 j=1(ζj − ¯ ζ) 4<br />

(2)<br />

N · �Nts �<br />

1<br />

N · �Nts j=1(ζj − ¯ ζ) 2<br />

�2 , (3)<br />

respectively, at different distances d from the inlet. Here, Nts is the number of time steps<br />

in the sample, ζj is the surface elevation at position d and time step j, and ¯ ζ is the sample<br />

mean elevation.<br />

γ1 and γ2 are given as functions of d in Fig. 1. For growing distance from the inlet<br />

bo<strong>und</strong>ary, the kurtosis tends to increase. This is an indicator of wave group formation<br />

and an increased probability of occurrence of rogue waves [11]. The average level of the<br />

skewness, γ1 ≈ 0.18, indicates an asymmetry between wave troughs and crests, which is<br />

reasonable for the investigated sea state steepness. Fluctuations of kurtosis and skewness<br />

may be attributed to the sensitivity of higher order terms to post-processing and ro<strong>und</strong>ing<br />

errors. γ2 should, for example, theoretically equal 3.0 at the inlet bo<strong>und</strong>ary. Nevertheless,<br />

the trends of kurtosis and skewness are less sensitive and random variations should<br />

cancel.<br />

Fig. 1. Kurtosis/Skewness;<br />

evolution in solution domain; sea<br />

state B<br />

The example demonstrates that a long<br />

distance from the inlet bo<strong>und</strong>ary to the<br />

target location (here: the ship’s position)<br />

is required to let the wave process fully develop.<br />

Onorato et al. suggested a minimum<br />

of 30 wave lengths corresponding to<br />

the peak period [12]. This would cause a<br />

tremendously increased computational effort<br />

in RANS simulations compared to the<br />

typical grid dimensions used in such computations,<br />

where the ship is typically placed<br />

two characteristic wave lengths downstream<br />

of the inlet bo<strong>und</strong>ary. Thus, the error introduced<br />

by this disregard of wave evolution<br />

is a model error.<br />

On the other hand, the numerical diffusion<br />

of wave energy becomes even more<br />

important when simulating longer sequences and larger distances. Figure 2 (left) shows<br />

the spectral energy density S(ω) at different locations in the numerical wave tank, revealing<br />

a significant decrease of the spectral peak with growing distance. High frequency<br />

wave components (ω > 0.8 s −1 ) with small amplitudes are numerically dampened out. To<br />

55


Fig. 2. Spectral density distribution, sea state B (left) and C (right)<br />

quantify the relative energy loss, we introduce the spectral energy<br />

where m0 is the zeroth spectral moment of S,<br />

� ∞<br />

E = ρg S(ω)dω = ρgm0, (4)<br />

0<br />

mk =<br />

� ∞<br />

The relative energy loss ɛ can then be calculated as<br />

0<br />

ɛ = 1 − E<br />

E<br />

ω k S(ω) dω. (5)<br />

m0<br />

= 1 − ⋆ m⋆ 0<br />

. (6)<br />

The asterisk indicates either the corresponding theoretical (theor.) or experimental (EFD)<br />

energy, depending on what we are comparing with. For a steep and high sea state like sea<br />

state B, it is difficult to distinguish the energy loss related to wave-breaking from the loss<br />

due to numerical diffusion. A comparison for the less steep sea state C, see Fig. 2 (right),<br />

is probably more conclusive. The energy loss can here mostly be attributed to numerical<br />

diffusion. For a small distance of dC = 250 m, the energy already decreases by 5%.<br />

To better quantify the discretisation error, comparisons with experimental data were<br />

performed for several sea state. Table 2 lists energy losses for these sea states, together<br />

with the distance d from the inlet bo<strong>und</strong>ary and the time interval T used for evaluation.<br />

The energy loss at the inlet bo<strong>und</strong>ary was negligible (ɛ(d = 0) ≪ 1%).<br />

For sea state A, we investigated three different discretisation levels (coarse, medium, fine),<br />

see Tab. 3. The number of cells was varied simultaneously in the direction of propagation<br />

and in vertical direction. Also, the number of time steps per wave period was adjusted to<br />

obtain comparable Courant numbers. The cell lengths, ∆x, and heights, ∆z, describe the<br />

degree of discretisation. All values given relate to specific sea state parameters (Hs, λ(Tp)<br />

and Tp). The wave process was discretised with 800 super-positioned wave harmonics.<br />

The surface elevation was evaluated at two sample locations A1 and A2, dA1 = 800 m and<br />

dA2 = 1600 m.<br />

56


Tab. 2. Relative energy loss ɛ for different sea states and<br />

discretisation levels<br />

ɛ = 1 − m0<br />

m⋆ Sea State d [m] T [s]<br />

[%]<br />

0<br />

Coarse Medium Fine<br />

A (⋆=EF D) 800 1260 14.5 12.6 12.7<br />

1600 22.3 20.7 18.9<br />

B (⋆=theo.) 250 1410 19.2 - -<br />

2000 30.1 - -<br />

C (⋆=theo.) 250 1410 4.9 - -<br />

2000 22.7 - -<br />

D (⋆=EF D) 300 1600 11.3 - -<br />

E (⋆=EF D) 300 1600 10.7 - -<br />

F (⋆=EF D) 300 1600 9.5 - -<br />

Tab. 3. Discretisation parameters<br />

Grid Hs/∆z [−] λ(Tp)/∆x [−] Tp/∆t [−]<br />

Coarse 10 − 20 70 − 160 800 − 950<br />

Medium 30 − 40 160 − 220 950 − 1260<br />

F ine 40 − 50 220 − 320 1260 − 1900<br />

The overall simulation time for all grids was T = 1260 s. Figure 3 shows numerical<br />

and experimental results for a time interval of 700 s ≤ t ≤ 900 s. All computations<br />

yielded satisfactory agreement with experiments. The trend in phasing and amplitudes is<br />

fairly reproduced even for the distant wave probe (located at dA2 = 1600 m). Due to the<br />

Fig. 3. Surface elevation at two different locations, dA1 = 800 m (left),<br />

dA2 = 1600 m (right), sea state A<br />

nonlinearity of sea states (wave-wave interaction, wave breaking), no monotonous increase<br />

of amplitudes was observed on the three grids. However, the overall relative energy loss,<br />

ɛ, decreases for finer discretisation, see Tab. 2. The energy loss generally differs not that<br />

much for all grids.<br />

Wave-wave interaction not only significantly influences the wave process characteristics,<br />

57


esulting ship responses are affected by the changes in the excitation process as well. At<br />

least for steep sea states, wave-wave interaction should therefore be accounted for. To<br />

avoid RANS simulations with large fluid domains and long simulation times, the wave<br />

process could be evolved in advance with less expensive numerical methods. The RANS<br />

simulation itself then uses the pre-simulated wave process as inlet bo<strong>und</strong>ary conditions.<br />

See [13] for more details and application examples.<br />

The wave data from model tests in the next section was all measured with wave probes<br />

ahead of the ship model. For the RANS simulation, we simply used the measured data<br />

and hence there was no need for evolving the wave process.<br />

SHIP RESPONSES<br />

Results presented here comprise computations for three merchant vessels of various types,<br />

sizes, hull forms and ship speeds, see Tab. 4. Except for vessel III, experimental data<br />

was available for all ships. Model tests for vessel II used a model equipped with an elastic<br />

backbone to account for the f<strong>und</strong>amental vibratory modes of the ships. Corresponding<br />

computations were performed for the flexible hull as well.<br />

The ship speeds applied in the simulations and corresponding model tests, vSim, may in<br />

part be unrealistically high for the investigated sea states, but this does not impair the<br />

generality of the conclusions drawn from the numerical and experimental results.<br />

We will focus on a single ship response r, namely, the vertical bending moment (denoted<br />

My here 1 ). Hull girder loads are the sum of external fluid forces and inertia forces resulting<br />

from ship motions and accelerations. Hence, accurate numerical prediction involves<br />

the replication of the wave process and hydrodynamic loading of the hull as well as the<br />

prediction of the ship’s reactions in terms of motions.<br />

Tab. 4. Main Particulars of the investigated ships<br />

Vessel I Vessel II Vessel III<br />

Type Pax Container Container<br />

Lpp [m] 216.80 321.00 352.00<br />

B [m] 32.20 48.40 51.20<br />

T [m] 7.20 15.00 13.70<br />

cB [−] 0.65 0.60 0.69<br />

vDesign [kts] 22.50 25.00 26.00<br />

vSim [kts] 6.00 10.00 10.00<br />

Computations rigid elastic elastic<br />

Experiments rigid elastic -<br />

1 and made dimensionless with water density, ρ, gravity acceleration, g, ship’s breadth and length, B<br />

and LP P , and significant wave height HS<br />

58


RESPONSE STATISTICS<br />

Linear ship responses are characterised by a proportionality of the spectral energy densities<br />

of the wave excitation, Sζ, and the corresponding ship responses, Sr:<br />

Sr(ω, µ) = [Yr(ω, µ)] 2 Sζ(ω, µ), , (7)<br />

where Yr(ω, µ) is the so-called Response Amplitude Operator (RAO). For a wave spectrum<br />

with small bandwidth δ ≪ 1,<br />

δ =<br />

�<br />

1 − m22 , 0 ≤ δ ≤ 1, (8)<br />

m0m4<br />

and a correspondingly narrow ship response spectrum, the resulting ship response is a<br />

Gaussian process with zero mean, and the probability density function of response amplitudes<br />

follows a Rayleigh distribution. The probability of any random amplitude r<br />

exceeding a certain level rC is<br />

P (r > rC) = e − r2 C<br />

2 m 0r , (9)<br />

where m0r is the 0th spectral moment of Sr. Assuming that Tzr, the zero up-crossing<br />

period of the process, is also the mean period of amplitudes due to the narrow-bandedness<br />

of the process, the rate of amplitudes out-crossing rC becomes<br />

χ(r > rC) =<br />

P (r > rC)<br />

Tzr<br />

= 1<br />

�<br />

m2r<br />

2π m0r<br />

· e − r2 C<br />

2 m0r = χrC . (10)<br />

χ(r > rC) determines the expected number of amplitudes larger than rC during a time<br />

interval T :<br />

N(r > rC) = T · χrC . (11)<br />

In return, the expected maximum value r ∗ of r during T corresponds to<br />

N(r > r ∗ ) = 1 ⇐⇒ r ∗ =<br />

�<br />

2 m0r ln (T χr∗). (12)<br />

Nonlinearities of the response process make the correlation between excitation and response<br />

statistics more complicated. Several approaches exist for numerical methods that<br />

include certain higher-order effects, e.g. [14, 15, 16], but they are limited to frequency<br />

domain methods.<br />

For the statistical evaluation of time domain simulation results, usually rainflow counting<br />

techniques [17, 18] or the determination of local maxima and minima in each response<br />

cycle (peak to peak or trough to trough) are the methods of choice. The rainflow counting<br />

algorithm accounts for all local maxima and minima of the response process, eliminating<br />

the dependency on the bandwidth of the response frequency spectrum. Further on, information<br />

on class mean values can be obtained. It is also commonly used in full-scale<br />

measurement analyses and structural reliability and fatigue analysis, see e.g. [19, 20].<br />

Including hull girder flexibility in the numerical model allows to account for wave-induced<br />

vibrations and gives a more realistic picture of the ship responses. However, the response<br />

59


ecomes broad-banded. A major consequence is the occurrence of multiple response peaks<br />

per period, i.e., vibrations modulate the wave-induced ship response and cause additional<br />

load cycles. These are important for structural dimensioning.<br />

Figure 4 compares normalised range-pair (rainflow) counted cycle spectra of longitudinal<br />

main deck stresses, σx, computed for vessel II and measured on board a container ship of<br />

comparable size. Full scale and computed stresses were each normalised with an arbitrarily<br />

chosen value σ0 to emphasise the similarity of the spectral slopes. Although the ships<br />

and sea conditions are somewhat different, the general agreement of the measured data<br />

and the computation for the flexible hull indicate the relevance of hull girder elasticity,<br />

when compared to the computation for the rigid hull. There is a remarkable gap in the<br />

numbers of load cycles at corresponding levels between the numerical results for the rigid<br />

hull and the flexible hull.<br />

Another observation from Fig. 4 is the change in the slope of the load cycle spectra obtained<br />

from full scale measurement and flexible ship at aro<strong>und</strong> 200 < n(σx > σxC) < 300<br />

out-crossings. This is related to the differences in numbers of load cycles due to low frequency<br />

wave excitation (approximately 220) and vibration (approximately 1, 250). The<br />

combined load cycle spectrum is not a simple sum of both contributions, but shows combined<br />

characteristics of both low frequency and high frequency responses.<br />

Approximation of response cycle spectra containing significant vibratory contributions<br />

with probability distribution functions should account for this change of slope.<br />

Fig. 4. Example of normalised<br />

range-pair counted spectra of<br />

longitudinal stress cycles σx from<br />

full-scale measurements and<br />

computations for 1, 800 s recordings<br />

A straightforward procedure is to omit<br />

response cycles below a certain threshold<br />

rmin and fit a 2-parameter Weibull distribution<br />

to the data: The simulated (or measured)<br />

time record of duration T is evaluated<br />

according to range-pair counting, and<br />

all load cycles r > rmin are assigned to<br />

classes Ci, r ∈ Ci ⇔ r ≥ rCi. Finally,<br />

regression yields<br />

�<br />

˜rT (n) = β · ln N0<br />

�<br />

n<br />

1<br />

k<br />

, (13)<br />

where N0 is the total number of cycles during<br />

T , n the number of cycles exceeding<br />

r, and β and k are the parameters to fit.<br />

In case of Rayleigh-distributed amplitudes<br />

and a Gaussian response process, β = (2m0r) 1<br />

k<br />

and k = 2.<br />

More elaborate probability distribution func-<br />

tions could be used, see e.g. [21] for a more generalised formulation, but eq. 13 already<br />

suffices to reasonably fit the presented data.<br />

Since the simulated time T will have to exceed the expected duration time TS of the sea<br />

state to reach satisfactory statistical convergence, ˜rT needs to be scaled down to ˜rTS . This<br />

is achieved by using<br />

N = n · TS<br />

. (14)<br />

T<br />

60


While the actually counted numbers of cycles, n, are integer values, N in general are<br />

rational numbers. The out-crossing rate according to the data fit becomes<br />

˜χ(r > rC) = NrC<br />

TS<br />

= N0<br />

T · e−( r C β ) k<br />

. (15)<br />

Fig. 5. Vessel I, comparison of numerical and experimental My time series<br />

in head seas (condition F)<br />

Fig. 6. Deviation of computed My cycles from corresponding<br />

experimental data; sea condition F<br />

Rigid Hull Girder<br />

The exemplary comparison of response spectra with and without accounting for hull girder<br />

flexibility in the previous section emphasised the importance of hull girder vibration, especially<br />

in severe sea conditions. However, including hull girder vibrations in the computational<br />

model increases the numerical effort with respect to fluid dynamic grid requirements.<br />

The relatively high frequencies of hull girder vibrations make small time steps and grid<br />

spacings necessary. It seems advisable to test the ability of a RANS based approach to<br />

61


Fig. 7. Range-pair counted My cycles of vessel I, sea condition F (left)<br />

and reduced wave height (D (right); The solid line refers to linear<br />

numerics<br />

reliably obtain short-term statistics of ship responses for rigid hulls first.<br />

For vessel I, we compared numerical and experimental results in several severe sea states.<br />

Experimental data were available for almost half an hour (full scale) in each sea state.<br />

The inlet bo<strong>und</strong>ary was positioned in a way that we could use experimental wave probe<br />

data ahead of the model for the inlet bo<strong>und</strong>ary conditions. Figure 5 compares numerically<br />

and experimentally determined My time series in sea state F. The computation used a<br />

relatively coarse grid with 3.5 · 105 cells, nevertheless showing good agreement with experiments.<br />

A direct correlation of numerical and experimental response cycles, Fig. 6, evaluated<br />

for a time record of 1, 600 s, indicates a fair agreement as well. The plot shows the<br />

relative deviation �<br />

�<br />

MyNum − MyExp<br />

/MyExp of numerically determined load cycles from<br />

their corresponding experimental counterparts as a function of the response magnitude<br />

from experiments. Corresponding cycles were identified by coincidence of response zero<br />

up-crossings. Despite a good visual matching of time series data, direct correlations of response<br />

cycle magnitudes indicate at least a significant variance of numerically determined<br />

response cycles from corresponding experimental results. As a trend, the mean value,<br />

µ, and the standard deviation, σ, of the relative deviation decrease with the response<br />

amplitude. For small amplitudes, there is a bias of the mean value, µ, towards larger<br />

numerical response cycles compared to experiments. This deviation can be attributed to<br />

the search algorithm for matching experimental and numerical response cycles. Keeping<br />

in mind that replication of single events can be affected by random but small differences<br />

between numerics and experiments, one should look at statistical trends as well.<br />

For this purpose, we compared range-pair counted My cycles of both computation and<br />

experiment, see Fig. 7. To assess nonlinearities in the response, the load cycle distribution<br />

according to linear statistics is given for reference (the solid line marks the linear seakeeping<br />

results). Linear RAOs were obtained from a seakeeping analysis with a 3D bo<strong>und</strong>ary<br />

element method. For a significant wave height of HS = 10.5 m (D), experiments and computations<br />

do not deviate from linear statistics for peaks that were out-crossed at least 30<br />

times. However, the figure is quite different for HS = 14.5 m (F). Throughout the whole<br />

range of response amplitude, linear results overpredict the actual load spectra of numerics<br />

62


and experiments. Besides nonlinearities fo<strong>und</strong> in the ship response, wave breaking in the<br />

steeper sea state may introduce additional nonlinearities in the exciting wave process.<br />

Flexible Hull Girder<br />

For the comparisons in the previous subsection, we applied the wave surface elevation<br />

measured ahead of the vessel as wave inlet bo<strong>und</strong>ary conditions. Hence, wave-wave interactions<br />

and wave breaking on the way from the wave maker to the model that occurred<br />

in the experiments are included in the computations. All computations presented in this<br />

section used analytically prescribed wave bo<strong>und</strong>ary conditions that are a superposition of<br />

regular waves. Here, the wave excitation itself can be regarded as a narrow-banded Gaussian<br />

process, while the ship responses may not. This is - to some extent - a shortcoming,<br />

but helps to assess changes in the probability distribution towards rare events mainly due<br />

to nonlinearities in the response process.<br />

Two f<strong>und</strong>amental questions will be investigated in the following to conclude on the applicability<br />

of our RANS based approach to determine short-term statistics of flexible hull<br />

girder responses:<br />

1. What are the discretisation requirements to obtain sufficiently accurate results?<br />

2. What is the minimum duration of time simulations for reliable statistical conclusions<br />

about, e.g., the out-crossing rate of a hull girder load r > rC or the expected<br />

maximum r ∗ during time TS?<br />

Fig. 8. Vessel II, comparison of time series (left), correlation of peaks<br />

on three grids with model tests (right)<br />

For vessel II, we performed a grid study on three different grids. We used a constant<br />

refinement ratio ηR = 3√ 1.86 for all space dimensions and time step, yielding three grids<br />

with 3.0 · 10 5 , 5.8 · 10 5 and 1.0 · 10 6 cells, respectively. The discretisation ratio RD,<br />

RD = ∆xi<br />

·<br />

∆x1<br />

∆ti<br />

∆t1<br />

63<br />

= η 2(i−1)<br />

R , (16)


etween coarsest and finest grid was thus 0.4366. The grid density of the coarsest grid was<br />

characterised by HS/∆z ≈ 10, λP /∆x ≈ 100 and TP /∆t ≈ 800, which corresponds to the<br />

coarse grids according to table 3. Results were compared with a 250 s time record from<br />

model tests in sea condition G, see Fig. 8. The time series were all in good agreement<br />

with model tests and the correlation of response peaks fairly matches as well. Further on,<br />

the trend lines of correlation improve with grid and time step refinement.<br />

The correlation was established in a way that minima and maxima in measurements and<br />

computations did not necessarily have to occur during same vibration cycles, but in between<br />

two consecutive zero up-crossings of My. In addition, the zero up-crossings in<br />

experiments and computation had to coincide with a tolerance of ±1 s. Therefore, not all<br />

load cycles were matched, see 8 (left). Matched peaks are marked with dots.<br />

Further grid sensitivity studies in sea<br />

state H intended to give more conclusive<br />

findings on discretisation requirements. The<br />

grids used a refinement ratio of ηR =<br />

Fig. 9. Vessel II, extrapolation of<br />

spectra on three grids towards<br />

infinite grid spacing<br />

3√ 2.0,<br />

resulting in grids with 2.6·105 , 5.2·105 and<br />

1.04 · 106 cells and a discretisation ratio<br />

RD = 0.3969 from coarsest to finest grid.<br />

Simulations were evaluated for a prolonged<br />

time interval T = 2, 500 s. Figure 9 shows<br />

a comparison of load cycles according to<br />

rainflow counting. Significant differences<br />

are fo<strong>und</strong> in the numbers of load cycles for<br />

all load levels, indicating an almost constant<br />

ratio between n(r > rC) obtained on<br />

different grids. This encouraged us to try<br />

to extrapolate results for infinitely small<br />

discretisation ratio (grid spacing ∆x → 0 and time step size ∆t → 0). For this purpose,<br />

results on the coarsest grid 1 were approximated with a Weibull fit according to eq. 13,<br />

omitting all response cycles smaller than MyCmin . The data were weighted during regression,<br />

assuming higher confidence in out-crossing rates of load cycles that were encountered<br />

more often.Afterwards, we extrapolated over the ratios n(r > rCi) obtained on all grids<br />

for all values of rCi in the range MyCmin < rCi < MyCmax. The resulting offset in N was<br />

then added on the regression curve that approximated the load cycle spectrum of grid 1.<br />

The ratio of the numbers of load cycles on the coarsest grid to the extrapolated solution<br />

is N1<br />

N3<br />

= 0.60, while it is = 0.87 for the finest grid.<br />

N∞ N∞<br />

For vessel III, we performed simulations for the flexible hull in the severe sea condition I.<br />

According to the DNV World-Wide scatter table and equally distributed wave headings,<br />

the expected duration time during 20 years of operational life in this sea condition2 is<br />

TS = 0.146 hrs. The grid discretisation was similar to that of the coarse grid for vessel<br />

II. The simulated time record comprised almost T = 13, 500 s, which is probably not sufficient<br />

for reliable statistics of rare events, but still a challenge for Finite Volume methods.<br />

To assess the reliability of statistical conclusions, we investigated the out-crossing rates of<br />

2 Assuming head waves are representative for a wave variation of ±15 ◦<br />

64


Fig. 10. Expected numbers of outcrossings during TS, evaluated for<br />

several simulation lengths<br />

load cycle levels as a function of simulation length. Here, we looked at both χ(r > rC) =<br />

n(r>rC)<br />

(directly obtained from simulations) and ˜χ(r > rC) (resulting from data regression<br />

T<br />

according to eq. 15).<br />

Fig. 11. Non-dimensional exceedance<br />

rate as a function of the number of<br />

exceedances, combined plot for<br />

several load levels<br />

Fig. 12. Non-dimensional exceedance<br />

rate as a function of the number of<br />

exceedances, plotted for three load<br />

levels<br />

Figure 10 shows the load cycle spectrum for TS in terms of the numbers of out-crossings<br />

for four different simulation times. Therefore, the actually evaluated spectra for T were<br />

scaled to TS according to eq. 14. Already for T = 0.5 · TS, the load cycle spectrum fairly<br />

resembles the shape that results after T = 25 · TS.<br />

We will now have a look at the minimum number of out-crossings n(r > rC) that has to be<br />

encountered in a simulation to yield confidence in χ(r > rC). Figure 11 shows χ(r > rC)<br />

as a function of the numbers of out-crossings used for calculating χ(r > rC), plotted for<br />

15 different rC, while Fig. 12 shows a reduced plot for only three response levels. One of<br />

these levels is r ∗ , the expected maximum value of r during TS according to ˜χT∞(r > rC)<br />

based on the data of the maximum simulation length T .<br />

65


DISCUSSION<br />

To validate and quantify the ability of a numerical method to accurately predict shortterm<br />

statistical distributions of ship responses, full-scale measurements seem to be the<br />

best choice. Unfortunately, reliable short-term statistics of ship responses in a dedicated<br />

sea state are difficult to obtain from full-scale measurements, especially when one is interested<br />

in extremes. This is not only related to the fact that full-scale time records in<br />

exceptionally severe sea conditions are scarce, probably due to bad weather avoidance.<br />

Onboard measurements of the spectral wave energy distributions <strong>und</strong>er such conditions<br />

bear a large uncertainty, and spray or breaking waves may bias the data. Moreover, it is<br />

difficult to sample representative time records, since the existence of secondary wave systems<br />

and operational changes of course and speed further reduce the number and length<br />

of comparable recordings. Model tests provide a better means for validation; they take<br />

place in a controlled environment, and they offer the possibility for repetitions.<br />

Presented comparisons for a rigid hull girder show reasonable agreement of numerical<br />

results with model tests even on very coarse grids. Accounting for hull girder elasticity<br />

requires finer discretisations with respect to time step size and grid spacing, but coarse<br />

grids already yield useful results. Grid refinement increases the number of experienced<br />

load cycles due to better replication of vibrations, but does not change the characteristics<br />

of the resulting load spectra. Grid extrapolation gives an optimistic picture. However,<br />

there is a strong need for more experience in further grid studies.<br />

One could argue that the grid resolution of the coarsest grid might not suffice to resolve<br />

slamming impacts to initiate vibrations. [22] showed that, already on coarse grids, impacts<br />

can be resolved with satisfactory accuracy. Local pressures will be <strong>und</strong>erpredicted,<br />

but the impulse load relevant for hull girder vibration excitation can still be obtained.<br />

Coarse grids can help to significantly reduce computation times, while still providing an<br />

indication of the severity of vibration responses. Probably it might be possible to establish<br />

amplification factors to account for coarse discretisations, enabling to use coarse grids and<br />

large time steps to reduce computational turn-aro<strong>und</strong> times.<br />

Simulations of very long time durations indicated that the ship response in case of a flexible<br />

hull girder seems to follow a probability distribution somewhere in between Rayleigh and<br />

exponentially distributed load cycles amplitudes, which can be well approximated with a<br />

Weibull distribution. No indications of a change of slope of the probability distributions<br />

for rare events could be observed.<br />

Acknowledgment<br />

Model tests presented in this paper were all carried out at CEHIPAR and MOERI.<br />

The research was supported by the European Community’s Seventh Framework Programme<br />

FP7-SST-2008-RTD-1 <strong>und</strong>er grant agreement No. 234175. This paper is to be<br />

published in Proc. of the 31st Int. Conference of Ocean, Offshore and Arctic Engineering,<br />

OMAE 2012. Copyright c○2012 by ASME.<br />

66


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2011, pp. 286–300.<br />

68


Das <strong>Grim</strong>sche Leitrad – Chronik einer Innovation<br />

<strong>von</strong> Dipl.-Ing. Michael vom Baur <strong>und</strong> Dr.-Ing. Klaus J. Meyne<br />

Einführung<br />

Nur wenige Ingenieure haben den Erfolg, dass eine Innovation unter ihrem Namen in der<br />

Welt bekannt wird. Rudolf Diesel gelang das zum Beispiel, dessen Namen Milliarden <strong>von</strong><br />

Autofahrern mindestens einmal in der Woche an der Tankstelle begegnet. Auch <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong>s<br />

Name ist in der (zugegeben etwas kleineren) Schifffahrtswelt untrennbar verb<strong>und</strong>en mit einer<br />

seiner Erfindungen, <strong>Grim</strong>'s Vane Wheel, <strong>Grim</strong> Wheel oder <strong>Grim</strong>sches Leitrad.<br />

Forschungsschiff "Gauss" im Jahre 1980.<br />

69<br />

Abb. 1: Prinzipskizze Propeller <strong>und</strong> Leitrad<br />

Die Idee zu diesem, wie manche es<br />

bezeichneten, "hydrodynamischen<br />

Untersetzungsgetriebe <strong>für</strong> den<br />

Propellerantrieb" entwickelte er aus<br />

theoretischen Überlegungen, motiviert<br />

durch frühe Veröffentlichungen über<br />

Leitapparate zur Reduzierung <strong>von</strong><br />

Drall- <strong>und</strong> damit Wirkungsgradverlusten.<br />

Sie begleitete ihn fast 15 Jahre<br />

<strong>von</strong> ersten Berechnungen, Vorträgen,<br />

Versuchen im Modell <strong>und</strong> an einer<br />

Barkasse bis zum ersten regulären<br />

Einsatz eines Leitrades, der<br />

Nachrüstung auf dem deutschen<br />

Es war eine lange Zeit der wissenschaftlichen Überzeugungsarbeit sowie der Schaffung <strong>und</strong><br />

Verfeinerung der Berechnungsverfahren, ohne dass in den 1960er <strong>und</strong> 70er Jahren ein großes<br />

Interesse oder eine schnelle Möglichkeit <strong>für</strong> die Demonstration der Wirksamkeit der<br />

innovativen Idee bestand. Treibstoff war billig, viele Kollegen waren skeptisch, numerische<br />

Methoden <strong>und</strong> Computerleistung <strong>für</strong> anschauliche Simulation gab es damals noch nicht in<br />

ausreichendem Maße. Umso bemerkenswerter ist die leise, redliche Hartnäckigkeit, mit der<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> seine Idee weiterverfolgte <strong>und</strong> mit der er letztlich einige Partner überzeugte, sie in<br />

der realen Schifffahrt umzusetzen.<br />

Mit der ingenieurmäßigen Realisierung <strong>und</strong> späteren kommerziellen Einführung der<br />

Innovation "<strong>Grim</strong>sches Leitrad", vor allem mit den zunehmenden Größen <strong>und</strong> Gewichten der<br />

Leiträder, wuchs bald die Erkenntnis, dass die verblüffend elegante <strong>und</strong> einfache Idee doch<br />

erhebliche Herausforderungen an maschinenbauliche Konstruktion, Produktions- (Guß-)<br />

verfahren sowie Integration in den Antriebsstrang eines Schiffes bedeutete, der hinsichtlich<br />

Ausrichtung <strong>und</strong> Schwingungsverhalten recht sensibel ist. Da gleichzeitig der Markt,<br />

aufgr<strong>und</strong> der Anfang der 1980er Jahre <strong>für</strong> einige Zeit um das mehrfache gestiegenen<br />

Brennstoffpreise, dringend nach Hilfen zur Einsparung <strong>von</strong> Bunkerkosten verlangte, wurden<br />

innerhalb kurzer Zeit viele Leiträder geordert.


Abb 2: Rohölpreise seit 1861 (Bildquelle: BP Statistical Review 2011, bearbeitet MvB)<br />

Die Möglichkeit <strong>für</strong> eine umfassende Langzeitbeobachtung der ersten Konstruktionen vor<br />

breiterer Vermarktung bestand de facto nicht. Es ist bekannt. dass dieses "Development by<br />

Doing", mit Hilfe <strong>von</strong> aus heutiger Sicht fast rudimentär zu nennenden Berechnungshilfen,<br />

trotz sorgfältigster Überlegungen der Hersteller <strong>und</strong> aller beteiligten Experten (z.B. der<br />

Klassifikationsgesellschaften) letztlich nicht ohne eine erhebliche Anzahl teilweise<br />

schlagzeilenträchtiger Leitraddefekte <strong>und</strong> gar Verluste abging. Wir lernten, dass das Leitrad in<br />

komplexen Verhältnissen hinter einem rotierenden Propulsor in der Hinterschiffsumströmung<br />

arbeitet, über die wir übrigens auch heute, trotz aller Forschung <strong>und</strong> CFD-Berechnungsverfahren,<br />

längst nicht genug wissen. Später haben sich viele Versagensgründe aufgeklärt,<br />

zum Teil haben die Ergebnisse <strong>von</strong> Rechtsstreitigkeiten um die Verantwortlichkeit <strong>und</strong> die<br />

Kosten <strong>für</strong> die Verluste Eingang in die höchste Rechtsprechung gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> die<br />

Konstrukteure eindrucksvoll rehabilitiert. Allerdings erlahmte um 1990 mit dem baldigen<br />

Rückgang der Bunkerkosten fast wieder auf das alte Niveau auch das allgemeine Interesse an<br />

einer Weiterentwicklung der Leitradkonstruktion. Auch wenn durch die Verluste zu keinem<br />

Zeitpunkt Schiffe <strong>und</strong> Besatzung gefährdet waren, hat <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> diese Entwicklung doch tief<br />

getroffen <strong>und</strong> bis zu seinem Tode im Jahre 1994 keine Ruhe gelassen. Eine ungetrübte Freude<br />

an der unzweifelhaft nachgewiesenen exzellenten hydrodynamischen Wirkung seiner<br />

Leitradidee blieb <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> somit verwehrt.<br />

Wir hatten das Privileg, zusammen mit Prof. <strong>Grim</strong> am Leitrad arbeiten <strong>und</strong> seine Ideen<br />

umsetzen zu können. Die Arbeit mit ihm, aber auch die bitteren Momente der<br />

Schadensmeldungen, haben unser weiteres Berufsleben entscheidend mitgeprägt. Wir wollen<br />

aus dieser Sicht heute versuchen, eine Chronik der Innovation "<strong>Grim</strong>sches Leitrad"<br />

nachzuzeichnen.<br />

Bereits seit 2005 überstiegen die Brennstoffpreise US$ 300,-/ t HFO <strong>und</strong> lagen damit schon<br />

erheblich höher als zu besten Leitradzeiten. Derzeit (im März 2012) sind sie mit ca. US$ 700,-<br />

/ t HFO mehr als viermal so hoch. Daher ist das Interesse an den sogenannten "Propulsion<br />

70<br />

<strong>Grim</strong> Wheel Era


Improving Devices" (PID) heute wieder groß. Wir sind überzeugt da<strong>von</strong>, dass das eine<br />

Propeller / Leitrad-Kombination künftig, konstruiert unter Einbeziehung aller schmerzlichen<br />

Erfahrungen der Pionierphase, wieder eine hoch interessante Antriebsalternative <strong>für</strong> etliche<br />

Schiffstypen sein könnte.<br />

1966 – 1980: Die langen Jahre bis zur ersten Leitrad-Installation<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> stellte seine Idee parallel mit einer ersten Patentanmeldung 1966 in einem<br />

vielbeachteten Vortrag auf der Hauptversammlung der Schiffbautechnischen Gesellschaft<br />

(STG) vor. Dabei ging er <strong>von</strong> positiven Berichten über feste Leitapparate aus, die auf das Jahr<br />

1905 zurückgehen. Er beschrieb die Wirkungsweise eines hinter dem Propeller frei drehbar<br />

angeordneten Rades mit größerem Durchmesser, mehr Flügeln <strong>und</strong> niedrigerer Drehzahl als<br />

der Propeller, dessen Blätter im inneren Teil als Turbine geformt <strong>und</strong> durch den<br />

Schraubenstrahl angetrieben werden <strong>und</strong> im äußeren Teil als Propeller zusätzlichen Schub<br />

abgeben.<br />

Der Vortrag beschrieb den Rechenweg mit Hilfe der Traglinientheorie zur Auslegung <strong>und</strong><br />

Optimierung des Leitrades bei gegebenen Randbedingungen sowie umfangreiche<br />

Rechenergebnisse, die damals noch quasi mit dem Rechenschieber ermittelt werden mussten.<br />

Es wird auch über Modellversuche (Freifahrtversuche im kleinen Tank der HSVA) berichtet,<br />

die allerdings wegen der zu geringen Reynoldszahl an den zierlichen Flügelschnitten der<br />

Leitradmodells quantitativ nur <strong>von</strong> begrenzter Aussagefähigkeit sein konnten. Die<br />

prognostizierten Wirkungsgradverbesserungen gegenüber dem Propeller allein lagen in der<br />

Größenordnung um 5%, was wegen der erwähnten Überzeichnung der Reibungsanteile <strong>von</strong><br />

Prof. <strong>Grim</strong> <strong>für</strong> eher konservativ gehalten wurde. Diese Vermutung bestätigte sich bald<br />

eindrucksvoll.<br />

1969 wurde die Tauglichkeit der Innovation erfolgreich durch Versuche auf einer Barkasse<br />

der HDW bestätigt. In den Folgejahren wurden dann einige weitere Modellversuche in der<br />

HSVA durchgeführt.<br />

In der 2.Georg-Weinblum-Gedächtnis-Vorlesung im Jahr 1979, 13 Jahre nach seinem ersten<br />

Vortrag, präsentierte <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> dann weitere Überlegungen zur Berechnung sowie jüngste<br />

Versuchsergebnisse aus dem großen Kavitationstunnel der HSVA, bei denen die<br />

Kavitationsbilder studiert wurden <strong>und</strong> bei denen sich die durch das Leitrad erzeugten<br />

Druckpulse an der Außenhaut als klein erwiesen.<br />

Inzwischen war die sogenannte "zweite Ölkrise" eingetreten, <strong>und</strong> die Bunkerpreise<br />

verdoppelten sich innerhalb weniger Wochen. Auf dem 1979 <strong>von</strong> der Schlichting-Werft in<br />

Travemünde gebauten Forschungsschiff "Gauss" wurde 1980 ein Leitrad mit einem<br />

Durchmesser <strong>von</strong> 3,20 m nachgerüstet, das <strong>von</strong> der Lübecker Firma Schaffran hergestellt<br />

worden war. Das Leitrad saß auf Rollenlagern auf einem Wellenzapfen, der an der<br />

Propellernabe angeschraubt wurde. Die Schmierung der Lager erfolgte durch<br />

seewasserbeständiges Naßbaggerfett (die Schmierung soll in der weiteren Leitradgeschichte<br />

noch eine große Rolle spielen).<br />

Damit konnten zum ersten Male Ergebnisse aus dem realen Schiffsbetrieb gewonnen werden.<br />

Die Einsparungen waren ermutigend, das Leitrad erwies sich als "gutmütiges"<br />

Propulsionselement, das den Maschinenbetrieb <strong>und</strong> die Manövriereigenschaften nicht negativ<br />

beeinflusste.<br />

71


Abb 3 Propeller <strong>und</strong> Leitrad auf FS"Gauss" (Bildquelle FUGRO)<br />

1981 -1984: Die kommerzielle Phase wird vorbereitet <strong>und</strong> beginnt mit fliegendem Start<br />

Nach den positiven Erfahrungen auf der "Gauss" <strong>und</strong> angesichts der steigenden Ölpreise<br />

wurde Prof. <strong>Grim</strong> <strong>von</strong> zwei Seiten hinsichtlich einer kommerziellen Verwertung der Leitrad-<br />

Idee angesprochen: zum einen vom technischen Vorstand der damals gerade neu entstandenen<br />

Harmstorf-Werftengruppe (Flensburg, Travemünde, Büsum, Hamburg), Dr. Heinrich Kerlen,<br />

zum anderen <strong>von</strong> den Ostermann Metallwerken, Köln-Ehrenfeld, einem damals führenden<br />

Propellerhersteller, bei dem Dr. Meyne das Potential der Innovation erkannte. Die Harmstorf<br />

Gruppe, zu der auch eine Reederei gehörte, meldete <strong>für</strong> Prof. <strong>Grim</strong> ein weiteres Patent an <strong>und</strong><br />

rüstete ihr kleines 78m-Kühlschiff "Grootsand" im April 1983 mit einem 9-flügligen Leitrad<br />

<strong>von</strong> Ostermann (D = 3,20 m) nach. Die Probefahrten vor <strong>und</strong> nach Montage des Leitrades<br />

mussten im Tidenrevier vor Büsum stattfinden, daher wurde eine Messcrew der HSVA mit<br />

ihrem speziellen Log zur Ermittlung der Geschwindigkeit durchs Wasser engagiert, um alle<br />

Strömungseinflüsse <strong>für</strong> den Vergleich zu eliminieren. Nach Rückkehr <strong>von</strong> der zweiten Fahrt<br />

(mit Leitrad) waren wir <strong>von</strong> der Leistung des Leitrades überzeugt, obwohl die schlanke<br />

"Grootsand" mit ihrem relativ schwach belasteten Propeller wahrlich keine vielversprechende<br />

Kandidatin <strong>für</strong> eine Leitradanwendung war.<br />

In den folgenden Monaten explodierte die Nachfrage. Harmstorf <strong>und</strong> Ostermann einigten sich<br />

über die Bildung einer ARGE zur Vermarktung des Leitrades, die später, auf der Basis des<br />

angemeldeten europäischen Patentes, Lizenzverträge mit den Herstellern Schaffran (D), LIPS<br />

(NL), Stone Manganese (UK) <strong>und</strong> Kobe Steel (JAP) abschloss. Diese "Lizenzfamilie" wurde<br />

<strong>von</strong> der Harmstorf AG betreut, mit den notwendigen Informationen versorgt <strong>und</strong> gesteuert.<br />

Ostermann konstruierte die Lagerungen <strong>und</strong> entwickelte Lösungen <strong>für</strong> den herausfordernden<br />

Guss der recht filigranen Flügel. <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> lieferte nach wie vor die gr<strong>und</strong>legenden<br />

hydrodynamischen Berechnungen, seit 1983 nun allerdings nicht mehr mittels eines besseren<br />

Texas Instruments-Taschenrechners, sondern mit einem brandneuen IBM-PC mit (damals)<br />

"gewaltigen" 256 Kilobyte Hauptspeicher.<br />

Harmstorf rüstete im Dezember 1983 erstmals ein Verstellpropellerschiff mit dem Leitrad aus<br />

(D = 4,30m, z=9), den 6.000 tdw / 377 TEU- Neubau "Ostesun" der Büsumer Werft. Im<br />

Rahmen eines <strong>von</strong> Michael vom Baur koordinierten BMFT-Forschungsvorhabens wurden<br />

umfangreiche Messfahrten mit hervorragenden Ergebnissen <strong>für</strong> alle Propellersteigungen<br />

durchgeführt, die auch bestätigten, dass die Manövriereigenschaften nicht negativ beeinflusst<br />

wurden.<br />

72


Fast parallel im Dezember 1983 ging der 75.000 tdw OBO-Neubau "Pharos" des Bremer<br />

Vulkan <strong>für</strong> die Reederei Laeisz in Fahrt, der ein Leitrad mit 7,50m Durchmesser <strong>und</strong> 9<br />

Flügeln bekam. Mit einem Leitradgewicht <strong>von</strong> über 16 t, im Vergleich zur den bisherigen 1<br />

bis 3 t- Rädern, war das der Einstieg in eine neue Liga, die neue Anforderungen an die<br />

Konstruktion <strong>und</strong> Integration in den Wellenstrang stellte. Für die Ausrichtung der<br />

Wellenlager musste eine Lösung gef<strong>und</strong>en werden, die auch <strong>für</strong> die durch das "angehängte"<br />

Leitrad veränderte Biegelinie funktionierte; das war wichtig vor allem <strong>für</strong> die geplanten<br />

Nachrüstungen an größeren <strong>Schiffen</strong>.<br />

Diese Herausforderung wurde erfolgreich gemeistert, wie auch später <strong>für</strong> noch größere<br />

Leitradgewichte. Der Bremer Vulkan, hier insbesondere die Ingenieure A. Nolte <strong>und</strong> H.<br />

Sendner, engagierte sich sehr in der Untersuchung der Leitrad-Integration, auch im Rahmen<br />

eines BMFT-Vorhabens zu Messungen an der Großausführung.<br />

Ebenfalls im Dezember 1983 wurde bei HDW der 25.000 tdw / 1.300 TEU<br />

Containerschiffsneubau "NORASIA Rebecca" der Reederei Wesch noch nachträglich mit<br />

einem 6,70 m (9 Flügel) Leitrad ausgerüstet, wie später auch 8 Schwesterschiffe. Insgesamt<br />

gingen <strong>von</strong> Dezember 1983 bis Juni 1984 10 Leiträder, bis Jahresende 1984 8 weitere<br />

Leiträder in Betrieb, <strong>für</strong> insgesamt 6 verschiedene Schiffsdesigns <strong>von</strong> Bremer Vulkan, HDW,<br />

Sietas, Harmstorf Werften <strong>und</strong> der Neptun Werft in Rostock. Unter den überzeugten Reedern<br />

waren bekannte Namen wie Laeisz, Ahrenkiel, Wesch, Döhle, Heyo Janssen, Tamke, Ritscher<br />

<strong>und</strong> Columbia Shipmanagement. Das Heft 8/1984 der Zeitschrift HANSA dokumentiert diese<br />

rasante Entwicklung <strong>und</strong> die positiven Resultate.<br />

Die kurze Zeitspanne, in der die ersten 20 Leiträder geliefert wurden (fast alle <strong>von</strong> Ostermann,<br />

eines <strong>von</strong> Schaffran), lässt Kenner den enormen Zeitdruck erahnen, unter dem die<br />

Konstrukteure ebenso wie die Geschäftsführer der beteiligten Hersteller im Jahre 1983<br />

standen, als der Markt unter dem Eindruck der teuren Bunkerpreise <strong>und</strong> der erfreulichen<br />

Berichte über die ersten Probefahrten förmlich nach Leiträdern zu "schreien" begann. Es gab<br />

praktisch keine Möglichkeit, die Konstruktionen einige Monate im Betrieb zu beobachten <strong>und</strong><br />

vor größerer Verbreitung evolutionär zu entwickeln. Die Lagerhersteller hielten die<br />

Anwendung eher <strong>für</strong> eine exotische Nische <strong>und</strong> belegten ihre Prüfstände lieber mit Projekten,<br />

die größere Stückzahlen versprachen. Umfangreiche Messfahrten wurden erst 1984 im<br />

Rahmen <strong>von</strong> BMFT-Vorhaben durchgeführt, z.B. vom Bremer Vulkan <strong>und</strong> vom<br />

Germanischen Lloyd. Inzwischen wurden pragmatische Lösungen <strong>für</strong> die Lagerung, die zwar<br />

mit vielen Experten<br />

sorgfältig diskutiert,<br />

aber bisher nur in<br />

kleinerem Maßstab<br />

bewährt waren (de<br />

facto nur auf der<br />

"Gauss"), hoch skaliert<br />

<strong>und</strong> in größerer<br />

Stückzahl realisiert.<br />

Das Risiko schien<br />

allen Beteiligten<br />

jedoch vertretbar.<br />

73<br />

Abb.4: Leitrad <strong>und</strong> HDF<br />

"Skrim" (Bildquelle: Michael<br />

vom Baur)<br />

Das bis dahin größte<br />

Leitrad mit einem<br />

Durchmesser <strong>von</strong> 9,70 m <strong>und</strong> einem Gewicht <strong>von</strong> 36 t wurde <strong>von</strong> Ostermann gefertigt <strong>und</strong>


unter Bureau Veritas-Klasse <strong>für</strong> den Bulker "Skrim" der norwegischen Reederei Einar Lange<br />

bei Hy<strong>und</strong>ai in Ulsan nachgerüstet.<br />

Im November 1984 kam dann die Schreckensmeldung, mit der niemand gerechnet hatte:<br />

"Pharos" hatte während einer Fahrt im Mittelmeer ihr Leitrad verloren. In der Zeit bis Juni<br />

1986 gingen auch die Leiträder <strong>von</strong> "Norasia Karsten" (HDW) <strong>und</strong> "Skrim" verloren. Die<br />

ersten Verluste waren offenbar auf ein Lösen der Standard-Schraubverbindungen an<br />

Elementen der SIMPLEX-Abdichtung der Leitrad-Lagerung zurückzuführen, infolge dessen<br />

größere Mengen Seewasser in die Lagerung eindrangen <strong>und</strong> die Schmierung unterbrachen.<br />

Darauf wurde dann später mit diversen konstruktiven Maßnahmen reagiert, z.B. der<br />

Ausführung als Dehnschrauben <strong>und</strong> Klebesicherung der Schrauben.<br />

Die Leitrad Lagerung: Rollenlager unter Wasser oder Schmierung im Seewasser<br />

Die Lagerung der ersten Leiträder wurde <strong>von</strong> der auf der "Gauss" bewährten Konstruktion<br />

abgeleitet, die auf einem Pendelrollenlager als Schublager <strong>und</strong> einem kleineren<br />

Zylinderrollenlager als Loslager basierte.<br />

74<br />

Abb 5: Prinzipbild Leitrad Lagerung, erste Generation<br />

(Bildquelle: Ostermann)<br />

In den Diskussionen mit den<br />

Lagerherstellern waren diese überzeugt,<br />

dass es sich hier um einen relativ einfachen<br />

Fall handele, da die Lager im Verhältnis zu<br />

den erwarteten Lasten stark dimensioniert<br />

seien, eine Überhitzung durch die "Seewasserkühlung" ausgeschlossen werden könne <strong>und</strong> das<br />

Leitrad durch den Leichtlauf selbst an der Pier immer in leichter Bewegung sei, so dass keine<br />

Setzungen zu be<strong>für</strong>chten seien. Spätere Lager <strong>für</strong> die größeren <strong>und</strong> erheblich schwereren<br />

Leiträder wurden mit zwei Pendelrollenlagern konstruiert.<br />

Für die Schmierung war auf der "Gauss" ein Nassbaggerfett verwendet worden, das auch die<br />

geringen Mengen an Seewasser verarbeiten konnte, die durch die Simplex-Dichtungen<br />

eintreten. Ostermann hatte sich zunächst <strong>für</strong> das Produkt Shell Avania EP 2 entschieden. Da<br />

jedoch während einiger Inspektionen immer wieder eingedrungenes Seewasser <strong>und</strong><br />

Korrosionsspuren an der Lagerung festgestellt wurde, verkürzte der Germanische Lloyd die<br />

Besichtigungszeiten auf 2 Jahre. Um die Inspektionsintervalle auf die Dauer der vollen<br />

Klasseperiode zu bringen, kontaktierte Ostermann andere Fetthersteller <strong>und</strong> wählte schließlich,<br />

nach eingehenden technischen Beratungsgesprächen mit dem Hersteller, das Fett "K.ST.NBU<br />

12K", das als Spezialfett <strong>für</strong> die Schifffahrt mit Einsatztemperatur <strong>von</strong> -30°C bis +150°C<br />

vermarktet wurde. Wie sich später herausstellte, brachte dieses Fett bei der Leitradlagerung<br />

bei Lagertemperaturen unter + 35°C, wie sie durch die gute Kühlung <strong>von</strong> Bronze in<br />

Seewasser eigentlich die Regel sind, nicht die notwendige Schmierwirkung, was in kurzer<br />

Zeit zur Zerstörung der Lager <strong>und</strong> in der Folge zum Verlust des Leitrades führte. Fatalerweise<br />

war das neue Fett durch Austausch anfangs auch in völlig intakte Lagerungen eingeführt<br />

worden, die nun ebenfalls versagten. Ostermann sah sich bald mit erheblichen Garantie- <strong>und</strong><br />

Versicherungsansprüchen konfrontiert <strong>und</strong> versuchte seinerseits den Fetthersteller in Regress<br />

zu nehmen. Der daraus resultierende Rechtsstreit wurde erst 1996 in letzter Instanz vom<br />

B<strong>und</strong>esgerichtshof (Urteil No VI ZR 158/95) zugunsten <strong>von</strong> Ostermann entschieden,<br />

nachdem das Unternehmen schon geschlossen worden war. Dieses Urteil ist als Musterfall <strong>für</strong><br />

die Beratungspflichten technischer Verkäufer nach BGB § 823 in die Rechtsprechung<br />

eingegangen.


75<br />

Allerdings wurden auch<br />

Leiträder mit intakter<br />

Lagerung so beschädigt, dass<br />

Sie demontiert wurden, z.B.<br />

durch Kollision mit schwerem<br />

Treibgut oder im Eis.<br />

Insgesamt gingen 20 <strong>von</strong> 60<br />

Leiträdern verloren oder<br />

wurden demontiert.<br />

Abb.6: <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> bei der Besichtigung eines beschädigten Leitrades <strong>von</strong> MV "Ville de Venus" in Hamburg Mai 1989<br />

(Bildquelle: Jörg Blaurock)<br />

Eine gewisse Anzahl <strong>von</strong> Leiträdern waren Nachrüstungen. Die Platzverhältnisse zwischen<br />

Propeller <strong>und</strong> Ruder waren teilweise beschränkt <strong>und</strong> ließen nur geringe Lagerabstände zu.<br />

Manchmal konnte deswegen auch nur ein geringer Übergangs-Radius an der Wurzel der<br />

Leitradwelle vorgesehen werden. In zwei Fällen ist die Leitrad-Welle an der Wurzel<br />

abgebrochen, <strong>und</strong> das Leitrad ging verloren. An allen späteren Wellen ist der Geometrie des<br />

Wurzelbereiches <strong>und</strong> dessen Oberflächengüte größte Sorgfalt gewidmet worden (teilweise<br />

Shot Peening). Obgleich der Raum um die <strong>und</strong> über der Leitrad-Abdichtung mit einem<br />

zweigeteilten Schutzblech nach außen hin abgedeckt war, wurden bei verschiedenen<br />

Besichtigungen immer wieder Netz- <strong>und</strong> Tauwerksreste an der Leitrad-Abdichtung gef<strong>und</strong>en,<br />

beginnende Schädigungen der Schrauben waren zu erkennen. Daraufhin wurden alle<br />

Schraubenköpfe <strong>für</strong> den Simplex-Hauptflansch <strong>und</strong> -liner versenkt konstruiert. Zusätzlich<br />

wurden am Trennungsschlitz zwischen Propeller- <strong>und</strong> Leitrad-Nabe Netzmesser angebracht.<br />

QE2: Das ungewollte Leitrad-Flaggschiff<br />

Das langjährige Flaggschiff der Cunard Line, die "Queen Elizabeth 2", wurde <strong>von</strong> Oktober<br />

1986 bis Mai 1987 nach 17 Jahren Betrieb <strong>für</strong> US$ 162 Mill. (da<strong>von</strong> allein US$ 53 Mill. <strong>für</strong><br />

den Maschinenteil) auf der Bremerhavener Lloyd Werft <strong>von</strong> einem Dampfer zu einem<br />

modernen diesel-elektrischen Passagierschiff umgebaut.<br />

Für die "Jagd" über den Atlantik bei einer Geschwindigkeit <strong>von</strong> bis zu 30 kn verschlangen die<br />

bisherigen Turbinen r<strong>und</strong> 800 t Brennstoff am Tag. Bei Bunkerkosten, die zu dieser Zeit auf<br />

US$ 185,-/t angestiegen waren, entsprach das einem Geldwert <strong>von</strong> r<strong>und</strong> US$ 150.000,-/Tag.<br />

Ein Dieselmotor-Antrieb versprach Einsparungen <strong>von</strong> ca. 250 t pro Tag, eine dieselelektrische<br />

Anlage mit Verstellpropellern bot mehr Flexibilität <strong>für</strong> zunehmende Einsatzzeiten<br />

als Kreuzfahrtschiff. Nach der Auswertung <strong>von</strong> 15 Vorschlägen <strong>von</strong> 7 verschiedenen<br />

Herstellern wurden schließlich 9 M.A.N. B&W 9L58/64 Dieselgeneratorensätze mit jeweils<br />

10,6 MW bei 400 rpm ausgewählt, die über je einen elektrischen GEC Fahrmotor zwei fünf-<br />

flügelige LIPS High-Skew-Verstellpropeller in 2 Drehzahlstufen (144 oder 72 rpm) antreiben<br />

sollten, effektiv arbeiteten also fast 45 MW pro Welle.<br />

Cunard begleitete den geplanten Umbau mit einer intensiven Kampagne in den Medien, in der<br />

die QE2 als der künftige Stand der Technik propagiert wurde. Irgendwie war man dabei auch<br />

auf das <strong>Grim</strong>sche Leitrad aufmerksam geworden, <strong>und</strong> so wurden <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> <strong>und</strong> Michael vom<br />

Baur eines Tages im Frühjahr 1985 gemeinsam mit LIPS zu einer Präsentation in ein<br />

Frankfurter Hotel eingeladen, wo es vor Lieferanten <strong>für</strong> das Umbauprojekt wimmelte. Wegen<br />

der vielen Termine der Cunard-Manager fand die Präsentation der Wirkungsweise des<br />

Leitrades schließlich auf Servietten bei einem Arbeitsfrühstück im Hotelrestaurant statt: man<br />

war begeistert!<br />

Bei <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> wuchs allerdings bald die Skepsis, ob die QE2 eine gute Leitrad-Anwendung<br />

würde. Seine berechneten Prognosen lagen bei im Vergleich zu den anderen Fällen geringen


ca 1-2% Einsparung, was seiner Meinung nach innerhalb der Rechengenauigkeit lag <strong>und</strong> sich<br />

vor allem durch den relativ geringen Schubbelastungsgrad des schnellen Zweischraubers<br />

erklärte.<br />

Eingedenk der geringen berechneten Wirkung, der hohen Geschwindigkeit <strong>und</strong> der enormen<br />

Leistung pro Welle hatte <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> kein gutes Gefühl <strong>und</strong> riet in mehreren Besprechungen<br />

<strong>von</strong> der Verwendung des Leitrades <strong>für</strong> die QE2 ab. Aber die Sache hatte längst eine eigene<br />

Dynamik bekommen. Cunard wollte die neue Technik, trotz der geringen Einsparungsprognosen<br />

(Zitat: „ . . .<strong>und</strong> wenn wir es aus dem Werbeetat bezahlen … "), <strong>und</strong> dachte über<br />

Fernübertragung <strong>von</strong> Live-Videoaufnahmen der arbeitenden Propeller-Leitrad-Kombination<br />

in den Passagierbereich nach. Der Lizenznehmer LIPS war natürlich sehr an dieser<br />

spektakulären ersten Referenz interessiert <strong>und</strong> hielt die Konstruktion trotz der schon<br />

bekannten Leitradverluste <strong>für</strong> beherrschbar. So wurde die QE2 dann doch das Flaggschiff des<br />

<strong>Grim</strong>schen Leitrades. Es wurden umfangreiche Modellversuche in Wageningen durchgeführt,<br />

die Leiträder mit einem Durchmesser <strong>von</strong> 6,70 m <strong>und</strong> 7 Flügeln wurden in Drunen gegossen,<br />

gefertigt <strong>und</strong> auf der Lloyd-Werft an den Verstellpropellern (D = 5,80 m) montiert.<br />

76<br />

Abb 7: Propeller <strong>und</strong> Leitrad<br />

QE2 (Bildquelle: LIPS)<br />

Vom 9. bis 21.April<br />

1987 war die QE2 <strong>von</strong><br />

Bremerhaven aus zu<br />

ersten Probefahrten nach<br />

dem Umbau unterwegs,<br />

am 17. April wurden<br />

Geschwindigkeitsversuche bei Höchstfahrt (fast 33 kn) <strong>und</strong> auch Crash Stop Manöver<br />

durchgeführt. Danach verholte die QE2 nach Southampton. Dort wurde bei einer Inspektion<br />

festgestellt, dass beide Leiträder nur noch 2 nebeneinander liegende Flügel hatten, die anderen<br />

waren, möglicherweise schon bei den Probefahrten, abgebrochen. Da vor der ersten Reise mit<br />

Passagieren keine Zeit zur Demontage blieb, überquerten die beschädigten Leiträder noch<br />

zweimal den Atlantik, wobei bei beiden je ein Flügel auf der Überfahrt nach New York<br />

abbrach, an einem der letzte auf der Rückreise nach England. Der verbleibende Flügel wurde<br />

am 9. Mai in Southampton abgeschnitten <strong>und</strong> untersucht. Eine spätere Inspektion der<br />

Bruchstellen an den noch an den Propellern sitzenden Naben ergab, dass die Brüche bei<br />

einigen Flügeln auf der Vorderseite, bei anderen auf der Rückseite begonnen hatten, jeweils<br />

bei ca. 0,27R (im Turbinenteil, knapp über der Nabe). 8 <strong>von</strong> 14 Flügeln waren nach achtern<br />

abgebrochen, obwohl der resultierende Schub bei Vorausfahrt eine Biegung in Fahrtrichtung<br />

(nach vorn) verursacht. Die relativ großen Restbruchzonen wiesen auf Ermüdungsbrüche hin,<br />

Guss- <strong>und</strong> Materialqualität schienen allerdings einwandfrei. Am 10. Juli wurden dann auch<br />

die Leitrad-Naben demontiert. Bei ihrer Untersuchung wurde festgestellt, dass einer der<br />

Lagerringe des Steuerbord-Leitrades gebrochen war. Für die Konstruktion der Lagerung war<br />

jeder Lizenznehmer (hier LIPS) selbst verantwortlich.<br />

In den darauffolgenden Monaten wurde intensiv über die möglichen Gründe <strong>für</strong> die Schäden<br />

diskutiert, was durch das Wettbewerbsverhältnis des QE2-Leitrad-Herstellers <strong>und</strong><br />

Lizenznehmers LIPS <strong>und</strong> des Lizenzgebers Ostermann nicht gerade vereinfacht wurde.<br />

Spekulationen über die Ursachen reichten über Gr<strong>und</strong>berührung in Bremerhaven, Kontakt mit<br />

(damals noch regulär) während der Probefahrt über Bord geworfenen großen Abfallteilen bis<br />

zur Überlastung durch grobe <strong>und</strong> in kürzester Zeit durchgeführte Crash-Stop-Manöver aus<br />

voller Geschwindigkeit (möglich durch die diesel-elektrischen Antriebsanlage). Eine<br />

einvernehmliche öffentliche Schlussfolgerung ist uns nicht bekannt geworden.


Die Firma LIPS führte nach der Havarie umfangreiche hydrodynamische Analysen durch.<br />

Dabei wurden besonders die instationären Effekte im Nachstrom sowie durch die aktuelle<br />

relative Stellung eines Leitradflügels zum Propellerblatt betrachtet, unter Berücksichtigung<br />

der vom Propeller induzierten Geschwindigkeiten <strong>und</strong> seines Spitzenwirbels. In den<br />

Ergebnissen wurde deutlich, dass der Propeller die durch Nachstromspitzen verursachten<br />

Schwankungen der Zustromgeschwindigkeit in das Leitrad zwar stark glättet, dass aber bei<br />

bestimmten relativen Stellungen der Leitrad- <strong>und</strong> Propellerflügel zueinander <strong>für</strong> die inneren<br />

Leitrad-Radien große Bandbreiten der Spannungsmaxima auftreten, die <strong>für</strong> die Dauerfestigkeit<br />

der Flügel relevant sind.<br />

Abb.8: Schwankungen der Axialgeschwindigkeit<br />

im Propellerstrahl <strong>für</strong> den Propeller in Freifahrt<br />

(oben) <strong>und</strong> im Nachstromfeld (unten)<br />

(Bildquelle de Cock, LIPS Propellerseminar)<br />

Abb. 10: Leitrad beim Durchgang durch den Spitzenwirbel, MV"Pharos" /<br />

Großausführung (Bildquelle: Bremer Vulkan / Ostermann)<br />

LIPS zog daraus die Schlussfolgerung, dass die Leitradwurzeln<br />

generell, trotz der <strong>von</strong> Ostermann bereits bewusst konservativ<br />

vorgegebenen Mittelspannung <strong>von</strong> max. 40 N/mm², zu schwach<br />

dimensioniert seien, <strong>und</strong> änderte seine internen Design-Richtlinien<br />

entsprechend.<br />

Im speziellen Fall QE2, bei dem trotz des niedrigen Schubbelastungsgrades<br />

"cT" mehr als doppelt so viel Schub bzw. Leistung pro<br />

m² Propellerfläche konzentriert war (Schub ca. 2.300 kN pro<br />

Propeller) als bei allen anderen Leiträdern, mag das tatsächlich <strong>von</strong><br />

ausschlaggebender Bedeutung <strong>für</strong> die aufgetretenen Schäden<br />

gewesen sein.<br />

Der Schaden an den QE2-Leiträdern war Titelmeldung in Lloyds List am 1.Mai 1987 <strong>und</strong><br />

fand daher weltweite Beachtung, die natürlich auch die 18 weiteren Leitraddefekte bzw. –verluste<br />

im Zeitraum <strong>von</strong> Mitte 1986 bis Frühjahr 1990 stärker ins Bewusstsein rief. In der<br />

Schifffahrtswelt verfestigte sich der Eindruck, dass das Leitrad dem Schiffsbetrieb nicht<br />

gewachsen sei. In einem Umfeld mit wieder stark verbilligtem Treibstoff ging so das breite<br />

Interesse an dieser Innovation verloren. Das Leitrad schien ein Fall <strong>für</strong> das Museum zu sein.<br />

77<br />

Abb. 9: Spannungsniveau in den Leitradflügel unter<br />

Berücksichtigung der vom Propeller induzierten<br />

Geschwindigkeiten <strong>und</strong> seines Spitzenwirbels<br />

(Bildquelle: de Cock, LIPS Propellerseminar)


Für die Kölner Firma Ostermann Metallwerke GmbH & Co als Hersteller der meisten<br />

Leiträder bedeutete die Vielzahl <strong>von</strong> Garantiefällen den Anfang vom Ende.<br />

Die mitten in der Kölner Innenstadt gelegene <strong>und</strong> zunehmend mit immer strengeren<br />

Emissionsauflagen beaufschlagte<br />

Gießerei, <strong>für</strong> die die Auslieferung<br />

<strong>von</strong> großen Leiträdern schon immer<br />

eine transporttechnische<br />

Herausforderung darstellte, hatte<br />

durch die Leitradverluste ihre Mittel<br />

<strong>für</strong> notwendige Investitionen in<br />

einen neuen Fertigungsstandort<br />

verbraucht <strong>und</strong> entschloss sich,<br />

auch angesichts der neuen<br />

Konkurrenz nach der deutschen<br />

Wiedervereinigung, im Jahre 1992<br />

zur Schließung des traditionsreichen<br />

Betriebes in Köln-Ehrenfeld.<br />

Abb 11: Transport eines großen Leitrades in Köln-Ehrenfeld (Bildquelle: Rheinische Industriekultur e.V.)<br />

Ein neuer Anlauf in Japan: VLCC "Draco", Modellprojekt der Internationalen<br />

Energieagentur<br />

Die japanische Werft IHI bezog das Leitrad, trotz der vielen bekannt gewordenen Defekte,<br />

nach umfangreichen Studien als überzeugendste Lösung in ihr Entwurfskonzept <strong>für</strong> eine neue<br />

Generation <strong>von</strong> 16,5 kn schnellen, energieeffizienten VLCCs mit 240.000 tdw <strong>und</strong> 20 MW<br />

Antriebsleistung ein. Gemeinsam mit LIPS wurden die bisherigen Probleme analysiert <strong>und</strong><br />

neue Lösungen gesucht. Neben der Verstärkung der Leitradflügel im Wurzelbereich war das<br />

vor allem die Abkopplung der Lagerung des hier mehr als 60 t schweren Leitrades (11,64 m<br />

Durchmesser, 9 Flügel) vom Propellerwellenstrang <strong>und</strong> deren Anordnung am Ruderhorn.<br />

Abb 12 : "Draco" Leitrad-Anordnung am Ruderhorn (Bildquelle IEA-CADDET Result No.116 July 1992)<br />

Für diese Konfiguration wurden umfangreiche Finite-Elemente-Berechnungen <strong>und</strong><br />

Schwingungsanalysen des Ruderhorns ausgeführt, dessen Longitudinalschwingungen neben<br />

den Tiefgangsunterschieden (hydrostatischer Druck) zu Druckschwankungen innerhalb der<br />

Lagerung beitragen.<br />

78


79<br />

Für die beiden Pendelrollenlager<br />

wurde eine Ölschmierung mit<br />

externer Nachfüllung <strong>und</strong> einem<br />

Monitoring-System <strong>für</strong> Abrieb<br />

gewählt.<br />

Auch wurde ein Sensor <strong>für</strong> die<br />

Drehzahl des Leitrades installiert,<br />

der bei den Probefahrten<br />

interessante Informationen über<br />

die Abläufe beim Crash Stop-<br />

Manöver lieferte.<br />

Abb. 13: MT "Draco"- Drehzahlen während<br />

eines Crash Stop Manövers<br />

(Bildquelle: Papier Tanaka et.al. IHI, LIPS<br />

Propellerseminar)<br />

MV "Draco" wurde im September<br />

1988 an eine Reederei in Singapore ausgeliefert <strong>und</strong> bestätigte in den folgenden Jahren die<br />

hervorragenden Probefahrtergebnisse (mittlere Brennstoffeinsparung <strong>von</strong> 8%). Eine<br />

Inspektion des Leitrades nach 2.500 Betriebsst<strong>und</strong>en ergab keinerlei negative Bef<strong>und</strong>e. Im<br />

Juli 1992 wurde das Projekt als Energieeinsparvorbild durch die Internationale<br />

Energieagentur IEA (CADDET-Service) propagiert. Leider wurde nach Angaben <strong>von</strong> LIPS<br />

(heute Teil <strong>von</strong> Wärtsilä) auch dieses erfolgreiche Leitrad einige Zeit später demontiert,<br />

nachdem man bei einer regulären Dockung Spuren <strong>von</strong> Korrosion an der Lagerung festgestellt<br />

hatte. Die niedrigen Bunkerpreise der späteren 1990er Jahre <strong>und</strong> die mittlerweile geringeren<br />

Service-Geschwindigkeiten waren keine Motivation <strong>für</strong> eine Instandhaltung mehr.<br />

Wären Leiträder heute wieder interessant?<br />

Trotz aller schlechten Nachrichten wurden weiter Leiträder projektiert <strong>und</strong> gebaut, wenn auch<br />

einige Reeder, wie z.B. Hapag Lloyd, gegen Ende der 1980er Jahre bereits georderte Leiträder<br />

zurückgaben. Insgesamt sind weltweit 60<br />

Leiträder installiert worden, <strong>von</strong> denen ein<br />

Drittel <strong>von</strong> Problemen unterschiedlicher Art<br />

betroffen waren.<br />

Abb 14: Bunkerpreise <strong>für</strong> Schweröl (Quelle: Alphaliner)<br />

In der Blütezeit des Leitrades während <strong>und</strong><br />

nach der zweiten Ölkrise (1983-1988) wurden<br />

<strong>für</strong> ein Leitrad bei US$ 150-190,-./t<br />

Amortisationszeiten durch Brennstoffeinsparung<br />

<strong>von</strong> 2-3 Jahren errechnet. Im<br />

Vergleich mit dieser Zeit sind die Bunkerpreise<br />

<strong>für</strong> Schweröl heute mit über US$ 700,- fast viermal so hoch (US$-Basis).<br />

Zusätzlich wird es künftig immer mehr Seegebiete geben, in denen das preisgünstigste<br />

schwefelhaltige Schweröl nicht mehr oder nur noch mit kostspieliger Abgasreinigung<br />

verwendet werden darf. Einsparung <strong>von</strong> Brennstoff <strong>und</strong> CO2 ist heute wieder ein Top-Thema.<br />

Der Preis eines Leitrades wird wesentlich vom Kupferpreis sowie <strong>von</strong> den Energiekosten <strong>für</strong><br />

den Gussvorgang beeinflusst, beide Parameter sind heute, wie auch die Fertigungslöhne, im<br />

Vergleich zu den 1980er Jahren deutlich höher. Der Preis <strong>für</strong> ein Leitrad dürfte nach<br />

überschlägigen Abschätzungen heute auf Euro-Basis nicht mehr als das Dreifache des<br />

damaligen Preises betragen. Angesichts der oben genannten Brennstoffpreise (ca. viermal so


hoch wie zur Blütezeit des Leitrades) wäre in jedem Falle eine kurzfristige Amortisation<br />

gegeben.<br />

Es wäre jedoch mit Sicherheit eine Überarbeitung der Blattdimensionierung notwendig, um<br />

die schlanken Leitradflügel fest genug <strong>für</strong> den Kontakt mit großem Treibgut <strong>und</strong> Eisschollen<br />

zu machen. Weiterhin müsste eine gründliche konstruktive Aktualisierung der Leitradlagerung<br />

erfolgen, um diese "resistent" gegen das Eindringen <strong>von</strong> Seewasser zu machen <strong>und</strong><br />

so einen sicheren Betrieb mit langen Inspektionsintervallen zu gewährleisten.<br />

Wir sind überzeugt, dass das <strong>Grim</strong>sche Leitrad auch heute <strong>für</strong> etliche Anwendungen in der<br />

Handelsschifffahrt eine sehr effiziente Lösung bieten könnte, wenn man die gesammelten<br />

Erkenntnisse aus den Schadensfällen bei künftigen Konstruktionen berücksichtigen würde.<br />

Da<strong>für</strong> stehen heute ganz andere Analysewerkzeuge zur Verfügung als in der Pionierzeit vor<br />

fast 30 Jahren. Vom früheren Vorstand des Germanischen Lloyd, Prof. Gütschow stammt die<br />

Aussage während der Zeit der Leitradverluste, es sei eine Schande <strong>für</strong> den deutschen Schiffsmaschinenbau,<br />

dass man die technischen Probleme noch nicht gelöst habe.<br />

Aktuelle Herausforderungen an den mechanischen Elementen der riesigen Offshore-<br />

Windkraftwerke (Durchmesser über 100 m) zeigen, dass keine Innovation je ohne<br />

Anfangsschwierigkeiten eingeführt worden ist, aber auch, dass man notwendige Analyse- <strong>und</strong><br />

Entwicklungsarbeit gern investiert <strong>und</strong> dadurch maschinenbauliche Probleme schnell lösen<br />

kann, wenn nur das wirtschaftliche Interesse groß genug ist. Beim Demonstrationsprojekt<br />

GROWIAN, das mit 3 MW bereits die Größe heutiger Offshore-Windkraftanlagen aufwies,<br />

hatte man 1987 wegen der vielen Probleme mangels wirtschaftlicher Perspektive noch<br />

aufgegeben.<br />

Dass <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong>s innovatives Leitrad tatsächlich über Jahrzehnte zuverlässig seinen Dienst im<br />

rauen Schiffsbetrieb versehen kann, zeigt eine kürzlich erhaltene Nachricht vom neuen<br />

Betreiber der "Gauss", der Seismik-Firma FUGRO: bei der letzten Dockung in 2010 habe<br />

man das Leitrad inspiziert <strong>und</strong> alles in guter Ordnung <strong>und</strong> Funktion gef<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> das 30<br />

Jahre nach der Installation!<br />

Diese Nachricht hätte <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> <strong>für</strong> viele schlaflose Nächte entschädigt.<br />

80


<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> <strong>und</strong> das Manövrieren<br />

A. Cura Hochbaum, Technische Universität Berlin<br />

Um es vorweg zu sagen, <strong>Grim</strong> hat sich relativ wenig mit Manövrieren beschäftigt. Da<strong>für</strong> hat<br />

er sich aber gleich in seinem ersten Paper [1] mit einer der schwierigsten Fragestellungen in<br />

diesem Zusammenhang befasst, nämlich mit der Gierstabilität <strong>und</strong> dem Kurshaltevermögen in<br />

<strong>von</strong> achtern auflaufenden Wellen. Er hat sich also schon im Jahr 1951 mit<br />

Manövrierproblemen im Seegang befasst, die heute noch brandaktuell sind. Wegen der<br />

Komplexität beider Themen haben die Wissenschaftler jahrzehntelang das<br />

Manövrierverhalten <strong>und</strong> das Seeverhalten <strong>von</strong> <strong>Schiffen</strong> getrennt <strong>von</strong>einander behandelt. Erst<br />

in den letzten Jahren vermehrten sich die Bemühungen, das Manövrieren im Seegang <strong>und</strong><br />

somit beide Themen gemeinsam mit modernen Berechnungsmethoden vorherzusagen.<br />

Das Beeindruckende bei dem erwähnten Paper ist, wie <strong>Grim</strong> trotz der simplen Mittel, oder<br />

gerade wegen der eingeschränkten Möglichkeiten, was die Berechnungsverfahren <strong>und</strong> die zur<br />

Verfügung stehenden Versuchstechniken betrifft, mit einfallsreichen Ideen <strong>und</strong> begründeten<br />

Annahmen das Problem so darstellen konnte, dass er nutzvolle Ergebnisse erzielen konnte.<br />

Auch im Modellversuch verstand er sich damals zu helfen, beispielweise um die Situation des<br />

Schiffes an verschiedenen Positionen in der mitlaufenden Welle genau zu untersuchen <strong>und</strong><br />

dabei die Kräfte zu messen. Seine Schlussfolgerungen waren qualitativ sehr zutreffend <strong>und</strong><br />

die Fragen, die er wegen seines stark vereinfachten mathematischen Modells quantitativ nicht<br />

genau lösen konnte, gelten heute noch als nicht ganz geklärt. In seiner <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> stark<br />

geprägtem Dissertation hat Boese weiter manövrierrelevante Aspekte im Seegang behandelt<br />

<strong>und</strong> bspw. eine lineare Stabilitätsanalyse der Gierbewegung in <strong>von</strong> hinten auflaufenden<br />

Wellen durchgeführt, sowie ein numerisches Verfahren zur Lösung der<br />

Bewegungsgleichungen entwickelt [2].<br />

Ein weiterer Verdienst <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> in Sachen Manövrieren war es, als Sprecher des<br />

Sonderforschungsbereichs 98 die Arbeiten <strong>von</strong> Sharma, Oltmann <strong>und</strong> Wolff zur Realisierung<br />

des CPMC der HSVA im Jahr 1975 zu unterstützen [3]. Die Möglichkeit, sowohl<br />

Kraftmessungen während dynamischer Versuche durchzuführen, als auch die Bewegungen<br />

eines freimanövrierenden Modells damit genau zu messen, war zu diesem Zeitpunkt einmalig.<br />

Diese Anlage hat sich mit den Jahren als eine herausragende Vorrichtung erwiesen <strong>und</strong> wurde<br />

in mehreren Versuchsanstalten der Welt nachgebaut. Ende der 90er Jahre wurden die<br />

Programme zur Durchführung <strong>und</strong> Auswertung der CPMC Kraftmessungen, d.h. zur<br />

Bestimmung <strong>von</strong> hydrodynamischen Koeffizienten zur Manövriervorhersage, voll auf<br />

Numerik umgestellt, wodurch neue <strong>und</strong> präzisere Bewegungen möglich waren. Mitte des<br />

letzten Jahrzehnts wurde dann die Steuerung des CPMC r<strong>und</strong>um erneuert <strong>und</strong> somit die<br />

Anlage komplett auf Vordermann gebracht. Die Hardware musste man dabei nicht betrachten,<br />

da die Versuchseinrichtung so robust war, dass sie meines Wissens nie eine bedeutendere<br />

Reparatur verlangte.<br />

Nachdem einige Ergebnisse aus <strong>Grim</strong>s Arbeit vorgestellt werden, wird in diesem Vortrag der<br />

jetzige Stand der Technik im Bereich Manövrieren <strong>von</strong> <strong>Schiffen</strong> kurz beschrieben <strong>und</strong> die<br />

Stärken <strong>und</strong> Schwächen der heutigen empirischen, numerischen <strong>und</strong> experimentellen<br />

Vorhersageverfahren anhand der Ergebnisse des ersten internationalen Workshops über<br />

Manövriervorhersage SIMMAN 2008 [4] diskutiert. Anders als die erhoffte Klärung der<br />

Genauigkeit der jeweiligen Verfahren brachte der Workshop viele Fragen bezüglich der<br />

Zuverlässigkeit vieler Vorgehensweisen, aber auch der zur Verifikation herangezogenen<br />

Versuchsdaten.<br />

Des Weiteren werden im Vortrag auch die aktuellen Bestrebungen in der Forschung<br />

besprochen, um die Vorhersagetechniken zu verbessern <strong>und</strong> <strong>für</strong> kompliziertere Fälle<br />

weiterzuentwickeln, sowie zur Beantwortung <strong>von</strong> Fragen betreffend der Maßstabseffekte<br />

81


während Manövrierversuchen, oder zur Vorhersage des Manövrierverhaltens in Wellen, also<br />

auch zu Themen denen sich O. <strong>Grim</strong> schon vor 60 Jahren gestellt hat.<br />

Man könnte z.B. denken, dass nach nun über 36 Jahren Dienst, das CPMC ausgedient haben<br />

dürfte, weil es durch numerische Simulationen ersetzt wird. Tatsächlich ist jedoch das<br />

Gegenteil der Fall, zum einen weil einige Versuche noch schwer zu simulieren sind, zum<br />

anderen, weil gerade zur Validierung der neuen Verfahren genaue Versuchsdaten gebraucht<br />

werden. Im Rahmen des gerade angelaufenen BMWi-Forschungsprojekts PREMAN soll nun<br />

das CPMC weiter verbessert werden <strong>und</strong> damit wieder ein Alleinstellungsmerkmal erzielen.<br />

Um Maßstabseffekte wegen der Nichteinhaltung der Reynoldszahl während des<br />

Manövrierversuchs <strong>und</strong> der damit einhergehenden Überzeichnung der zähigkeitsbedingten<br />

Effekte zu lindern, soll das freifahrende Modell entsprechend des Reibungsabzugs beim<br />

Propulsionsversuch entlastet werden. Die Aufgabe ist hier aber schwieriger, weil das Modell<br />

während des Versuchs stets seine Position <strong>und</strong> seine Vorausgeschwindigkeit ändert, so dass<br />

die Größe der Zugkraft geregelt werden muss <strong>und</strong> <strong>für</strong> ihre korrekte Anbringung zu sorgen ist.<br />

Wenn dies gelingt, wird das CPMC weltweit die erste Anlage sein, die dazu in der Lage ist.<br />

Aber auch was die Vorhersage der Manövrierbarkeit des Schiffes mit numerischen Mitteln<br />

betrifft, soll in diesem Projekt ein wichtiger Fortschritt erzielt werden. So soll das Verfahren,<br />

das bereits bei SIMMAN gute Ergebnisse <strong>für</strong> einen Tanker (ohne Rollen) erzielt hat, <strong>für</strong><br />

kleine metazentrische Höhen (mit Rollen) <strong>und</strong> um die Berücksichtigung der freien<br />

Wasseroberfläche <strong>und</strong> der dynamischen Schwimmlagenänderung ergänzt werden. Im<br />

Verb<strong>und</strong>vorhaben ist sogar die Verbesserung eines RANS-Codes vorgesehen, um die direkte<br />

Simulation verschiedener Manöver zu ermöglichen. Dabei soll auf ein mathematisches<br />

Modell <strong>für</strong> die hydrodynamischen Kräfte <strong>und</strong> Momente komplett verzichtet werden <strong>und</strong> diese<br />

Kräfte stattdessen während der Simulation laufend berechnet werden.<br />

In einem weiteren Forschungsvorhaben, das gerade in diesen Tagen zusammen mit anderen<br />

Partnern beantragt wird, sollen u.a. numerische Techniken zur Vorhersage des<br />

Manövrierverhaltens im Seegang mit Hilfe <strong>von</strong> RANS-Berechnungen weiterentwickelt<br />

werden <strong>und</strong> mit gezielten Modellversuchen validiert werden. Also, wie Sie sehen, sind wir 60<br />

Jahre nach dem ersten Paper <strong>von</strong> <strong>Grim</strong> immer noch dabei, seine Fragen bezüglich der<br />

quantitativen Abweichungen zwischen Versuch <strong>und</strong> Berechnung zu beantworten. Wir haben<br />

da<strong>für</strong> sowohl erheblich bessere numerische Verfahren zur Verfügung, als auch bessere<br />

Versuchsmöglichkeiten zur Validierung der Verfahren. Dies haben wir natürlich der rasanten<br />

Entwicklung der Rechner zu verdanken, aber parallel dazu haben wir selbst in den letzten 20<br />

Jahren leistungsstarke <strong>und</strong> genaue numerische Verfahren entwickelt. Bei aller Rechnerpower<br />

sollten wir jedoch nicht aufhören mitzudenken, in der Annahme, der Rechner könnte uns alles<br />

abnehmen. Man braucht nur <strong>Grim</strong>s Papers zu betrachten, um zu erkennen, wie weit einen das<br />

selbständige Denken bringen kann.<br />

[1] O. <strong>Grim</strong>, “Das Schiff in <strong>von</strong> achtern auflaufender See“, HSVA-Bericht 972, JSTG 45, S.<br />

264, 1951<br />

[2] P. Boese, “Die Längs- <strong>und</strong> Gierbewegung im achterlichen Seegang“, IfS-Bericht 179,<br />

Hamburg, 1966<br />

[3] O. <strong>Grim</strong>, P. Oltmann, S.D. Sharma and K. Wolff, “CPMC - A Novel Facility for Planar<br />

Motion Testing of Ship Models, 11th Symposium on Naval Hydrodynamics, London,<br />

1976<br />

[4] F. Stern <strong>und</strong> K. Agdrup, “Proceedings of the Workshop SIMMAN 2008“, Copenhagen,<br />

2008<br />

82


Nicht verzagen – <strong>Otto</strong> fragen!<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> <strong>und</strong> das Verhältnis <strong>von</strong> Theorie <strong>und</strong> Praxis<br />

Peter Schenzle<br />

„Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie“ –<br />

sagte Georg Weinblum - als Theoretiker? – Und schon wären beide Bereiche wieder in ihre<br />

Kästchen einsortiert.<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> war ja fast 20 Jahre eine geistige Vaterfigur <strong>für</strong> mich, <strong>und</strong> ich beobachtete immer<br />

wieder, dass er <strong>von</strong> der Praxis als Theoretiker <strong>und</strong> <strong>von</strong> der Theorie als Praktiker gesehen (oder<br />

einsortiert) wurde. Auf den Hinweis, dass <strong>Grim</strong>s Berechnungen zum Seeverhalten <strong>von</strong> einem<br />

Ingenieurbüro schon beim Schiffsentwurf genutzt würden, meinte ein gestandener Werft-<br />

Vertreter: „Das sind auch alles junge Leute – wir brauchen das nicht, wir haben ja die Erfahrung!“<br />

Der Seegang galt ja traditionell als chaotische Urgewalt, nur künstlerisch zu beschreiben <strong>und</strong> in<br />

seiner Wirkung auf Schiffe nur der seemännischen Erfahrung zugänglich. Schon im Buch der<br />

Sprüche gilt der Weg des Schiffes auf hoher See als ‚w<strong>und</strong>erbar‘, <strong>und</strong> noch Lord Rayleigh wird<br />

so zitiert: “The basic law of the seaway is the apparent lack of any law.”<br />

BEOBACHTUNG: MODELL:<br />

Kurzkämmiger<br />

unregelmäßiger Seegang<br />

Als Landratte kannte ich das nur vom Bodensee aus der Ruderboot-Perspektive. Später als Student<br />

<strong>und</strong> ‚akademischer Reiniger‘ an Bord eines ‚Bananen-Jägers‘ hatte ich dann vor der Biskaya einen<br />

Orkan erlebt, in dem sich das 120m-Schiff genau so extrem bewegte wie das 6m-Boot auf dem<br />

See. Das beeindruckte mich so, dass ich meine Diplomarbeit über ‚Slamming‘ schrieb, jene<br />

83<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> (1911 – 1994)<br />

Seegangs-<br />

Richtungsspektrum


eängstigende Begleiterscheinung extremen Seeverhaltens, die ich tagelang (auch im Schlaf) beim<br />

Abreiten des Sturms erlebt hatte.<br />

Georg Weinblum hatte schon 1950 in USA mit Manley St.Denis gr<strong>und</strong>legende Vorarbeiten zur<br />

Schiffsbewegung in regelmäßigen Wellen gemacht <strong>und</strong> auf die notwendige Erweiterung auf den<br />

unregelmäßigen Seegang verwiesen. Das da<strong>für</strong> passende mathematische Modell des stationären<br />

stochastischen Vorgangs war in der Kommunikationstheorie <strong>von</strong> Rice, Tukey, Hamming <strong>und</strong><br />

Wiener entwickelt <strong>und</strong> vom Ozeanographen Willard J. Pierson auf gemessene Seegangsdaten<br />

angewandt worden.<br />

Dessen Vortrag soll St. Denis gehört haben, ohne ihm folgen zu können. Er sprach ihn aber an,<br />

<strong>und</strong> es kam zu einer sehr fruchtbaren Zusammenarbeit <strong>von</strong> Wissenschaft <strong>und</strong> Technik mit der<br />

klassischen Arbeit 1953 zur Schiffsbewegung in unregelmäßigem Seegang. Als Weinblum dann in<br />

Hamburg das <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Schiffbau (IfS) aufbaute, fand er in <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> seinen Nachfolger <strong>und</strong><br />

die Verbindung <strong>von</strong> Theorie <strong>und</strong> Praxis, um hier diese Entwicklung weiter voranzutreiben.<br />

Bei <strong>Grim</strong> lernte ich, dass man vor komplexen Problemen nicht aufgeben muss, sondern durchaus<br />

quantitative Aussagen machen kann, wenn man ein Problem auf seine Handvoll signifikanter<br />

Parameter reduziert <strong>und</strong> <strong>für</strong> ihre Beziehungen physikalisch begründete analytische Ansätze<br />

benutzt. Solche überschaubaren Rechenmodelle ermöglichen eine einfache Darstellung <strong>und</strong><br />

Zuordnung <strong>von</strong> Ursachen <strong>und</strong> Wirkungen, sie erleichtern das Verständnis der Zusammenhänge in<br />

der Analyse <strong>von</strong> Systemen <strong>und</strong> damit auch die Optimierung in der kreativen Synthese neuer<br />

Konfigurationen (also im praktischen Entwurf).<br />

Einfache <strong>und</strong> komplexe Theorien <strong>und</strong> Rechenmodelle<br />

Nach Wendel <strong>und</strong> seinen Schülern waren wir ~1965 bei <strong>Grim</strong> unter den ersten am IfS, die die<br />

neue Computer-Technik als Werkzeug nutzten, um mit den neuen theoretischen Ansätzen die<br />

Bewegungen <strong>und</strong> Belastungen <strong>von</strong> <strong>Schiffen</strong> im Seegang zu berechnen <strong>und</strong> darüber statistische<br />

Aussagen über zu erwartende Häufigkeiten <strong>und</strong> Maximalwerte zu machen.<br />

Unsere Programme nach analytischen Rechenmodellen waren noch übersichtlich <strong>und</strong> selbst<br />

geschrieben, <strong>und</strong> damit war die selbstkritische Fehlersuche obligatorisch. Zuerst glaubt man zu<br />

gerne an die ersten Ergebnisse, <strong>und</strong> dann runzelt der Professor die Stirn. <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> hatte den<br />

sagenhaften Ruf, gleich zu sehen, wenn etwas nicht sein konnte. Der Trick war ‚Plausibilität<br />

abschätzen‘. Das musste man lernen, <strong>und</strong> es war gar nicht so schwer, wenn man sich den<br />

praktischen Blick auf das Wesentliche nicht abtrainiert hatte. (Der moderne Ausdruck heißt: ‚back<br />

of an envelope calculation‘ oder einfach Überschlagsrechnung‘ aber mit den signifikanten<br />

Parametern <strong>und</strong> Beziehungen.) Natürlich war es besser, wenn man selbst bemerkte, ob das<br />

Ergebnis stimmen konnte. Dann fielen einem häufig schon in der U-Bahn zum oder vom Uni-<br />

Rechenzentrum seine Sünden ein. Wenn nicht, dann hieß es: „Nicht verzagen, <strong>Otto</strong> fragen!“<br />

<strong>Grim</strong> rückte dann seine Brille etwas schief, taxierte die Zahlen <strong>und</strong> arbeitete heraus, ob <strong>und</strong> was<br />

falsch gelaufen war.<br />

84


Von heute aus betrachtet waren die Rechenmodelle in den 1960er Jahren noch denkbar simpel:<br />

Streifenmethode (Slender Body)<br />

zweidimensional, linearisiert, zähigkeitsfrei, gerechnet im Frequenzbereich mit Statistik <strong>für</strong><br />

schmalbandige Prozesse. Man war sich der Grenzen <strong>und</strong> Einschränkungen der Modelle bewusst,<br />

was Fehlersuche, -Diagnose <strong>und</strong> Plausibilitäts-Checks erleichterte.<br />

Die Fortschritte in der Rechentechnik erlauben heute, die damaligen Einschränkungen Schritt <strong>für</strong><br />

Schritt aufzuheben: Man kann dreidimensional, nichtlinear <strong>und</strong> sogar viskos im Zeitbereich<br />

simulieren!<br />

Meistens bedeutet das den Übergang <strong>von</strong> der analytischen zur numerischen Modellierung – <strong>und</strong><br />

damit <strong>von</strong> einer übersichtlichen Zahl <strong>von</strong> Parametern (oder Stellschrauben) zu tausenden <strong>von</strong><br />

Paneelen <strong>für</strong> Potential-Modelle oder Millionen <strong>von</strong> Zellen <strong>für</strong> Viscous-Flow-Solver. Natürlich<br />

werden diese nicht mehr einzeln vom Benutzer definiert, haben aber prinzipiell alle ihren Einfluss<br />

auf das Ergebnis der Berechnung.<br />

Der Trend geht potentiell wieder zurück vom kompetenten (verstehenden) Programmierer zum<br />

empirischen ‚user‘ fertiger (käuflicher) ‚software‘. Die ‚Autorität‘ solcher hochentwickelten<br />

Programmsysteme kann zur unkritischen Akzeptanz <strong>von</strong> Ergebnissen verleiten. Ebenso wie<br />

materielle Modelle im Labor bleiben auch analytische <strong>und</strong> numerische Modelle im Computer<br />

immer nur in Grenzen ähnlich <strong>und</strong> nie identisch mit dem natürlichen Vorbild. Da die Qualität der<br />

Antworten immer auch <strong>von</strong> der Qualität der Fragen abhängt, wird der Plausibilitäts-Test bei<br />

komplexen Modellen eher noch wichtiger als bei einfachen.<br />

„Wer Computer-Programme benutzt, muss schätzen können!“, sagte mir ein Software-Entwickler.<br />

Und einer der Väter der Mathematik stochastischer Prozesse, Richard W. Hamming, warnte mit<br />

‚Hamming’s motto‘: „The purpose of computing is insight, not numbers!“<br />

Diese Einsicht in den Kern komplexer Probleme <strong>und</strong> damit auch die Übersicht über die<br />

Zusammenhänge war <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> <strong>und</strong> seiner Generation noch selbstverständlich. Dass solche<br />

kritische Einsicht <strong>und</strong> Übersicht sich nicht selbstverständlich auch auf kommende Generationen<br />

überträgt, zeigt der heute oft unkritische Umgang junger Kollegen mit komplexen Programmsystemen<br />

<strong>und</strong> ihren Ergebnissen.<br />

SEEGANG > >BEWEGUNG<br />

BELASTUNG > >BEANSPRUCHG.<br />

INPUT SIGNAL> > OUTPUT<br />

85


„Die technische Entwicklung geht vom Primitiven über das Komplizierte zum Einfachen“,<br />

soll Antoine de Saint-Exupéry gesagt haben.<br />

Dieses Muster scheint sehr allgemein <strong>für</strong> unser Denken <strong>und</strong> Handeln zu gelten: Der Weg <strong>von</strong> der<br />

Beobachtung zum Verständnis führt normalerweise über den ‚Umweg‘ der Analyse, mit der<br />

Gefahr in der Komplexität des Problems stecken zu bleiben, aber mit der Chance, es auf seinen<br />

einfachen Kern zu reduzieren. Ähnlich wird man häufig eine primitive Technik zunächst unnötig<br />

kompliziert ‚verschlimmbessern‘, bevor man sie zu einer einfachen, ‚eleganten Lösung‘ reduziert,<br />

die genau dem angestrebten Ziel angemessen ist.<br />

Das kann man sehr schön an einem Diagramm veranschaulichen, das H. Duddeck 1977 veröffentlicht<br />

hat. Aufgetragen über der Zeit ist der relative Aufwand bezogen auf den erforderlichen<br />

Aufwand zur Lösung eines technischen Problems.<br />

I. In der ersten primitiven Phase ist das Problem noch kaum erkannt. Entsprechend ist der<br />

Aufwand ungenügend <strong>und</strong> die Leistung unbefriedigend.<br />

II. In der zweiten komplexen Phase wird ein Forschungsprogramm eingeworben <strong>und</strong> mit<br />

großem Elan angepackt. Es werden hochkomplexe Rechenmodelle entwickelt. Der<br />

getriebene Forschungsaufwand schießt (notwendigerweise) weit über das erforderliche<br />

Niveau zur technischen Lösung hinaus. Es setzt ein Lernprozess ein mit Gelegenheiten<br />

zu Dissertationen. Und irgendwann lernt man auch, die Modelle <strong>und</strong> den Aufwand auf<br />

die wesentlichen Parameter zu konzentrieren <strong>und</strong> zu reduzieren.<br />

III. Das geschieht dann in der dritten Phase der Einfachheit. Der Aufwand schwingt<br />

asymptotisch auf das erforderliche Niveau ein. Die ausgereifte technisch robuste<br />

Lösung wird angestrebt <strong>und</strong> schließlich erreicht.<br />

86<br />

H.Duddeck 1977


Aber es gibt auch Ausnahmen <strong>und</strong> Abweichungen vom ‚normalen‘ Pfad:<br />

- Pannen <strong>und</strong> Rückschläge können auch in der abschließenden Phase der Reduktion noch<br />

vorübergehend <strong>für</strong> steigenden Aufwand zur Aufklärung <strong>und</strong> Behebung der<br />

Schwierigkeiten sorgen.<br />

- Um das hohe Niveau auf dem Gipfel der Forschungsanstrengungen zu halten, kann man<br />

nach neuen Problemen suchen, die diesen Aufwand rechtfertigen.<br />

- In ganz seltenen Fällen kann ein erfahrener ‚Alter Hase‘ frühzeitig erkennen, was<br />

überflüssig ist, <strong>und</strong> mit geringem Mehraufwand gleich die Abkürzung zum angemessenen<br />

Niveau der ausgereiften Lösung finden. Das wäre der seltene, elegante <strong>und</strong> geniale Weg!<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong>s seltene Fähigkeit, in der wissenschaftlichen Analyse immer den Weg zum<br />

praktischen Ziel zu sehen <strong>und</strong> ihn kreativ <strong>und</strong> pragmatisch zu verfolgen, hat wohl alle seiner<br />

Mitarbeiter nachhaltig geprägt.<br />

Empirisches Wissen-wie? → Rationales Wissen-warum? → Verantwortliches Wissen-wozu?<br />

Plinius, der römische Weltbeschreiber, soll in einem der 37 Bände seiner Naturgeschichte als<br />

eines der W<strong>und</strong>er der Welt erwähnt haben, dass zwei Schiffe im gleichen Wind auf entgegengesetzten<br />

Kursen segeln könnten. Das ist wohl ein Beispiel <strong>für</strong> die Gründlichkeit <strong>und</strong><br />

Vollständigkeit seiner enzyklopädischen Arbeit <strong>und</strong> <strong>für</strong> das Wissen seiner Zeit, das überwiegend<br />

aus Beobachtung <strong>und</strong> Beschreibung bestand <strong>und</strong> die Vielzahl der Tatsachen sammelte, weitgehend<br />

ohne sie zu hinterfragen.<br />

EXPERIMENT > THEORIE > PROGNOSE<br />

PLINIUS ><br />

MODELL<br />

REZEPT<br />

vergangene ERFAHRUNG > ESELS-BRÜCKE > künftige ANWENDUNG<br />

Knapp 1500 Jahre später entdeckt die Renaissance das klassische Wissen wieder <strong>und</strong> beginnt nach<br />

den Ursachen zu fragen. Der Universalgelehrte Gerolamo Cardano verfasst das zehnbändige<br />

Werk ‚Opera Omnia‘ <strong>und</strong> zitiert Plinius‘ Beobachtung der beiden Segelschiffe auf Gegenkurs mit<br />

dem bemerkenswerten Kommentar, man wisse zwar wie es geschehe, aber nicht warum.<br />

Die Zeit war reif, (endlich wieder, nach Archimedes & Co.) das (handwerklich) gesammelte<br />

‚Wissen-wie?‘ zu ordnen <strong>und</strong> die Zusammenhänge gedanklich abzubilden.<br />

Dieser wissenschaftliche Prozess <strong>von</strong> Beobachtung, Analyse <strong>und</strong> theoretischer Modellierung<br />

wurde in fast 500 Jahren immer mehr ausgeweitet <strong>und</strong> perfektioniert. Man könnte stellvertretend<br />

dabei an Pioniere <strong>von</strong> Galilei über Newton, Einstein <strong>und</strong> Planck denken. Das ‚Wissen-warum?‘<br />

haben wir in ‚unserem‘ letzten Jahrh<strong>und</strong>ert der ‚Freiheit‘ förmlich explodieren sehen.<br />

87


Das gesammelte ‚Wissen wie?‘ brauchen wir uns nicht mehr zu merken, da<strong>für</strong> nutzen wir das<br />

Internet. Das erforschte ‚Wissen warum?‘ haben wir als Rechenmodelle in Software-Pakete<br />

gepackt. Wir hätten damit die besten Voraussetzungen, unsere Welt klug <strong>und</strong> glücklich zu<br />

organisieren, aber wir sind dabei, unseren einzigartigen Blauen Planeten ins Chaos zu stürzen:<br />

- Das Artensterben eskaliert im Pflanzen- <strong>und</strong> Tierreich, im Meer <strong>und</strong> an Land.<br />

- Wir verschwenden Rohstoffe <strong>und</strong> verschmutzen damit Land, Wasser <strong>und</strong> Luft.<br />

- Wir scheinen machtlos gegen Hunger, Gewalt <strong>und</strong> Kriege.<br />

- Und die Basis unserer Lebensgemeinschaft, das Weltklima <strong>und</strong> die Weltmeere drohen aus<br />

dem Gleichgewicht zu kippen!<br />

Was läuft falsch? Vielleicht passt das Muster der Entwicklung eines technischen Projekts ja auch<br />

auf die globale historische Entwicklung: Danach stecken wir immer noch in der zweiten<br />

komplexen Phase des rationalen ‚Wissens warum?‘ <strong>und</strong> müssten uns dringend um das ethische<br />

‚Wissen wo<strong>für</strong>?‘ <strong>für</strong> die dritte Phase bemühen. Wissen <strong>und</strong> Freiheit sind eigentlich wertfrei. Es<br />

kommt entscheidend darauf an, was man daraus macht. Und das ist eine Frage der<br />

Verantwortung!<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> glaubte wie seine Generation noch an das ‚Freie Spiel der Kräfte‘. Ihnen war dabei<br />

noch die Verantwortung als Voraussetzung der Freiheit selbstverständlich. Unsere Generation<br />

scheint wohl den Wert der Freiheit (des Marktes) übernommen, aber den Wert der Verantwortung<br />

vergessen (oder ignoriert) zu haben. Was dabei herausgekommen ist, erleben wir gerade: Die<br />

Politik rennt verzweifelt hinter den virtuellen Problemen der ‚freien Finanz-Märkte‘ her, anstatt<br />

sich um die ‚himmelschreienden‘ realen Probleme unseres Planeten zu kümmern.<br />

Um aus dem Dickicht der komplexen Fragen zur Einfachheit verantwortlicher Entscheidungen zu<br />

kommen, müssen wir unser Wissen sortieren <strong>und</strong> unser Weltbild vom Kopf auf die Füße stellen.<br />

Dazu sollten wir Techniker <strong>und</strong> Naturwissenschaftler unseren Kaufleuten, Journalisten <strong>und</strong><br />

Juristen einige einfache Gr<strong>und</strong>wahrheiten vermitteln, z.B.:<br />

- Die Natur ist kein Objekt der Wirtschaft, sondern die Basis des Lebens, der Menschen <strong>und</strong><br />

ihrer künstlichen Wirtschaft.<br />

- Geld ist kein Wert an sich, sondern ein Hilfsmittel zur vergleichenden Bewertung <strong>von</strong><br />

Größen unterschiedlicher Dimension.<br />

- Die Natur besteht aus Kreisläufen: Aus nichts kommt nichts,<br />

weder Materie, noch Energie, noch Geld.<br />

- Energie können wir weder erzeugen, noch vernichten.<br />

Wir können sie nur sammeln, umwandeln, nutzen <strong>und</strong> verlieren.<br />

- Exponentielles Wachstum ist im Kreislauf der Natur nur eine embryonale Phase.<br />

Im reifen Alter führt es als Krebs zum Tode.<br />

Eine Gesellschaft <strong>und</strong> Wirtschaft, die nur mit stetigem exponentiellem Wachstum funktioniert,<br />

lebt ständig über ihre Verhältnisse <strong>und</strong> strebt im Zustand der ‚Konkurs-Verschleppung‘ als<br />

‚Kriminelle Vereinigung‘ auf den Kollaps zu.<br />

Auch Adam Smith, der Vater der Theorie des ‚Freien Marktes‘, schrieb vorher seine ‚Theorie<br />

der moralischen Gefühle‘ <strong>und</strong> sah das Vertrauen unter den Teilnehmern als Voraussetzung <strong>für</strong> das<br />

Entstehen <strong>von</strong> Gemeinwohl aus Eigennutz. Und wieder hat die Nachwelt nur das halbe Modell<br />

weitergegeben <strong>und</strong> als ‚Prinzip Habgier‘ zur Quelle des allgemeinen Glücks erklärt – mit fatalen<br />

Folgen. Sogar die ‚Verantwortung‘ wird (elitär) auf das ‚Prinzip Eigenverantwortung‘ reduziert.<br />

88


Wir wissen alle, dass wir nicht so weitermachen können wie bisher. Trotzdem re-agieren wir<br />

bisher auf unsere alarmierenden Beobachtungen <strong>und</strong> Analysen nur mit kurzfristiger Kosmetik <strong>und</strong><br />

dem Prinzip Hoffnung: ‚Et hätt noch immer jut jegange!‘<br />

Die Natur arbeitet langfristig, in Kreisläufen <strong>und</strong> mit Partnerschaften<br />

Nach Jahrtausenden <strong>von</strong> handwerklicher <strong>und</strong> Jahrh<strong>und</strong>erten <strong>von</strong> wissenschaftlicher Entwicklung<br />

hat unsere menschliche <strong>und</strong> technische Explosion zu einer seither nie erreichten Geschwindigkeit<br />

der Veränderung im Lebensraum unseres Planeten geführt. Zum Beispiel läuft unsere menschengemachte<br />

Erhöhung des Treibhaus-Effekts der Atmosphäre mehr als h<strong>und</strong>ert mal so schnell ab,<br />

wie die bisherigen natürlichen Schwankungen, die der Kohlenstoff-Kreislauf als globaler<br />

Thermostat in vier Eiszeit-Zyklen <strong>von</strong> je h<strong>und</strong>erttausend Jahren immer wieder ausgleichen konnte.<br />

Die heutige Herausforderung <strong>und</strong> unsere einzige Chance ist doch, nicht auf die Natur zu warten,<br />

sondern endlich <strong>von</strong> ihr zu lernen: ‚Die Natur braucht uns nicht, aber wir brauchen die Natur!‘<br />

Die einzige Macht, die auf unseren fatalen Angriff schnell genug reagieren kann ist unser eigenes<br />

Gehirn – wenn wir endlich lernen langfristig <strong>und</strong> in Kreisläufen zu denken! (Die Natur kennt<br />

keine Abfälle.) Albert Einstein hat gesagt: ‚Wir könnten unsere Probleme nicht lösen mit dem<br />

gleichen Denken, das diese Probleme hervorgerufen hat.‘ Für dieses Umdenken brauchen wir<br />

viele Gehirne: aus Wissenschaft <strong>und</strong> Technik, aus Wirtschaft <strong>und</strong> Politik, aus Kunst <strong>und</strong> Kultur,<br />

aus allen Ländern <strong>und</strong> Schichten <strong>und</strong> nicht zuletzt <strong>von</strong> Männern <strong>und</strong> Frauen.<br />

EVOLUTION ><br />

Das Letztere ist vielleicht die größte Chance <strong>und</strong> die wichtigste Lektion der Natur:<br />

Die Evolution setzte schon frühzeitig auf gemischt-geschlechtliche Teams bei der Entwicklung<br />

des Lebens. Nur der Mensch hat das Patriarchat erf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> scheint damit in eine Sackgasse zu<br />

laufen. Herbert Grönemeyer singt: „Männer machen alles ganz genau -“, (ob konstruktiv oder<br />

destruktiv), aber man möchte ergänzen: „- <strong>und</strong> Frauen denken auch an die Folgen!“, denn sie<br />

mussten schon immer ihre Familien über den Winter bringen.<br />

Wenn wir den Ausweg aus der Sackgasse schaffen wollen, dass alles, was geht, auch gierig<br />

umgesetzt werden muss, ohne Rücksicht auf die Folgen, dann brauchen wir nicht nur mehr<br />

naturwissenschaftlichen <strong>und</strong> technischen Sachverstand, mehr Mut <strong>und</strong> Verantwortung, sondern<br />

auch mehr kreative Phantasie <strong>und</strong> partnerschaftliche Ergänzung <strong>von</strong> weiblichem <strong>und</strong> männlichem<br />

Denken.<br />

Ich bin nicht sicher, ob mir <strong>Otto</strong> <strong>Grim</strong> damals zugestimmt hätte. Heute würde er es vielleicht tun.<br />

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Literatur<br />

Weinblum, G.P. & M. St.Denis: ‘On the Motions of Ships at Sea’,<br />

Trans. SNAME Vol. 58, 1950.<br />

St.Denis, M. & W.J. Pierson: ‘On the Motions of Ships in Confused Seas’,<br />

Trans. SNAME Vol. 61, 1953.<br />

<strong>Grim</strong>, O.: ‘Berechnung der durch Schwingungen eines Schiffskörpers erzeugten<br />

hydrodynamischen Kräfte‘, Jahrb. STG 47, 1953.<br />

Duddeck, H.: ‚On the Role of Research Models and Technical Models in Engineering Sciences’,<br />

ICOSSAR ’77, München 1977.<br />

Plinius Sec<strong>und</strong>us, G. (d. Ältere): ‚Naturalis Historia’, 37 Bände, ab 0077.<br />

(Auf Plinius soll die Metapher der ‚Eselsbrücke’<br />

zur Überwindung gedanklicher Hindernisse zurückgehen.)<br />

Cardano, G.: ‚Opera Omnia‘, 10 Bände, Lyon 1663.<br />

Smith, A.: ‘The Theory of Moral Sentiments’, 1759, and<br />

‘An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations’, 1776.<br />

Bücher zu den Themen<br />

Fromm, E.: ‚Haben oder Sein‘, DVA, 1976.<br />

Schumacher, E.F.: ‚Die Rückkehr zum menschlichen Maß‘ (Small is beautiful), Rohwolt, 1977.<br />

‚Das Ende unserer Epoche‘ (Good Work), Rohwolt, 1980.<br />

Weizenbaum, J.: ‘Die Macht der Computer <strong>und</strong> die Ohnmacht der Vernunft‘, Suhrkamp, 1977.<br />

Jonas, H.: ‚Das Prinzip Verantwortung‘, Suhrkamp, 1979.<br />

Weizsäcker, E.U. v. et al.: ‚Faktor Fünf: die Formel <strong>für</strong> nachhaltiges Wachstum‘, Droemer, 2010<br />

Leggewie, C. & H. Welzer: ‚Das Ende der Welt, wie wir sie kannten‘, Fischer, 2011.<br />

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